VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.1996 - 8 S 1888/95
Fundstelle
openJur 2013, 10181
  • Rkr:

1. Der Ausschluß von "sonstigen", dh nicht zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Wohngebäuden in einem Dorfgebiet ist mit dessen allgemeiner Zweckbestimmung nicht vereinbar und verstößt daher gegen § 5 Abs 1 BauNVO.

2. Zur Zulässigkeit von Grünfuttertrocknungsanlagen in einem Gewerbegebiet.

Tatbestand

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin.

Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke Flst Nr 1807, 1809, 1823, 1824/1 und 1824/2 der Gemarkung O. Die Grundstücke sind mit einem Wohnhaus sowie zwei Betriebsgebäuden bebaut. Zum Betrieb der Antragsteller gehören ca 200 ha Grünland. Das auf dieser Fläche erzeugte Gras wird in einer auf dem Grundstück der Antragsteller befindlichen Grünfuttertrocknungsanlage getrocknet und anschließend verkauft.

Der angefochtene Bebauungsplan umfaßt ein ca 29 ha großes, südöstlich der B 27/T-Straße gelegenes Gebiet, das mit Ausnahme der Grundstücke der Antragsteller als Gewerbegebiet ausgewiesen ist. Für die am Südostrand des Bahngebiets gelegenen Grundstücke der Antragsteller setzt der Bebauungsplan in seiner geänderten Fassung ein Dorfgebiet fest. Nutzungen nach § 5 Abs 2 Nr 2, 3, 5, 7 und 9 BauNVO sind unzulässig.

Dem angefochtenen Bebauungsplan liegt folgendes Verfahren zugrunde: In seiner Sitzung vom 21.3.1990 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin, einen Bebauungsplan aufzustellen mit dem Ziel, das bestehende Gewerbegebiet in Richtung Südosten zu erweitern. Nachdem die Antragsgegnerin zunächst - einem Vorschlag des Landwirtschaftsamts folgend - beabsichtigt hatte, für die Grundstücke der Antragsteller ein Dorfgebiet festzusetzen, entschied sie sich dafür, das Plangebiet einheitlich als Gewerbegebiet auszuweisen. Der Bebauungsplan wurde in dieser Form am 26.1.1994 als Satzung beschlossen und nach Durchführung des Anzeigeverfahrens am 9.2.1994 öffentlich bekannt gemacht.

Die Antragsteller haben am 25.4.1994 einen Normenkontrollantrag gestellt und geltend gemacht, der Bebauungsplan verstoße gegen das Abwägungsgebot, da ihr Betrieb, der auch an den Wochenenden und während der Nachtzeit erhebliche Immissionen verursache, in einem Gewerbegebiet nicht betrieben werden dürfe.

Im Hinblick auf den Normenkontrollantrag der Antragsteller beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 31.8.1994, den Bebauungsplan zu ändern und für die Grundstücke der Antragsteller ein Dorfgebiet festzusetzen. Gegen den Planentwurf wandten die Antragsteller mit Schreiben vom 18.10. und 18.11.1994 ein, daß auch die Ausweisung ihrer Grundstücke als Dorfgebiet ihren Belangen nicht gerecht werde, da ihre Grastrocknungsanlage auch in einem Dorfgebiet unzulässig sei. Nach wie vor sei auch in dem angrenzenden Gewerbegebiet und damit im unmittelbaren Einwirkungsbereich ihrer Anlage eine Wohnbebauung ausnahmsweise zulässig.

