VG Karlsruhe, Urteil vom 06.07.2004 - 4 K 3754/03
Fundstelle
openJur 2013, 13450
  • Rkr:

1. Zum Anspruch der Gemeinde auf Kostenerstattung wegen der eigenständigen Durchführung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans.

2. Aus dem Grundsatz der Planbestimmtheit folgt, dass eine Zuordnungsentscheidung nach § 8a Abs 1 S 4 BNatSchG 1993 (bzw § 9 Abs 1a S 2 BauGB) in Form einer verbindlichen Regelung als Festsetzung im Bebauungsplan zu erfolgen hat.

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2002 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 25.09.2003 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erstattungsbetrag für von der Beklagten durchgeführte naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen.

Sie sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. xxx der Gemarkung Malsch-Völkersbach, welches von dem Geltungsbereich des Bebauungsplans „Kreuzäcker“ der Beklagten vom 24.11.1995 erfasst wird. Der Bebauungsplan beinhaltet neben seinen zeichnerischen Festsetzungen schriftliche „Planungsrechtliche und baurechtliche Festsetzungen“, eine Begründung sowie einen Grünordnungsplan. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der im vorliegenden Verfahren beigezogenen Ausfertigung des Bebauungsplans verwiesen.

Im Jahr 1997 schlossen die Kläger mit der Beklagten eine Ablösevereinbarung, wonach der Erschließungsbeitrag, der Entwässerungsbeitrag, der Wasserversorgungsbeitrag und der Kostenersatz für den Kanalhausanschlussschacht mit der Zahlung einer Ablösesumme abgegolten wurden.

In seiner Sitzung vom 26.07.1999 beschloss der Gemeinderat der Beklagten den Erlass einer „Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135 a - c BauGB“. Diese am 05.08.1999 im Gemeindeanzeiger veröffentlichte Satzung ermöglicht nach ihrem § 1 die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen für die Durchführung von zugeordneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach den Bestimmungen des Baugesetzbuchs. Erstattungsfähig nach § 2 Abs. 1 der Satzung sind die Kosten für die Durchführung von allen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die nach § 9 Abs. 1 a BauGB zugeordnet sind. Die Durchführungskosten umfassen nach § 2 Abs. 2 der Satzung die Kosten für den Erwerb und die Freilegung der Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen selbst einschließlich ihrer Planung, Fertigstellungs- und Entwicklungspflege. § 2 Abs. 3 der Satzung sieht vor, dass sich die Ausgestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich deren Durchführungsdauer aus den Festsetzungen des Bebauungsplans in Verbindung mit den in einer Anlage zur Satzung dargestellten Grundsätzen ergibt. Nach § 4 der Satzung werden die erstattungsfähigen Kosten auf die nach § 9 Abs. 1 a BauGB zugeordneten Grundstücke nach Maßgabe der zulässigen Grundfläche verteilt. Nach § 8 der Satzung tritt diese am Tage nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft.

