OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.11.1996 - 7 A 4820/95
Fundstelle
openJur 2012, 75882
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren einen Bauvorbescheid für die Errichtung

eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Gemarkung B. -

M. , Flur 4, Flurstücke 33 und 34.

Das betreffende Grundstück liegt in einem Bereich, der

durch den T. Weg (L 244) im Osten, den Q. Weg

(K 7) im Süden, dem Q. Winkel im Westen sowie wegen

seines rechtwinkligen Verlaufs sowohl im Westen als auch im

Norden vom T. Winkel umgrenzt wird. Die Grundstücke

westlich des T. Weges sind ab der Einmündung des

Q. Weges auf einer Strecke von etwa 125 m in

nördlicher Richtung durchgehend in überwiegend geschlossener

Bauweise mit Wohnhäusern bebaut, die auf den vorderen

(straßennahen) Grundstücksbereichen ausgeführt wurden. Die

Restflächen werden als Gärten genutzt. Die schmalen, etwa

jeweils 40 m tiefen Grundstücke weisen in der Regel

Bebauungstiefen von etwa 20 m auf. In diesem Abschnitt des

T. Weges ist lediglich die Parzelle 41, auf der ein an

der straßenabgewandten Grundstücksgrenze errichtetes älteres

eingeschossiges Wohngebäude mit Giebeldach steht, für das

keine Baugenehmigungsakten vorliegen, tiefer bebaut. Dieses

Gebäude ist im Katasterplan aus dem Jahre 1981 als

"Wohngebäude ohne Hausnummer" erfaßt. Es ist nicht

eigenständig erschlossen, sondern kann lediglich fußläufig

über das auf derselben Parzelle straßennah errichtete

Wohngebäude erreicht werden.

Die Grundstücke im weiteren Verlauf des T. Weges bis

zur Einmündung des T. Winkels - etwa weitere 145 m -

sind durchweg breiter und mit größer dimensionierten

überwiegend wohngenutzten Gebäuden bestanden. Hier werden in

der Regel Bebauungstiefen von bis zu 23 m erreicht. Davon

ausgenommen ist lediglich die etwa 30 m nördlich des

streitbefangenen Grundstücks liegende Parzelle 26 (Hausnr.

63), auf der sich hinter der straßennahen Wohnbebauung eine

gewerblich genutzte Halle befand. Die hintere Außenwand dieser

zwischenzeitlich abgerissenen Halle lag gut 40 m von der

Straße entfernt; nur die ausbetonierten Bodenplatten sind

heute in der Örtlichkeit noch sichtbar.

Westlich dieser Grundstückszeile entlang des T.

Weges, im unmittelbaren Anschluß an die jeweiligen

Grundstücksgrenzen, folgt eine stark verdichtete Wohnbebauung,

die über den T. Winkel erschlossen wird.

Die Grundstücke nördlich des Q. Weges sind

ebenfalls straßennah teils geschlossen, teils offen mit

Wohnhäusern bebaut. Die Parzellen 51 bis 53, 311 und 962

reichen bei einer Tiefe von 85 m an die südliche Grenze des

streitbefangenen Grundstücks heran. Der unbebaute Teil dieser

Grundstücke ist mit Hecken, Bäumen und Gehölzen dicht

bestanden, die Freiflächen sind mit Rasen eingesäht; sie

dienen jeweils der Gartennutzung.

Westlich dieser Parzellen begrenzt ein mit Wohnhäusern

bebautes, stark verdichtetes Gebiet an, dessen südlicher Teil

durch den Q. Winkel und dessen nördlicher Teil durch

den T. Winkel erschlossen wird. Der der vorhandenen

Bebauung zugrundeliegende Bebauungsplan Nr. 720 der Stadt

B. ist inzwischen in einem Normenkontrollverfahren für

nichtig erklärt worden.

