OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.09.1996 - 6 B 2009/96
Fundstelle
openJur 2012, 75680
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgte Antrag des Antragstellers,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 der

Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu untersagen, über die Besetzung der Stelle

einer Oberstudienrätin/eines Oberstudienrats am W -Gymnasium im zu

entscheiden, bevor über die entsprechende Bewerbung des Antragstellers

rechtskräftig in der Hauptsache entschieden ist,

ist nicht begründet. Für diesen Antrag spricht angesichts der Absicht des

Antragsgegners, die Beigeladene demnächst zu befördern, ein Anspruchsgrund. Der

Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Die Entscheidung des Antragsgegners, der Beigeladenen die umstrittene

Planstelle zu übertragen, unterliegt dem Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2

des Grundgesetzes, § 7 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-

Westfalen). Der Dienstherr hat bei der Entscheidung darüber, welchem von

mehreren in Betracht kommenden Beamten er eine Beförderungsstelle übertragen

will, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Konkurrenten zu bewerten und

zu vergleichen. Sofern ein Bewerber besser qualifiziert ist, darf er nicht übergangen

werden. Im übrigen - bei gleicher Qualifikation - ist die Entscheidung in das

pflichtgemäße Ermessen des Dienstherrn gestellt. Der einzelne Bewerber hat ein

Recht auf ermessensfreie Entscheidung bei der Stellenbesetzung. Dieses Recht ist

nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig.

Für den Vergleich von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung kommt es

wesentlich auf die jeweils letzte dienstliche Beurteilung an. Nach den maßgebenden

Bedarfsbeurteilungen vom 15. November 1993 und vom 10. September 1995 haben

der Antragsteller und die Beigeladene jeweils das zweitbeste Prädikat erlangt ("Die

Leistungen entsprechenden den Anforderungen voll [gut])". Nach den einschlägigen

Richtlinien für die dienstliche Beurteilung von Lehrerinnen und Lehrern (Runderlaß

des Kultusministeriums vom 25. Mai 1992 - BASS 21-02 Nr. 2) bewertet das

Gesamturteil nicht nur die Tätigkeit im bisher ausgeübten Amt, sondern gibt auch

Aufschluß über die prognostizierte Qualifikation für andere (höherwertige) Aufgaben

(Nr. 4.7 Abs. 2 Satz 1 der Beurteilungsrichtlinien). Damit vereint das Gesamturteil ein

Leistungsurteil (Aussage über die im bisherigen Amt erbrachten Leistungen) und ein

Eignungsurteil (Aussage über die Eignung für das erstrebte Amt, die notwendig an

die erbrachten Leistungen anknüpft, aber auch weitergehende

Eignungsgesichtspunkte einschließt). Bei gleichem Gesamturteil lässt sich ein

Qualifikationsvorsprung des Antragstellers nicht mit dessen Hinweisen auf

zusätzliche Aktivitäten und größere Erfahrungen begründen, die ihn gegenüber der

Beigeladenen hervortreten ließen. Derartige Aktivitäten sind - wie sich aus dem Inhalt

der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 15. November 1993 ergibt -

berücksichtigt worden und in das Gesamturteil eingeflossen. Sofern die Beigeladene

wegen der Teilzeitbeschäftigung über geringere Verwaltungserfahrungen verfügen

sollte, stellt dies die Berechtigung des ihr erteilten Gesamturteils nicht in Frage.

Soweit das Gesamturteil auf den bisher von der Beigeladenen erbrachten Leistungen

beruht, kann Beurteilungsmaßstab in quantitativer Hinsicht nicht die

vollzeitbeschäftigte Lehrkraft sein. Die im Gesamturteil eingeschlossene Prognose

setzt nicht notwendig voraus, daß sich die beurteilte Lehrkraft nachweislich auf allen

Aufgabenfeldern des Beförderungsamtes bewährt hat. Daß die Eignungsaussage im

Falle der Beigeladenen auf einer unzulänglichen Prognosebasis beruht, macht das

Vorbringen des Antragstellers nicht deutlich.

Die Einschätzung des Antragsgegners, ein näherer Vergleich der Bewerber lasse

einen Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen erkenne, stößt im Rahmen der nur

möglichen summarischen Prüfung nicht auf durchgreifende Bedenken.

