Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin wurde am 26. September 1933 in
M. (M. ) in der Tschechischen Republik geboren.
Ihr Vater ist der am 24. Oktober 1901 in M. geborene
und 1983 verstorbene K. I. , ihre Mutter die am
24. Oktober 1901 in M. geborene K. I. , geborene
S. .
Die Klägerin beantragte unter dem 22. April 1991 ihre
Aufnahme als Aussiedlerin. Sie gab an, sie sei deutsche
Volkszugehörige mit deutscher Muttersprache und deutscher
Umgangssprache in der Familie. Mit ihrem Ehemann spreche sie
tschechisch. Sie sei bei Geburt tschechische Staatsangehörige
gewesen und auch jetzt tschechische Staatsangehörige. Am
12. Mai 1943 habe sie die deutsche Staatsangehörigkeit
erhalten. Seit 1980 sei sie Mitglied des Kulturverbandes der
Bürger deutscher Nationalität der CSSR; 1990 sei sie
Gründungsmitglied des Verbandes der Deutschen in der
Tschechoslowakei gewesen. Ihr Vater sei tschechischer
Volkszugehöriger, jedoch deutscher Abstammung. Er habe von
1930 bis 1945 beim Fürstlich Thurn- und Taxischen Rentamt
M. als Chauffeur und Amtsdiener gearbeitet. Ihre
Mutter sei deutsche Volkszugehörige mit deutscher
Muttersprache und Umgangssprache in der Familie. Sie habe 1941
die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Die Großeltern
mütterlicherseits seien ebenfalls deutsche Volkszugehörige
gewesen. Sie sei das einzige Kind ihrer Eltern. Nach
Errichtung einer deutschen Volksschule in M. habe
sie diese bis 1944 und im folgenden Jahr die deutsche
Hauptschule in C. -U. besucht. Am 29. Juni 1945 sei
sie mit ihrer Mutter in den Raum D. /G. (P. )
"wild vertrieben" worden, jedoch wieder zurück nach
C. geflüchtet. Ihre persönlichen Sachen im Wert von
5.000,-- DM sowie die Wohnung ihrer Eltern im Wert von
30.000,-- DM und das Haus und Grundstück ihrer Großeltern im
Wert von 200.000,-- DM seien enteignet worden. 1953 habe sie
das Abitur abgelegt, jedoch nicht weiter studieren dürfen. Sie
habe als Büroangestellte gearbeitet. Ihre erste Ehe mit dem
deutschstämmigen K. I. sei 1966 geschieden
worden. Sie habe dann mit ihrem Sohn in A. gelebt. 1983
habe sie zum zweitenmal geheiratet und sei nach
L. übergesiedelt. Seit dem 1. Oktober 1989 sei sie
Rentnerin. Sie sei von ihrer Mutter als Deutsche erzogen
worden und habe sich auch unter dem kommunistischen Regime zum
Deutschtum bekannt. Ihre Nationalität im Personalausweis sei
auch jetzt "Deutsch". Ihr Wunsch auszusiedeln sei von den
tschechischen Behörden nicht akzeptiert worden. Sie habe fünf
Jahre hintereinander versucht, eine Bewilligung für eine Reise
nach Deutschland zu bekommen.
Die Klägerin legte eine Mitteilung des Staatszentralarchivs
Prag vor, nach der sich ihre Mutter und deren Eltern bei der
Volkszählung am 1. Dezember 1930 in M. mit deutscher
Nationalität eingetragen haben. Sie reichte ferner
Schulzeugnisse für die Schuljahre 1942/43 und 1943/44, eine
Bestätigung von Frau J. M. über den Besuch der
deutschen Hauptschule sowie eine Kopie ihres 1988
ausgestellten Personalausweises mit der Eintragung der
deutschen Nationalität zu den Akten.
Nach einer Mitteilung des Bezirksarchivs T. (A. )
waren die Klägerin und ihre Mutter in den Verzeichnissen der
Bevölkerung der deutschen Nationalität von 1945
aufgeführt.
Nach einem ebenfalls vorgelegten Grundstücksbuchauszug
wurden die im Eigentum der Großmutter mütterlicherseits der
Klägerin stehenden Grundstücke Nr. (Garten und Wiese) und
Nr. (Baugrundstück mit dem Haus Nr. ), K. region M. ,
Kreis M. , am 25. April 1950 konfisziert und dem
volkseigenen Betrieb Tschechoslowakische Staatswälder in Prag
übertragen.
Unter dem 27. Dezember 1991 trug die Klägerin weiter vor,
sie sei vor allem durch den Verlust des Eigentums der Familie
benachteiligt. Sie lebe außerdem in einer totalen
Vereinsamung. Sie könne außerhalb der eigenen Familie die
deutsche Muttersprache und die deutsche Kultur nicht pflegen.
Der nächste Kulturverband sei über 80 km entfernt. Deutsches
Fernsehen könne sie nicht empfangen. Die "Prager Volkszeitung"
werde stets verspätet zugestellt. Als deutsche Volkszugehörige
werde sie in der Tschechischen Republik durch niemanden
vertreten. Der Haß der tschechischen Bevölkerung dauere an.
