Ob beim Gebrauchtwagenkauf eine atypische Vorbenutzung des Fahrzeugs zu einer Beeinträchtigung und/oder Wertminderung geführt hat und daher einen offenbarungspflichtigen Umstand darstellt, hängt von dem jeweiligen Einzelfall ab. Bei einer nur kurzen Erstnutzung (hier ca. 6 Monate) des Fahrzeugs als Mietwagen, die zudem zum Verkaufszeitpunkt fast 2 Jahre zurückliegt, ist dies jedenfalls nicht der Fall.
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18. August 1995 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 10 O 260/95 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die zulässige Berufung des Beklagten, die insbesondere form- und
fristgemäß eingelegt und begründet worden ist, hat in der Sache
Erfolg.
Die Klage ist unbegründet.
Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des
Kaufpreises von 41.500,00 DM Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW
Kombi vom Typ Daimler Benz 200 TE, amtliches Kennzeichen ...,
steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Da das betreffende Fahrzeug von dem Beklagten mit schriftlichem
Vertrag datierend auf den 26. April 1995 an den Kläger "wie
besichtigt und Probe gefahren unter Ausschluß jeglicher
Gewährleistung" verkauft worden ist, kommen
Gewährleistungsansprüche nur bei arglistigem Verschweigen, dem das
arglistige Vorspiegeln von Eigenschaften oder der Abwesenheit von
Fehlern gleichsteht, in Betracht (vgl. § 476 BGB; Palandt-Putzo,
BGB, 54. Auflage, § 476 Rdnr. 10, 11, m.w.N.).
Ein Verhalten des Beklagten als Verkäufer im Zusammenhang mit
dem Abschluß des Kaufvertrages mit dem Kläger, das diese
Haftungsvoraussetzungen erfüllt, ist indessen nicht gegeben.
Zwar handelt es sich bei dem in Rede stehenden Fahrzeug um ein
in der Zeit vom 03.12.1992 (Zeitpunkt der Erstzulassung) bis zum
24.05.1993 (Zeitpunkt der Stillegung) von der Firma S. AG als
Mietwagen genutztes Auto, das in diesem Zeitraum von ca. 5 Monaten
und 3 Wochen eine Fahrleistung von rund 17.000 km erreichte.
Dennoch brauchte der Beklagte beim Weiterverkauf des Fahrzeugs
diesen - gegenüber dem Normalfall der privaten Vorbenutzung -
atypischen Gebrauch ungefragt nicht zu offenbaren.
Ob eine atypische Vorbenutzung des Fahrzeugs zu einer
Beeinträchtigung und/oder Wertminderung geführt hat und daher einen
offenbarungspflichtigen Umstand darstellt, hängt von dem jeweiligen
Einzelfall ab.
Entscheidend ist dabei auf Kriterien wie z.B. Alter,
Fahrleistung, Art des Motors, Dauer der atypischen Vorbenutzung
abzustellen (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Auflage, Rdnr.
1610).
Bei einer mehrjährigen ununterbrochenen Nutzung als Taxi, einem
langjährigen ununterbrochenen Einsatz als Fahrschulwagen oder auch
als Mietwagen wird beim Verkauf regelmäßig eine Offenlegung der
Vorbenutzung erfolgen müssen (vgl. BGH BB 1977, 61 ff.; OLG
Nürnberg MDR 1985, 672; OLG Köln NJW-RR 1990, 1144;
Reinking/Eggert, a.a.O., Rdnr. 1610, m.w.N.). Denn eine derartige
atypische Vorbenutzung stellt einen die Wertbildung negativ
beeinflussenden Faktor dar und löst in der Regel einen merkantilen
Minderwert des Fahrzeugs aus.
Die besonderen Umstände des vorliegenden Falls führen indessen
zur Verneinung eines merkantilen Minderwertes und damit zur
Verneinung einer Offenbarungspflicht des Beklagten in Hinblick auf
die frühere Mietwagennutzung des verkauften Fahrzeugs. Von
Bedeutung ist insoweit vor allem, daß die Vornutzung als Mietwagen
nur während der ersten sechs Monate nach der Erstzulassung des
Wagens erfolgte, das jetzt relevante Verkaufsgeschäft fast zwei
Jahre nach der Einstellung der Mietwagennutzung stattfand und zudem
von dem Beklagten als dem zweiten Eigentümer des Fahrzeugs, der es
in seiner Besitzzeit ausschließlich privat nutzte, vorgenommen
wurde. Hinzu kommt, daß der Wagen während der ca. 21 Monate
dauernden Besitzzeit des Beklagten etwa 48.000 km gefahren worden
war (Gesamtfahrleistung zur Zeit des Verkaufs an den Kläger: ca.
