LG Bonn, Urteil vom 06.05.2009 - 13 O 286/05
Fundstelle
openJur 2012, 127292
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der am ... geborene Kläger macht Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall geltend.

Am ...20... überholte der Kläger gegen #... Uhr mit seinem PKW W H, amtliches Kennzeichen $$-&& ... auf der K ... (Vorfahrtstraße mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h) zwischen S-X und N auf gerader Strecke zunächst den PKW der Zeugin T. Nachdem er sich wieder auf die rechte Fahrspur eingeordnet hatte, fuhr er wieder auf die Gegenfahrbahn, um den PKW des Zeugen C und einen Linienbus zu überholen. Während sich der Kläger bei diesem Überholvorgang auf der Gegenfahrbahn befand, bog der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten PKW B, amtliches Kennzeichen $$ - & ..., dessen Halterin die Beklagte zu 2) ist, aus der nicht bevorrechtigten Seitenstraße nach rechts auf die K ... in Richtung S-X ein. Am Einmündungsbereich zur Seitenstraße kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. Das Fahrzeug des Klägers rutschte nach der Kollision in den rechtsseitig der K ... gelegenen ca. 80 cm tiefen Graben und kam in einer Entfernung von 31 Metern hinter dem Kollisionsort zum Stillstand, wobei der Kläger bestreitet, dass dies eine Unfallfolge war. Beide Fahrzeuge erlitten Totalschaden. Für eine weitere Beschreibung der Örtlichkeiten wird auf die Unfallskizze Bl. 6 der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft D ... Js ...#/... verwiesen.

Der Kläger war nach dem Verkehrsunfall bis zum 16.12.20... im O Krankenhaus P in S in stationärer und anschließend ambulanter Behandlung. Am 23.12.20... erlitt der Kläger im Rahmen einer Behandlung eine Subluxation der Schulter, welche jedoch sofort reponiert wurde. In stationärer weiterer Behandlung war der Kläger vom 13.01.20... bis zum 22.01.20... im Ekrankenhaus in L, vom 22.01.20... bis zum 19.02.20... in der Universitätsklinik in L, vom 19.02.20... bis zum 2.04.20... im Reha Zentrum F, vom 3.07.20... bis zum 14.08.20... in der Klinik am U in Q, vom 25.08.20... bis zum 6.09.20... in der Universitätsklinik in L. Ferner wurde der Kläger, der sich immer noch in ambulanter und psychotherapeutischer Behandlung befindet, vielfach ambulant behandelt.

Die Beklagte zu 3) zahlte vorgerichtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,- EUR und ca. 8.000,- EUR auf den Verdienstausfall.

Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) habe den Unfall durch eine Vorfahrtsverletzung verursacht. Aus seiner Sicht haben die Beklagten für den Schaden voll umfänglich zu haften, zumal der Beklagte zu 1) den Unfall durch sein Verhalten allein verschuldet habe. Ein Mithaftungseinwand für den Kläger könne vorliegend nicht greifen, da der Kläger entgegen der Behauptungen der Beklagten angegurtet gewesen sei.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die insoweit ergangene außergerichtliche Schadensregulierung der Beklagten zu 3) aufgrund der Vielzahl und Schwere der unfallbedingten Verletzungen unangemessen sei.

Aufgrund der Schwere des Unfallgeschehnisses habe der Kläger, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob der Kläger vor dem Unfall psychisch und physisch gesund war, einen Personenschaden erlitten, wodurch er sich eine Schulterluxation an der linken Schulter mit Mac Laughlin Defekt des vorderen Humuskopfes, eine nicht dilozierte Rippenserienfraktur ohne Verschiebung an der linken Thoraxhälfte, eine contusio cordis (Herzquetschung) mit nachfolgenden Herzrythmusstörungen (intermittierender AV-Block bis III. Grades), eine Halswirbelsäulendistorsion, diverse knöcherne Verletzungen des linken Ellenbogens, der Wirbelsäule, einen morbus sudeck (CRPS - complex regional pain syndrome) und Algodystrophie (akute entzündliche Schwellung des linken Arms bei Zustand des Polytraumas) der linken Hand/des linken Arms, immer wiederkehrende Versteifungen der Halswirbelsäule des Nackens und ein posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS) zugezogen habe.