Auf der Grundlage dieser Satzung zog die Beklagte die Kläger mit Bescheid vom 22.11.2002 gesamtschuldnerisch zu einem Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 1.224,-- € heran. In dem Bescheid ist ausgeführt, die in dem einschlägigen Bebauungsplan vorgeschriebenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen seien in vollem Umfang dem Bebauungsplan „Kreuzäcker“ zugeordnet. Das Grundstück der Kläger sei baulich nutzbar und die beitragspflichtigen Maßnahmen seien auch hergestellt. Aufgrund eines umlagefähigen Gesamtaufwands von 101.006,65 € ergebe sich nach dem Verteilungsmaßstab der zulässigen Grundfläche und einem Beitragssatz von 10,-- € je qm für das klägerische Grundstück die Beitragssumme von 1.224,-- €. In den dem Bescheid beigefügten Erläuterungen führte die Beklagte aus, die im Bebauungsplan „Kreuzäcker“ neben den Bau- und Erschließungsvorgaben enthaltenen Naturschutzmaßnahmen müssten aufgrund einer am 01.01.1998 erfolgten Änderung des Baugesetzbuches abgerechnet werden. Hierbei handele es sich um die Herstellung einer Flutmulde sowie sonstiger Grünanlagen und Baumpflanzungen, die innerhalb und außerhalb des Baugebiets lägen und in dem Grünordnungsplan ausgewiesen seien. Abgerechnet würden lediglich die Kosten für die Herstellung und Pflege der Flutmulde. Sodann heißt es weiter: „Diese Maßnahme wurde im Umlegungsverfahren von Naturschutz- und Umweltseite vorgeschrieben und ohne deren Anlage wäre der Bebauungsplan nicht genehmigt worden.“ Die Kosten aller übrigen Maßnahmen seien von der Gemeinde übernommen worden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger unter dem 18.12.2002 Widerspruch, welchen sie im Wesentlichen wie folgt begründeten: Als sie mit der Bebauung ihres Grundstücks im März 1998 begonnen hätten, sei die Flutmulde, die in Wirklichkeit einen Abwassergraben für Oberflächenwasser darstelle, bereits fertiggestellt gewesen. Endgültig hergestellt sei sie definitiv im Juni 1998 gewesen. Die Satzung der Beklagten zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135 a - c BauGB vom 26.07.1999 sei von der Beklagten daher auf bereits abgeschlossene Tatbestände angewandt worden, was dem Rechtsstaatsprinzip widerspreche. Dem angefochtenen Bescheid stehe aber auch die von ihnen im Jahr 1997 geschlossene Ablösevereinbarung entgegen. Sie hätten die Ablösesumme voll bezahlt und daher darauf vertrauen dürfen, dass weitere Forderungen seitens der Gemeinde an sie nicht mehr gestellt werden würden. Dies gelte um so mehr, als ein Vorbehalt oder auch nur ein Hinweis auf noch anfallende Kosten wegen naturschutzrechtlicher Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen seitens der Beklagten nicht erfolgt sei. Bei der sogenannten Flutmulde handele es sich auch um eine Erschließungsmaßnahme und gerade nicht um einen Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft. Sie hätten gehört, dass der Entwässerungsgraben zur Sicherung des Baugebiets erforderlich gewesen sei, weshalb es sich bei ihm um eine Anlage handele, die als Voraussetzung für die Ausweisung des Geländes als Baugebiet notwendig gewesen sei. Ihre Deklarierung als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme sei unerheblich, selbst wenn ein entsprechender Nebeneffekt damit verbunden wäre. Für die Herstellung des Grabens sei auch ein wasserrechtliches Plangenehmigungsverfahren gefordert worden, die Abführung insbesondere von Quellwasser zum Schutz eines Baugebiets aufgrund einer wasserrechtlichen Genehmigung stelle aber mit Sicherheit keine landschaftspflegerische Maßnahme dar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2003 wies das Landratsamt Karlsruhe  - Rechts- und Kommunalamt - den Widerspruch der Kläger zurück. Zur Begründung führte es an, dass eine Satzung nach § 135 c BauGB nicht nur Bebauungspläne mit Ausgleichsmaßnahmen betreffe, deren Verfahren nach dem 01.01.1998 eingeleitet worden sei, sondern auch Bebauungspläne, die davor in Kraft getreten seien. Vor dem 01.01.1998 festgesetzte Ausgleichsmaßnahmen könnten allerdings nur abgerechnet werden, wenn sie im zeitlichen Geltungsbereich der Satzung verwirklicht worden seien. § 135 a Abs. 3 S. 3 BauGB knüpfe die Entstehung der Erstattungspflicht an die Herstellung der Ausgleichsmaßnahmen. Dies sei dann der Fall, wenn die Ausgleichsmaßnahmen „technisch“ realisiert und abgeschlossen seien, wozu nach der vorliegend einschlägigen Satzung auch die Fertigstellungs- und Entwicklungspflege gehöre. Mit der Verwirklichung dieser Maßnahme durch Anpflanzungen am 09.04.2002 sei der Kostenerstattungsanspruch entstanden. Die mit den Klägern geschlossene Ablösevereinbarung stehe dem Kostenerstattungsanspruch der Beklagten nicht entgegen. Denn aus ihr ergebe sich klar, welche „Arten“ von Beiträgen von der Vereinbarung erfasst seien. Kostenerstattungsbeträge nach den §§ 135 a - c BauGB seien in der Vereinbarung gerade nicht erwähnt worden. Entgegen der Auffassung der Kläger seien die in die Berechnung der Kostenerstattungsbeträge eingestellten Kosten für die sogenannte Flutmulde auch nicht den Entwässerungsbeiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz zuzuordnen. Die Auslegung der Flutmulde als solche und deren Bepflanzung und Begrünung sei insgesamt eine Maßnahme des Naturschutzes und diene dem naturschutzrechtlichen Ausgleich. Der Widerspruchsbescheid wurde den Klägern am 01.10.2003 zugestellt.

