OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.01.1997 - 22 A 4686/94
Fundstelle
openJur 2012, 76037
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter für Herrn I. U. ,

Inhaber der Firma L. und M. I. .

Óber das Vermögen des Herrn U. wurde durch Beschluß des

Amtsgerichts N. vom 15. August 1990

- - das Konkursverfahren eröffnet.

Unter dem 22. Mai 1991 meldete der Beklagte

Gewerbesteuerforderungen für die Jahre 1980, 1981, 1983 und

1985 nebst Kosten und Säumniszuschlägen zur Konkurstabelle an.

Grundlage der Gewerbesteuerforderungen 1983 und 1985 von

zusammen 58.886,-- DM waren berichtigte Gewerbesteuerbescheide

vom 16. Juli 1990, die auf der Grundlage entsprechender,

jedoch nicht bestandskräftiger Gewerbesteuermeßbescheide des

Finanzamts L. -Mitte ergangen waren.

Der Kläger bestritt die angemeldeten Forderungen im Mai

1992 vorläufig und teilte mit, daß eine endgültige Prüfung der

Forderungen erst dann möglich sei, wenn die Steuererklärungen

erstellt seien.

Unter dem 15. Oktober 1992 erließ der Beklagte gegenüber

dem Kläger hinsichtlich der angemeldeten Forderungen einen

Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO. Den dagegen vom

Kläger am 6. November 1992 eingelegten, jedoch nicht

begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit

Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 1993 als unbegründet

zurück.

Der Kläger hat am 18. Februar 1993 Klage erhoben. Während

des 1. Rechtszuges hat der Beklagte die Kostenforderung

reduziert. Wegen der verbleibenden Kosten, der

Säumniszuschläge und der Gewerbesteuer für 1980 und 1981 hat

der Kläger die Klage zurückgenommen.

Zur Begründung der verbliebenen Klage gegen die

Feststellung der Gewerbesteuerforderung für 1983 und 1985 hat

der Kläger vorgetragen: Den Gewerbesteuermeßbescheiden komme -

anders als für die Gewerbesteuerbescheide - für den

Feststellungsbescheid im Konkursverfahren keine

Bindungswirkung zu. Sollte der Feststellungsbescheid im

verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestätigt werden, wären

damit die Forderungen des Beklagten gültig und unabänderlich

zur Konkurstabelle festgestellt; eine spätere Änderung sei

weder nach konkursrechtlichen noch nach steuerrechtlichen

Vorschriften möglich. Im übrigen gebiete es die

Verfahrensökonomie, das verwaltungsgerichtliche Verfahren erst

dann weiter zu betreiben, wenn die Steuergrundlagen ermittelt

seien. Er beantrage daher, das Verfahren bis zum Abschluß der

Verfahren über die Gewerbesteuermeßbescheide auszusetzen.

Der Kläger hat beantragt,

den Feststellungsbescheid des

Beklagten vom 15. Februar 1992 und den

Widerspruchsbescheid vom 4. Februar

1993 insoweit aufzuheben, als sie die

zur Konkurstabelle angemeldeten

Forderungen für die Jahre 1983 und 1985

betreffen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen: Unbeschadet des Umstandes, daß die

berichtigten Gewerbesteuerbescheide für 1983 und 1985 vom

16. Juli 1990 zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch

anfechtbar gewesen seien und gegen die zugrunde liegenden

Meßbescheide Einspruch erhoben sei, müßten wegen der

Bindungswirkung der Meßbescheide die festgestellten Ansprüche

aufrechterhalten bleiben, bis über die Einsprüche abschließend

entschieden sei. Die Feststellung zur Konkurstabelle müsse

betrieben werden, um gegebenenfalls nach Beendigung des

Konkursverfahrens gegen den Gemeinschuldner bzw.

Steuerpflichtigen vollstrecken zu können. Mit einer Aussetzung

des Verfahrens sei er einverstanden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen,

dem Kläger am 9. September 1994 zugestellten Urteil abgewiesen

und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte sei angesichts des

vorläufigen Widerspruchs des Klägers nach § 251 Abs. 3 AO iVm

§ 12 Abs. 1 Nr. 6a KAG NW berechtigt gewesen, die

Gewerbesteuer 1983 und 1985 festzustellen. Weder der Umstand,

daß die zugehörigen Meßbescheide angefochten seien, noch der,

daß entsprechend § 240 ZPO die Bescheide nicht bestandskräftig

geworden seien, stehe dem entgegen. Die Gewerbesteuerbescheide

seien auch vollziehbar, da mangels Entrichtung der vom

Beklagten geforderten Sicherheit die von diesem im Oktober

1990 ausgesprochene Aussetzung nicht wirksam geworden sei. Die

Feststellung führe auch nicht zu einer unangemessenen

Benachteiligung der übrigen Gläubiger, da bei Änderung des

Grundlagenbescheides während des Konkurses die Tabelle zu

berichtigen sei und nach Aufhebung des Konkurses eine

Nachtragsverteilung zu erfolgen habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der am