65.000 km), was einer durchschnittlichen km-Leistung im Jahr von
ca. 27.500 entspricht. Der Kläger mußte angesichts der
Gesamtfahrleistung von ca. 65.000 km seit dem 03.12.1992 mit einer
durchschnittlichen Jahreskilometerleistung von etwa 26.900 km (=
65.000 : 29 x 12) rechnen. Durch diese erkennbar erhöhte
Gesamtfahrleistung - die durchschnittliche Laufleistung bei
Personenkraftwagen pro Jahr lag 1993/94 bei ca. 13.000 km (vgl.
Reinking/Eggert, a.a.O. Rdnr. 1604) - wurde die anfängliche
Mietwagennutzung als negativer Bewertungsfaktor für die
Wertschätzung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs im
April 1995, zumal angesichts der bekannten Robustheit und
Langlebigkeit eines Fahrzeugs vom Typ Daimler-Benz, neutralisiert.
Im übrigen konnte und mußte der Kläger aufgrund der erkennbaren
Gesamtfahrleistung sowie des ihm bekannten Erwerbs aus zweiter Hand
einen eventuell überdurchschnittlichen Verschleiß und erhöhten
Abnutzungsgrad einkalkulieren.
Dem Kläger ist auch nicht der Beweis dafür gelungen, daß er
während des Kaufgesprächs den Beklagten nach dem Erstbesitzer des
Fahrzeugs gefragt und dieser - anstatt die Firma S. AG zu nennen -
ihm darauf geantwortet hätte, er habe den Wagen von einem Patienten
erworben, der Kraftfahrzeugmeister bei Daimler-Benz sei.
Zwar hat die Zeugin E. H. bei ihrer erneuten Vernehmung vor dem
Senat wie schon bei ihrer Aussage vor dem Landgericht die
entsprechende Darlegung ihres Ehemannes, des Klägers, bestätigt.
Die Bekundungen der Zeugin H. sind jedoch in Bezug auf die hier
maßgeblichen Streitpunkte nicht hinreichend zuverlässig und
abgesichert, um die Entscheidung allein auf ihre diesbezüglichen
Angaben zu stützen. Abgesehen davon, daß die Zeugin H. als Ehefrau
des Klägers ein eigenes, persönliches Interesse an einem für diesen
günstigen Prozeßausgang haben kann, ist sie auch in der Sache
selbst keine unbeteiligte Zeugin. Sie war nämlich nicht nur bei dem
in Rede stehenden Verkaufsgespräch zwischen den Parteien anwesend,
sondern sie war es dann selbst, die den gekauften Wagen wegen einer
zwischenzeitlich aufgetretenen Erkrankung des Klägers beim
Beklagten am 05.05.1995 abholte; sie will dann auch schon kurz nach
der Óbergabe des Wagens auf der Fahrt vom Beklagten nach Hause
verdächtige Getriebegeräusche bemerkt und das Fahrzeug am folgenden
Montag der Werkstatt vorgeführt haben. Ungeachtet des
beklagtenseits geäußerten Verdachts, daß der Getriebeschaden durch
unsachgemäße Schaltung des Fahrzeugs nach der Óbergabe an die
Zeugin H. durch diese verursacht worden sei, war die Zeugin in
jedem Fall mit der Angelegenheit weitergehender befaßt und in diese
involviert, als durch ihre bloße Anwesenheit bei dem
Verkaufsgespräch.
Die daraus resultierenden Bedenken, der Zeugin könne - ähnlich
wie einer Partei selbst - die kritische Distanz für eine
verläßliche, objektiv wahrheitsgemäße Geschehensschilderung fehlen,
sind durch das Aussageverhalten der Zeugin H. und den persönlichen
Eindruck, den der Senat bei ihrer Vernehmung im Termin vom 8. Mai
1996 hat gewinnen können, nicht ausgeräumt worden. Die Zeugin H.