Die Kläger haben am 03.11.2003, einem Montag, Klage erhoben, mit der sie beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Karlsruhe vom 25.09.2003 aufzuheben.

Zur Begründung ihrer Klage beziehen sie sich im Wesentlichen auf das bereits Vorgetragene. Ergänzend behaupten sie, dass die Beklagte die Maßnahmen zur Herstellung der Flutmulde längst vor dem Erlass der Kostenerstattungssatzung hätte abschließen können. Die Maßnahmen seien treuwidrig verzögert worden, damit die Flutmulde nicht bereits vor dem Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs der Satzung fertig gestellt werde. Die vorgenommene Kostenverteilung leide daneben per se an dem Mangel, dass eine Zuordnung auf die Grundstücke textlich nicht stattgefunden habe. Von Interesse sei schließlich, dass der mit der Herstellung der Flutmulde beauftragte Ingenieur einem Dritten gegenüber erklärt habe, diese diene der dauerhaften Ableitung des Oberflächenwassers, das sich oberhalb des Baugebiets bilde. Das Wasser werde am Baugebiet vorbei unter der Kreisstraße 3551 hindurch auf die Wiesen unterhalb des Baugebiets geleitet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält daran fest, dass der Kostenerstattungsbescheid rechtmäßig sei und verweist hierzu auf die Ausführungen des Landratsamts Karlsruhe in dessen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, Voraussetzung für die Entstehung des streitgegenständlichen Kostenerstattungsbetrags sei das Vorliegen einer rechtswirksamen Satzung nach § 135 c BauGB. Diese sei 1999 beschlossen worden, und mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung für die Grünordnungsmaßnahmen im Abrechnungsgebiet sei sodann die Kostenerstattungspflicht der Kläger entstanden. Zu diesem Zeitpunkt seien alle Voraussetzungen für deren Entstehen gegeben gewesen. Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans, auf dessen Grundlage das Baugebiet realisiert und die Grünordnungsmaßnahmen durchgeführt worden seien, komme es - wie auch im Erschließungsbeitragsrecht - nicht an. Der Tatbestand der Kostenerstattungspflicht sei vor Erlass der Kostenerstattungssatzung noch nicht abgeschlossen gewesen, so dass mit der Satzung keine unzulässige Rückwirkung verbunden gewesen sei. Der Satzung fehle es auch nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Aus ihr ergebe sich eindeutig, nach welchen Kriterien die Kostenerstattungsbeträge zu ermitteln seien. Der Vorwurf der treuwidrigen Verzögerung der Herstellung der Ausgleichsmaßnahmen sei zurückzuweisen. Es könne eindeutig nachvollzogen werden, welche Kosten in die mit den Klägern abgeschlossene Ablösungsvereinbarung für den Erschließungsbeitrag eingeflossen und daher nicht über Kostenerstattungsbeträge abgerechnet worden seien. Durch den Umstand, dass ein Teil der Grünordnungsmaßnahme über Erschließungsbeiträge abgelöst worden sei, seien die Kläger gerade begünstigt worden, da - anders als im Kostenerstattungsrecht nach den §§ 135 a - c BauGB - die Gemeinde im Erschließungsbeitragsrecht einen 10%-igen Gemeindeanteil auf sich behalten müsse. Schließlich sei die Herstellung der Flutmulde allein eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme und habe mit dem Entwässerungssystem der Gemeinde als solchem nichts zu tun. Die Herstellung der Flutmulde habe allein und ausschließlich aufgrund ihrer ökologischen Wertigkeit dem naturschutzrechtlichen Ausgleich desjenigen Eingriffs gedient, der durch die Ausweisung des Baugebiets entstanden sei.