Das von den Klägern geplante Bauvorhaben soll hinter den

straßennahen Wohnhäusern T. Weg 55 und 55a errichtet

werden. Die hintere Außenwand des Bauvorhabens überschreitet

die Bebauungstiefe der Vorderhäuser von 20 m um gut 30 m. Der

zu bebauende Grundstücksteil liegt im Westen etwa 28 m, im

Norden etwa 33 m von den Grenzen der nächstgelegenen bebauten

Grundstücke des ehemals durch den Bebauungsplan Nr. 720

überplanten Gebiets entfernt. Es soll über ein auf dem

Grundstück T. Weg 55a lastendes Wegerecht erschlossen

werden, das über das streitbefangene Grundstück hinweg auch

über die westlich anschließende unbebaute Parzelle 24

verläuft. Wegeberechtigt im Sinne eines Geh- und Fahrrechts

sind die Eigentümer der angrenzenden Parzellen 51 bis 53, 311,

962 und 24.

Unter dem 29. April 1992 beantragten die Kläger beim

Beklagten die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Errichtung

eines eingeschossigen Einfamilienhauses auf dem

streitbefangenen Grundstück. Diesen Antrag lehnte der Beklagte

mit Bescheid vom 10. August 1992 ab mit der Begründung, das

Grundstück liege im unbeplanten Innenbereich. Das Vorhaben

füge sich wegen seines Standortes im Hintergelände nicht in

den durch die Umgebungsbebauung bestimmten Rahmen ein. Es

überschreite die faktischen Baugrenzen und dringe als Bebauung

in der zweiten Reihe in die Ruhezonen der umliegenden

Wohnhäuser ein.

Gegen den nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen

ablehnenden Bescheid legten die Kläger am 7. Juni 1993

Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrugen, das

Vorhaben füge sich ein. Eine Bebauung in zweiter Reihe sei

auch anderweitig im Umfeld des T. Weges anzutreffen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 1993 - den

Klägern am 7. September 1993 zugestellt - wies die

Bezirksregierung L. den Widerspruch im wesentlichen unter

Bezugnahme auf die Begründung des ablehnenden Bescheides

zurück.

Am 7. Oktober 1993 haben die Kläger unter Bezugnahme auf

ihre Widerspruchsbegründung Klage erhoben und zusätzlich

geltend gemacht, die maßgebliche nähere Umgebung werde auch

durch die Bebauung im westlich gelegenen stark verdichteten

Baugebiet geprägt. Zudem befinde sich eine Hinterlandbebauung

schon auf der am T. Weg gelegenen Parzelle 41.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines

Bescheides vom 10. August 1992 und des

Widerspruchsbescheides der

Bezirksregierung L. vom

6. September 1993 zu verpflichten, die

Bauvoranfrage der Kläger vom

29. April 1992 positiv zu

bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat darauf hingewiesen, die ehemaligen Grenzen des für

nichtig erklärten Bebauungsplans Nr. 720 seien anhand der

vorhandenen Bebauung klar abzulesen, so daß die dortige

Bebauung nicht in die Beurteilung des klägerischen Vorhabens

einfließen dürfe.

Nach einer Inaugenscheinnahme durch den Berichterstatter

der Kammer am 3. April 1995 hat das Verwaltungsgericht B.

die Klage mit dem dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am

22. Juni 1995 zugestellten, am 30. Mai 1995 verkündeten

Urteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, abgewiesen.

Mit ihrer am 20. Juli 1995 eingelegten Berufung machen die

Kläger geltend, das Vorhaben füge sich ein, es überschreite

nicht den vorgegebenen Rahmen. Die Hinterlandbebauung habe in

der näheren Umgebung Vorbilder. Zu berücksichtigen sei die

Bebauung östlich des T. Weges in östlicher und

westlicher Richtung im Bereich des nichtigen Bebauungsplans

sowie die Hinterlandbebauung durch das zwischenzeitlich

abgerissene gewerblich genutzte Gebäude auf dem Grundstück

T. Weg 63. Das Vorhaben löse keine

bewältigungsbedürftigen Spannungen aus. Es sei nicht damit zu

rechnen, daß mit Verwirklichung des Bauvorhabens eine

Entwicklung eingeleitet werde, die nur mittels Bauleitplanung

zu steuern wäre.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern

und nach dem Klageantrag zu

erkennen,

hilfsweise,

die Bebauung entsprechend der mit

Schriftsatz vom 31. Oktober 1996

eingereichten Planvariante vom

16. Oktober 1996 im Wege der

Bauvoranfrage zuzulassen.

