VG Arnsberg, Beschluss vom 07.01.2010 - 14 L 711/09
Fundstelle
openJur 2012, 87821
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 81.625,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der - sinngemäße - Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage vom 18. Dezember 2009 (14 K 3810/09) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. November 2009 anzuordnen bzw. wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

Soweit der Antrag die vier Waffen betrifft, auf deren Besitz der Antragsteller bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig verzichtet hat - so im Schriftsatz vom 22. Dezember 2009 -, fehlt es bereits am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis.

Die Voraussetzungen, unter denen nach einer gesetzlich normierten (so hier gemäß § 45 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr.2 des Waffengesetzes - WaffG -) bzw. - wie hier bezüglich der Regelungen zu § 46 WaffG - behördlich erfolgten Anordnung der sofortigen Vollziehung die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet bzw. wiederhergestellt werden kann, liegen insgesamt nicht vor.

In formeller Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass der Antragsgegner die Anordnung des Sofortvollzugs entsprechend § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders begründet hat. Insoweit hat der Antragsgegner u.a. dargelegt, dass es angesichts der begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers und der Vielzahl seiner Waffen erforderlich sei, die missbräuchliche Verwendung sofort wirksam zu unterbinden.

In materieller Hinsicht fällt die im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des Klageverfahrens verschont zu bleiben, einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Geltung der getroffenen ordnungsbehördlichen Anordnung andererseits zu Lasten des Antragstellers aus.

Die Verfügung leidet nicht an offensichtlichen Rechtsfehlern, die das öffentliche Interesse an ihrem sofortigen Vollzug von vornherein ausschließen würden. Es spricht vielmehr nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage alles dafür, dass der angefochtene Widerruf in dem anhängigen Hauptsacheverfahren Bestand haben wird, d.h. der Antragsgegner insbesondere zu Recht von einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgegangen ist.

Rechtsgrundlage der Anordnung ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Diese Voraussetzungen sind nach Aktenlage erfüllt.

Nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG besitzen u.a. diejenigen Personen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffen-, des Kriegswaffenkontroll-, des Sprengstoff- oder des Bundesjagdgesetzes verstoßen haben. So liegt der Fall nach Aktenlage hier. Auf die ausführlichen Gründe des angefochtenen Bescheides sowie die Antragserwiderungen des Antragsgegners wird entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO mit folgender Maßgabe und Erläuterung Bezug genommen:

§ 5 Abs. 2 Nr.5 WaffG setzt keine Straftat voraus. Der Ausgang von Strafverfahren ist insoweit irrelevant.

Die Ausführungen des Antragstellers zur SL-Büchse Thompson 1928 A1 (Nr. 1a des Bescheides) betreffen im Wesentlichen die strafrechtliche Bewertung. Auch nach seiner Einlassung steht danach zumindest fest, dass der Antragsteller vorsätzlich eine umgebaute Waffe erworben hat, welche eben nicht dem Original entspricht und somit nicht zum Sammelthema, welches nur "Originalstücke" zulässt, gehören kann. Der Erwerb war also rechtswidrig. Die Kammer stimmt dem Antragsgegner überdies ausdrücklich zu, dass ein zuverlässiger Waffenerwerber zuvor den Sachverhalt mit der zuständigen Behörde abgeklärt hätte (vgl. auch § 2 Abs. 5 WaffG).

Spätestens seit Kenntnisnahme der Stellungnahme des LKA NRW vom 28. Februar 2008 musste dem Kläger bewusst sein, dass nur "offiziell eingeführte" Waffen zum Sammelthema gehören können. Aus seinen eigenen, d.h. anwaltlich vorgetragenen Ausführungen ergibt sich, dass eine bloß faktische "Einführung" sog. "Beutewaffen" nicht genügen kann, da das Sammelthema sonst ausufern würde.

Soweit der Antragsteller angibt, den "Reichsbeschussadler" (Nr. 3 des Bescheides) nur zur Selbsttäuschung aus Leidenschaft aufgebracht zu haben, handelt es sich aus Sicht der zum Teil auch mit der Strafrechtspflege vertrauten Kammer um eine der typischen "Nebelkerzen" zum Ausschluss eines strafrechtlichen Vorwurfs.

Soweit der Antragsteller undifferenziert behauptet, die Waffenbesitzkarte habe die Behörde in Besitz gehabt, so dass er sie nicht fristgemäß habe vorlegen können, ist dem bereits der Antragsgegner dezidiert unter Angabe der beanstandeten Erwerbsvorgänge zu Nr. 2-4, 7 und 10-18 entgegengetreten.

Es mag sein, dass der "Verstoß" zu Nr. 6 des Bescheides (Zurückversetzung in den Originalzustand, getrennter Ver- und Ankauf) allenfalls belegt, dass der Antragsteller gern "trickst" und dass die Angabe eines falschen Erwerbsdatums auf einer Auskunft seines Prozessbevollmächtigten beruht. Die Summe der eindeutigen Vorwürfe belegt jedoch, dass der Antragsteller wiederholt und zum Teil gröblich gegen die im Bescheid zugeordneten gesetzlichen Vorschriften i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1,5 WaffG verstoßen hat. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass vom daran anknüpfenden Regelfall der Annahme der Unzuverlässigkeit abgewichen werden müsste, bestehen nicht.

Der Widerruf erscheint auch nicht als unverhältnismäßig. Dem privaten Interesse des Antragstellers, weiterhin den Besitz über seine Waffen auszuüben, steht das öffentliche Interesse gegenüber, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen rechtfertigen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Angesichts des erheblichen Gefährdungspotenzials, welches von dem ausufernden Waffenbestand des Antragstellers ausgeht, hätte es sich ihm geradezu aufdrängen müssen, dass die Fortsetzung seines Hobbys nur in enger Kooperation mit dem Antragsgegner hätte erfolgen dürfen. Im Bereich des Waffenrechts, welches den Besitz von Waffen im Interesse der Allgemeinheit nur im Einzelfall erlaubt, stellt unkooperatives Verhalten auch angesichts allgemein bekannter Exzesse mehr dar als eine bloße Instinktlosigkeit, sondern indiziert den Rechtsbruch.

Gegen die in der angegriffenen Verfügung enthaltene Anordnung nach § 46 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG bestehen keine Bedenken, da die gesetzlichen Vorgaben beachtet wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Kammer orientiert sich in den Fällen des Widerrufs von Waffenbesitzkarten zunächst am Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG für eine Waffenbesitzkarte; nach Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs ist der Wert für jede weitere im Streit befindliche Waffe um 750,00 EUR zu erhöhen. Weitere Waffenbesitzkarten bleiben als solche ebenso unberücksichtigt wie die im Annex stehenden Munitionserwerbsberechtigungen. Die Kammer wertet die Eintragungen in den Waffenbesitzkarten dahingehend, dass sie die Berechtigung zum Besitz von (noch) 211 Waffen(teilen) verleiht, so dass sich der Streitwert im Hauptsacheverfahren auf (5.000,00 EUR + 211 x 750,- EUR =) 163.250,00 EUR beläuft; dieser Wert ist angesichts der Vorläufigkeit der Entscheidung auf 81.625,- EUR zu halbieren.