Die Änderung des Bebauungsplans wurde vom Gemeinderat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 8.11.1995 als Satzung beschlossen. Die Einwendungen der Antragsteller wurden mit der Begründung zurückgewiesen, daß durch die gewählte Festsetzung eines Dorfgebiets mit den entsprechenden Einschränkungen gewährleistet sei, daß die Grünfuttertrocknungsanlage auch weiterhin in vollem Umfang betrieben werden könne. Da eine umfangreiche Wohnnutzung im Dorfgebiet durch den Ausschluß der Nutzungen nach § 5 Abs 2 Nr 2, 3, 5, 7 und 9 BauNVO nicht zulässig sei, sei die Befürchtung der Antragsteller, es werde zu Unverträglichkeiten mit der angrenzenden Nutzung kommen, nicht begründet. Die Änderung des Bebauungsplans wurde dem Landratsamt mit Schreiben vom 5.12.1995 mitgeteilt. Eine Verletzung von Rechtsvorschriften wurde seitens des Landratsamts nicht geltend gemacht. Die Änderung des Bebauungsplans wurde am 17.2.1996 öffentlich bekanntgemacht.

Die Antragsteller haben das mit Rücksicht auf das von der Antragsgegnerin eingeleitete Bebauungsplanänderungsverfahren ruhende Normenkontrollverfahren am 12.7.1995 wieder angerufen.

Der Senat hat mit Beschluß vom 22.3.1996 zur Klärung der Frage, welchen Wert der von der Grastrocknungsanlage der Antragsteller ausgehende Lärm auf den den Grundstücken der Antragsteller nächstgelegenen, in dem angefochtenen Bebauungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesenen Grundstücken erreicht, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschlossen.

Die Antragsteller beantragen,

den Bebauungsplan der Antragsgegnerin vom 26. Januar 1994 in der Fassung des Änderungsbebauungsplans vom 8. November 1995 für nichtig zu erklären.

Sie machen geltend: Die Festsetzung eines Dorfgebiets sei nicht geeignet, den mit ihren Normenkontrollanträgen geltend gemachten Abwägungsmangel zu heilen. Die Antragsgegnerin habe in keiner Weise ihren Vortrag gewürdigt, wonach die bestehende Grastrocknungsanlage wegen der mit ihr verbundenen erheblichen Immissionsbelastung in einem Dorfgebiet unzulässig sei, weshalb der Betrieb vor acht Jahren aus einem Dorfgebiet ausgesiedelt worden sei. Die mit der Planänderung beabsichtigte Sicherung des Betriebs könne durch die Festsetzung eines Dorfgebiets nicht gewährleistet werden. Ob durch die zahlreichen Nutzungsausschlüsse der in § 5 Abs 1 BauNVO normierte allgemeine Nutzungszweck (eines Dorfgebiets) noch bestehen bleibe, könne dabei dahingestellt bleiben. Durch die Festsetzung eines Dorfgebiets würden auch die Bedenken nicht ausgeräumt, die sich auf die nach dem Bebauungsplan ausnahmsweise zulässige Wohnnutzung im Bereich des unmittelbar angrenzenden Gewerbegebiets bezögen. Das eingeholte Sachverständigengutachten bestätige, daß das angrenzende Gewerbegebiet unzumutbaren Lärmbelästigungen ausgesetzt sei, da der für die Nachtzeit geltende Immissionsrichtwert von 50 dB(A) durch den Gesamtbeurteilungspegel um ca 10 dB(A) überschritten werde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie erwidert: Im Zusammenhang mit der Neuerstellung der Grastrocknungsanlage nach einem Brand Anfang der neunziger Jahre hätten verschiedene Behördengespräche stattgefunden. Diese hätten zu der Verpflichtung der Antragsteller geführt, die Anlage nur in einem solchen Umfang zu betreiben, daß sie nicht unter die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht gemäß Nr 7.25 der 4. BImSchV falle. Damit sei sichergestellt, daß es sich bei der Grünfuttertrocknungsanlage nur um eine Anlage zur Trocknung selbstgewonnenen Grünfutters handle. In diesem Fall verbiete sich aber die Annahme, daß die Anlage in der Saison von April bis November rund um die Uhr sowohl an Werktagen als auch an den Wochenenden betrieben werde. Eine solche Nutzung habe deshalb in die Abwägung nicht eingestellt werden müssen. Auch das Abwägungsergebnis sei nicht zu beanstanden. Sie habe durch den Ausschluß verschiedener Nutzungen in der Umgebung der Grundstücke der Antragsteller und auf diesen Grundstücken selbst sichergestellt, daß es zu keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft komme. Die allgemeine Zweckbestimmung eines Dorfgebiets bleibe durch die vorgenommenen Ausschlüsse gewahrt, da § 5 Abs 1 S 2 BauNVO bestimme, daß auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Bebauungsplanakten sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 47 Abs 6 S 1 VwGO durch Beschluß. Die Sach- und Rechtslage läßt sich anhand der Akten und der gewechselten Schriftsätze abschließend beurteilen. Der Senat hält daher eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich zu einer solchen Verfahrensweise zu äußern.

