SG Aachen, Beschluss vom 20.08.2010 - S 21 AS 625/10
Fundstelle
openJur 2012, 88359
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt X. X. wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Bevollmächtigten für ein Klageverfahren, mit dem sie Übernahme der Kosten zur Ausrichtung der Feier anlässlich der Erstkommunion ihres Sohnes G. geltend macht.

Die Klägerin bezieht mit den weiteren Angehörigen ihrer Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) von der Beklagten.

Am 13.04.2010 beantragte die Klägerin eine finanzielle Unterstützung zur Ausrichtung der Feier anlässlich der Erstkommunion ihres Sohnes G. Zur Begründung führte sie an, dass ihr Sohn im Mai seine Kommunion habe und sie finanzielle nicht in der Lage sei seine Kommunion vernünftig auszurichten. Mit Bescheid vom 29.04.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die begehrte einmalige Leistung bereits allumfassend in der Regelleistung gemäß § 20 SGB II enthalten sei. Lediglich die in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB II aufgeführten Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich von Haushaltsgeräten, die Erstausstattung für Bekleidung und Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt sowie die Kosten für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen seien nicht in der Regelleistung enthalten und könnten gesondert erbracht werden. Die beantragte Leistung sei jedoch keiner dieser Ausnahmefälle.

Den eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.04.2010 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die beantragte finanzielle Unterstützung zur Ausrichtung der Feier anlässlich der Erstkommunion sie durch die monatlich gewährten Regelleistungen nach § 20 SGB II abgedeckt. Die Regelleistung enthaltene einen Anteil für Beherbergungs- und Gaststättenleistungen in Höhe von 2,4 %, der angespart und für die Ausrichtung einer Familienfeier in bescheidenem Rahmen verwandt werden könne. Auch die Voraussetzungen für eine darlehensweise Gewährung von Leistungen nach § 23 SGB II seien nicht gegeben.

Hiergegen richtet sich die am 04.06.2010 erhobene Klage, mit der unter Anfechtung des Bescheides vom 29.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2010 die Zahlung von geschätzt 500,00 EUR durch die Beklagte begehrt wird.

Die Klägerin beantragt außerdem,

dass ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. gewährt wird.

Die Beklagte tritt der Klage entgegen. Sie hält die Verwaltungsentscheidung für rechtmä-ßig. Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Nach § 73 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit den §§ 114,115 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit. Danach ist eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindestens für vertretbar hält und/oder in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweiserhebung überzeugt ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 73 a Rn 7, 7a).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes abzulehnen. Für die begehrte finanzielle Unterstützung zur Ausrichtung der Feier anlässlich der Erstkommunion des Sohnes G. ist eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Gemäß § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst nach § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Daneben werden in den §§ 21, 23 SGB II Mehrbedarfe in Sondersituationen gewährt. Ein Anspruch auf Gewährung eines weiteren Zuschusses zur Ausrichtung einer Familienfeier ist nach keiner der vorgenannten Normen ersichtlich. Der Aufwand ist aus der Regelleistung zu bestreiten.

Soweit die Klägerin einwendet, dass die Kosten einer Kommunion zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, die über den Regelsatz hinaus zu gewähren sind, rechtfertigt dies keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die vorliegende Klage. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. Die Vorschriften bleiben jedoch bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31.12.2010 zu treffen hat, weiter anwendbar. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung auch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für die Leistungsberechtigten vorzusehen, der bisher nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird. Vorliegend wird von der Klägerin jedoch ein einmaliger Sonderbedarf geltend gemacht, so dass auch unter der im Urteil getroffenen Anordnung, dass bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zu Lasten des Bundes bestehe, keine hinreichende Erfolgsaussicht der vorliegenden Klage begründet werden kann.

Durch die ablehnende Entscheidung der Beklagten dürfte in Grundrechte der Klägerin nicht eingegriffen werden. Auch die Religionsfreiheit der Klägerin ist hierdurch nicht betroffen, da sie trotz der ablehnenden Entscheidung das Sakrament der Eucharistie in den Gottesdiensten der Katholischen Kirche weiterhin empfangen kann. Auch die Erstkommunion des Sohnes Fabian setzt weder die Ausrichtung einer Feier noch eine finanzielle Unterstützung der Beklagten hierzu voraus.

Da der Klägerin keine Prozesskostenhilfe zusteht, kann auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 ZPO nicht erfolgen.