Nach der Planvariante ist der Grundriß des Baukörpers

verändert. Die Bebauungstiefe soll nunmehr nur noch gut 42 m

betragen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung in vollem Umfang zurückzu-

weisen.

Er trägt vor, das ursprüngliche Vorhaben der Kläger sei

bauplanungsrechtlich unzulässig, denn es füge sich nach der

Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die

Eigenart der näheren Umgebung ein. Ein Vorbild für

Hinterlandbebauung fehle. Die stark verdichtete Bebauung im

Bereich des Q. Winkels und des T. Winkels präge

die hier maßgebliche Umgebung des streitbefangenen Grundstücks

nicht, weil es eine andere Struktur mit eigener Erschließung

durch öffentliche Verkehrsflächen aufweise. Die von dem

abgerissenen Produktionsgebäude auf dem Grundstück T.

Weg 63 verbliebene Bodenplatte entfalte keine Vorbildfunktion.

Die Verwirklichung des Vorhabens sei geeignet,

bewältigungsbedürftige Spannungen hervorzurufen, weil es in

die großräumige Ruhezone der straßennah bebauten Grundstücke

am T. Weg/Q. Weg eindringe und weitere Bebauung

nach sich ziehen werde.

Am 24. September 1996 hat der Berichterstatter des Senats

die Örtlichkeit in Augenschein genommen; auf die über den

Termin gefertigte Niederschrift wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes

wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen

Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Widerspruchsbehörde

Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht

abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung des

beantragten Vorbescheides, denn ihrem Vorhaben stehen

öffentlichrechtliche Vorschriften entgegen (vgl. §§ 71, 75

Abs. 1 Satz 1 BauO NW). Die Errichtung eines Wohnhauses an dem

geplanten Standort ist planungsrechtlich unzulässig.

Die planungsrechtliche Beurteilung richtet sich nach § 34

BauGB, weil das Antragsgrundstück nach Auswertung des in den

Akten befindlichen Kartenmaterials und nach dem von dem

Berichterstatter im Ortstermin gewonnenen und dem Senat

vermittelten Eindruck von der Örtlichkeit innerhalb eines im

Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Das Vorhaben ist

indessen nach § 34 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich unzulässig,

weil es sich jedenfalls nicht nach der Grundstücksfläche, die

überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung

einfügt.

Die maßgebliche nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, daß

in zwei Richtungen - nämlich in der Richtung vom Vorhaben auf

die Umgebung sowie in Richtung von der Umgebung auf das

Vorhaben - geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen

reichen. Dabei ist die Umgebung einmal insoweit zu

berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie

auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung

ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks

prägt oder doch beeinflußt,

vgl. Bundesverwaltungsgericht,

Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -,

BRS 33 Nr. 36; Urteil vom 3. April 1981

- 4 C 61.78 -, BRS 38 Nr. 69; Beschluß

vom 4. Februar 1986 - 4 B 7-9.86 -,

BRS 46 Nr. 64.

Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der in § 34 Abs. 1

Satz 1 BauGB aufgeführten Bezugsmerkmale gesondert zu

ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung mit ganz

unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können.

