OLG Köln, Beschluss vom 03.06.1997 - 25 WF 63/97
Fundstelle
openJur 2012, 76628
  • Rkr:

1. Legt der Berufungsführer die Berufung nur zur Fristwahrung ein, stellt zunächst noch keine Sachanträge und bittet den Berufungsgegner, zunächst von der Bestellung eines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten abzusehen, so steht dem Berufungsgegner im Falle der Berufungsrücknahme kein Kostenerstattungsanspruch zu, wenn er vor Eingang der Berufungsbegründung oder der Ankündigung von Sachanträgen einen Anwalts bestellt.

2. Dies gilt auch im Falle der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und selbst dann, wenn der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Berufungsgegners für den Fall der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die Bestellung von zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten angekündigt hatte.

Tenor

Auf die als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 20. Februar 1997 abgeändert und der Kostenfestsetzungsantrag des Antragstellers vom 7.1.1997 zurückgewiesen; die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin hat mit am 10. Oktober 1996 beim Senat

eingegangenen Schriftsatz gegen das Urteil des Amtsgerichts -

Familiengericht - Köln vom 19. August 1996 Berufung eingelegt,

ohne zugleich einen Antrag zu stellen. In diesem Schriftsatz,

der den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des

Antragstellers am 15.10.1996 zugestellt worden ist, wurde der

Antragsteller gebeten, noch keine zweitinstanzlichen

Prozeßbevollmächtigten zu bestellen. Mit Schreiben vom 23.10.1996

teilten die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des

Antragstellers den Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegnerin mit,

daß sie zunächst noch keine zweitinstanzlichen

Prozeßbevollmächtigten bestellen werden. Desweiteren heißt es in

dem Schreiben:

"Wie Sie von Herrn Kollegen F.

wahrscheinlich erfahren haben, ist mit

der Rechtskraft der Ehescheidung

allerdings von Seiten Ihrer Mandantin

an unseren Mandanten ein Betrag von

40.000, 00 zu zahlen. Mit Rücksicht

auf diesen Umstand weisen wir deshalb

bereits jetzt darauf hin, daß wir

uns nach Ablauf der

Berufungsbegründungsfrist am 10.11.1996 zu zweit-

instanzlichen Prozeßbevollmächtigten bestellen werden,

unabhängig ob das Oberlandesgericht die Berufungsbegründungsfrist

verlängern wird oder nicht."

Mit Schriftsatz vom 8.11.1996 baten die Prozeßbevollmächtigten

der Antragsgegnerin, die Berufungsfrist um einen Monat zu

verlängern, was am 12.11.1996 erfolgte. Mit Schriftsatz vom

25.11.1996 bestellten sich die Rechtsanwälte Sch. pp. und

beantragten zugleich, die Berufung der Antragsgegnerin

zurückzuweisen und stellten Antrag gem. § 515 Abs. 3 ZPO. Mit

Schriftsatz vom 9.12.1996 nahm die Antragsgegnerin ihre Berufung

zurück.

Auf entsprechenden Antrag setzte die Rechtspflegerin des

Amtsgerichts durch Beschluß vom 20.2.1997 die von der

Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstattenden Kosten der II.

Instanz mit 1.578, 38 DM fest. Der Beschluß ist den

Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 26.2.1997 zugestellt

worden. Mit am 7.3.1997 eingegangenen Schriftsatz haben diese

Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß eingelegt mit

Hinweis auf eine Entscheidung des 17. Zivilsenats des OLG Köln,

abgedruckt in AnwBl. 1993, 294. Die Rechtspflegerin hat der

Erinnerung mit der Begründung nicht abgeholfen, der Rechtsprechung

des OLG Köln könne nicht gefolgt werden, weil die Gegenseite im

Falle der verlängerten Berufungsfrist (gemeint:

Berufungsbegründungsfrist) zeitlich in Nachteil gerate. Dem hat

sich der Amtsrichter angeschlossen, nicht abgeholfen und die Sache

deshalb dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gem. §§ 21 Nr. 1, 11 RPflG als sofortige Beschwerde geltende

Erinnerung ist zulässig und begründet.

Der Senat teilt die Auffassung des 17. Zivilsenates des OLG Köln

(AnwBl. 1993, 294), wonach bei einer nur fristwahrend eingelegten

Berufung und der damit verbundenen Bitte an den Berufungsgegner,

zunächst keinen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zu

bestellen, die Kosten eines vor Einreichung der Berufungsbegründung

bzw. des Berufungsantrags bestellten Prozeßbevollmächtigten auch

dann nicht zu den notwendigen und damit erstattungsfähigen Kosten

des Rechtsstreits gehören, wenn die Berufungsbegründungsfrist

verlängert worden ist.

Gem. § 91 Abs. 1 ZPO muß die unterliegende Partei alle in

unmittelbarem Zusammenhang mit dem Rechtsstreit entstandenen Kosten

der obsiegenden Partei erstatten, soweit diese zu einer

zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Zentraler

Gesichtspunkt der Kostenerstattungspflicht ist daher die

Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten. Notwendig sind nur

solche Kosten, die zur Zeit ihrer Entstehung objektiv erforderlich

und geeignet erscheinen, das in Rede stehende Recht zu verfolgen

oder zu verteidigen (Thomas / Putzo, ZPO, 20. Aufl., § 91 ZPO Rn.