Die Anträge sind zulässig und begründet.

1. Die Anträge sind gemäß § 47 Abs 1 S 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Als Eigentümer von im Plangebiet gelegenen Grundstücken besitzen die Antragsteller insbesondere die gemäß § 47 Abs 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis, da durch die Festsetzungen des Bebauungsplans Inhalt und Schranken ihres Grundeigentums im Sinne von Art. 14 Abs 1 S 1 GG bestimmt werden (vgl BVerwG, Beschl v 17.12.1992 - 4 N 2.92 - BVerwGE 91, 318 und Beschl v 6.1.1993 - 4 NB 38.92 - NVwZ 1993, 561).

2. Die Anträge haben auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Bebauungsplan in seiner Fassung vom 8.5.1995 verstößt gegen § 1 Abs 5 BauNVO (unten a). Er leidet ferner an einem im Sinn des § 214 Abs 3 S 2 BauGB erheblichen Abwägungsfehler (unten b). Diese Fehler führen zur Nichtigkeit des Plans, soweit er den Bereich südöstlich erfaßt (unten c).

a) Der Bebauungsplan in seiner Fassung vom 8.5.1995 weist die Grundstücke der Antragsteller als Dorfgebiet im Sinn des § 5 BauNVO aus. Nutzungen nach § 5 Abs 2 Nr 2, 3, 5, 7 und 9 BauNVO werden jedoch in den textlichen Festsetzungen für unzulässig erklärt. Was die Unzulässigkeit von "sonstigen Wohngebäuden" (§ 5 Abs 2 Nr 3 BauNVO) betrifft, geht mit dieser Regelung die allgemeine Zweckbestimmung eines Dorfgebiets verloren. Der Bebauungsplan verstößt daher insoweit gegen § 1 Abs 5 BauNVO.

Nach § 1 Abs 5 BauNVO kann in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, daß bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Was als allgemeine Zweckbestimmung eines Baugebiets zu gelten hat, ergibt sich im Grundsatz aus der jeweiligen Beschreibung des Baugebiets im Sinn des § 1 Abs 2 BauNVO und der über § 1 Abs 3 S 2 BauNVO damit in Bezug genommenen Regelung der §§ 2 ff BauNVO (BVerwG, Beschl v 22.12.1989 - 4 NB 32.89 - BauR 1990, 186). Dorfgebiete dienen nach § 5 Abs 1 S 1 BauNVO (1990) der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Mit dieser allgemeinen Zweckbestimmung ist der Ausschluß von "sonstigen", d.h. nicht zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Wohngebäuden ebenso wenig vereinbar, wie dies der erkennende Gerichtshof für den Ausschluß der Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe (Senatsbeschlüsse vom 9.10.1995 - 8 S 2326/95 und vom 19.12.1991 - 8 S 649/91 - VBlBW 1992, 303) sowie den Ausschluß der "sonstigen nicht störenden Gewerbebetriebe" (Beschluß des 5. Senats vom 18.11.1993 - 5 S 2916/92) entschieden hat. Nach § 5 Abs 1 S 1 BauNVO gehört das (sonstige) Wohnen zu den in einem Dorfgebiet zulässigen Hauptnutzungen, durch die der - durch das Nebeneinander verschiedener Nutzungen geprägte - Charakter eines Dorfgebiets, der auch als eine Art ländliches Mischgebiet beschrieben werden kann, wesentlich mitbestimmt wird. Durch den Ausschluß dieser - auch traditionell in einem Dorfgebiet seit jeher üblichen - Nutzung entstünde ein im wesentlichen nur der Landwirtschaft offen stehendes Gebiet und damit ein neuer, in der BauNVO nicht vorgesehener Gebietstyp. Dazu ermächtigt § 1 Abs 5 BauNVO den Plangeber nicht.