Bezüglich des im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen

Merkmals "der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll",

mit dem die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen

Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen

Bebauung gemeint ist

vgl. BVerwG, Beschluß vom

28. September 1988 - 4 B 175.88 -,

BRS 48 Nr. 50,

wird die nähere Umgebung im Regelfall enger als bei dem

Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen sein. Denn

auch die von den überbauten Grundstücksflächen ausgehende

Prägung bleibt in ihrer Reichweite im allgemeinen hinter den

von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkungen

zurück. Maßgeblich ist auch hierbei, wie weit die

wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und

Umgebung im Einzelfall reichen,

vgl. OVG NW, Urteil vom

11. September 1991 - 7 A 1570/89 -.

Nach diesen Beurteilungsgrundsätzen gehört bezüglich des

Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, zur

näheren Umgebung des streitbefangenen Grundstücks das Gelände

zwischen dem ehemals überplanten Bereich und dem T. Weg

ab der Einmündung des Q. Weges etwa 125 m in

nördlicher Richtung bis zur Grenze des Flurstücks 26 (Hausnr.

63), weil nur insoweit eine gegenseitige Einflußnahme und

Prägung der Grundstücke nach der örtlichen Situation

vorgegeben ist. Die Grundstücke im weiteren Verlauf des

T. Weges bis zur Einmündung des T. Winkels und die

Grundstücke innerhalb der ehemaligen Grenzen des nichtigen

Bebauungsplanes 720 der Stadt B. nehmen im hier

maßgeblichen Sinne nicht an der wechselseitigen Prägung teil,

denn die städtebauliche Situation dieser Bereiche ist nicht

vergleichbar. Nach dem Eindruck, den der Berichterstatter in

der Örtlichkeit gewonnen und dem Senat vermittelt hat, sowie

nach dem vorliegenden Kartenmaterial hat sich im räumlichen

Geltungsbereich des nichtigen Bebauungsplans und im nördlichen

Abschnitt des T. Weges beginnend mit der Parzelle 26

(Hausnr. 63) jeweils eine städtebauliche Entwicklung eigener

Struktur vollzogen. Die Struktur der Bebauung innerhalb des

ehemaligen Plangebiets ist auch nach außen hin erkennbar

gekennzeichnet durch eine verdichtete Bebauung mit

Wohnhäusern, deren Grundstücke über ein verzweigtes System von

Stichwegen erschlossen werden. Demgegenüber findet sich in dem

Bereich östlich des ehemaligen Plangebebiets und westlich des

T. Weges vornehmlich eine straßennahe Bebauung mit

Wohnhäusern bei einer Bebauungstiefe von in der Regel etwa

20 m und Grundstückstiefen bis zu 85 m. Die damit

verbleibenden der Gartennutzung dienenden Frei- und

Ruheflächen sind im Vergleich zu den Grundstücken im

ehemaligen Plangebiet unverhältnismäßig größer. Die beiden

angesprochenen Bereiche lassen sich in der Örtlichkeit - wie

insbesondere das dem Senat vorliegende Luftbild eindrucksvoll

belegt - wegen ihrer unterschiedlichen Bebauungsdichte und der

Standorte der Baukörper klar voneinander abgrenzen.