In der mündlichen Verhandlung hat der ehemalige Ortsbaumeister der Beklagten auf Fragen des Gerichts erklärt, die angelegte sogenannte Flutmulde befinde sich in Hanglage und sei etwa 30 cm tief. Vor der Verwirklichung des Baugebiets sei ein Einzugsbereich von etwa 12,2 ha Wiesenfläche in den Straßengraben der unterhalb des Baugebiets verlaufenden Albtalstraße entwässert worden. Nach der Verwirklichung des Baugebiets habe sich diese Fläche auf 8,1 ha verringert. Das auf dieser Fläche anfallende Niederschlagswasser habe nicht der Kanalisation des Baugebiets zugeführt werden, sondern mittels der Wiesen- bzw. Flutmulde um das Gebiet herum zu dem natürlichen Vorfluter geführt werden sollen. Die Mulde könne daher nicht als Entwässerungseinrichtung für das Baugebiet bezeichnet werden. Anlässlich von Sitzungen des Gemeinderats der Beklagten am 28.09. und 23.11.1995 sei über die Mulde als Ausgleichsmaßnahme beraten worden. Als Ergebnis des Abwägungsvorgangs sei es zu deren Darstellung als Ausgleichsmaßnahme im Bebauungsplan gekommen.

Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten der Beklagten und des Landratsamts Karlsruhe vor. Ihm liegen daneben eine Ausfertigung des Bebauungsplans „Kreuzäcker“ der Beklagten, ein Abdruck der Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135 a - c BauGB vom 26.07.1999 sowie 4 Aufstellungen über „Grünordnerische Maßnahmen im Baugebiet „Kreuzäcker“ entsprechend dem Grünordnungsplan und hierfür veranschlagte Kosten“ vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der gewechselten Schriftsätze und der Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kostenerstattungsbescheid der Beklagten vom 22.11.2002 sowie der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 25.09.2003 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die gesetzlichen  Voraussetzungen für die Erhebung des von der Beklagten geforderten Kostenerstattungsbetrags sind nicht gegeben.