Sie sei schon einige Male im Zug oder Bus angegriffen und als
Nazi und Faschist beschimpft worden. Als sie in C. in einem
Restaurant deutsch gesprochen habe, sei sie von der Polizei
auf der Heimreise kontrolliert, ausgefragt und wie eine
Verdächtige behandelt worden. Ihre Post aus dem Ausland werde
wahrscheinlich kontrolliert; sie sei oft beschädigt. Im
Umkreis von 200 km gebe es keinen deutschen Gottesdienst. Die
deutsche Form des Nachnamens dürfe sie in der Tschechischen
Republik nicht benutzen.
Nach einer Mitteilung der deutschen Botschaft in Prag vom
11. Februar 1992 spricht die Klägerin fließend deutsch; im von
ihr vorgelegten Personalausweis sei die deutsche Nationalität
eingetragen.
Im Rahmen weiterer Ermittlungen des Bundesverwaltungsamtes
bestätigte das staatliche Kreisarchiv T. , daß die
Klägerin von 1939 bis 1945 in M. die dortige deutsche
Volksschule besucht habe, ihre Mutter deutsche Volkszugehörige
gewesen sei und daß beide am 29. Juni 1945 "wild abgeschoben"
worden und kurze Zeit später zurückgekehrt seien. In einem vom
Kreisarchiv T. übersandten Ermittlungsbogen aus dem Jahr
1949 zum Antrag über die Rückgabe der tschechoslowakischen
Staatsbürgerschaft an die Mutter der Klägerin ist die Mutter
mit deutscher, die Klägerin mit tschechischer Nationalität
angegeben. Die Klägerin besitze die "Bescheinigung der tsl.
Staatsbürgerschaft". Das staatliche Zentralarchiv Prag
übersandte Fragebogen zur Feststellung der deutschen
Volkszugehörigkeit für die Klägerin und ihre Mutter, nach
denen die Mutter am 1. Juli 1941 und die Klägerin am 12. Mai
1943 deutsche Staatsangehörigkeitsausweise erhielten. Ferner
stellte es eine beglaubigte Kopie des Zählbogens der Mutter
für die Volkszählung im Jahr 1930 zur Verfügung. Danach
bekannte sich die Mutter zur deutschen Nationalität.
Am 19. August 1993 hat die Klägerin Untätigkeitsklage
erhoben. Sie hat vorgetragen: Ihre deutsche Volkszugehörigkeit
sei offensichtlich. Es liege auch eine Benachteiligung im
Sinne des § 4 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz vor, weil ihre
Eltern wegen der deutschen Volkszugehörigkeit
entschädigungslos enteignet worden seien. Sie sei als einziges
Kind Alleinerbin des gesamten Vermögens. Diese Benachteiligung
dauere auch an, weil die Rechtmäßigkeit der damaligen
Enteignungen und die Entschädigungsfrage bis heute kontrovers
diskutiert würden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihr
einen Aufnahmebescheid zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom
10. Januar 1996 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird
Bezug genommen.
Gegen das am 6. Februar 1996 zugestellte Urteil hat die
Klägerin am 5. März 1996 Berufung eingelegt, zu deren
Begründung sie vorträgt: Es bestünden erhebliche Zweifel, ob
die Ungleichbehandlung der Deutschen aus der ehemaligen
Sowjetunion und der Deutschen aus den in § 4 Abs. 2
Bundesvertriebenengesetz genannten Gebieten sachlich
gerechtfertigt sei. In der Tschechischen Republik könne von
einer Umsetzung der verfassungs- und völkerrechtlich
garantierten Rechte der deutschen Volkszugehörigen noch nicht
gesprochen werden. Ein anderer Gesichtspunkt, der die
Ungleichbehandlung rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich.
Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2
Bundesvertriebenengesetz für die Klägerin vor. Dessen
Auslegung habe sich danach zu richten, daß die heutige Lage
der Volksdeutschen in diesen Gebieten das Ergebnis eines
historischdynamischen Prozesses sei, der nach dem Ersten
Weltkrieg mit der Gründung neuer Vielvölkerstaaten begonnen
und mit dem Zerfall der kommunistischen Diktatur in der
Tschechoslowakei seinen Abschluß noch nicht gefunden habe. Der
ursprüngliche Regierungsentwurf für das
Kriegsfolgenbereinigungsgesetz sei davon ausgegangen, daß die
Verwaltung in der Regel gar nicht mehr feststellen könne, in
welchem Umfang der einzelne Antragsteller noch von einem
Kriegsfolgeschicksal betroffen sei. Die Regelung in § 4 Abs. 2
Bundesvertriebenengesetz sei ohne nähere Hinweise erst vom
Vermittlungsausschuß eingefügt worden, offenbar um die
Zustimmung der parlamentarischen Opposition zur Neuregelung
des Asylrechts zu erkaufen. Der Begriff der Benachteiligung
sei möglichst weit auszulegen, weil der Gesetzgeber auf
Regelbeispiele verzichtet habe, die einen Rückschluß auf seine
Absichten zugelassen hätten. Eine Verknüpfung mit den
Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und den unmittelbaren
Nachkriegsereignissen sei nicht erforderlich. Die
Benachteiligungen müßten auch nicht seit Beginn der
allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen ununterbrochen angedauert
haben. Benachteiligungen seien daher alle staatlichen oder
nichtstaatlichen Ereignisse, Entwicklungen oder Zustände im
Herkunftsgebiet, die zu nicht ganz unerheblichen Behinderungen
im täglichen Leben des Aufnahmebewerbers geführt haben oder
führen und deren Ursache seine deutsche Volkszugehörigkeit
sei. Hierzu zähle auch die Vereinsamung. Nach dieser
Definition seien die im Herkunftsgebiet der Klägerin lebenden
Volksdeutschen nach wie vor Benachteiligungen bzw.