Dem steht nicht entgegen, daß in einem Dorfgebiet nach § 5 Abs 1 S 2 BauNVO auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten "vorrangig Rücksicht zu nehmen" ist. Mit dieser durch die Novellierung von 1990 in die BauNVO eingefügten Bestimmung soll deutlicher als bisher klargestellt werden, daß das Wohnen in einem Dorfgebiet keinen bevorzugten Schutz vor landwirtschaftstypischen Immissionen beanspruchen kann, sondern gegenüber diesen einer erhöhten Duldungspflicht unterliegt. Damit ist bezweckt, landwirtschaftlichen Betrieben in erhöhtem Maße ihren Standort in einem Dorfgebiet zu sichern. Die Berechtigung, die Wohnnutzung in einem Dorfgebiet gänzlich auszuschließen, kann daraus entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht hergeleitet werden. Die Zielrichtung der Vorschrift, die darin besteht, ein einträgliches Nebeneinander von landwirtschaftlichen Betrieben und Wohnnutzung zu gewährleisten, würde damit vielmehr geradezu in ihr Gegenteil verkehrt.

b) Der angefochtene Bebauungsplan verstößt darüber hinaus gegen die Verpflichtung des § 1 Abs 6 BauGB, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

Nach ständiger Rechtsprechung (grundlegend BVerwG, Urt v 5.7.1974 - 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309) ist die von der planenden Gemeinde danach vorzunehmende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gerichtlich nur darauf überprüfbar, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt worden mußte, ob die Bedeutung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den betroffenen öffentlichen und privaten Belange in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Diesen Anforderungen wird die Planung der Antragsgegnerin nicht gerecht. Die von ihr vorgenommene Abwägung beruht auf der Annahme, daß durch die Ausweisung des übrigen Planbereichs als Gewerbegebiet Konflikte zwischen dem Betrieb der Antragsteller und der an diesen heranrückenden Bebauung vermieden würden, da die Grastrocknungsanlage der Antragsteller auch in einem Gewerbegebiet zulässig wäre. Das ist, wie das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten ergeben hat, unzutreffend.

Die Antragsteller befürchten, ihre Grastrocknungsanlage infolge der an ihren Betrieb heranrückenden Bebauung nicht wie bisher fortführen zu können, da der von der Anlage ausgehende Lärm die in einem Gewerbegebiet einzuhaltenden Immissionswerte nicht nur unerheblich übersteige. Das vom Senat zur Klärung dieser Frage eingeholte Gutachten des Ingenieurbüros bestätigt dieses Vorbringen. Nach den von dem Gutachter vorgenommenen Lärmmessungen beträgt der Gesamtbeurteilungspegel des von der Anlage selbst, den zur Anlieferung des zu trocknenden Grüngutes verwendeten Traktoren sowie dem zur Beschickung der Anlage eingesetzten Schaufellader ausgehenden Lärms - bezogen auf den der Anlage der Antragsteller am nächst gelegenen Meßpunkt MP1 am südwestlichen Rand des Gewerbegebiets - 66,6 db(A) bei Tag und 63,2 dB(A) bei Nacht. Der sowohl in der TA Lärm als auch in der VDI-Richtlinie 2058 Blatt 1 (Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft) für Gewerbegebiete festgesetzte Tages- Immissionsrichtwert von 65 db(A) ist damit knapp, der entsprechende Nacht-Immissionsrichtwert von 50 dB(A) deutlich überschritten. Es handelt sich somit bei diesem Betrieb nicht, wie die Antragsgegnerin angenommen hat, um einen in einem Gewerbegebiet zulässigen "nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieb" im Sinn des § 8 Abs 1 BauNVO. Es besteht daher entgegen ihrer Annahme die Gefahr, daß die Antragsteller bei einer bis unmittelbar an ihren Betrieb heranrückenden (Gewerbebebauung) Bebauung mit Abwehransprüchen konfrontiert und dadurch zu einer erheblichen Einschränkung ihres Betriebes gezwungen würden.