Auch die Bebauung im Verlauf des T. Weges zwischen

der Einmündung des Q. Weges bis zur Parzelle 26

(Hausnr. 63) einerseits und im weiteren Verlauf bis zur

Einmündung des T. Winkels andererseits weist unter dem

hier maßgeblichen Gesichtspunkt der Grundstücksfläche, die

überbaut werden soll, wesentliche strukturelle Unterschiede

auf, die eine wechselseitige städtebauliche Prägung

ausschließen. Die Grundstücke entlang des T. Weges

besitzen in diesem Sinne Gemeinsamkeiten nur hinsichtlich der

Grundstückstiefen. Die Bebauungsdichte ist hingegen

unterschiedlich. Während der südliche Abschnitt entlang des

T. Weges ab der Einmündung des Q. Weges zunächst

durch eine geschlossene Bebauung auf schmalen Grundstücken

geprägt wird, herrschen im nördlichen Bereich ab der

Parzelle 26 (Hausnr. 63) größer dimensionierte Baukörper auf

großzügiger geschnittenen Grundstücken vor. Wie das

vorliegende Karten- und Lichtbildmaterial eindrucksvoll

belegt, ist der letztgenannte Bereich aber insbesondere

dadurch gekennzeichnet, daß in der Örtlichkeit die verdichtete

kleinräumige Bebauung innerhalb der ehemaligen Grenzen des

nichtigen Bebauungsplans bis an die jeweiligen hinteren

Grundstücksgrenzen herangerückt ist. Damit setzt sich dieser

Bereich, dem die ausgedehnte hintere Freizone fehlt, in der

Örtlichkeit deutlich von der Struktur des südlichen Bereichs

ab, dessen Hintergelände weiträumig von gärtnerisch genutzten

Freiflächen geprägt wird. Dies wird untermauert durch die

derzeitige Nutzung des Grundstücks T. Weg 63 im

rückwärtigen Bereich, die, obwohl noch nicht mit Hochbauten

bestanden, jedenfalls trennende Wirkung hat.

Das Vorhaben der Kläger überschreitet den aus der

maßgeblichen Umgebung hervorgehenden Rahmen. Dieser ist

dadurch gekennzeichnet, daß die Hauptgebäude straßennah bis zu

einer Grundstückstiefe von ca. 20 m errichtet worden sind und

auf den rückwärtigen Grundstücksflächen entweder im

wesentlichen nur völlig untergeordnete Nebenanlagen

anzutreffen sind, die in funktionalem Zusammenhang mit der

Nutzung der Hauptgebäude stehen oder vollkommen von Bebauung

frei sind und der reinen Gartennutzung dienen. Hinsichtlich

der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist das

geplante Wohnhaus ohne Vorbild. Denn es soll - anders als die

vorhandenen straßennahen Hauptgebäude - jenseits der von

diesen eingenommenen Bebauungstiefen in einem Abstand von 42 m

bis 55 m zur Straße und damit gleichsam "in zweiter Reihe"

errichtet werden. Es überschreitet folglich den Rahmen, den

die maßgebliche Umgebungsbebauung aufweist.

An dieser Beurteilung können die von den Klägern ins Feld

geführten baulichen Anlagen auf den Parzellen 26 und 41 nichts

ändern.

Wie bereits oben dargelegt, gehört die Parzelle 26

(Hausnr. 63), auf der ehemals eine gewerblich genutzte Halle

stand, unter dem Gesichtspunkt der Grundstücksfläche, die

überbaut werden soll, schon nicht zur näheren Umgebung im

Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB und kann somit den hier

maßgeblichen städtebaulichen Rahmen nicht mitprägen.

Demgegenüber gehört das Wohngebäude im Hintergelände der

Parzelle 41 zwar von seinem Standort her zur maßgeblichen

näheren Umgebung. Dennoch hat es hinsichtlich der

Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, keine den Rahmen

mitbestimmende Wirkung.

Bei der Betrachtung der maßgeblichen näheren Umgebung ist

zunächst zwar alles in den Blick zu nehmen, was in ihr

tatsächlich vorhanden ist, die Betrachtung muß dann jedoch auf

das Wesentliche zurückgeführt werden. Auszusondern sind dabei

zum einen solche Anlagen, die von ihrem Erscheinungsbild

(Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die

Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, zum anderen

aber auch solche Anlage, die zwar die Erheblichkeitsschwelle

überschreiten, aber als Fremdkörper ihrer Qualität nach völlig

aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung

anzutreffenden Bebauung herausfallen. Unbeachtliche

Fremdkörper in diesem Sinne sind namentlich singuläre Anlagen,

die in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, im

wesentlichen homogenen Bebauung stehen, soweit sie nicht

ausnahmsweise ihre Umgebung beherrschen oder mit ihr eine

Einheit bilden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom

15. Februar 1990 - 4 C 23.86 -, BRS 50

Nr. 75 = NVwZ 1990, 755; OVG NW, Urteil

vom 15. Mai 1991 - 7 A 1362/89 -, Seite

11 des amtlichen Umdrucks; Urteil vom

28. Januar 1991 - 7 A 2494/87 -,

Seite 17 des amtlichen Umdrucks.

