OLG Köln, Beschluss vom 21.02.1995 - 6 W 88/94
Fundstelle
openJur 2012, 74622
  • Rkr:

Der Gegenstandswert für ein Verfahren der einstweiligen Verfügung ist eigenständig und unabhängig vom Wert des zugehörigen Hauptsacheverfahrens zu bestimmen; es verbietet sich insbesondere bei Unterlassungsverfahren, schematisch und "als Regel" auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes zu erkennen.

Gründe

Die Streitwertbeschwerde der Antragstellerin ist zulässig; in

der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Streitwert des einstweiligen

Verfügungsverfahrens zu Recht auf DM 50.000,00 festgesetzt.

Maßgeblich für die gemäß §§ 20 Abs. 1 GKG, 3 ZPO vorzunehmende

Wertfestsetzung ist das Interesse der Antragstellerin, wie es sich

im Zeitpunkt des Einreichens ihrer Antragschrift darstellt. Ein

gewichtiger Anhaltspunkt hierfür ist die von der Antragstellerin

selbst vorgenommene Streitwertangabe. Da die Antragstellerin zu

diesem Zeitpunkt den Ausgang des Verfahrens noch nicht zuverlässig

vorhersehen konnte, wird die Bewertung ihres Interesses an der

begehrten Unterlassung in der Regel zutreffend sein. Auch wenn die

Angabe der Antragstellerin letztlich nur indizielle Bedeutung hat,

weil es im Rahmen der §§ 20 GKG, 3 ZPO auf das objektive

wirtschaftliche Interesse ankommt, ist im gegebenen Fall nicht von

dieser Streitwertangabe abzuweichen. Weder dem Vortrag der

Antragstellerin, noch dem Sachverhalt im übrigen lassen sich

Anhaltspunkte entnehmen, die eine Herabsetzung des

Gegenstandswertes rechtfertigen.

Bei der objektiven Festsetzung des Streitwerts sind neben der

wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin und der behaupteten

Beeinträchtigung durch die als irreführend beanstandete Werbung

auch die zu erwartenden Umsatzeinbußen ausschlaggebend. Schon aus

diesen Gründen ist hier ein starkes wirtschaftliches Interesse der

Antragstellerin zu bejahen, gegen die von ihr angegriffene Werbung

vorzugehen. Im Hinblick auf den damit befürchteten Anlockeffekt für

potentielle Kunden sowie der damit gegebenenfalls verbundene

Umsatzeinbuße der Antragstellerin stellt sich der vom Landgericht

festgesetzte Streitwert von DM 50.000,00 als angemessen dar.

Eine abweichende Beurteilung ist weiter auch nicht angesichts

des Umstandes gerechtfertigt, daß es sich im gegebenen Fall um ein

einstweiliges Verfügungsverfahren handelt. Zwar wird teilweise die

Ansicht vertreten, der Gegenstandswert des einstweiligen

Verfügungsverfahrens sei regelmäßig auf lediglich einen Bruchteil

des für die Hauptsache zugrunde zu legenden Streitwerts anzusetzen

(vgl. OLG Frankfurt/Main in WRP 1981, 221; OLG Köln - 17.

Zivilsenat - in GRUR 1988, 725 f, 726). Nach der vom Senat in

ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung verbietet sich

jedoch die Annahme einer derartigen Regel, erst recht aber die

Annahme eines bestimmten Regelsatzes, um die der Streitwert des

einstweiligen Verfügungsverfahrens im Verhältnis zu dem der

Hauptsache herabzusetzen sei. Die Streitwerte für das einstweilge

Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren sind vielmehr

jeweils eigenständig zu bestimmen. Besteht bei Einleitung des

einstweiligen Verfügungsverfahrens aus der maßgeblichen Sicht des

Antragstellers die berechtigte Erwartung, daß das einstweilige

Verfügungsverfahren wie ein Hauptsacheverfahren zu einer

abschließenden Regelung der Wettbewerbsstreitigkeit führt, wird der

Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens dem der

Hauptsache entsprechen. Andernfalls mag ein anderer Gegenstandswert

festzusetzen sein, wobei sich hier aber bestimmte feste Sätze

verbieten, um die der Gegenstandswert des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegenüber dem des

Hauptsachestreitwerts herabzusetzen ist. Derartige Sätze sind schon

deshalb abzulehnen, weil das Interesse des Antragstellers/Klägers

in beiden Verfahren unabhängig davon, daß es einerseits um einen

vorläufigen Rechtschutz und andererseits um ein Hauptverfahren

geht, unterschiedlich hoch sein kann. Aus diesem Grund ist es hier

nicht gerechtfertigt, den Gegenstandswert allein deshalb

herabzusetzen, weil der Streitwert in dem zwischenzeitlich

eingeleiteten Hauptsacheverfahren lediglich mit DM 30.000,00

angesetzt wurde. Das mag auf die in jenem Verfahren etwa gemachten

Angaben der Antragstellerin zurückzuführen sein, wonach sie ihr mit

der einstweiligen Verfügung ursprünglich noch verbundendes

wirtschaftliches Interesse nunmehr selbst abweichend beurteilt und

darstellt. Für den im vorliegenden Verfahren selbständig

festzusetzenden Gegenstandswert, der sich nach den im Zeitpunkt der

Einreichung der Antragsschrift maßgeblichen Verhältnissen bestimmt

4 ZPO), ist das ohne Bedeutung.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 1 GKG);

außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet(§ 25 Abs. 4

GKG).