Die erteilten Gesamturteile lassen eine Binnendifferenzierung allerdings nicht zu,

weil sie keine Zusätze enthalten, die über die Umschreibung der Notenstufe

hinausgingen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beschränkt sich die

Binnendifferenzierung grundsätzlich auf die textlichen Bestandteile des

Gesamturteils.

OVG NW, Beschluß vom 24. November 1992 - 6 B 4196/92 -; Urteil vom

8. Februar 1994 - 6 A 2377/92 -; Beschluß vom 23. Februar 1995 - 6 B 3022/94 -;

Beschluß vom 24. Juli 1996 - 6 B 1308/96 -.

Zu derartigen textlichen Bestandteilen eines Gesamturteils, die im Wege der

Binnendifferenzierung einen Vorsprung zum Ausdruck bringen, gehören

üblicherweise Zusätze, die den oberen, den mittleren oder den unteren Bereich der

erteilten Beurteilungsnote betreffen. Weil im vorliegenden Fall die maßgebenden

Gesamturteile keine derartigen Zusätze aufweisen, kann die Begründung des

Beförderungsvorschlags im Stellenbesetzungsvorgang, die Beigeladene habe von

den mit "voll" beurteilten Bewerbern in der Binnendifferenzierung "die besten

Leistungen (2 +)" gezeigt, nicht ohne weiteres Bestand haben. Selbst wenn aber -

wie dies vorliegend der Fall ist - die Gesamturteile nichts für eine

Binnendifferenzierung hergeben, ist es nicht ausgeschlossen, daß Einzelaussagen

einer Beurteilung (außerhalb des Gesamturteils) einen Beurteilungsvorsprung

begründen können, weil sie z.B. erkennen lassen, daß der Beurteilte dem

Anforderungsprofil eines Dienstpostens in einem besonderen Maße gerecht

wird.

OVG NW, Beschluß vom 23. Februar 1995 - 6 B 3022/94 -.

Die Würdigung einer Beurteilung im Hinblick auf derartige Einzelmerkmale betrifft

den dem Antragsgegner zukommenden Beurteilungsspielraum, so daß sich die

gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob der Dienstvorgesetzte in diesem

Zusammenhang den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem

er sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob er von einem unrichtigen

Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder

sachfremde Erwägungen angestellt hat.

OVG NW, Beschluß vom 23. Februar 1995 - 6 B 3022/94 -.

Die mit Schriftsatz vom 23. Juli 1996 bekräftigte Auffassung des Antragsgegners,

die Beigeladene besitze gegenüber dem Antragsteller nach leistungsbezogenen

Kriterien einen Vorsprung, hält im Ergebnis einer im vorliegenden Verfahren nur

möglichen summarischen Óberprüfung stand. Die Wertung des Antragsgegners, der

Qualifikationsvorsprung ergebe sich im Wege der Binnendifferenzierung anhand der

textlichen Bestandteile der dienstlichen Beurteilungen, steht allerdings nicht im

Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats. Dies führt jedoch nicht zur

Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung, weil das vom Antragsgegner Gewollte von

dem ihm zustehenden Beurteilungsspielraum getragen wird. Der Antragsgegner hat

es vorgezogen, es nicht bei einem Vergleich der Gesamturteile zu belassen und

nach Hilfskriterien zu verfahren, sondern den Versuch einer über die

Binnendifferenzierung hinausgehenden Unterscheidung unternommen, den eine an

einem früheren Verfahren beteiligte Behörde als "qualitative Ausschärfung"

bezeichnet hat. Die Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 23. Juli

1996, ein näherer Vergleich der vom gleichen schulfachlichen Dezernenten

herrührenden Beurteilungen lasse die Beigeladene als besser qualifiziert erscheinen,

sind nachvollziehbar und durch das Beschwerdevorbringen nicht wesentlich

erschüttert worden. Namentlich ist es nicht zu beanstanden, daß der Antragsgegner

in der Beurteilung des dienstlichen Verhaltens eine aussagekräftige Differenzierung

des Beurteilers erkannt hat. Danach ergibt sich im Falle des Antragstellers eine -

wenn auch mit Einschränkungen - gute Eignung für das angestrebte Amt. Im Falle

der Beigeladenen sah der Beurteiler "eindeutig eine gute Eignung für das

angestrebte Amt unter Beweis gestellt."

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Weil die

Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt

hat, sind deren Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattungsfähig. Die

Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 des

Gerichtskostengesetzes.

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