Wegen der hierdurch erforderlich gewordenen medizinischen Behandlung und der verbleibenden Gesundheitsschädigungen, die mit erheblichen Einschränkungen für die Gesundheit und Lebensqualität des Klägers verbunden gewesen seien, der aufgrund des Unfalls berufsunfähig und weitgehend erwerbsunfähig geworden sei, ergebe sich ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers, welcher insgesamt 65.000,- EUR nicht unterschreiten sollte.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das jedoch nicht unter 65.000,- EUR liegen sollte, abzüglich gezahlter 5.000,- EUR zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen, der auf den Verkehrsunfall vom ...20... zurückzuführen ist, und immateriellen Schaden zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Aus ihrer Sicht ist die Klage bereits dem Grunde nach nicht begründet, da ein Vorfahrtsverstoß des Beklagten zu 1) nicht vorliege. Dem Kläger sei zudem eine Mithaftung anzurechnen, da er bei herrschender Dunkelheit mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit überholt habe. Das Schadensbild der Verletzungen des Klägers sei bei einem angelegten Sicherheitsgurt nicht erklärbar. Die Beklagten behaupten hinsichtlich der bei dem Verkehrsunfall erlittenen Primärverletzungen, wie u. a. HWS-Distorsion, Ellenbogen- und Schulterprellung, nicht dislozierte Rippenserienfraktur, dass diese und auch die Schulterluxation mit McLaughlin Defekt seit April 20... folgenlos ausgeheilt seien. Eine Herzquetschung mit nachfolgenden Herz-Rhythmus-Störungen habe der Kläger ebensowenig wie Schmerzen in Knien, Beinen und Füßen erlitten. Die Verletzungen am linken Arm habe sich der Kläger selbst zugefügt, wobei er hinsichtlich der Funktionslosigkeit des Armes simuliere. An einem posttraumatischen Belastungssyndrom, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, leide der Kläger ebensowenig.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob und inwieweit der Kläger aufgrund des Unfalls gesundheitliche Beeinträchtigungen zurückbehalten hat, durch die Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten, nämlich eines Gutachtens des Arztes für Orthopädie Prof. Dr. med. G vom ...20..., der Dipl. Psychologen H und Prof. Dr. M vom ...20... (Bl. 189 ff. d. A.), des Arztes für Psychosomatik/Psychiatrie PD Dr. med. I vom ...20... (Bl. 207 ff. d. A.) und des Arztes für Innere Medizin/ Kardiologie Dr. med. V vom ...20... (Bl. 243 ff. d. A.) sowie Ergänzungsgutachten vom ...20... (Bl. 424 ff. d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Einzelheiten der Gutachten Bezug genommen.

Das Gericht hat ferner Beweis erhoben über den Hergang des Verkehrsunfalles durch Vernehmung der Zeugen T und C in der mündlichen Verhandlung vom ...20... und Einholung eines mündlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. - Ing. R. Auf das Protokoll Bl. 481 ff. d. A. wird verwiesen.

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft D - ... Js ...#/... - und die Akte des Sozialgerichts L - ... U .../... - waren beigezogen und zu Beweiszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

I. Schmerzensgeldanspruch

Dem Kläger steht aufgrund des Unfallereignisses vom ...20... gegen die Beklagten über den bereits gezahlten Betrag hinaus kein weiterer Schmerzensgeldanspruch gem. §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 1 Abs. 1, 3 PflVG, §§ 823, 253 Abs. 2 BGB zu.

Der Unfall ist allerdings für keine der Parteien durch höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG verursacht, so dass die Ersatzpflicht der einen oder anderen Seite nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte zu 1) den Unfall durch eine schuldhafte Vorfahrtpflichtverletzung gem. § 8 Abs. 1 StVO verursacht, während der Kläger seinerseits zu der Kollision durch einen Verstoß gegen § 5 Abs. 3 StVO beigetragen hat. Die Ersatzpflicht ist demgemäß auch nicht gem. §§ 17 Abs. 2 StVG, 1, 3 Nr. 1 PflVG ausgeschlossen.

Demnach hängt gem. §§ 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 1, 3 PflVG der Umfang der Ersatzpflicht von den Umständen, insbesondere davon ab, wie weit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Halter und Fahrer der beteiligten Fahrzeuge und der Berücksichtigung der von beiden Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr gem. §§ 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG sind neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden (BGH, NZV 2005, 407, 408/409; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 17 StVG Rn. 31).

Danach ist es gerechtfertigt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger ½ seines unfallbedingten Schadens ersetzen.

Im einzelnen:

- Haftung der Beklagten aus Verschulden

Aufgrund des mündlichen Gutachtens des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. - Ing. R vom ...20... sowie der Bekundungen der Zeugen T und C geht die Kammer auch unter Berücksichtigung der durch das Privatgutachten von Prof. Dr. med. Y vom ...20... (Bl. 417 ff. d. A.) gestützten Einwände der Beklagten von folgender Haftungsverteilung aus:

Zu Lasten des Beklagten zu 1) ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1) den Unfall schuldhaft verursachte, indem er die Vorfahrt des Klägers gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVO verletzt hat. Dieses Verschulden muss sich die Beklagte zu 3) zurechnen lassen.