Hiernach ist das genannte Wohnhaus, das allerdings die

Erheblichkeitsschwelle angesichts seiner Größe offensichtlich

überschreitet, bei der Bestimmung der Eigenart der näheren

Umgebung als Fremdkörper auszuklammern, weil es wegen seiner

Andersartigkeit und Einzigartigkeit den Charakter seiner

Umgebung letztlich nicht beeinflussen kann. Unter dem

Gesichtspunkt der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll,

ist die Umgebung homogen bebaut, denn sie zeichnet sich durch

eine durchgehende nahezu vollständig geschlossen errichtete

Straßenrandbebauung mit fast einheitlichen faktischen hinteren

Baugrenzen aus. Gegenüber der Umgebungsbebauung erscheint das

Wohnhaus wegen seiner von der straßennahen Bebauung deutlich

abgesetzten exponierten Lage im Hintergelände als singuläre

Anlage. Das Gebäude ist ca. 33 m und damit deutlich von der

straßennahen Bebauung abgesetzt, was auch hinsichtlich der

Tiefe der Bebauung der Parzelle im übrigen, die von der Straße

gemessen etwa bis zu 15 m erreicht, gilt. Das Gebäude fällt

damit unter Berücksichtigung der allenfalls bis zu einer Tiefe

von etwa 20 m verspringenden faktischen hinteren Baugrenze im

Straßenhinterland klar aus dem Rahmen. Dabei wird die insoweit

bestehende Wirkung als singuläre Anlage durch die Entfernungen

zur Bebauung am Q. Weg im Süden (ca. 40 m und mehr),

zum Q. Winkel im Westen (ca. 50 m) und im Norden bis

zur Parzelle 26 (etwa 75 m) verstärkt. Durch die umliegenden

Freiflächen wirkt es von der übrigen Bebauung gleichsam

isoliert. Dieser Eindruck der Isoliertheit wird noch durch die

gegenüber der Umgebungsbebauung geringere Dimension des

Baukörpers und der Besonderheiten der Erschließung

unterstrichen. Das Wohngebäude ist nicht unmittelbar an

öffentliche Verkehrsflächen angeschlossen; die Ver- und

Entsorgung kann nur fußläufig über das auf demselben

Grundstück straßennah errichtete Wohngebäude erfolgen.

Trotz seiner Andersartigkeit und Einzigartigkeit ist das

Wohnhaus aber auch nicht etwa deshalb als prägend zu

berücksichtigen, weil es mit seiner Umgebung eine Einheit

bildete - dies ist schon wegen der abgesetzten Position des

Gebäudes nicht der Fall - oder weil es seinerseits ein solches

Gewicht enthielte, daß es trotz seiner herausstechenden

Andersartigkeit tonangebend wirkte. Davon kann hier schon

wegen der geringen Größe des Baukörpers im Verhältnis zur

Umgebungsbebauung keine Rede sein. Die geringe Größe hat zur

Folge, daß sich die Wirkung des Gebäudes, auch was seine

Position angeht, auf sich selbst beschränkt und nicht auch

sein Umfeld als rückwärtig für eine Bebauung geprägt

erscheinen läßt.

Das den Gegenstand des Verfahrens bildende Vorhaben fügt

sich auch nicht ausnahmsweise trotz der Rahmenüberschreitung

in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Das Erfordernis des

Einfügens hindert zwar nicht schlechthin daran, den

vorgegebenen Rahmen zu überschreiten; es hindert jedoch daran,

dies in einer Weise zu tun, die - sei es durch das Vorhaben

selbst oder sei es infolge der Vorbildwirkung - geeignet ist,

bodenrechtlich beachtliche und erst noch ausgleichsbedürftige

Spannungen zu begründen oder die vorhandenen Spannungen zu

erhöhen. Ein Vorhaben, das im Verhältnis zu seiner Umgebung

bewältigungsbedürftige Spannungen begründet oder erhöht, das -

in diesem Sinne - "verschlechtert", "stört", "belastet",

bringt die ihm vorgegebene Situation gleichsam in Bewegung. Es

stiftet eine "Unruhe", die potentiell ein Planungsbedürfnis

nach sich zieht.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht,

Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -,

BRS 33 Nr. 36; Urteil vom 3. April 1981

- 4 C 61.78 -, BRS 38 Nr. 69; siehe

auch Urteil vom 17. Juni 1993

- 4 C 17.91 -, BRS 55 Nr. 72.