Die von der Antragsgegnerin gegen das Sachverständigengutachten erhobenen Einwendungen sind unbegründet. Die Antragsgegnerin macht geltend, daß der Gutachter bei seinen Berechnungen einen durchgehenden Betrieb der Grastrocknungsanlage von April bis November bei Tag und Nacht sowie an den Wochenenden unterstellt habe. Die Antragsteller hätten sich jedoch bei den im Zusammenhang mit der Neuerrichtung der Anlage geführten Gesprächen dazu verpflichtet, die Anlage nur in einem solchen Umfang zu betreiben, daß sie nicht gemäß Nr 7.25 der 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterfalle, was voraussetze, daß die Anlage nur der Trocknung selbstgewonnenen Grünfutters diene. Damit aber verbiete sich die Annahme, daß die Anlage in der von April bis November dauernden Saison sowohl an Werktagen als auch an den Wochenenden rund um die Uhr betrieben werde.

Festzustellen ist zunächst, daß die Antragsteller schon in ihrem Antragsschriftsatz vom 21.4.1994 vorgetragen haben, ihre Anlage werde während der Saison einschließlich der Sonntage und Feiertage im Tagbetrieb und Nachtbetrieb gefahren, ohne daß die Antragsgegnerin dagegen irgendwelche Einwendungen erhoben hätte. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin die auch gegen den geänderten, in der Sitzung vom 8.11.1995 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan erhobenen Einwendungen der Antragsteller nicht etwa mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Anlage nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfe und deshalb ein Nutzungskonflikt nicht zu befürchten sei, sondern zur Begründung lediglich auf die Auffassung des Gewerbeaufsichtsamts verwiesen, wonach die Grünfuttertrocknungsanlage auch in einem Gewerbegebiet zulässig sei. Daß die Antragsgegnerin bei ihrer Beschlußfassung von einem - gegenüber den Annahmen des Gutachters - eingeschränkten Betrieb der Anlage ausgegangen ist, trifft daher nicht zu.

Die Schlußfolgerung der Antragsgegnerin, daß die Anlage bei der ausschließlichen Verarbeitung von selbstgewonnenem Grünfutter nicht in der Saison rund um die Uhr sowohl an Werktagen als auch an den Wochenenden betrieben werden könne, ist zudem alles andere als zwingend. Nach den plausiblen Ausführungen der Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 10.9.1996 ist vielmehr davon auszugehen, daß auf den von den Antragstellern bewirtschafteten Flächen genügend Grünfutter geerntet werden kann, um die Anlage auszulasten. Das kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn selbst wenn es zutreffen sollte, daß die Anlage bei der ausschließlichen Verarbeitung von selbstgewonnenem Grünfutter nicht täglich während der ganzen Saison laufen müßte, würde dies nichts daran ändern, daß während des Betriebs der Anlage ein in einem Gewerbegebiet unzulässig hoher Lärm erzeugt wird. Dies gilt insbesondere auch für die Nachtzeit. Wie die der Universität H angegliederte Landesanstalt für landwirtschaftliches Maschinen- und Bauwesen auf S 2 ihrer von den Antragstellern eingeholten Stellungnahme vom 10.1.1996 erläutert hat, ist während der Ernte der einzelnen Futterschnitte ein durchgehender Trocknerbetrieb über die Nacht und an den Wochenenden erforderlich, um die vorgegebenen Futterqualitäten sicher erzielen sowie um wetterbedingte Erntevorgaben berücksichtigen zu können. Selbst bei einem immer wieder durch eine bestimmte Zahl von Ruhetagen unterbrochenen Betrieb der Anlage würde sich daher an der grundsätzlichen Problematik nichts ändern.