Nachwirkungen von Benachteiligungen ausgesetzt. Seit dem
Zweiten Weltkrieg sei die kulturelle und politische Identität
der Deutschen systematisch ausgelöscht worden. Erst durch den
deutschtschechoslowakischen Vertrag vom 27. Februar 1992
hätten die Deutschen rechtlich verbindlich festgelegte
Minderheitenrechte erhalten. Der Vertrag enthalte jedoch nur
eine politische Absichtserklärung; an einer Umsetzung fehle es
jedenfalls für die konkrete Lebenssituation der Klägerin. Das
Haus ihrer Großeltern sei ausgeraubt und enteignet worden.
Auch ihre Eltern und sie selbst hätten ihr gesamtes Eigentum
verloren. Die tschechische Regierung weigere sich nach wie
vor, enteignete Volksdeutsche zu entschädigen. Aus der Sicht
der Klägerin sei dies zumindest die Nachwirkung einer früheren
Benachteiligung. Die Klägerin könne sich auch auf ihre
persönliche Vereinsamung an ihrem Wohnort berufen. Die
Vereinsamung als Benachteiligungstatbestand gestatte eine
individuelle Prüfung, inwieweit die völkerrechtlichen
Vereinbarungen auch am Wohnort des Aufnahmebewerbers bereits
in die tägliche Praxis umgesetzt worden seien. Es treffe daher
nicht zu, daß § 4 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz leerlaufe,
wenn man die generelle Vereinsamung der deutschen
Volkszugehörigen als Benachteiligung anerkennen würde. Die
Vereinsamung beruhe darauf, daß die früheren Benachteiligungen
der deutschen Volkszugehörigen nicht endgültig beseitigt
seien. Zu der Vereinsamung trügen auch die von der Klägerin
geschilderten Beschimpfungen und Schikanen bei. Die von ihr
beabsichtigte Inanspruchnahme elementarer Menschenrechte wie
die öffentliche Benutzung ihrer Muttersprache sei noch
keineswegs zu einer Selbstverständlichkeit geworden.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern
und nach dem in erster Instanz
gestellten Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen für die Klägerin
geführten Verwaltungsvorgänge (ein Heft) und die Gerichtsakte
des Sohnes der Klägerin im Verfahren 10 K 5467/93 (VG Köln)
nebst Verwaltungsvorgängen (zwei Hefte) Bezug genommen.
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat
die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides.
Als Rechtsgrundlage für das Klagebegehren kommt nur § 27
Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der
Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG)
in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung der
Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl. I S. 829) in Betracht.
Auf die Klägerin findet das Bundesvertriebenengesetz nicht in
der zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 1991 geltenden
Fassung, sondern in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden
Fassung Anwendung, weil sie das Aussiedlungsgebiet noch nicht
verlassen hat. Eine unzulässige Rückwirkung liegt darin
nicht.
Vgl. hierzu ausführlich BVerwG,
Urteil vom 29. August 1995
- 9 C 391.94 -, DVBl. 1996, 198, 199 =
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf
Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten
erteilt, die nach Verlassen dieser Gebiete die Voraussetzungen
als Spätaussiedler erfüllen. Da die Klägerin aus der
Tschechischen Republik nach Deutschland einreisen würde, ist
sie nur dann Spätaussiedlerin, wenn sie die Voraussetzungen
des § 4 Abs. 2 BVFG erfüllt. Danach ist Spätaussiedler ein
deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des
§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG außer den in § 4 Abs. 1 genannten
Staaten (die Republiken der ehemaligen Sowjetunion, Estland,
Lettland und Litauen), der die übrigen Voraussetzungen des
Abs. 1 erfüllt und glaubhaft macht, daß er am 31. Dezember
1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit
unterlag.
Der Senat läßt offen, ob die Klägerin neben der
Staatsangehörigkeit der Tschechischen Republik auch heute noch
die am 12. Mai 1943 erworbene deutsche Staatsangehörigkeit
besitzt. Denn nach der seit dem 1. Januar 1993 geltenden
Fassung des Bundesvertriebenengesetzes ist die deutsche
Staatsangehörigkeit für den Erwerb der
Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 BVFG ohne Belang. Zwar
hätte die Klägerin nach § 27 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG
in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung als
Aussiedlerin einen Aufnahmebescheid aufgrund ihrer - hier
einmal unterstellten - deutschen Staatsangehörigkeit erhalten
können. Diese Vorschrift findet hier aber keine Anwendung.
Denn auch insoweit ist nach den vom Bundesverwaltungsgericht
herausgearbeiteten Grundsätzen das Bundesvertriebenengesetz
nur in der neuen Fassung anzuwenden, wenn der Aufnahmebewerber
das Aussiedlungsgebiet noch nicht verlassen hat.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August
1995 - 9 C 391.94 -, DVBl. 1996, 198,
199 = BVerwGE 99, 133.