Dabei führt allerdings der Umstand, daß sich ein Vorhaben

- wie hier - als sog. Hinterlandbebauung darstellt, die in der

näheren Umgebung noch nicht rahmenbildend vorhanden ist, als

solche noch nicht zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Vielmehr

ist im Einzelfall darauf abzustellen, ob das Vorhaben aus sich

heraus oder wegen seiner Vorbildwirkung die städtebauliche

Situation verschlechtert.

Vgl. BVerwG, Urteil vom

21. November 1980 - 4 C 30.78 -, BRS 36

Nr. 56.

Im vorliegenden Fall erfolgte eine Óberschreitung des

Rahmens in einer Weise, die bodenrechtliche Spannungen

begründen oder solche Spannungen erhöhen kann. Dabei mag auf

sich beruhen, ob schon das Vorhaben selbst - wofür allerdings

wenig spricht - bewältigungsbedürftige Spannungen begründet

bzw. erhöht. Es ist jedenfalls mit einer Vorbildwirkung

verbunden, weil es wegen der planungsrechtlich vergleichbaren

Situation der umliegenden Grundstücksflächen geeignet ist,

entsprechende Bauwünsche der Eigentümer der Nachbargrundstücke

auszulösen und damit eine "zweite", angesichts der geplanten

Bebauungstiefe möglicherweise sogar "dritte Baureihe"

anzustoßen. Die damit verbundenen Störungen können

voraussichtlich nur durch eine ausgleichende städtebauliche

Planung aufgefangen werden.

Die Nachbargrundstücke sind in eine mit der dem Grundstück

der Kläger vergleichbare städtebauliche Situation gestellt.

Ihre rückwärtigen Flächen sind wie die der Kläger im

wesentlichen von Bebauung frei, aber tatsächlich mit weiteren

Hauptgebäuden bebaubar. Es stellen sich auch keine

unüberwindbaren Erschließungsprobleme tatsächlicher Art. Zwar

herrscht am T. Weg und am Q. Weg eine

geschlossene Bebauung vor. Durch die Beseitigung

untergeordneter Nebenanlagen ließen sich jedoch ohne größeren

Aufwand genügend Zufahrtmöglichkeiten in das Hintergelände

schaffen. Es kommt hinzu, daß nach den Angaben der Kläger

sowohl ihr Grundstück als auch die im Hintergelände liegende

Parzelle 24 mit Wegerechten zugunsten der für eine Bebauung in

Frage kommenden Grundstücke belastet sind. Wird das Vorhaben

der Kläger zugelassen, bestimmt es den oben beschriebenen

Rahmen der dann vorhandenen Bebauung mit, so daß sich eine

geplante Nachbarbebauung auf ein Vorbild berufen könnte, sich

mithin im Rahmen hielte und voraussichtlich zugelassen werden

müßte. Damit würde der gesamte Bereich der Freiflächen im

Hintergelände mit einer Vielzahl von Gebäuden mit mehr oder

weniger großer Grundfläche "vollaufen". Eine solche

Entwicklung riefe allein schon mit Blick auf das

Erschließungsaufkommen Spannungen hervor, da die weitere

Erschließung nur - wie die geplante Bebauung des Grundstücks

zeigt - über tief in das Hinterland hineinreichende Zuwegungen

und Erschließungsanlagen vom T. Weg, vom Q. Weg

und vom Q. Winkel aus sichergestellt werden könnte und

damit sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht

"Unruhe" im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung in die

bisherigen Ruhezonen getragen würde. Das Hintergelände würde

seinen Charakter als großzügige Ruhezone verlieren und selbst

Quelle der von intensiver Wohnnutzung ausgehenden

Lebensäußerungen werden. Mit der Erschließung würde erstmals

Verkehrslärm von beachtlicher Qualität in das bislang

unbeeinträchtigte Hintergelände hineingetragen. Die damit

verbundenen Störungen können voraussichtlich nur durch eine

ausgleichende städtebauliche Planung aufgefangen werden.