Der somit festzustellende Fehler im Abwägungsvorgang ist gemäß § 214 Abs 3 S 2 BauGB erheblich. Der der Antragsgegnerin unterlaufene Fehler beruht auf objektiv faßbaren Sachumständen und betrifft daher die "äußere" Seite des Abwägungsvorgangs. Es handelt sich daher um einen im Sinn des § 214 Abs 3 S 2 BauGB offensichtlichen Fehler. Daß dieser erst durch das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten sichtbar geworden ist, steht dem nicht entgegen (vgl BVerwG, Urt v 21.8.1981 - 4 C 57.80 -, BVerwGE 64, 33). Der Fehler ist ferner auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, daß nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, daß ohne den Mangel anders geplant worden wäre (BVerwG, Urt v 21.8.1981, aaO, sowie Beschl v 29.1.1992 - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662). Das ist hier der Fall. Die Antragsgegnerin hat auf die Interessen der Antragsteller während des gesamten Aufstellungsverfahrens besonderes Augenmerk gerichtet. Sie hat dementsprechend den bereits beschlossenen Bebauungsplan geändert und im Interesse der Antragsteller deren Grundstücke als Dorfgebiet ausgewiesen, da sie darin - wenn auch irrtümlich - ein geeignetes Mittel gesehen hat, um den Fortbestand des Betriebs zu sichern. Es liegt daher nahe, daß die Antragsgegnerin den Plan nicht in der vorliegenden Form beschlossen hätte, wenn sie sich darüber bewußt gewesen wäre, daß der Betrieb der Antragsteller wegen der von ihm ausgehenden Lärmimmissionen in einem Gewerbegebiet nicht zulässig wäre, sondern in diesem Fall beispielsweise das Gewerbegebiet von dem Betrieb weiter abgerückt, andere dem Schallschutz dienende Festsetzungen vorgesehenen oder die an ihn angrenzenden Grundstücke als Industriegebiet ausgewiesen hätte. Diese Annahme liegt umso näher, als der angefochtene Bebauungsplan für die Antragsteller die Gefahr begründet, ihren Betrieb schließen zu müssen, da dieser in einer (stark) eingeschränkten Form wohl nicht mehr rentabel weitergeführt werden könnte.

c) Der Verstoß gegen § 1 Abs 5 BauNVO beschränkt sich, was keiner Erläuterung bedarf, auf die - als Dorfgebiet ausgewiesenen - Grundstücke der Antragsteller, der Verstoß gegen das Abwägungsgebot auf den südöstlich der S- und der K-Straße gelegenen Teil des Plangebiets, da für den übrigen, über 100 m von den Grundstücken der Antragsteller entfernten Bereich eine Überschreitung der für ein Gewerbegebiet geltenden Immissionsrichtwerte und damit die Erhebung möglicher Abwehransprüche gegen den Betrieb der Antragsteller ausgeschlossen werden kann. Die Verstöße führen daher nur zu einer Teilnichtigkeit des angefochtenen Bebauungsplans.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG (vgl ua Beschl v 29.3.1993 - 4 NB 10.91 -, DVBl 1993,661 = PBauE § 47 Abs 7 VwGO Nr 1; Beschl v 6.4.1993 - 4 NB 43.92 -, ZfBR 1993, 238 = PBauE § 1 Abs 6 BauGB Nr 24) hat die Nichtigkeit einzelner Festsetzungen eines Bebauungsplans dann nicht dessen Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gelangten Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. Das ist hier der Fall. Die festgestellten Rechtsverstöße betreffen einen räumlich klar umgrenzten Bereich und sind ohne Auswirkungen auf den übrigen, auch für sich betrachtet städtebaulich sinnvollen Planinhalt. Auch daran, daß die Antragsgegnerin sich gegebenenfalls auf den Erlass eines nur einen Teil des Plangebiets erfassenden Bebauungsplan beschränkt hätte, ist angesichts des von ihr mit ihrer Planung verfolgten Ziels nicht zu zweifeln.