A. Der Senat folgt der vom Verwaltungsgericht ausführlich
dargelegten Auffassung, daß die Klägerin als deutsche
Volkszugehörige im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG anzusehen ist und
sieht insoweit gemäß § 130 b VwGO von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
B. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Erteilung
eines Aufnahmebescheides, weil die weiteren Voraussetzungen
des § 4 Abs. 2 BVFG nicht vorliegen.
I. Anders als nach der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden
Rechtslage setzt der Anspruch auf Erteilung eines
Aufnahmebescheides nunmehr gemäß § 4 Abs. 2 BVFG zusätzlich
voraus, daß der Aufnahmebewerber im Einzelfall darlegt und
glaubhaft macht, daß er am 31. Dezember 1992 oder danach
Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit
unterlag. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2
BVFG, weil der Aufnahmebewerber danach glaubhaft zu machen
hat, daß er in seiner Person entsprechende Benachteiligungen
erfahren hat. Dieses Verständnis steht nicht im Widerspruch
zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November
1992,
- 9 C 6.92 -, BVerwGE 91, 140,
145 ff.
Dort wird lediglich festgestellt, der Grundsatz der
Vermutung des Vertreibungsdrucks könne nicht im Wege der
richterlichen Rechtsfortbildung derart in sein Gegenteil
verkehrt werden, daß der deutsche Staatsangehörige oder
Volkszugehörige die Gründe für seine Ausreise im einzelnen
darlegen oder gar für seine Person konkrete Benachteiligungen
nachweisen müßte; zur Änderung dieser Rechtslage sei nur der
Gesetzgeber befugt. Diese Änderung hat der Gesetzgeber durch
§ 4 Abs. 2 BVFG nunmehr vorgenommen.
II. Die von der Klägerin vorgetragenen
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 4 BVFG
vorgenommene Differenzierung, daß Spätaussiedler aus der
ehemaligen Sowjetunion, Estland, Lettland oder Litauen keine
Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen glaubhaft machen müssen, teilt der Senat
nicht. Die Differenzierung nach Aussiedlungsgebieten verstößt
weder gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1
GG.
Der spezielle Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG
kann insofern betroffen sein, als niemand wegen seiner Heimat
benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Der Begriff "Heimat"
bezieht sich auf die örtliche Herkunft.
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 30. Mai
1978 - 1 BvL 26/76 -, BVerfGE 48, 281,
287.
§ 4 Abs. 2 BVFG berührt jedoch den Schutzbereich des Art. 3
Abs. 3 Satz 1 GG nicht. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbietet eine
Sonderbehandlung, die ihre Ursache in den durch dieses
besondere Grundrecht bezeichneten Gründen hat. Es muß also ein
kausaler Zusammenhang zwischen einem der aufgeführten Gründe
und der Benachteiligung oder Bevorzugung bestehen.
Differenzierungen, die auf anderen Unterschieden der Personen
oder der Lebensumstände beruhen, bleiben unberührt.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 8. April
1987 - 1 BvL 8,16/84 -, BVerfGE 75, 40,
70.
Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung knüpft
erkennbar nicht an die unterschiedlichen örtlichen
Herkunftsgebiete an sich an, sondern an das besondere
Schicksal der deutschen Volksgruppe in der früheren
Sowjetunion, das im Gegensatz zum Schicksal der deutschen
Volksgruppen in den anderen Aussiedlungsgebieten durch
Deportation nach Beginn des deutschsowjetischen Krieges am
22. Juni 1941, Verpflichtungen zur Zwangsarbeit, Stellung
unter Kommandantur und jahrzehntelange stigmatisierende
Ausgrenzung gekennzeichnet ist.
Hierzu ausführlich BVerwG, Urteil
vom 13. Juni 1995 - 9 C 392.94 - DVBl.
1995, 1302, das aufgrund des von ihm
ausdrücklich so bezeichneten besonderen
Schicksals der deutschen Volksgruppe in
der früheren Sowjetunion andere
Anforderungen an den Nachweis der
Identifikation mit dem
Volkstumsbewußtsein eines deutschen
Elternteils stellt.
Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus
Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Zwar gilt für die Prüfung
der sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ein
relativ strenger Maßstab, weil die angegriffene Regelung zu
einer erheblichen Ungleichbehandlung von Personengruppen
führt, deren Mitglieder die ungleichen Rechtsfolgen faktisch
nicht vermeiden können.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Juli 1995
- 1 BvF 2/86 u.a. -, BVerfGE 92, 365,
407 f.
Das besondere Schicksal der deutschen Volksgruppe in der
früheren Sowjetunion, Estland, Lettland oder Litauen
rechtfertigt jedoch ihre Ungleichbehandlung gegenüber den
anderen deutschen Volksgruppen.
III.1. Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen sind konkrete und persönliche, nicht allein
aus der allgemeinen Situation der deutschen Volksgruppe
resultierende Umstände, die der Aufnahmebewerber unmittelbar
selbst erfahren hat und die seine Lebensführung im
Aussiedlungsgebiet nicht nur unwesentlich erschweren oder
behindern.
Vgl. bereits OVG NW, Urteil vom
22. Februar 1995 - 2 A 3871/91 -;
ferner von Schenckendorff,
Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht,
Kommentar zum BVFG, Stand September
1996, § 4 BVFG n.F., Anm. 5 a; vgl.
dazu auch teilweise anders OVG NW,
Urteil vom 24. Oktober 1996
- 22 A 408/94 -.
Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des
Einzelfalles. Dabei sind alle Lebensbereiche, wie Schule,
Ausbildung, Beruf, soziales und gesellschaftliches Leben sowie
kulturelle und volkstumsmäßige Identität einzubeziehen.
Vgl. von Schenckendorff, a.a.O. § 4
BVFG n.F. Anm. 5 a.
Dementsprechend ist es unerheblich, ob die Benachteiligungen
von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite ausgehen. Die
Benachteiligungen müssen - wie bereits das Erfordernis der
Glaubhaftmachung zeigt - objektiv vorliegen; ein subjektives
Empfinden des Aufnahmebewerbers reicht nicht aus.
Dieses Verständnis der Begriffe ergibt sich aus
folgendem:
a. Die Begriffe "Benachteiligungen" und "Nachwirkungen
früherer Benachteiligungen" sind im Gesetz nicht näher
bestimmt. Hinweise auf ihren Inhalt ergeben sich aber aus der
Entstehungsgeschichte des Gesetzes. In der Begründung des
Gesetzentwurfs für die erst während des
Gesetzgebungsverfahrens zum Erlaß des
Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes eingeführte Vorschrift heißt
es zu dem ursprünglichen Vorschlag "... wer im Zeitpunkt der
Stellung des Antrags nach § 27 noch nachwirkende erhebliche
Beeinträchtigungen aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit
nachweist.":
"47 Jahre nach Kriegsende ist es
geboten, das für eine bestimmte
geschichtliche Situation geschaffene
Bundesvertriebenengesetz abzuschließen
und den künftigen Aussiedlerzuzug auf
eine den heutigen Verhältnissen
angepaßte Grundlage zu stellen ... Für
die künftige Zuwanderung von
Aussiedlern bedeutet dies, daß nicht
mehr vom Fortbestehen der einstigen
Vertreibungslage ausgegangen werden
kann, den Deutschstämmigen, die in
ihrer Heimat aufgrund ihrer Herkunft
besonders zu leiden hatten, aber ein
Sonderweg nach Deutschland
offenzuhalten ist ... Deshalb müssen
die deutsche Volkszugehörigkeit und die
noch nachwirkenden erheblichen
Beeinträchtigungen aufgrund deutscher
Volkszugehörigkeit nachgewiesen
werden." (Änderungsantrag der Fraktion
der SPD, Bundestagsdrucksache 12/3618,
S. 5)
Im Rahmen der Anrufung des Vermittlungsausschusses führt der
Bundesrat aus:
"Für die Feststellung der
Spätaussiedlereigenschaft ist der
Nachweis eines Vertriebenen- bzw.
Kriegsfolgeschicksals erforderlich. Das
Kriegsfolgeschicksal kann in einer
erheblichen persönlichen
Benachteiligung oder auch beruflichen
Benachteiligung bestehen ..."
(Bundestagsdrucksache 12/3891,
S. 1 f.)
Im Vermittlungsausschuß erhielt die Vorschrift ihre jetzige
Fassung; eine weitere Begründung ist nicht gegeben worden
(vgl. Bundestagsdrucksache 12/3966). Auch bei der
abschließenden Beratung im Bundestag fand eine
Auseinandersetzung in sachlichen Fragen nicht statt (vgl.
Plenarprotokoll 12. Wahlperiode, 129. Sitzung vom 11. Dezember
1992, S. 11188). Die Annahme, daß das Kriegsfolgeschicksal in
einer erheblichen persönlichen Benachteiligung oder auch
beruflichen Benachteiligung bestehen könne
(Bundestagsdrucksache 12/3891, S. 1 f.), nimmt demnach Bezug
auf eine Fassung, die nicht Gesetz geworden ist. Die
endgültige Gesetzesfassung übernimmt die Anknüpfung an die
Folgen des Zweiten Weltkrieges durch die Einführung des
Stichtages 31. Dezember 1992 nicht und spricht statt von
"erhebliche Beeinträchtigungen" von "Benachteiligungen", ohne
diese näher zu qualifizieren.
§ 4 Abs. 2 BVFG liegt damit der Gedanke zugrunde, daß
deutsche Volkszugehörige aus den von ihm erfaßten
Aussiedlungsgebieten mehr als 50 Jahre nach Kriegsende in der
Regel nicht mehr in einer Weise benachteiligt werden, daß
ihnen durch das Bundesvertriebenengesetz eine Óbersiedlung
nach Deutschland ermöglicht werden müßte. Das
Bundesverwaltungsgericht ging bis 1977 davon aus, daß sich für
deutsche Volkszugehörige aus den Vertreibungsgebieten allein
aus der deutschen Volkszugehörigkeit bzw. Staatsangehörigkeit
ein auf den Folgen des Zweiten Weltkriegs beruhender
Vertreibungsdruck ergebe. In seinem Urteil vom 16. März
1977,
- 8 C 58.76 -, BVerwGE 52, 167, 177,
entschied das Bundesverwaltungsgericht erstmals, daß
aufgrund der Änderung der Verhältnisse in den
Vertreibungsgebieten eine - von der Behörde nachzuweisende -
Widerlegung des Vertreibungsdrucks in Betracht komme. § 4
Abs. 2 BVFG setzt unter Berücksichtigung der inzwischen
vergangenen Zeit und der Änderung der Verhältnisse die
Entwicklung fort, indem er einen entsprechenden Nachweis durch
den Aufnahmebewerber fordert, beschränkt die Änderung
gegenüber der früheren Rechtslage jedoch nicht auf eine bloße
Umkehr der Beweislast, sondern führt den Begriff der
Benachteiligung mit dem Stichtag 31. Dezember 1992 ein. Das
bedeutet, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen
Benachteiligungen und den Ereignissen im Zusammenhang mit dem
Zweiten Weltkrieg nicht mehr hergestellt wird und daß die
Begriffe "Vertreibungsdruck" und "Benachteiligung" nicht
deckungsgleich sind.