wirkte in der Darstellung der maßgeblichen Erklärungen der
Vertragsbeteiligten im Rahmen des Verkaufsgesprächs festgelegt und
zu einer kritischen Infragestellung nicht bereit. Wenngleich der
Senat davon ausgeht, daß die Zeugin subjektiv wahrheitsgemäß die
maßgeblichen Erklärungen wiedergegeben hat, läßt sich nicht sicher
feststellen, daß ihre Angaben auch objektiv der Wahrheit
entsprechen. Der Beklagte hat bei seiner vom Senat gemäß § 448 ZPO
angeordneten und durchgeführten Vernehmung als Partei seine
bisherige Darstellung im Prozeß vom Verlauf des Verkaufsgespräch
wiederholt. Danach will er die Frage, ob er der Estbesitzer sei,
verneint und erklärt haben, daß er den Wagen über einen Patienten,
der Kraftfahrzeugmeister bei Mercedes-Benz sei, gekauft habe. Seine
Schilderung ist vom Aussagegehalt her nicht mehr und nicht weniger
glaubhaft als diejenige der Zeugin H.. Objektivierbare
Anhaltspunkte, die die Bekundung der Zeugin H. stützen, gibt es
nicht. Vielmehr spricht der Inhalt des unstreitig vom Kläger
vorformulierten Vertragstextes dafür, daß der Umstand, daß der
Beklagte das Fahrzeug in zweiter Hand besessen hatte, eine Rolle
gespielt hatte, nicht aber, wer der Erstbesitzer gewesen war. Wenn
dem Kläger tatsächlich - wie von der Zeugin H. geschildert - so
viel daran gelegen gewesen wäre, den Erwerb eines vormals als
Mietwagen genutzten Fahrzeugs auszuschließen, und er deswegen
konkret nach dem Erstbesitzer gefragt hätte, dann hätte es
nahegelegen, die darauf vom Beklagten gemachten Angaben auch in den
Vertragstext aufzunehmen.
Schließlich kommt hinzu, daß die im Streit befindlichen
Erklärungen der Vertragsbeteiligten beim Verkaufsgespräch in Sinn
und Tragweite von der genauen Formulierung, von dem Gebrauch
einzelner Worte abhängen: ob etwa der Beklagte von sich aus oder
auch auf Nachfrage erklärt hat, daß er nicht Erstbesitzer sei,
sondern den Wagen ü b e r einen Patienten, der Kraftfahrzeugmeister
bei Mercedes-Benz sei, erworben habe, oder ob der Beklagte konkret
danach gefragt wurde, w e r Erstbesitzer sei und er darauf
geantwortet habe, er habe den Wagen v o n einem Patienten, der
Kraftfahrzeugmeister bei Mercedes-Benz sei, erworben. Da bei
solchen, nur geringfügigen Unterschieden in Formulierung und
Wortwahl es schon bei der Wahrnehmung des Gesprächsinhalts zu
Fehlvorstellungen und erst recht bei der Wiedergabe aus der
Erinnerung eines Zeugen zu wesentlichen - durchaus unbewußten -
Abweichungen und Verfälschungen kommen kann, ist eine hinreichend
sichere Rekonstruktion des wirklichen Inhalts des Verkaufsgesprächs
zu dem entscheidenden Streitpunkt nicht möglich.
Die nicht gelungene Beweisführung geht zu Lasten des Klägers,
dem als Käufer nicht nur die Darlegungs-, sondern auch die volle
Beweislast dafür obliegt, daß der Beklagte als Verkäufer einen
Fehler arglistig verschwiegen bzw. eine Eigenschaft oder die
Abwesenheit von Fehlern arglistig vorgespiegelt hat (vgl. zur
Beweislastverteilung BGH NJW 1990, 42/43; Palandt-Putzo, a.a.O., §
463 Rdnr. 28, m.w.N.).
Soweit der Kläger schließlich auch behaupten will, der Beklagte
habe zur Zeit es Kaufvertragsabschlusses bereits von dem
Getriebeschaden gewußt, jedenfalls mit seinem Vorhandensein
gerechnet, reicht bereits der diesbezügliche Sachvortrag für die
erforderliche substantiierte Darlegung eines arglistigen
Verschweigens durch den Beklagten nicht aus. Es genügt insoweit
nämlich nicht, daß der Kläger bestreitet, daß der Beklagte, wie
dieser vorgetragen hat, keine Getriebegeräusche gehört habe.
Vielmehr hätte er dartun und unter Beweis stellen müssen, daß dem
Beklagten bereits damals Getriebegeräusche aufgefallen bzw. bekannt
waren. Ebensowenig reicht die Behauptung des Klägers unter
Beweisantritt, der Getriebeschaden habe bereits bei
Fahrzeugübergabe am 05.05.1995 vorgelegen.
Nach alldem kommt auch eine wirksame Anfechtung des
Kaufvertrages durch den Kläger nach § 123 BGB nicht in
Betracht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs.
1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert des Berufungsverfahrens
und Wert der Beschwer des Klägers: bis 45.000,00 DM.