9). Hinsichtlich der Kosten für einen von der Partei beauftragten

Rechtsanwalt geht § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO von der grundsätzlichen

Erstattungspflicht aus. Das kann allerdings nicht uneingeschränkt

gelten, weil auch im Rahmen des § 92 Abs. 2 ZPO der Grundsatz zur

Anwendung kommt, daß nur notwendige Kosten zu ersetzen sind.

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht (vgl. OLG Karlsruhe

JurBüro 1995, 88) gilt dies jedenfalls für die II. Instanz auch

schon für die Frage der Inanspruchnahme eines Anwalts, nicht nur im

Hinblick auf die von diesem entfaltete Tätigkeit. Der

Berufungsgegner hat zwar ein anerkennens- und schützenswertes

Interesse an einer möglichst frühzeitigen Vorbereitung seiner

Rechtsverteidigung. Eine Rechtsverteidigung und die damit

verbundene sachliche Prüfung bzw. Auseinandersetzung mit dem

angefochtenen Urteil sowie der Berufungsbegründung findet aber vor

dem Zeitpunkt der Ankündigung des Berufungsantrags bzw. der

Einreichung der Berufungsbegründung nicht statt. Dementsprechend

verneint die wohl h.M. auch die Notwendigkeit der Stellung eines

Sachantrages vor diesen Zeitpunkten (vgl. OLG Karlsruhe aaO sowie

JurBüro 1994, 159; OLG Frankfurt OLGReport 1993, 90). Auch das

Gebot der Gleichbehandlung beider Parteien verlangt nicht, daß der

Berufungsbeklagte - i.S. der Erstattungsfähigkeit derartiger Kosten

- berechtigt ist, vor diesen Zeitpunkten einen Anwalt zu

beauftragen. Zwar wird in diesem Zusammenhang immer wieder - und so

auch in dem vorliegenden Kostenfestsetzungsbeschluß - davon

gesprochen, dem Berufungsgegner könnten Rechtsnachteile entstehen,

wenn er nicht sofort einen Anwalt beauftragen und dieser seine

Vertretung anzeigen könne (vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 1995, 89).

Beispiele oder Begründungen für derartige Rechtsnachteile werden

allerdings nicht gegeben, die Argumentation beschränkt sich

vielmehr auf entsprechende pauschale Behauptungen. Der Senat vermag

derartige Rechtsnachteile nicht zu erkennen, zumal die sachliche

Befassung mit der Berufung ohnehin erst nach Vorliegen der

Berufungsbegründung bzw. Berufungsanträge angezeigt ist. Eine

andere Verfahrensweise wäre unsachgemäß und unwirtschaftlich,

jedenfalls nicht schützenswert. Diesem Ergebnis entspricht es im

übrigen, daß einem Berufungsbeklagten Prozeßkostenhilfe erst

bewilligt wird, wenn die Berufungsbegründung vorliegt und damit

feststeht, daß die Berufung durchgeführt wird (BGH NJW 1982,

446).

Die Sachlage ist vorliegend nicht etwa deshalb anders zu

beurteilen, weil der Antragsteller bereits angekündigt hatte, im

Falle der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist einen Anwalt

zu mandatieren. Denn es ist nicht erkennbar, daß sich an der

Situation des Berufungsgegners zu dessen Lasten allein durch die

Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist etwas geändert haben

könnte. Die Verlängerung allein besagt auch noch nicht, daß die

Berufung tatsächlich durchgeführt werden wird.

Hinzu kommt, daß ausweislich des Schreibens der

Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers 1. Instanz vom 23.10.1996

im konkreten Fall die frühzeitige Bestellung zweitinstanzlicher

Prozeßbevollmächtigter durch den Antragsteller offensichtlich dazu

dienen sollte, die Antragsgegnerin von der Durchführung der

Berufung abzuhalten, damit der Antragsteller möglichst schnell an

den Betrag von 40.000,- DM kam, dessen Fälligkeit von der

Rechtskraft des Urteils abhing. Die Bestellung erfolgte auch aus

der Sicht des Antragstellers also lediglich als Druckmittel zur

Erlangung der 40.000,- DM und nicht im Hinblick auf von ihm

vermutete eventuelle Rechtsnachteile bei einer späteren

Mandatierung. Diese Interessenlage vermag eine Notwendigkeit der

Kosten und damit eine Erstattungspflicht jedoch nicht zu

begründen.

Auch für den Antrag gem. § 515 Abs. 3 ZPO bedurfte es keiner

Beauftragung eines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten. Bei

richtiger Verfahrensweise wären für den Antragsteller als

Berufungsbeklagten keine zweitinstanzlichen Kosten entstanden,

somit bestand auch kein schützenswertes Interesse an der Stellung

eines Antrages, der offensichtlich ins Leere geht.

Der angefochtene Beschluß war daher abzuändern und der Antrag

des Antragstellers auf Festsetzung der Anwaltskosten für die II.

Instanz zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 1.578, 38 DM.