27. September 1994 eingelegten Berufung, zu deren Begründung

er vorträgt: Das Verfahren sei nach § 94 VwGO auszusetzen, da

das Verfahren gegen die Meßbescheide vorgreiflich sei. Bereits

das Festsetzungsverfahren habe ausgesetzt werden müssen. Im

Konkursverfahren komme den Gewerbesteuermeßbescheiden keine

Bindungswirkung für die Gewerbesteuerbescheide zu, weil eine

über § 251 Abs. 3 AO einmal festgestellte Steuerforderung wie

ein rechtskräftiges Urteil mit Rechtsbehelfen nicht mehr

angefochten werden könne. Die grundsätzliche Möglichkeit eines

Berichtigungsverfahrens nach §§ 172 ff. AO könne nicht

rechtfertigen, die übrigen Gläubiger zugunsten des Fiskus zu

benachteiligen. Im übrigen sei ein Unterschied zu machen

zwischen dem Konkurs einer Kapitalgesellschaft und einer

Privatperson. Da bei einer Privatperson nach Beendigung des

Konkurses die Vollstreckung weiterhin möglich sei, sei der

Konkursverwalter nach der Schlußverteilung für ein

Abänderungsverfahren nicht mehr sachbefugt. Begünstigter einer

Forderung aus einem nachträglich herabgesetzten

Gewerbesteuerbescheid sei der frühere Gemeinschuldner, so daß

eine Nachtragsverteilung zugunsten der übrigen Gläubiger

ausscheide.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern

und nach dem Klageantrag zu

erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß die Bindungswirkung des

Gewerbesteuermeßbescheides auch im Konkurs gelte und daß die

Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei einer späteren

Herabsetzung der Gewerbesteuer sei eine Nachtragsverteilung

vorzunehmen, zutreffe. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung

nach § 94 VwGO seien nicht gegeben.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die

Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des

Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das

Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der

angefochtene Feststellungsbescheid rechtmäßig ist. Der Senat

schließt sich der Begründung des angefochtenen Urteils an und

sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.

Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist ergänzend

lediglich auszuführen:

Soweit der Kläger erneut die Aussetzung des Verfahrens nach

§ 94 VwGO wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens gegen die

Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge für 1983 und 1985

begehrt, scheidet eine solche Aussetzung aus, weil dieses

Verfahren für die Beurteilung des streitigen

Feststellungsbescheides, soweit er sich noch im Streit

befindet, aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen

nicht vorgreiflich ist.

Die Rechtsauffassung der Berufung, eine Bindungswirkung des

Meßbescheides nach §§ 184 Abs. 1 Satz 4, 182 Abs. 1 AO bestehe

für die Feststellung nach § 251 Abs. 3 AO nicht, geht fehl.

Soweit der Kläger für diese Rechtsauffassung vorbringt, der

Schutz der übrigen Gläubiger verlange bei angefochtenem

Meßbescheid den Ausschluß der Bindungswirkung, weil die einmal

getroffene Feststellung der darauf beruhenden, noch offenen

Gewerbesteuer nicht mehr anfechtbar sei, verkennt er, daß für

den Fall der nachträglichen Änderung des

Gewerbesteuermeßbetrages zugunsten des Gemeinschuldners den

Interessen der übrigen Konkursgläubiger durch die Regelung des

§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO genüge getan wird.

Wird nämlich der Meßbescheid noch während des

Konkursverfahrens geändert, so ist entsprechend § 175 Abs. 1

Nr. 1 AO der an die Stelle der Gewerbesteuerfestsetzung

getretene Tabelleneintrag wegen dieses für den

Gewerbesteueranspruch der Gemeinde nachträglich eingetretenen

Umstandes zu berichtigen.

Vgl. dazu Fichtelmann, NJW 1970,

2276 (2280).

Dies folgt daraus, daß die Wirkung wie ein "rechtskräftiges

Urteil", die der Eintragung in die Tabelle nach § 145 Abs. 2

KO zukommt, bei Eintragungen aufgrund von Feststellungen des

Steuergläubigers nach § 251 Abs. 3 AO als Wirkung wie ein

"bestandskräftiger Steuerbescheid" zu verstehen ist, d.h., daß

insbesondere die Änderungsvorschriften des §§ 172 ff. AO

Anwendung finden.

Vgl. Klinger, Konkursordnung, 15.

Aufl., § 145 Anm. 6; Kuhn-Uhlenbruck,

Konkursordnung, 10. Aufl., § 145 Rdnr.

8; Fichtelmann, aaO., S. 2279.

Soweit der Kläger geltend macht, daß die übrigen Gläubiger

leer ausgingen, wenn die Änderung der Gewerbesteuerfestsetzung

nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO erst nach Abschluß des Konkurses

eintrete, weil dann, wenn - wie hier - der Gemeinschuldner

eine natürliche Person sei, dieser und nicht der

Konkursverwalter bezüglich des eventuellen

Erstattungsanspruches sachbefugt sei, vermag der Senat dem

ebenfalls nicht zu folgen. Ist wegen nachträglicher

Herabsetzung des Meßbescheides und danach nach § 175 Abs. 1

Nr. 1 AO erfolgter Änderung des Gewerbesteuerbescheides eine

Óberzahlung des Gewerbesteuergläubigers eingetreten, so ist

wegen der dann an die Masse zurückzuzahlenden Beträge nach

§ 166 KO vom Konkursgericht eine Nachtragsverteilung

anzuordnen. Mit deren Anordnung endet die Sachbefugnis des

ehemaligen Gemeinschuldners (Neueintritt der Beschlagwirkung).

Vgl. Kuhn-Uhlenbruck, aaO., § 166

Rdnr. 7a, mwN.

Ein wegen der Zuteilung auf die ursprünglich höhere

Steuerforderung entstandener Ausfall bei anderen Gläubigern

kann deshalb wieder ausgeglichen werden, auch wenn die auf die

Steuerforderung entfallenden Anteile nicht nach § 168 KO

zurückzubehalten waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167

VwGO iVm. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen

des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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