Die Beklagten haben den Anschein schuldhafter Vorfahrtverletzung gegen sich, der nur durch bewiesene Tatsachen entkräftet werden kann. Unter den gegebenen Umständen durfte der Beklagte zu 1) nicht von der Zufahrtsstraße (Schild "Vorfahrt gewähren", VZ 205) nach rechts in die bevorrechtigte K ... einbiegen. Nach der Rechtsprechung darf der Wartepflichtige auch bei Zugrundelegung der Vorfahrtregeln des § 8 StVO in die bevorrechtigte Straße grundsätzlich ohne weiteres einbiegen, wenn zu diesem Zeitpunkt kein bevorrechtigtes Fahrzeug sichtbar ist. Ein solcher Fall lag hier aber wegen des auf der linken Fahrbahn herannahenden Fahrzeugs des Klägers nicht vor. In dieser Situation war der Beklagte zu 1) verpflichtet, gem. § 8 Abs. 2 S. 2 StVO nur dann weiterzufahren, wenn er den Vorfahrtsberechtigten nicht gefährdet. Da der Beklagte zu 1) das herannahende Fahrzeug des Klägers am Lichtkegel erkennen musste, war der Beklagte zu 1) nicht einmal mehr berechtigt, sich in die Vorfahrtstraße hineinzutasten (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auf., § 8 StVO Rn. 58 a. E.), sondern verpflichtet zu warten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Rechtsabbiegevorgang auf die K ... bereits begonnen hatte, als es zur Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers kam. Insoweit hat die unbeteiligte Zeugin T, die zunächst vom Kläger überholt worden war, bekundet, dass es zum Unfall gekommen sei, als der Beklagte zu 1) rechts abbiegen wollte; sie habe insoweit auch gedacht, dass es gleich knallen würde. Auch der Zeuge C, der hinter dem Bus gefahren ist, hat bekundet, dass der Beklagte zu 1) nach rechts losgefahren sei. Somit läßt sich nicht feststellen, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) bei der Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers noch gestanden hat.

Die Beklagten erbringen zudem nicht den ihnen obliegenden Beweis, dass der Beklagte zu 1) vor dem Einfahren nach links und nach rechts geschaut und den herannahenden für ihn sichtbaren Kläger hinreichend beachtet hat. Vielmehr ist der Beklagte zu 1) sozusagen blind nach rechts auf die K ... hineingefahren, ohne sich ggfs. zur Sichtgewinnung vorsichtig vorzutasten. Nach den nachvollziehbaren und gut begründeten Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. - Ing. R, denen sich die Kammer in vollem Umfang anschließt, war der Kläger zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Beklagte zu 1) in Bewegung setzte, etwa 50 m von der Unfallstelle entfernt. Für den Beklagten zu 1) war im Geschehensverlauf erkennbar, dass sich der Kläger in einem Überholvorgang und damit auf der linken Fahrbahnseite befand, auch wenn der Beklagte zu 1) die Fahrzeuglichter des klägerischen Fahrzeugs aufgrund der herrschenden Dunkelheit zunächst vielleicht nicht einem Fahrzeug auf der linken Spur zuordnen konnte. Immerhin konnte auch der Kläger das Fahrzeug des Beklagten zu 1) an der Fahrbahneinmündung stehen sehen. Hiernach spricht viel dafür, dass der Beklagte zu 1) dem von seiner Fahrtrichtung aus gesehen von rechts kommenden Kläger keinerlei Aufmerksamkeit gewidmet hat. Dass der Beklagte zu 1) den für ihn sichtbar herannahenden Kläger beachtet hat, unabhängig davon ob er erkennen konnte, dass sich der Kläger auf der Überholspur befand, steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest. Dies geht zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten.

- Eigenhaftung des Klägers

Nach Auffassung der Kammer trifft allerdings auch den Kläger ein unfallursächliches Verschulden. Dem Kläger ist zum einen ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorzuwerfen, wonach ein Überholen bei unklarer Verkehrslage unzulässig ist. Eine solche liegt vor, wenn nach allen Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf. Für eine unklare Verkehrslage auf Seiten des Klägers sind die Beklagten beweisbelastet. Das Überholverbot ergab sich für den Kläger bereits nicht schon aus § 5 Abs. 2 StVO. Hiernach darf nur überholen, wer übersehen kann, daß während des Überholvorganges jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift bezweckt lediglich den Schutz des Gegenverkehrs (BGH, VersR 1975, 37, 39). Der Beklagte zu 1) gehörte aber noch nicht zum Gegenverkehr, da er erst mit dem Einbiegen in die K ... begonnen hatte. Unzulässig war ein Überholen aber, weil die Verkehrslage für den Kläger unklar war, § 5 Abs. 3 StVO. Die Unklarheit ergab sich daraus, daß der Kläger nicht genau voraussehen konnte, was sich in dem Verkehrsraum, den er zum Überholen der zwei Fahrzeuge benötigte, ereignen würde und dass ein Wartepflichtiger gefährdet werden könnte (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, aaO, § 5 StVO Rn. 34). Aus den Feststellungen des Sachverständigen ergibt sich zweifelsfrei, dass der Kläger schon zu Beginn des Überholvorganges das Fahrzeug des Beklagten zu 1) an der untergeordneten Straße stehen sehen konnte. Da an der Stelle keine weiteren Lichter vorhanden waren, ging der Sachverständige zutreffend davon aus, dass das Licht des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) auf die Straße schien. Schon aus diesem Grund konnte sich der Kläger nicht darauf verlassen, daß wartepflichtige Verkehrsteilnehmer, die aus einer untergeordneten Straße kommen, ihr Vorfahrtsrecht beachten und während des Überholvorganges nicht in die K ... einbiegen würden.