Die danach ausgleichsbedürftigen Spannungen sind nicht etwa

deshalb unbeachtlich, weil sie nicht durch das Vorhaben der

Kläger, sondern erst durch die Folgebebauung verstärkt oder

hervorgerufen werden würden und dementsprechend nicht ihrem

Vorhaben, sondern erst der Folgebebauung entgegengehalten

werden könnten. Für eine planungsrechtlich zu mißbilligende

Vorbildwirkung reicht es zwar nicht schon aus, wenn (erst) die

Folgebebauung die einen potentiellen Planungsbedarf

auslösenden Spannungen erzeugt oder erhöht; vielmehr setzt die

"Unruhe" im Sinne der Rechtsprechung des

Bundesverwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang zusätzlich

voraus, daß die Differenzierung zwischen der beantragten und

der Folgebebauung durch Genehmigung im einen und Versagung der

Genehmigung im anderen Fall zu mißbilligen ist, weil sie zur

Bevorzugung des einen Baubewerbers führen würde, obgleich sich

sein Grundstück und sein Vorhaben von den Grundstücken und

Vorhaben anderer Eigentümer nicht wesentlich unterscheiden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom

21. November 1980 - 4 C 30.78 -, BRS 36

Nr. 56.

Im vorliegenden Fall liegt aber auch diese zusätzliche

Voraussetzung, wie sich schon aus den vorstehenden

Ausführungen ergibt, vor. Denn die benachbarten Grundstücke

sind nach Lage und Zuschnitt dem der Kläger so ähnlich, daß

eine Differenzierung hinsichtlich ihrer rückwärtigen

Bebaubarkeit zu mißbilligen wäre.

Somit ist das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig.

Mit dem im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag ist

die Klage unzulässig. Es kann insoweit auf sich beruhen, ob

die in der Stellung des Hilfsantrags liegende Klageänderung

nach § 91 VwGO zulässig ist. Die geänderte Klage ist

jedenfalls unzulässig, weil damit ein Vorhaben, das gegenüber

dem bisher im Streit Befindlichen wesensverschieden ist, zur

gerichtlichen Prüfung gestellt worden ist, für das ein

Verwaltungsverfahren fehlt.

Die Kläger haben unter dem 29. April 1992 die Erteilung

eines Vorbescheides für ein bestimmtes Vorhaben beantragt und

nach Ablehnung mit der Klage einen Anspruch auf Erteilung der

Bebauungsgenehmigung dafür gerichtlich verfolgt. Mit dem

Hilfsantrag haben sie einen Anspruch auf Erteilung eines

Vorbescheides für ein anderes Vorhaben geltend gemacht. Ein

anderes Vorhaben ("aliud") liegt dann vor, wenn die

Entscheidung über die Zulässigkeit von anderen materiell-

rechtlichen Voraussetzungen abhängen kann. So liegt es hier.

Die Entscheidung über die planungsrechtliche Zulässigkeit von

Vorhaben im Hintergelände eines im Zusammenhang bebauten

Ortsteils hängt entscheidend davon ab, ob das Vorhaben sich

nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die

Eigenart der näheren Umgebung einfügt (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1

BauGB). Es liegt auf der Hand, daß eine Verschiebung des zur

Prüfung gestellten und gerade im Hinblick auf seine Position

streitigen Baukörpers um über 10 m potentiell zu einer anderen

rechtlichen Bewertung eines Vorhabens führen kann. Dies gilt

im konkreten Einzelfall umso mehr, als der Baukörper nach der

Planvariante in etwa die Bautiefe des Wohngebäudes auf der

Parzelle 41 einhält und deshalb eine entsprechende Bebauung

potentiell zu weniger gravierenden planungsrechtlichen

Spannungen im o.g. Sinne führen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2

VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit

beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen

des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.