Der Sache nach handelt es sich bei dem von der beklagten Gemeinde geltend gemachten Kostenerstattungsbetrag um eine auf der Regelung des § 8 a BNatSchG in seiner bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung beruhende öffentlich-rechtliche Kostenforderung. Nach dieser Vorschrift gilt Folgendes: Sind aufgrund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist über die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Bauleitplan im Rahmen der Abwägung nach § 1 BauGB zu entscheiden. Hierzu rechnen auch Entscheidungen über Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 BauGB, die dazu dienen, die zu erwartenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes auf den Grundstücksflächen, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, oder im sonstigen Geltungsbereich des Bauleitplans auszugleichen, zu ersetzen oder zu mindern (§ 8 a Abs. 1 S. 1 und 2 BNatSchG). Die Festsetzungen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind vom jeweiligen Vorhabenträger durchzuführen (§ 8 a Abs. 3 S. 1 BNatSchG). Festsetzungen im sonstigen Geltungsbereich eines Bebauungsplans können ergänzend zu § 9 BauGB denjenigen Grundstücksflächen, auf denen Eingriffe aufgrund sonstiger Festsetzungen zu erwarten sind, für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen ganz oder teilweise zugeordnet werden (§ 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG). Ist eine solche Zuordnung vorgenommen worden, soll die Gemeinde diese an Stelle und auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchführen, sofern die Durchführung nicht auf andere Weise gesichert ist (§ 8 a Abs. 3 S. 2 BNatSchG). Die Maßnahmen können bereits vor dem Eingriff durchgeführt werden, wenn dies aus städtebaulichen Gründen oder aus Gründen des Naturschutzes erforderlich ist; Kosten hierfür können geltend gemacht werden, sobald die Grundstücke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen (§ 8 a Abs. 3 S. 3 BNatSchG). Soweit die Gemeinde Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen selbst an Stelle und auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchführt, sind die Kosten auf die zugeordneten Grundstücke zu verteilen (§ 8 a Abs. 4 S. 1 BNatSchG). Die Einzelheiten des Umfangs der Kostenerstattung sind von der Gemeinde in einer Satzung zu regeln (§ 8 a Abs. 5 BNatSchG).

Diese Vorschriften, die im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans „Kreuzäcker“ der Beklagten galten, sind durch das Bau- und Raumordnungsgesetz vom 18.08.1997 zwischenzeitlich in das Baugesetzbuch überführt worden (vgl. dort die §§ 1 a Abs. 3, 9 Abs. 1 a, 135 a - c). Im Unterschied zu der zuvor im Bundesnaturschutzgesetz enthaltenen Regelung ermöglicht das Bau- und Raumordnungsgesetz gem. § 9 Abs. 1 a S. 1 BauGB weitergehend die Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle als dem Ort des Eingriffs auch im Rahmen des Geltungsbereichs eines anderen Bebauungsplans (siehe zum Ganzen Schmidt, Die Neuregelung des Verhältnisses zwischen Baurecht und Naturschutz, NVwZ 1998, 340; Bartholomäi, Die überschätzte Kostenerstattung nach § 8 BNatSchG, NVwZ 1996, 852; Birk, Die Kostenerstattung bei naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen unter besonderer Berücksichtigung des Erschließungsbeitragsrechts, VBlBW 1998, 81; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Komm., 8. Aufl., § 9 RN 98 a ff.; Bunzel, Kostengerechtigkeit bei der Zuordnung von Flächen und Maßnahmen zum Ausgleich im Bebauungsplan, BauR 1999, 3; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Komm., § 9 RN 231 ff. sowie den Muster-Einführungserlass zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 der Fachkommission Städtebau der ARGE Bau vom 09.09.1997, abgedr. bei Brügelmann, BauGB, Komm. zu § 1 a BauGB).

Abgesehen davon, dass die nach dem Ausgeführten für den Erlass eines Kostenerstattungsbescheids erforderliche Satzung der Beklagten zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135 a - c BauGB vom 26.07.1999 keinerlei Bezug zu nach § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG zugeordneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen herstellt, was nach Auffassung der Kammer zumindest klarstellungsbedürftig ist, deutet für die Kammer nichts auf eine Nichtigkeit dieser gemeindlichen Satzung hin. Die Satzung regelt in ihrem § 2 Abs. 1 insbesondere zutreffend, dass erstattungsfähig nur diejenigen Kosten für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind, die auch entsprechend den bauplanungsrechtlichen Vorschriften bestimmten Grundstücken zugeordnet wurden (vgl. § 8 a Abs. 4 BNatSchG bzw. § 135 b S. 1 BauGB).