Den Kläger trifft zum anderen ein Mitverschulden am Eintritt seiner Verletzungen gem. § 254 Abs. 1 BGB, weil er entgegen § 21 a Abs. 1 StVO den Sicherheitsgurt nicht angelegt hat. So steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallgeschehnisses nicht ordnungsgemäß angegurtet war. Nach den Ausführungen des Privatgutachters Prof. Dr. med. Y in seinem Gutachten vom ...20... (Bl. 432 ff. d. A.) sind die vom Kläger geltend gemachten Verletzungen im Bereich des linken Armes, des Oberkörpers sowie der linken Brustkorbhälfte auf der Grundlage der biomechanisch rekonstruktiven Überlegungen und der technischen Rekonstruktion der Kollisionsphase nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger angegurtet gewesen wäre. Der Privatgutachter geht davon aus, dass der Kläger linksseitig im Bereich der Fahrertür/A-Säule, Lenkrad und Instrumententafel angeprallt ist und auch die Zündung des Airbags aufgrund der streifenden Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) eher spät und damit als zusätzliche stumpfe Gewalteinwirkung geschehen ist. Der Privatgutachter hat auch ausgeführt, dass, wenn der Kläger den Sicherheitsgurt im Unfallzeitpunkt angelegt hätte, davon auszugehen gewesen wäre, dass die Bewegung des Oberkörpers des Klägers von dem Sicherheitsgurt aufgefangen worden wäre. Ist der Sicherheitsgurt angelegt, so erreicht der Fahrer mit dem Bauch und dem Brustbereich das Lenkrad nicht. Auch der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. R konnte sich die vom Kläger geltend gemachten Verletzungen nicht erklären, wenn der Kläger angegurtet gewesen wäre.

Diese von dem Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Privatgutachters und Sachverständigen veranlassen die Kammer zur zweifelsfreien Annahme über das Fehlen des Anlegens des Sicherheitsgurtes durch den Kläger zum Zeitpunkt der Kollision mit dem vom Beklagten zu 1) gefahrenen PKW. Aufgrund der Feststellungen des Privatgutachters und des Sachverständigen ist auch davon auszugehen, dass die Verletzungen durch Anlegen des Sicherheitsgurtes vermieden worden wären.

Sofern der Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 31.03.20... darauf verweist, dass sein Fahrzeug mit einem auf das Nichtanlegen des Gurtes optisch und akustisch hinweisenden Gurtwarner ausgestattet gewesen sei, was zwischen den Parteien umstritten ist, lässt dieser Hinweis keinen Rückschluss darauf zu, ob der Kläger zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles angeschnallt war oder nicht.

Die Indizien, wie sie durch den Sachverständigen herausgearbeitet worden sind, sprechen in ihrer Gesamtheit dafür, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Kläger das Sicherheitsgurtsystem nicht in Anspruch genommen hat. Da eine absolute Gewissheit kaum erreicht werden kann, reicht im Rahmen der zulässigen Schätzung gem. § 286 ZPO ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der einem rechtlichen Zweifel Schweigen gebietet, ohne ihn völlig auszuschließen, aus. Die Kammer ist insoweit davon überzeugt, dass die im Rahmen der Beweisanordnung herausgearbeiteten Indizien für die begründete Annahme des Unterlassens des Anlegens des Sicherheitsgurtes durch den Kläger sprechen.

- Abwägung der Haftung

Eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gem. §§ 7, 9 und 17 StVG führt unter Berücksichtigung der erheblichen Betriebsgefahren zu einer Haftung der Beklagten für die Schäden des Klägers in Höhe von 50 %. Im Vordergrund der Mitverursachung steht der erhebliche Vorfahrtverstoß des Beklagten zu 1), wofür die Rechtsprechung je nach Fallkonstellation Mithaftungsquoten bis zu 100 % annimmt (vgl. die Nachweise in Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 11. Aufl., Rn. 9). Auf Seiten des Klägers ist das - unangegurtete - Überholen in unklarer Verkehrslage und das Fahren ohne Sicherheitsgurt schadensursächlich. Bei der Gesamtbewertung ist zu berücksichtigen, dass das Gewicht, das der Verletzung der Anschnallpflicht bei der Abwägung der Schadensbeiträge zukommt, nicht für alle Fälle konstant ist. Seine Bewertung hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von dem Gewicht der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge des Schädigers (OLG Naumburg, NJOZ 2008, 4032, 4033). Vorliegend ist von entscheidender Bedeutung, dass der Beklagte zu 1) durch das Nichtbeachten des Fahrzeugs des Klägers einen erheblichen Verursachungsbeitrag zu dem Verkehrsunfall geleistet hat. Da dem Kläger neben dem Fahren ohne Sicherheitsgurt, was sich auf ein ordnungswidriges Verhalten gem. § 49 Abs. 1 Nr. 20 lit a StVO beschränkt, aber auch ein Überholen in unklarer Verkehrslage vorgeworfen wird, ist insgesamt von einer Mithaftung des Klägers von 50 % auszugehen.

Folgender Umstand spielt für die Abwägung der Haftung keine Rolle:

Dass der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten hat und mit 120 km/h gefahren ist, konnte der Sachverständige Dipl. - Ing. R nicht feststellen, da er den Unfall bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h gut erklären konnte. Entgegen der glaubhaften Bekundungen der Zeugen T und C und des Beklagten zu 1) selbst wäre der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen R dann auch auf das stehende Fahrzeug des Beklagten zu 1) aufgefahren.

Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr.- Ing. R hat keine der Parteien erhoben, § 411 ZPO.

- Bemessung des Schmerzensgeldes

Zum Ausgleich der von dem Kläger infolge des Unfalls erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen hält die Kammer unter Berücksichtigung des mit 50 % zu bewertenden Mitverschuldens des Klägers ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 10.000,- EUR für erforderlich, aber auch ausreichend. In welchem Umfang sich der Kläger bei dem Verkehrsunfall überhaupt Verletzungen zuzog bzw. inwieweit diese folgenlos ausgeheilt sind, ist zwischen den Parteien streitig.

Ein Schadensereignis ist dann für den Eintritt eines Erfolges kausal, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Darüberhinaus muss ein adäquater Zusammenhang bestehen, der die Verantwortlichkeit des Schädigers von solchen Folgen ausschließt, die nur unter ganz besonders eigenartigen, gänzlich unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Erfolges geeignet sind. Der prozessuale Nachweis des adäquaten Kausalzusammenhanges obliegt dem Anspruchssteller, wobei die Rechtsprechung zugunsten des Geschädigten Beweiserleichterungen anerkannt hat: steht nämlich fest, dass der Geschädigte eine Primärverletzung erlitten hat, so ist die Frage, ob der Unfall über diese Primärverletzung hinaus auch für die weiteren Beschwerden des Klägers ursächlich ist, eine Frage der am Maßstab des § 287 ZPO zu prüfenden haftungsausfüllenden Kausalität (ständige Rechtsprechung, BGH, NJW 2004, 1945, 1946; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 287 Rn. 3).

Im Rahmen der Beweiswürdigung gemäß § 287 ZPO werden geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts gestellt. Im Gegensatz zum Vollbeweis des § 286 ZPO kann der Beweis gemäß § 287 ZPO je nach Lage des Einzelfalles bereits dann erbracht sein, wenn eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der zu beweisenden Tatsache spricht. Hierbei begegnet es keinen Bedenken, den Beweis gemäß § 287 ZPO als geführt anzusehen, wenn das Gericht im Wege des Ausschlusses anderer Ursachen zu der Überzeugung gelangt, dass der Unfall als einzige realistische Ursache für die Beschwerden in Betracht kommt (BGH, VersR 2003, 476).

Die Kammer hat bei der Beweiswürdigung neben den in diesem Rechtsstreit erstatteten Sachverständigengutachten die im Rahmen des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht L - ... U .../... - erstatteten Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand des Klägers gem. § 411 a ZPO verwertet.

Im einzelnen sind daher folgende Ansprüche zuzuerkennen:

Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien (BGH, NJW 1955, 1675). Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht (Heinrichs in Palandt, BGB, 67. Aufl., § 253 Rn. 17).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger bei dem Verkehrsunfall eine nicht dilozierte Rippenserienfraktur der linken Thoraxhälfte, eine contusio cordis mit nachfolgenden Herzrhythmusstörungen (intermittierendem AV-Block bis III. Grades) und eine HWS-Distorsion mit immer wiederkehrender Versteifung der HWS des Nackens erlitten hat.

Dass der Kläger bei dem Verkehrsunfall eine nicht dilozierte Rippenserienfraktur erlitten hat, ergibt die Bezugnahme im Schreiben der Beklagten zu 3) vom 22.07.20... auf den ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik am U. Diese ist jedoch zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilt, wie sich aus der Stellungnahme des Sachverständigen PD Dr. med. Z vom ...20... ergibt (Bl. 457 d. A.). Ferner ist die vom Kläger bei dem Verkehrsunfall vom ...20... nach den Feststellungen des Arztes Prof. Dr. med. A vom #...20... (Bl. 58 ff. d. A.), des Sachverständigen Dr. med V in seinem Gutachten vom ...20... (Bl. 243 ff. d. A.) und des Sachverständigen Dr. CC in seinem Gutachten vom ...20..., Bl. 76 d. SG Akte) erlittene contusio cordis mit nachfolgenden Herzrhythmusstörungen (intermittierender AV-Block bis III. Grades) nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. V in seinem Gutachten vom ...20... (Bl. 243 ff. d. A.) ebenfalls folgenlos ausgeheilt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. G in seinem Gutachten vom #...20... erlitt der Kläger bei dem Verkehrsunfall Distorsionen der HWS und der LWS mit persistierenden Beschwerden, jedoch keine weitergehenden Verletzungen in dem Bereich.

Für diese bei dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen hält die Kammer ein Schmerzensgeld von insgesamt 10.000,- EUR für angemessen (vgl. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldtabelle 27. Aufl., Nr. 402 und LG Münster, Urteil vom 27.03.2007 zitiert nach Beck’sche Schmerzensgeldtabelle, Onlineversion, Nr. 3710).

Dem Kläger ist jedoch auch unter dem abgeschwächten Beweismaß des § 287 ZPO nicht der Nachweis gelungen, dass die Schulterluxation, der Morbus sudeck/CRPS und das posttraumatische Belastungssyndrom eine adäquat kausale Folge des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls sind, so dass diese bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht zu berücksichtigen waren. Aus diesem Grund bedarf es auch bezüglich der behaupteten psychischen Beeinträchtigungen des Klägers keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die psychischen Beeinträchtigungen als Folge der körperlichen Verletzungen oder als primäre Unfallfolge geltend gemacht werden.

Die unstreitig vorliegende Schulterluxation (links) mit Mac Laughlin Defekt des vorderen Humeruskopfes - bezüglich derer die Beklagten lediglich einwenden, dass auch sie folgenlos ausgeheilt ist - ist keine adäquat kausale Folge des Verkehrsunfalles. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.20... (Bl. 348 d. A.) erklärt, dass die Schulterluxation - unstreitig - im Rahmen der Untersuchung im Okrankenhaus bei einem Behandlungsversuch verursacht worden ist. Obwohl grundsätzlich der Schaden vom Erstschädiger auch dann zu ersetzen ist, wenn er letztlich erst durch das Dazwischentreten eines Dritten verursacht wurde (Oetker in Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 249 BGB, Rn. 128 und 151), hätte es dem Kläger in dieser Konstellation oblegen, gem. § 287 ZPO näher vorzutragen, aus welchem Grund die durch einen behandelnden Arzt verursachte Schulterluxation trotzdem den Beklagten zuzurechnen ist.

Ebensowenig spricht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall und dem Morbus sudeck und der Algodystrophie des linken Arms und der linken Hand. Zwar haben die Ärzte Dr. med. HH im Gutachten vom ...20... (Bl. 86 ff. d. A.) und Dr. med. XX im Gutachten vom ...20... (Bl. 111 ff. d. A.) dargelegt, dass der linke Arm als Unfallfolge nicht mehr gebrauchsfähig und quasi einer (Oberarm-) Amputation gleichzusetzen sei, wobei der Sachverständige HH eine willentliche Herbeiführung der Verletzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen konnte, der Sachverständige XX hingegen feststellt, dass eine Mitverursachung denkbar sei. Auch der gerichtliche Sachverständige Prof. G führt in seinem Gutachten vom #...20... aus, dass ein durch den Unfall verursachter Morbus sudeck vorliege, der auch keine vorangegangenen Verletzungen am Arm erfordere.

Hingegen haben die Sachverständigen Dr. TT im Gutachten vom #...20... (Bl. 122 ff. d. SG Akte) und Dr. WW im Gutachten vom #...20... (Bl. 90 ff. d. SG Akte) in dem Rechtsstreit Sozialgericht L ... U .../... festgestellt, dass die Funktionslosigkeit des Armes auf einer Selbstschädigung des Klägers beruhe und dies mit einer nicht natürlich zu erklärenden Kälte der Hand, frischer Verletzungsspuren am Handrücken, einer nicht herabgesetzten Masse an Ober- und Unterarmmuskulatur und einem gleichen Kalksalzgehalt von linkem und rechtem Arm begründet. Auch der Sachverständige Dr. YY (Bl. 288 ff. d. SG Akte), der auch zu den in diesem Rechtsstreit eingeholten Sachverständigengutachten Stellung genommen hat, ordnet in seinem Gutachten vom #...20... die Funktionslosigkeit des Armes aus orthopädischunfallmedizinischer Sicht nicht der Verletzung des Oberarmkopfes zu.

Aufgrund der von Sachkunde getragenen Ausführungen der Sachverständigen Dr. WW, Dr. TT und Dr. YY, denen sich die Kammer in eigener Würdigung anschließt, ist die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass der Morbus sudeck und die Algodystrophie nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen steht. Der Sachverständige Dr. YY hat zutreffend festgestellt, dass es sich bei den nicht durch radiologische Untersuchungen begründeten Feststellungen des Sachverständigen Prof. G um eine Verdachtsdiagnose handele. Insoweit hat der Sachverständige Dr. YY im Röntgenbild des Armes des Klägers die für einen Morbus sudeck typischen radiologischen Veränderungen nicht feststellen können und auch sklettszintigraphisch und kernspintomographisch keine Anhaltspunkte gefunden. Der Sachverständige hat festgestellt, dass auch der Untersuchungsbefund für einen Morbus sudeck völlig untypisch sei, da dieser im Endstadium von einer schmerzarmen Atrophie und nicht einem hoch akuten schmerzhaften Krankheitsbild wie beim Kläger geprägt sei. Unabhängig davon, ob bei der einschlägigen Verletzung des Klägers von einer Selbstverletzung ausgegangen werden kann, kann der Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Verletzung auch nach den gut begründeten Feststellungen des Sachverständigen Dr. YY aufgrund der erheblichen Ausweitung der Schmerzen und Funktionsstörungen auf den gesamten linken Arm aus orthopädischunfallmedizinischer Sicht nicht begründet werden. Hierzu führt der Sachverständige zusammenfassend ausdrücklich aus, dass es ihm weder gesichert noch wahrscheinlich erscheint, dass ein CRPS/Morbus sudeck die einzige und ausschließliche Erklärung des Gesundheitsschadens ist. Damit liegt die vom Kläger zu beweisende überwiegende d. h. erhebliche Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH, NJW-RR 2002, 166, 167; BGH, NJW 1996, 775, 776) nicht vor.

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände spricht ebensowenig eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Folgen des Verkehrsunfalles und dem erst deutlich später diagnostizierten posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS). Wenn auch vordergründig für einen ursächlichen Zusammenhang zu dem Unfallereignis sprechen mag, dass die Diagnose erst zeitlich nach dem Ereignis gestellt wurde, lässt sich daraus nicht mit der erforderlichen Sicherheit herleiten, dass eine psychische Beeinträchtigung nicht bereits vor dem Unfallereignis bestand. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. WW in seinem Gutachten vom #...20... (Bl. 90 ff. d. SG Akte) sind die Eingangskriterien eines PTBS nicht erfüllt: das Eintreten eines PTBS erfordert ein Ereignis, dass für fast jeden Menschen belastend und im Einzelfall als mit intensiver Angst, Schrecken oder Hilflosigkeit belastet, erlebt wird (Klassifikation Posttraumatische Belastungsstörung nach ICD10 F43.1). Der Sachverständige Dr. WW hat gerade nicht bestätigt, dass das Unfallereignis für den Kläger ein katastrophales Ereignis war. Vielmehr habe der Kläger den Unfall unemotional geschildert. Dies befindet sich mit der Tatsache in Übereinstimmung, dass der Kläger nach dem Unfall selbständig aus dem Fahrzeug steigen konnte und gegenüber der Polizei Angaben machen konnte. Zwar hat der Sachverständige Dr. I in seinem Gutachten vom ... und die Sachverständigen Dipl.-Psychologin H und Prof. Dr. M in dem Gutachten vom ... (Bl. 189 ff. d. A.) das Vorliegen einer PBTS angenommen, ohne jedoch im einzelnen darzulegen, inwieweit die im einzelnen aufgeführten Kriterien einer PTBS bei dem Kläger auch erfüllt sind. Gleiches gilt für die Feststellungen des Arztes Dr. med. HH in seinem Gutachten vom ... Auch der Sachverständige Dr. II hat in seinem Gutachten vom ... (Bl. 202 ff d. SG Akte) für die Diagnostizierung des PBTS pauschal das Vorliegen eines Verkehrsunfalles ausreichen lassen.

Ein traumatisches Schmerzsyndrom liegt ebensowenig vor. Dies ergibt sich aus den bewusstseinsnahen Tendenzen des Klägers, wie sie in den Gutachten der Sachverständigen Dr. TT vom #... und Dr. WW vom #... beschrieben wurden.

Der Kläger hat nach den von ihm nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen Prof. G auch keine unfallbedingten Schmerzen in Füßen, Beinen und Kniegelenken nachgewiesen. Der Sachverständigen Prof. G führt hierzu in seinem Gutachten vom #... aus, dass diese geltend gemachten Beschwerden erst fast zwei Monate nach dem Verkehrsunfall dokumentiert wurden, so dass ein sicherer Hinweis auf die Verletzungen nicht vorliege.

Angebliche knöcherne Verletzungen im linken Ellbogen und der Wirbelsäule, die bereits im Befund des Okrankenhauses vom ... (Bl. 42 ff. d. A.) nicht enthalten sind, hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt. Der Kläger hat bereits nicht ausgeführt, was unter einer knöchernen Verletzung zu verstehen ist (Trümmerbruch, Anbruch, Knochenabsplitterung o. ä.).

Einwendungen gegen die von der Kammer eingeholten Gutachten hat der Kläger nicht geltend gemacht, § 411 ZPO. Da die Kammer weitgehend der Auffassung der Beklagten folgt, war eine Auseinandersetzung mit den umfangreichen Einwendungen der Beklagten gegen die Feststellungen der einzelnen Gutachter entbehrlich.

Entgegen dem Beweisbeschluss der Kammer vom 19.12.2007 war die Einholung eines weiteren Gutachtens gem. § 412 ZPO zur Ursächlichkeit der Verletzungsfolgen nicht veranlasst. Auch wie bei einander widersprechenden Gutachten ist die Einholung eines Obergutachtens nicht zwingend (Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 412 Rn. 3). Die Kammer hat sich wie dargelegt bei der Überzeugungsbildung den Gutachtern angeschlossen, deren Gutachten sie für überzeugend und nicht keineswegs ungenügend hielt. Insbesondere durch die Beiziehung der differenzierten Gutachten der Akte Sozialgericht L ... U .../... war die Einholung eines weiteren Gutachtens gem. § 412 ZPO entbehrlich. Von der weiteren Ausführung des Beweisbeschlusses vom 19.12.2007 konnte deshalb abgesehen werden. Auf die Absicht der Kammer, die in dem Verfahren des Sozialgerichts L eingeholten Sachverständigengutachten gem. § 411 a ZPO zu verwerten, sind die Parteien in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden.

Aus diesen Gründen unterliegt der Antrag auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in vollem Umfang der Abweisung. Im Ergebnis hat der Kläger unter Berücksichtigung einer Haftung der Beklagten zu 50 % einen Anspruch auf 5.000,- EUR, die er vorprozessual von der Beklagten zu 3) schon erhalten hat.

II. Feststellungsanspruch

Der Kläger hat gegenüber den Beklagten auch keinen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten sämtlicher künftig aufgrund des Unfallereignisses vom ... entstehender materieller und immaterieller Schäden aus § 256 ZPO iVm. §§ 7,18, 11, 9 StVG, §§ 823, 253 Abs. 2 BGB.

Wird die Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens aus einer bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung beantragt, so reicht für das Feststellungsinteresse die Möglichkeit eines Schadenseintritts aus, die nur verneint werden darf, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. BGH, NJW 2001, 1431, 1432). Das Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO hinsichtlich eines solchen Schadensersatzanspruchs, der noch nicht abschließend mit der Leistungsklage geltend gemacht werden kann, ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt. Geht es dabei wie hier um den Ersatz erst künftig befürchteten Schadens aufgrund einer bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung, setzt das Feststellungsinteresse weiter die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus.

Dieser Schluss kann im vorliegenden Rechtsstreit nicht gezogen werden. Bei verständiger Würdigung besteht kein Grund, mit dem Eintritt unfallbedingter Dauerschäden zu rechnen. Die durch den Verkehrsunfall verursachten Verletzungen sind folgenlos ausgeheilt. Das Fortbestehen von Beschwerden im Bereich der HWS/LWS rechtfertigt einen Feststellungsantrag ebensowenig, da auch aus der Sicht des Klägers im Hinblick auf den langen Zeitablauf nach dem Unfallgeschehen nicht mit dem Eintritt von ungewissen Spätschaden zu rechnen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 601, 602). Der Sachverständige Prof. G hat in seinem Gutachten vom #... auch keine über die Versteifung der HWS/LWS hinausgehenden Spätschäden festgestellt. Dass die weiteren Verletzungen Unfallfolge waren, konnte der Kläger nicht beweisen, so dass auch aus diesem Grund ein Feststellungsantrag nicht begründet ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 ZPO.

Streitwert:

Für den Antrag zu 1) 60.000,- EUR

Für den Antrag zu 2) 40.000,- EUR

Insgesamt: 100.000,- EUR