Daraus folgt, daß die nach bisherigem Recht mit dem Begriff
des "Vertreibungsdrucks" umschriebene allgemeine Situation der
deutschen Volksgruppen in den Aussiedlungsgebieten keine
Benachteiligung im Sinne des Gesetzes bedeutet, weil der
Aufnahmebewerber konkrete Benachteiligungen glaubhaft machen
muß, die er in seiner Person erfahren hat. Nach der insoweit
eindeutigen Formulierung in § 4 Abs. 2 BVFG bezieht sich das
Erfordernis der Glaubhaftmachung auf die konkreten und
persönlichen Umstände des Aufnahmebewerbers und nicht auf
allgemeine Benachteiligungen der deutschen Volksgruppe im
Aussiedlungsgebiet. Die Vorschrift liefe leer und ergäbe
keinen Sinn, wenn in Anknüpfung an die bisherige Rechtslage
bereits die Darlegung der gegenwärtigen allgemeinen Situation
der deutschen Volksgruppe in den genannten
Aussiedlungsgebieten zur Glaubhaftmachung einer
Benachteiligung ausreichen könnte. Das bedeutet insbesondere,
daß eine aus der allgemeinen Situation der deutschen
Volksgruppe resultierende persönliche (volkstumsmäßige)
Vereinsamung nicht als Benachteiligung im Sinne des § 4 Abs. 2
BVFG angesehen werden kann.
A.A. OVG NW, Urteil vom 24. Oktober
1996 - 22 A 408/94 -; von
Schenckendorff, aaO; ferner Nr. 2.2 der
vorläufigen Richtlinie des
Bundesministeriums des Innern zu § 4
BVFG vom 24. November 1994.
§ 4 Abs. 2 BVFG wäre außerdem überflüssig, wenn eine
derartige Vereinsamung als Benachteiligung anzusehen wäre: Die
Vereinsamung ist stets als hauptsächliche Spätfolge der
allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen und damit für die Begründung
des nach der früheren Rechtslage vermuteten Vertreibungsdrucks
genannt worden.
Erstmals in BVerwG, Urteil vom
16. März 1977 - 8 C 58.76 -, BVerwGE
52, 167, 175, 177; ferner BVerwG,
Urteil vom 15. Juli 1986 - 9 C 9.86 -,
Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 46; BVerwG,
Urteil vom 20. Oktober 1987
- 9 C 266.86 -, BVerwGE 78, 147, 148;
BVerwG, Urteil vom 26. April 1988
- 9 C 284.86 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG
Nr. 38 am Ende.
Folglich können alle deutschen Volkszugehörigen in den
Aussiedlungsgebieten eine volkstumsmäßige Vereinsamung
aufgrund der Auswanderung der deutschen Volkszugehörigen seit
dem Zweiten Weltkrieg geltend machen. Der Gesetzgeber hat § 4
Abs. 2 BVFG in Kenntnis der Situation der durch Auswanderung
stark verkleinerten deutschen Volksgruppen in den
Aussiedlungsgebieten eingefügt und kann eine dadurch bedingte
am 31. Dezember 1992 bestehende Vereinsamung des einzelnen
daher nicht als Benachteiligung oder Nachwirkung einer
früheren Benachteiligung angesehen haben.
Eine Vereinsamung, die nicht auf der beschriebenen
allgemeinen Situation der deutschen Volksgruppe, sondern auf
individuellen Gründen in der Person des Aufnahmebewerbers
beruht (z.B. Auswanderung der Verwandten, Freunde und
Bekannten) fällt nicht unter § 4 Abs. 2 BVFG, weil sie nicht
kausal auf der deutschen Volkszugehörigkeit des
Aufnahmebewerbers beruht (hierzu noch unten 2.). Eine solche
Situation würde Angehörige anderer Volksgruppen gleichermaßen
treffen.
b. Anhaltspunkte für die Auslegung ergeben sich weiter aus
der Systematik und dem Zweck des Gesetzes.
Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG wird im Rahmen der Frage der
Volkszugehörigkeit ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht
gefordert, sofern es mit Gefahr für Leib und Leben oder
"schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen"
verbunden gewesen wäre. Aus der darin liegenden Steigerung
gegenüber den Begriffen "Benachteiligungen" oder
"Nachwirkungen früherer Benachteiligungen" ist zu schließen,
daß Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen bereits dann vorliegen können, wenn sie
nicht so schwerwiegend sind, daß ein Bekenntnis zum deutschen
Volkstum unzumutbar ist.
Des weiteren muß ein deutscher Volkszugehöriger auch dann,
wenn er Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen glaubhaft machen und damit die
Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 Abs. 2 BVFG erwerben kann,
nach der Systematik des § 27 BVFG grundsätzlich die Erteilung
des Aufnahmebescheides im Aussiedlungsgebiet abwarten. Die
Glaubhaftmachung von Benachteiligungen oder Nachwirkungen
früherer Benachteiligungen begründet nicht gleichzeitig eine
besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG mit der Folge,
daß der Aufnahmebewerber sofort nach Deutschland einreisen
kann, ohne sein Recht auf Erteilung eines Aufnahmebescheides
zu verlieren. Anderenfalls würde die Grundregel des § 27
Abs. 1 Satz 1 BVFG für alle Aufnahmebewerber, die nicht aus
der ehemaligen Sowjetunion, Estland, Lettland oder Litauen
nach Deutschland einreisen würden, von vornherein nicht
gelten; für eine solche Absicht des Gesetzgebers spricht
jedoch nichts. Das bedeutet, daß einem Aufnahmebewerber der
Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet bis zur Erteilung des
Aufnahmebescheides grundsätzlich auch dann noch zugemutet
wird, wenn er Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG glaubhaft
machen kann. Dieser Aufenthalt kann noch mehrere Jahre dauern,
weil nach § 27 Abs. 3 BVFG für jedes Kalenderjahr nur eine
begrenzte Zahl von Aufnahmebescheiden erteilt werden darf und
gegebenenfalls in den Aufnahmebescheid ein Zeitpunkt
eingetragen werden kann, von dem an der Antragsteller
frühestens nach Deutschland einreisen darf. Daraus folgt, daß
die Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen nicht so schwerwiegend sein müssen, daß sie
einem gegebenenfalls noch mehrjährigen Aufenthalt im
Aussiedlungsgebiet entgegenstehen.
Bei Anwendung des § 27 Abs. 3 BVFG ist gemäß § 27 Abs. 4
Satz 2 Nr. 1 BVFG u.a. zu berücksichtigen, ob der
Antragsteller in einem Gebiet lebt, in dem er besonderen
Gefährdungen für Leib, Leben oder persönliche Freiheit
ausgesetzt ist. Die Anwendung des § 27 Abs. 4 Satz 2 BVFG
setzt voraus, daß ein Aufnahmebescheid zu erteilen ist, so daß
die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 BVFG bereits vorliegen
müssen. Daher sind die Anforderungen an den Umfang der
Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG zwangsläufig
geringer, als die Anforderungen an die Erfüllung der
Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BVFG.
Außerdem ist auf § 3 Abs. 1 BVFG hinzuweisen, wo der
Gesetzgeber bei Sowjetzonenflüchtlingen eine "besondere
Zwangslage" vor allem dann für gegeben hält, wenn eine
unmittelbare Gefahr für Leib und Leben oder die persönliche
Freiheit vorgelegen hat, ein Gewissenskonflikt gegeben war
oder wenn die Existenzgrundlage des Betroffenen zerstört oder
entscheidend beeinträchtigt worden ist oder wenn die
Zerstörung oder entscheidende Beeinträchtigung nahe
bevorstand. Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer
Benachteiligungen iSd § 4 Abs. 2 BVFG setzen eine solche
besondere Zwangslage nicht voraus.
Auch wenn aus diesen gesetzessystematischen Gründen
schwerwiegende berufliche oder wirtschaftliche Nachteile bzw.
besondere Gefährdungen für Leib, Leben oder persönliche
Freiheit zur Begründung einer Benachteiligung nicht
erforderlich sind, ergibt diese zusätzliche Voraussetzung
neben der deutschen Volkszugehörigkeit in § 4 Abs. 2 BVFG nur
dann einen Sinn, wenn die Benachteiligungen, die letztlich ein
Recht auf Óbersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland nebst
Inanspruchnahme umfangreicher Sozialleistungen und somit eine
die gesamte Lebensführung des Aufnahmebewerbers einschneidend
ändernde Rechtsfolge begründen, eine gewisse Erheblichkeit
erreichen.
Nach dem Zweck der Vorschrift nicht erfaßt werden
Benachteiligungen, die nicht der Aufnahmebewerber selbst,
sondern seine Eltern, Großeltern oder andere Vorfahren
erlitten haben. § 4 Abs. 2 BVFG bezieht sich nach seinem
Wortlaut auf Benachteiligungen, die der Aufnahmebewerber
unmittelbar selbst erfahren hat. Die Erstreckung auf
Benachteiligungen, die nahe Verwandte erlitten haben, von
denen ansonsten möglicherweise Vermögenswerte im Erbgang
erworben worden wären, würde - abgesehen von der Schwierigkeit
des Nachweises hypothetischer Entwicklungen für ein halbes
Jahrhundert - bedeuten, daß nicht mehr allein die persönliche
Situation des Aufnahmebewerbers maßgebend ist, die jedoch
- wie oben dargelegt - im Rahmen des § 4 Abs. 2 BVFG allein
entscheidend sein muß. Im übrigen würde die Vorschrift dann
leerlaufen, weil im Regelfall jeder deutsche Volkszugehörige
Benachteiligungen anführen kann, die seine Eltern, Großeltern
oder andere Verwandte im Zweiten Weltkrieg oder unmittelbar
danach im Rahmen der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen, die in
allen Aussiedlungsgebieten flächendeckend stattgefunden haben,
erlitten haben.
c. Zwischen dem Begriff der "Benachteiligungen" und dem
Begriff der "Nachwirkungen früherer Benachteiligungen" besteht
kein grundsätzlicher Unterschied. Die zusätzliche Aufnahme der
"Nachwirkungen früherer Benachteiligungen" ist eine Folge des
mit § 4 Abs. 2 BVFG eingeführten Stichtages 31. Dezember 1992
und stellt Benachteiligungen vor diesem Stichtag, die am
31. Dezember 1992 oder danach noch Nachwirkungen hatten, den
Benachteiligungen ab dem 31. Dezember 1992 gleich.
2. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ("auf Grund") ergibt sich
weiter, daß die Benachteiligungen kausal auf der deutschen
Volkszugehörigkeit des Aufnahmebewerbers beruhen müssen. Das
ist der Fall, wenn die deutsche Volkszugehörigkeit des
Aufnahmebewerbers nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß
auch die Benachteiligungen entfallen. Kausalität in diesem
Sinne liegt nicht vor, wenn die in Frage stehenden
Benachteiligungen Angehörige anderer Volksgruppen
gleichermaßen treffen oder treffen würden. Es darf sich daher
nicht um Benachteiligungen handeln, die sich aus der
allgemeinen Lage im Aussiedlungsgebiet ergeben oder die sich
zwar aus der individuellen Situation des Aufnahmebewerbers
herleiten, jedoch nicht in seiner deutschen Volkszugehörigkeit
begründet sind. Hat eine Benachteiligung mehrere Gründe, muß
sie von der deutschen Volkszugehörigkeit des Aufnahmebewerbers
zumindest wesentlich mitverursacht worden sein.
OVG NW, Urteil vom 6. September 1996
- 2 A 720/94 - und - 2 A 2669/94 -;
vgl. auch von Schenckendorff, aaO, § 4
BVFG n.F. Anmerkung 5 c).
IV. Nach diesen Grundsätzen liegen Benachteiligungen oder
Nachwirkungen früherer Benachteiligungen in der Person der
Klägerin nicht vor.
Die Enteignungen der Großmutter und der Eltern der Klägerin
betrafen nicht die Klägerin selbst und können daher auch keine
Nachwirkungen früherer Benachteiligungen sein. Gegenüber der
Klägerin selbst ist es insoweit zu einer erneuten
Benachteiligung nicht gekommen. Allein die Aufrechterhaltung
der früheren entschädigungslosen Enteignung auch gegenüber der
möglicherweise erbberechtigten Klägerin bedeutet keine erneute
Benachteiligung. Daß auch die Klägerin selbst ihr persönliches
Eigentum im Jahre 1945 verloren hat, bedeutet zwar eine
Benachteiligung. Diese hat jedoch keine erkennbaren und
wesentlichen Nachwirkungen für die Zeit ab dem 31. Dezember
1992. Die Klägerin hat eine solche Nachwirkung hinsichtlich
ihrer persönlichen Gegenstände nicht vorgetragen.
Die von der Klägerin im einzelnen dargelegte Vereinsamung,
die sich daraus ergibt, daß jedenfalls in ihrem Wohnort und in
dessen Nähe kaum noch deutsche Volkszugehörige ansässig sind,
bedeutet aus den oben genannten Gründen keine Benachteiligung
im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG.
Die Tatsache, daß die Klägerin nach Ablegen des Abiturs im
Jahr 1953 nicht studieren durfte, hat sie nicht näher
substantiiert und insbesondere nicht auf ihre deutsche
Volkszugehörigkeit zurückgeführt. Nachwirkungen auf die Zeit
ab dem 31. Dezember 1992 sind nicht ersichtlich.
Die weiter vorgetragenen Beschimpfungen durch die
tschechische Bevölkerung in öffentlichen Verkehrsmitteln als
"Nazi" oder "Faschist" sowie die Verdächtigung und Verfolgung
durch die Polizei nach Benutzung der deutschen Sprache in
einem Restaurant in C. beziehen sich auf die Zeit vor dem
31. Dezember 1992. Für die Zeit danach hat die Klägerin nur
vorgetragen, daß sie im Juni 1996 auf einem Soldatenfriedhof
in N. bei der Besichtigung von Gräbern deutscher
Soldaten von zwei Männern u.a. als "deutsche Hure" beschimpft
und beleidigt worden sei. Belästigungen in dem geschilderten
Umfang reichen jedoch nicht aus, um eine nicht unerhebliche
Einwirkung auf die Lebensführung der Klägerin zu
begründen.
Die Kontrolle und Beschädigung ihrer Post wird von der
Klägerin nur vermutet. Rückschlüsse auf eine Benachteiligung
aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit kann der Senat insoweit
nicht ziehen.
Die weitere Behauptung, die Klägerin dürfe die deutsche
Form ihres Nachnamens in der Tschechischen Republik nicht
benutzen, läßt schon deshalb keine Benachteiligung erkennen,
weil die Klägerin den tschechischen Nachnamen ihres Ehemannes
führt.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 162
Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10,
711 Satz 1 ZPO.
Der Senat läßt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Rechtssache zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil die
Auslegung der Begriffe "Benachteiligungen" und "Nachwirkungen
früherer Benachteiligungen" in § 4 Abs. 2 BVFG für eine
Vielzahl von Fällen Bedeutung hat und höchstrichterliche
Rechtsprechung bislang nicht vorliegt, so daß Klärungsbedarf
im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung
besteht.