Eine derartige bauplanungsrechtliche Zuordnung hat in der Form einer verbindlichen Regelung als Festsetzung im Bebauungsplan zu erfolgen (vgl. Bunzel, a.a.O., Birk, a.a.O., Bartholomäi, a.a.O., Schmidt, a.a.O.). Aus dem Grundsatz der Planbestimmtheit folgt, dass hierfür mindestens eine textliche Festsetzung erforderlich ist, in welcher die von der Zuordnung betroffenen Flächen nach Flurstücken einzeln aufgeführt werden (vgl. VG Dresden, Beschl. v. 04.08.2000, NVwZ-RR 2001, 582). Allein der Umstand der Festsetzung von Ausgleichs- und Eingriffsflächen in einem Bauleitplan genügt insoweit nicht. So unterscheidet der Gesetzgeber ausdrücklich einerseits die Entscheidung, ob in einem Bebauungsplan überhaupt Ausgleichs- und Ersatzflächen ausgewiesen werden sollen, und andererseits die Entscheidung, ob, sofern dies erfolgt ist, diese bestimmten Grundstücksflächen zum Zwecke der späteren Kostenerstattung ganz oder teilweise zugeordnet werden. Ersteres beruht auf einer eigenständigen Abwägungsentscheidung des Gemeinderats (vgl. dazu etwa VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.05.2001, NVwZ-RR, 2002, 168), Letzteres auf einer hiervon zu unterscheidenden eigenständigen Ermessensentscheidung des Plangebers. Die Entscheidung des Gemeinderats, naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen festzusetzen, hat nicht zwingend auch die Zuordnung solcher Maßnahmen zu einzelnen Grundstücken zur Folge. Vielmehr eröffnet § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG der Gemeinde nur die Möglichkeit, durch eine Zuordnung schon auf der Planungsstufe eine bestimmte Strukturierung zur Umsetzung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Mit der Zuordnung verschafft sie sich das Recht, die Ausgleichsmaßnahme in eigener Regie durchzuführen und die Eigentümer der Grundstücke, die nicht mit den Vorhabenträgern identisch sind, an den Kosten zu beteiligen. Die Vorschrift eröffnet der Gemeinde daher nur die Möglichkeit, eine Zuordnungsentscheidung zu treffen, sie stellt es ihr aber zugleich frei, ob und wieweit sie von dieser Ermächtigung Gebrauch macht. Der Gemeinde wird in diesem Normierungssystem ein Weg aufgezeigt, der es ihr ermöglicht, in Eigenregie dem Kompensationsinteresse Geltung zu verschaffen, ohne die Last der hierfür erforderlichen Kosten tragen zu müssen. Mit diesen Regelungen wird aber nur eines von mehreren Modellen aufgezeigt, denen gemeinsam ist, sicherzustellen, dass die im Bebauungsplan festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch tatsächlich durchgeführt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich das von ihm erstrebte Ziel, den Kompensationsinteressen schon auf der Planungsstufe Rechnung zu tragen, auch mit anderen geeigneten Mitteln erreichen lässt. Ist die Realisierung der Maßnahmen auf andere Weise gesichert, wie z. B. durch einen Vertrag nach § 11 Abs. 1 BauGB, bedarf es einer solchen Zuordnungsfestsetzung nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.03.1999, BauR 2000, 242; VG Dresden, a.a.O.; VG Freiburg, Urt. v. 22.01.2003     - 2 K 314/01 -, Juris).

Eine für die Anforderung eines Kostenerstattungsbetrags bei den Klägern hiernach notwendige Zuordnungsfestsetzung hat die Beklagte indes bislang nicht getroffen. Zwar sehen die zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans „Kreuzäcker“ der Beklagten entlang der nördlichen und der östlichen Grenze des Plangebiets die Anlage eines Wiesenstreifens mit Flutmulde sowie die Neupflanzung von Bäumen vor. Insoweit sieht auch der erwähnte Grünordnungsplan, auf den in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans verwiesen wird, als „weitere Ausgleichsmaßnahme für das Baugebiet“ die Führung eines im Norden und Osten des Baugebiets geplanten Grabens in einem etwa 1-10 m breiten Wiesenstreifen als flache, maximal 0,3 m tiefe und 1 m breite Flutmulde vor (Nr. 5.4 des Grünordnungsplans). Hierin könnte möglicherweise eine gültige Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 8 a Abs. 1 BNatSchG gesehen werden, was indes für das vorliegende Verfahren nicht entschieden werden muss, weil aus keiner einzigen Formulierung der gesamten Planunterlagen hervorgeht, dass über eine bloße Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 8 a Abs. 1 S. 1 BNatSchG diese auch bestimmten Grundstücken des Plangebiets im Sinne von § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG zugeordnet wurden. Da es sich bei einer derartigen Zuordnung - wie ausgeführt - um eine eigenständige Festsetzung im Bebauungsplan handelt, müsste sie aus Gründen der Planbestimmtheit ausdrücklich und konkret erfolgt sein und dem Bebauungsplan auch ohne Weiteres entnommen werden können. Dies ist nach Auffassung der Kammer vor allem deshalb zu fordern, weil dem Plangeber bei dem Erlass des Bebauungsplans die finanziellen Auswirkungen einer solchen Zuordnungsfestsetzung auf die von dem Plan betroffenen Vorhabenträger bzw. Grundstückseigentümer vor Augen geführt werden müssen. Aber auch die Vorhabenträger und Grundstückseigentümer selbst müssen anhand der Festsetzungen des Bebauungsplans unzweideutig erkennen können, ob sie mit einem Kostenerstattungsanspruch im Hinblick auf von der Gemeinde durchgeführte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu rechnen haben (vgl. zu dem Wortlaut einer - nachgeholten -  Zuordnungsfestsetzung das Urteil des VG Freiburg v. 22.01.2003, a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt der Inhalt des Bebauungsplans „Kreuzäcker“ der Beklagen aber in keiner Weise. Dass, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hat ausführen lassen, die einschlägige Passage des Grünordnungsplans jedenfalls als eine Zuordnungsentscheidung „interpretiert“ werden könne, weil auch die Regelungen der Gemeindeordnung die Ausschöpfung aller Refinanzierungsmöglichkeiten forderten, kann vor dem Hintergrund des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgebots gerade nicht ausreichen.

Mangels einer erforderlichen Zuordnung der mit dem Bebauungsplan möglicherweise festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen fehlt es bereits an dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Erstattungsbescheids im Hinblick auf die von der Beklagten aufgewendeten Kosten. Die Voraussetzungen des  § 2 Abs. 1 der Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135 a - c BauGB sind nicht gegeben, sodass die von den Klägern angegriffenen Bescheide aufzuheben sind.

Keiner Entscheidung bedarf es in dem vorliegenden Klageverfahren, ob eine Zuordnung der sogenannten Flutmulde als Ausgleichsmaßnahme beschränkt auf die Baugrundstücke des Baugebiets auch noch im Wege einer Ergänzung des Bebauungsplans „Kreuzäcker“ etwa im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB erfolgen kann und ggf. eine solche Zuordnung mit dem Rückwirkungsverbot vereinbar ist oder einem solchen Vorgehen sonstige Gründe des Vertrauensschutzes entgegenstehen.

Ebenso kann für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, dass der Bau der sogenannten Flutmulde in seiner Gesamtheit als Ausgleichsmaßnahme im Sinne des § 8 a BNatSchG beurteilt werden darf. Hiergegen könnten bereits die Ausführungen des früheren Ortsbaumeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu der Funktionsweise der Flutmulde sprechen. Auch die Ausführungen unter Nr. 4.2 des Grünordnungsplans zum Bebauungsplan „Kreuzäcker“ der Beklagten, wonach die Anlage des Grabens selbst einen „Eingriff in den Boden“ darstelle, sprechen eher gegen die Auffassung der Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO vorliegt (§ 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO).