LG Köln, Urteil vom 03.12.2008 - 28 O 483/06
Fundstelle
openJur 2012, 127006
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. Spielvorrichtungen (Kontrollgeräte) gemäß den nachfolgenden Abbildungen

zu vervielfältigen und/oder zu vertreiben und/oder vervielfältigen und/oder vertreiben zu lassen,

und/oder

2. Spielvorrichtungen, insbesondere so genannte Kontrollgeräte gemäß den nachfolgenden Abbildungen

zu vervielfältigen und/oder zu vertreiben und/oder vervielfältigen und/oder vertreiben zu lassen,

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz desjenigen materiellen Schadens verpflichtet ist, der ihr dadurch entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird, dass die Beklagte Handlungen entsprechend Ziffer I. vorgenommen hat.

III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Handlungen gemäß dem Klageantrag zu Ziffer I. 1.) und 2.) hinsichtlich

a) Namen und Anschrift des Herstellers;

b) Name und Anschrift des Lieferanten;

c) Namen und Anschriften sonstiger Vorbesitzer;

d) Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

e) Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und/oder bestellten Vervielfältigungsstücke;

f) Einkaufmenge, Einkaufszeit und Einkaufspreise;

g) Verkaufsmenge, Verkaufszeit und Verkaufspreise

h) Gestehungskosten, per Angabe der einzelnen Kostenfaktoren;

i) erzielter Umsatz;

j) erzielter Gewinn;

k) Namen und Anschriften für Angebotsempfänger;

l) Art und Umfang der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, Bundesländern und Werbeträgern,

und zwar unter Vorlage gut lesbarer Kopien der Rechnungen ihrer Lieferanten sowie ihrer Rechnungen an ihren Abnehmer.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.247,- € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.05.2006 zu erstatten.

V. Die Beklagte wird verurteilt, für sämtliche rechtswidrig hergestellten und verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke, der in Ziffer I. genannten Produkte, die im Besitz oder Eigentum der Beklagten stehen, an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zwecks Vernichtung herauszugeben. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

VI. Die Widerklage wird abgewiesen.

VII. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

VIII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 900.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Unterlassungsansprüche pp. aus Urheberrecht und Wettbewerbsrecht hinsichtlich der von der Beklagten vertriebenen Lernspiele.

Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der R Verlag Druckerei und Kartografische Anstalt GmbH & Co. KG, zu der auch die Verlage T1, B, E, U sowie X gehören. Die Klägerin entwickelt und vertreibt unter den Marken P, 1P, 2P und 3P seit nahezu 40 Jahren Lernspiele unter dem didaktischen Ansatz "Lerne/Übe/Kontrolliere". Nach einer internen Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Muttergesellschaft, welche die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.10.2008 unstreitig gestellt hat, werden der Klägerin auch die von Mitarbeitern der Muttergesellschaft an vorgenannten Produkten im Rahmen ihrer Tätigkeit geschaffenen Arbeitsergebnisse einschließlich der damit verbundenen urheberrechtlichen Nutzungsbefugnisse eingeräumt.

Seit Ende 2002 vermarktet die Klägerin unter der Marke 3P ein Lernspiel, bestehend aus einem Kontrollgerät und dazu gehörigen Aufgaben- und Lösungsheften. Das Kontrollgerät besteht aus einem nach oben offenen Kunststoffrahmen mit je zwei gegenüberliegenden halbmondförmigen Halterungen zur Aufnahme der Aufgaben- und Lösungshefte. Die im rechten Winkel zu den parallelen sich gegenüber liegenden Schenkeln des Rahmens liegende Querverbindung weist eine zentriert angeordnete Griffmulde auf. Der nach oben offene Rahmen ist mittig durch eine am oberen Ende verkürzte Kunststoffplatte verbunden, die dazu dient, den Spiralblock der Aufgaben und Lösungshefte leicht in die vorgenannte Halterung einzuführen. Auf der rechten Seite des Rahmens sind rot und gelb markierte Kippschalter angebracht. Diese dienen zur Lösung der in den in die Halterung einzuführenden Spiralblöcken enthaltenen Aufgaben sowie zur Lösungskontrolle: Nachdem sich der Nutzer durch die Bedienung der Kippschalter für die jeweilige Lösungsalternative im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung entschieden hat, wird - um die Lösung zu überprüfen - der gesamte Kunststoffrahmen umgedreht. Über die auf den Kippschaltern angebrachten Symbole bzw. Farben kann die Lösung durch einen Abgleich der Symbole überprüft werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die in der Klageschrift befindlichen Abbildungen des vorgenannten Lernspiels Bezug genommen.

Daneben vertreibt die Klägerin unter den Marken 1P und 2P zwei weitere Lernspiele, bestehend aus einer Einheit von Übungsheften, Aufgabenplättchen und Kontrollgeräten. Bei diesen enthalten die Übungshefte in schriftlicher und bildlicher Darstellung bestimmte Aufgabenstellungen aus den Gebieten von Rechtschreibung, Wortschatz, Rechnen, Verkehrsverhalten, Sachkunde, Mathematik, Fremdsprachen etc.. Den jeweiligen Aufgaben im Übungsheft müssen mit Hilfe der Aufgabenplättchen Lösungen zugeordnet werden. Diese werden nach Bezifferung der Plättchen in das Kontrollgerät eingegeben. Bei richtiger Bearbeitung der Übungsaufgaben aus dem Heft und richtiger Einordnung der Aufgabenplättchen in das Kontrollgerät entsteht auf der Rückseite der Aufgabenplättchen ein geometrisches Muster. Das unter der Marke 2P vertriebene Produktsortiment entspricht dem zuvor beschriebenen, richtet sich aber an Kinder im Alter von 4-10 Jahren. Die unter der Marke 1P vertriebenen Produkte sind auf die Zielgruppe von Kindern im Alter von 3 bis 7 Jahren angepasst. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Klageschrift befindlichen Abbildungen der Lernspiele 1P und 2P Bezug genommen.

Die Beklagte ist ein Verlagsunternehmen, das u.a. Sachbücher und Belletristik sowie Ratgeber, Kinder- und Jugendbücher verlegt. Sie stellt unter den Marken "D", "D1" und "D2" ebenfalls Lernspiele her und vertreibt sie über Discounter, wie z.B. Y1, Y2 und Y3. Wegen der Einzelheiten der vorbenannten Lernspiele der Beklagten wird auf die in der Klageschrift nebst Anlagen befindlichen Abbildungen der vorgenannten Lernspiele Bezug genommen.

Die Klägerin erwirkte gegen die Beklagte mit Beschluss der Kammer vom 13.06.2006 (Az.: 28 O 284/06) eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Beklagten verboten wurde, die auch im vorliegenden Rechtsstreit streitgegenständlichen Spielgeräte herzustellen und zu verbreiten. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hob die Kammer die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 26.07.2006 mangels Eilbedürftigkeit auf. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm die Klägerin, nachdem das OLG Köln in der mündlichen Verhandlung die Bestätigung der aufhebenden Entscheidung angekündigt hatte, zurück.

Die Klägerin behauptet, die ausschließlichen Vermarktungsrechte bzw. Nutzungsrechte an den Lernspielen 2P, 1P und 3P zu besitzen.

Das unter der Marke 3P von der Klägerin vertriebene Produkt sei von dem englischen Spieldesigner dem verstorbenen G im Jahre 2002 auf Anregung des Zeugen Z, Gründer der L Inc., USA, entwickelt und gestaltet worden. G habe die ausschließlichen Nutzungsrechte der englischen F Ltd. eingeräumt. Die Einräumung der Nutzungsrechte sei bereits durch die arbeitsvertraglichen Regelungen bedingt gewesen. Im Folgenden hätten sich die F Ltd. und die L Inc. darauf geeinigt, das von Herrn G entwickelte Produkt gemeinsam zu vermarkten und die aus der Vermarktung resultierenden Früchte zu teilen. Diese Vereinbarung sei schriftlich am 12.04.2002 festgehalten worden (Anlage K23, Bl. 476 ff.). Die F Ltd. habe ihrerseits für das Gebiet der Europäischen Union, ausgenommen Großbritannien, der , Heerenstraat, Niederlande, sämtliche ausschließlichen Vermarktungsrechte eingeräumt. Hierzu sei sie auch gegenüber der L Inc. berechtigt gewesen. Letztlich käme es hierauf jedoch nicht an, da mit Aufgabe der Vermarktung der Produkte im Jahre 2003 durch die L Inc. sämtliche Nutzungsrechte an dem Produkt an die Klägerin zurückgefallen seien.

Die unter der Marke 2P und 1P von der Klägerin vertriebenen Spiele seien auf der Grundlage des unter dem Titel "PP - Kleinarbeitsgeräte für den Zahlenraum eins bis zwölf" 1967 von Herrn M geschaffenen Lernproduktes entwickelt worden. Herr M habe die ausschließlichen Nutzungsrechte im Jahr 1968 der M Lehrmittelhandlung eingeräumt. Nach Umfirmierung in die Firma M Verlag und Lehrmittelhandel GmbH & Co. KG sei das Unternehmen durch Gesellschafterbeschluss vom 30.05.1968 in die Firma M Verlag GmbH umgewandelt worden. Durch Gesellschafterbeschluss im Jahre 1988 sei eine Umfirmierung in die Klägerin erfolgt. Die aktuell unter der Marke 2P und 1P vertriebenen Produkte seien auf der Grundlage des Originalproduktes von Herrn M weiterentwickelt worden. Die Entwicklung der Kontrollgeräte sei von den Mitarbeitern der R Verlag Druckerei und Kartografische Anstalt GmbH & Co. KG, der Zeugin Heinsberg und den Zeugen T und K vorgenommen worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, die von ihr vertriebenen Lernspiele 3P, 2P und 1P seien als wissenschaftliche Darstellungen urheberrechtlich geschützt. Die von der Verfügungsbeklagten vertriebenen D Lernspiele stellten Nachahmungen dar, bei denen die wesentlichen Merkmale praktisch identisch übernommen worden seien. Die Klägerin hält darüber hinaus aus dem Gesichtspunkt der Gefahr einer Herkunftstäuschung bzw. der unzulässigen Rufausbeutung auch wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche für gegeben.

Die Klägerin beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. Spielvorrichtungen (Kontrollgeräte) gemäß den nachfolgenden Abbildungen

zu vervielfältigen und/oder zu vertreiben und/oder vervielfältigen und/oder vertreiben zu lassen,

und/oder

Spielvorrichtungen, insbesondere so genannte Kontrollgeräte gemäß den nachfolgenden Abbildungen

zu vervielfältigen und/oder zu vertreiben und/oder vervielfältigen und/oder vertreiben zu lassen,

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet ist, der ihr dadurch entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird, dass die Beklagte Handlungen entsprechend Ziffer I. vorgenommen hat.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Handlungen gemäß dem Klageantrag zu Ziffer I. 1.) und 2.) hinsichtlich

a) Namen und Anschrift des Herstellers;

b) Name und Anschrift des Lieferanten;

Namen und Anschriften sonstiger Vorbesitzer;

Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und/oder bestellten Vervielfältigungsstücke;

Einkaufmenge, Einkaufszeit und Einkaufspreise;

Verkaufsmenge, Verkaufszeit und Verkaufspreise

Gestehungskosten, per Angabe der einzelnen Kostenfaktoren;

erzielter Umsatz;

erzielter Gewinn;

Namen und Anschriften für Angebotsempfänger;

Art und Umfang der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, Bundesländern und Werbeträgern,

und zwar unter Vorlage gut lesbarer Kopien der Rechnungen ihrer Lieferanten sowie ihrer Rechnungen an ihren Abnehmer.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.247,- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.05.2006 zu erstatten.

Die Beklagte wird verurteilt, für sämtliche rechtswidrig hergestellten und verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke, der in Ziffer I. genannten Produkte, die im Besitz oder Eigentum des Verletzers stehen, an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zwecks Vernichtung herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt widerklagend,

die Klägerin zur Zahlung von 80.084,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2006 zu verurteilen,

festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser aus dem Vollzug der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln vom 13.06.2006, Az: 28 O 284/06, der Beklagten zugestellt am 22.06.2006, entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Das von Herrn G abgegebene "Witness Statement" sei zu pauschal. Ferner stehe es im Widerspruch zu der im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens von Herrn G abgegebenen eidesstattliche Versicherung. Darüber hinaus sei die F Ltd. wegen der Vermarktungsvereinbarung mit der L Inc. nicht dazu berechtigt gewesen, Unterlizenzen an die selbständig zu vergeben. Schließlich handele es sich bei dem in den Lizenzverträgen beschriebenen Produkt nicht um das von der Klägerin unter der Marke 3P vertriebene Spiel.

Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass Formgestaltungen bei Gegenständen mit Gebrauchszweck urheberrechtlicher Schutz nur als Werk der angewandten Kunst genießen können. Die dafür erforderliche Schöpfungshöhe werde von den streitgegenständlichen Spielvorrichtungen nicht erreicht. Auch ein Schutz als wissenschaftliche Darstellung komme nicht in Betracht. Als wissenschaftliche Darstellungen seien nur solche Lernmittel geschützt, bei denen ein bestimmter Inhalt der wissenschaftlicher oder technischer Natur sei, auf bestimmte, nämlich schöpferische Art und Weise dargestellt werde. Die Spielgeräte der Klägerin seien jedoch rein mechanisch wirkende Hilfsmittel, die aus sich heraus keinerlei Wissen mitteilten. Man könne die Spielgeräte auch nicht als "Werkteil" einer aus Quizheft und Plastikrahmen bzw. Plastikkasten gebildeten Werkeinheit ansehen, da der entlehnte Teil auch für sich genommen den Schutzvoraussetzungen des § 2 UrhG genügen müsse. Bei den Spielgeräten der Klägerin handele sich allenfalls um eine urheberrechtlich nicht geschützte Spielidee bzw. Spielkonzept. Diese seien gemeinfrei.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Lernspiel 3P beruhe auf bekannten Formenschatz und beruft sich u.a. auf ein Lernspiel "Z1" der W2 GmbH. Wegen der Einzelheiten dieses Lernspiels wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 09.01.2006 und den in diesem befindlichen Abbildungen Bezug genommen.

Ferner vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die antragsgegenständlichen D Spiele keine Nachahmungen der P Lernspiele darstellen. Der Gesamteindruck der "P"-Spiele und der "D"-Spiele stimme nicht überein. Der Gesamteindruck werde stets durch die im Zusammenhang mit den Plastikkästen und Plastikrahmen verwendeten Quizhefte geprägt. Zwischen den Heften der Klägerin und der Beklagten bestünden keine Gemeinsamkeiten. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz greife nicht ein.

Zur Widerklage trägt die Beklagte vor, dass ihr durch den Vollzug der nunmehr aufgehobenen Verfügung ein ganz erheblicher Schaden entstanden sei, zu deren Ersatz die Klägerin nach § 945 ZPO verpflichtet sei. In der Zeit zwischen Zustellung und Aufhebung der Verfügung - also zwischen dem 22.06.2006 und dem 26.07.2006 - habe die Beklagte die zu Unrecht ergangene Verfügung zur Vermeidung eines Ordnungsmittelantrags befolgen müssen. Sie sei in dieser Zeit von dem Vertrieb der streitgegenständlichen Spiele und an der Erfüllung der bereits in Bezug auf die Spiele eingegangenen Lieferverpflichtungen gehindert gewesen. Der Beklagten sei durch die nicht ausgeführten Geschäfte mit den Abnehmern Y2 und Y1 ein Schaden entstanden.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 28.11.2007 durch Vernehmung der Zeugen U, Z, G2, T, K und Q. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2008 (Bl. 622 ff. d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

I.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche, Ansprüche auf Feststellung der Schadensersatzpflicht, die Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten und der Vernichtungsanspruch zu.

1.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung der Vervielfältigung (§ 16 UhrG) und Verbreitung (§ 17 UrhG) der aus dem Urteilstenor unter Ziffer I. ersichtlichen Spielvorrichtungen aus §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG zu. Die von der Beklagten unter den Bezeichnungen "D2", "D1" und "D" vertriebenen Lernprodukte stellen eine unfreie Bearbeitung der von der Klägerin unter der Marke 3P, 1P und 2P vertriebenen Spielvorrichtungen dar.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert, ihr stehen die ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Spielvorrichtungen zu.

a) Die Aktivlegitimation hinsichtlich der unter der Marke "3P" vertriebenen Spielvorrichtung ergibt sich aus der im folgenden dargelegten und von der Klägerin bewiesenen Rechtekette.

Das von der Klägerin unter der Bezeichnung 3P vertriebene Kontrollgerät wurde von dem verstorbenen, englischen Spieldesigner G im Jahre 2002 unter der Bezeichnung "selfcontrolling question and answer device"/"True or False" entwickelt und gestaltet. Dieser räumte der F Ltd. die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Spielvorrichtung ein.

Soweit die Beklagte die Urheberschaft des Herrn G und die Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte an die F Ltd. bestreitet, ist dies mit Blick auf den detaillierten Vortrag der Klägerin zu unsubstantiiert.

Die Urheberschaft des Herrn G ergibt sich aus seiner eidesstattlichen Versicherung vom 02.06.2006 (Anlage B 14, Bl. 434 d.A.) und dem als Anlage K 13 vorgelegten, sogenannten "Witness Statement" vom 14.03.2007 (Bl. 352 ff. d.A., Bl. 469 d.A.). Herr G gibt hierin an, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für die F Ltd. die Spielvorrichtung mit der Bezeichnung "selfcontrolling question and answer device"/"True or False" erstellt hat und dass er der F Ltd. die ausschließlichen Nutzungsrechte eingeräumt hat. Aus der als Anlage zu dem "Witness Statement" beigelegte Abbildung (Bl. 469 d.A.) ergibt sich, dass es sich bei der Spielvorrichtung "selfcontrolling question and answer device"/"True or False" um das von der Klägerin unter der Marke 3P vertriebene Kontrollgerät handelt. Sowohl die eidesstattlichen Versicherung als auch das "Witness Statement" lassen den eindeutigen Willen des Herrn G erkennen, die ausschließlichen Nutzungsrechte an der fraglichen Spielvorrichtung auf die F Ltd. zu übertragen. Auf welchem rechtlichen Weg dies geschehen ist, d.h. ob die F Ltd. bereits aufgrund der gesetzlichen Regelungen nach Section 11 (2) des "Copyright Designs and Patent Act" (Bl. 354 ff. d.A.) an dem von Herrn G geschaffenen Arbeitsergebnis unmittelbar Inhaberin der Nutzungsrechte geworden ist oder ob die Nutzungsrechtseinräumung durch Willenserklärung des Herrn G erfolgte, kann aufgrund der eindeutigen Absicht des Herrn G, die ausschließlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Spielvorrichtung der F Ltd. einzuräumen, dahinstehen.

Auch die wirksame Weiterübertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Spielvorrichtung von der F Ltd. auf die und von dieser auf die Klägerin steht zur Überzeugung des Gerichts fest.

Im September 2002 räumte die F Ltd. der (Anlage K 15, Bl. 379) die ausschließlichen Vermarktungsrechte für das streitgegenständliche Produkt für das Gebiet Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, Polens, Luxemburgs sowie sämtlicher deutschsprachiger Märkte ein.

Zur vorgenannten Rechtseinräumung war die F Ltd. auch gegenüber der L Inc., welche zuvor mit der F eine gemeinsame Vermarktungsvereinbarung geschlossen hatte, berechtigt. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen Z und U. Der Zeuge Z, welcher Inhaber der L Inc. ist und auch die fragliche Vermarktungsvereinbarung im Jahr 2002 abgeschlossen hatte, hat ausgeführt, dass er von Herrn G per E-Mail über die Gespräche mit der bzw. mit R informiert worden sei. Mit dem Vertragsschluss zur Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte an die sei er einverstanden gewesen. Die Zeugin U hat ferner ausgesagt, dass sich die Berechtigung zur Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte an die auch aus dem Vertrag der F Ltd. mit der im Jahr 2002 ergebe. Insoweit bezieht sich die Zeugin U auf Ziff. 5 des Vertrages beginnend mit den Worten "L agrees to share in any revenue (…)" (Anlage K 23, Bl. 476 d.A. ff.).

Vor diesem Hintergrund kommt es für die Frage der Berechtigung der F Ltd. zur Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte auf die nicht mehr darauf an, ob die Vermarktungsrechte gemäß Ziff. 7 des Vertrages von 2002 ("(...) all rights to the Device shall transfer to NPD.") mit Einstellung der Vermarktung der streitgegenständlichen Spielvorrichtung an die F Ltd. zurückgefallen sind, da bereits die Rechtseinräumung an die King International im Jahr 2002 mit Einwilligung der L Inc. erfolgt ist. Der weitere Einwand der Beklagten, dass in dem Vertrag zwischen der F Ltd. und der keine Rechtseinräumung im Hinblick auf die Herstellung der Produkte enthalten sei, ist unbeachtlich. Denn aus Ziff. 1 b) des Vertrags (Anlage K 15, Bl. 379 ff. d.A.) ergibt sich ohne weiteres die Pflicht zur Herstellung, welche ohne entsprechende Rechtseinräumung nicht möglich wäre.

Die Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Spielvorrichtung von der auf die Klägerin ergibt sich aus dem als Anlage K16 (Bl. 534 ff.) vorgelegten Vertrag von November 2002.

b) Die Klägerin ist ferner hinsichtlich der unter der Marke 2P und 1P von ihr vertriebenen Spielvorrichtungen aktivlegitimiert. Auch insoweit hat die Klägerin die Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Spielvorrichtungen hinreichend dargelegt und bewiesen.

Der Klägerin stehen die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Vorgängermodell "PP Kleinarbeitsgeräte für den Zahlenraum 1 bis 12" sowie an den streitgegenständlichen Nachfolgermodellen 2P und 1P zu.

Die Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Produkt "PP Kleinarbeitsgeräte für den Zahlenraum 1 bis 12" ergibt sich aus dem Vertrag des Herrn M mit der Firma M Lehrmittelhandlung aus dem Jahre 1968 (Anlage K 17, Bl. 398 ff.). Durch Umfirmierung bzw. Umwandlung, welche die Klägerin durch Vorlage des Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts Braunschweig (HRB 2352) und den Gesellschafterbeschluss vom 06.04.1988 (Anlage K 19, Bl. 392 ff. d.A.) hinreichend belegt, sind die ausschließlichen Nutzungsrechte auf die Klägerin übergegangen.

Ferner steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich bei dem von M im Jahr 1967 geschaffenen Lernprodukt mit der Bezeichnung "PP Kleinarbeitsgeräte für den Zahlenraum 1 bis 12" um das Vorgängermodell der streitgegenständlichen Spielvorrichtungen handelt. Die Aussagen der Zeugen T, Q und K lassen zwar keine Rückschlüsse hinsichtlich der Frage, ob es sich bei den Produkt "PP Kleinarbeitsgeräte für den Zahlenraum 1 bis 12" um das Vorgängermodell der streitgegenständlichen Spielvorrichtung 2P handele, zu. Die Zeugen erklärten übereinstimmend, das Vorgängermodell des 2P nur vom Hörensagen zu kenne. Die Zeugin G2, welche seit 37 Jahren im Hause R und seit 27 Jahren bei der Klägerin beschäftigt ist, hat jedoch überzeugend bestätigt, dass das streitgegenständliche Produkt 2P der Nachfolger des Produktes "PP Kleinarbeitsgeräte für den Zahlenraum 1 bis 12" ist.

Der Klägerin stehen auch die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Nachfolgermodellen, nämlich den streitgegenständlichen Produkten 2P und 1P, zu. Die Mitarbeiter der Muttergesellschaft der Klägerin waren bzw. sind zur Weiterentwicklung des Vorgängermodells "PP Kleinarbeitsgeräte für den Zahlenraum 1 bis 12" berechtigt. Dies ergibt sich aus § 6 des Vertrages zwischen Herrn M und der M Lehrmittelhandlung. Danach ist die Klägerin berechtigt, auch "andere Sachkundige zur Mitarbeit heranzuziehen und ihnen die Überarbeitung zu übertragen" (Anlage K 17, Bl. 388 ff. d.A.) Der Klägerin stehen ferner aufgrund einer internen Vereinbarung mit der Muttergesellschaft die ausschließlichen Nutzungsrechte, an den geschaffenen Arbeitsergebnissen zu. Soweit eine Weiterentwicklung der Spielvorrichtungen durch Mitarbeiter der Klägerin erfolgt ist, hat die Klägerin an diesen Arbeitsergebnissen nach § 43 UrhG die ausschließlichen Nutzungsrechte erlangt.

2.

Die streitgegenständlichen Spielevorrichtungen bzw. Kontrollgeräte stellen Darstellungen wissenschaftlicher Art im Sinne des § 2 I Nr. 7 UrhG dar. Darstellungen wissenschaftlicher Art sind z.B. Konstruktionszeichnungen, Stadtpläne, Karten, Skizzen, Hinweisschilder sowie sonstiges Lehr- und Anschauungsmaterial in zwei- oder dreidimensionaler Form (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 222; Schricker, UrhG, § 2 Rn. 193). Wissenschaft und Technik sind dabei in einem weiten Sinne zu verstehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit, dass die Darstellungen veranschaulichend, belehrend oder unterrichtend sind und in diesem weitverstandenen Sinne eine geistig-ästhetische Wirkung ausüben sowie der Wissensvermittlung dienen (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 222; Wandtke/Bullinger, UrhG, § 2 Rn. 131 f.; Schricker, UrhG, § 2 Rn. 192). Die Informationsvermittlung muss mit dem Ausdrucksmittel der graphischen oder räumlichen Darstellung bewirkt werden (Schricker, UrhG, § 2 Rn. 192). Maßgebend ist nicht, was, sondern wie etwas dargestellt wird (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 223). Die Darstellung bzw. die Formgestaltung selbst muss in einer individuellen Form eine persönliche geistige Schöpfung beinhalten; auf den wissenschaftlichen oder technischen Inhalt kommt es dagegen nicht an (Wandtke/Bullinger, UrhG, § 2 Rn. 132, 135; Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 228; Schricker, UrhG, § 2 Rn. 194). Insoweit sind indes die Anforderungen an das Maß eigenschöpferischer Prägung gering anzusetzen (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 228; Wandtke/Bullinger, UrhG, § 2 Rn. 139), einhergehend mit einem entsprechend engen Schutzbereich der jeweiligen Darstellung (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 229; Wandtke/Bullinger, UrhG, § 2 Rn. 139). Die Darstellungsmethoden stehen zwar grundsätzlich jedem frei zur Verfügung, die Anwendung dieser Methoden im konkreten Einzelfall führt indes in vielen Fällen zum Urheberrechtsschutz (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 224). Urheberschutz genießt dabei auch die Auswahl und Kombination bekannter Darstellungsmethoden oder Darstellungselemente (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 224). Ob eine Darstellung als wissenschaftliche Darstellung Schutz genießt, ist eine Frage des Einzelfalls. Bei der Beurteilung kommt es maßgeblich auf die vom jeweiligen Zweck vorgegebenen und technisch bedingten Formen einerseits und auf den noch vorhandenen Gestaltungsspielraum und dessen individuellen Gebrauch andererseits an (Wandtke/Bullinger, UrhG, § 2 Rn. 138; Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 230; Schricker, UrhG, § 2 Rn. 196).

Bei den streitgegenständlichen Lernspielen der Klägerin handelt es sich nicht um ein bloßes zweckfreies Spiel bzw. Spielzeug, dessen Idee und Konzept urheberrechtlich nicht schutzfähig ist. Es handelt sich vielmehr um ein Lehr- bzw. Lernmittel. Lehr- und Lernmittel sind von vornherein darauf ausgerichtet, einen Gegenstand möglichst anschaulich, nicht aber bloß authentisch darzustellen. Sie sind daher im Regelfall geschützt (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 237). Bei ihnen sowie bei plastischen Darstellungen steht zumeist der Veranschaulichungszweck im Vordergrund, nämlich dem Betrachter einen leichten und schnellen Zugang zum Anschauungsobjekt zu verschaffen, indem Wesentliches ausgewählt, hervorgehoben, gegebenenfalls vergröbert und überschaubar gemacht wird (Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 238). Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten zur Darstellung besteht bei Lehrmitteln für die Bejahung der Schöpfungshöhe grundsätzlich ein größerer Spielraum als etwa bei technischen Zeichnungen oder Bauplänen. Allerdings kann sich auch hier der Schutz nicht aus Darstellungsmethoden oder -techniken ergeben, die allgemein üblich oder zur Darstellung notwendig sind (Schricker, UrhG, § 2 Rn. 208). Nach Maßgabe diese Grundsätze sind die streitgegenständlichen Spielevorrichtungen bzw. Kontrollgeräte der Produkte 2P und 1P der Klägerin schutzfähig. Denn sie beinhalten eine spezielle Art und Weise der Darstellungsweise, die darin besteht, dass durch geometrische Muster auf der Rückseite von Aufgabenplättchen die Richtigkeit von Antworten auf der Lehre dienende Fragen optisch veranschaulicht und dadurch - gleichsam spielerisch - ein Lerneffekt erzielt wird. Nicht anders kann dies für die Kontrollgeräte bzw. -vorrichtungen des Produktes 3P der Klägerin gesehen werden. Denn dieses basiert auf exakt dem gleichen, in den Plastikrahmen verkörperten und dargestellten Prinzip der optischen Veranschaulichung der Richtigkeit von gefundenen Lösungen durch eine Anzeige auf der Rückseite der Kippschalter. Diese Art und Weise der Darstellung ist entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung auch keineswegs rein technisch bedingt oder funktional vorgegeben, so dass ein Gestaltungsspielraum nicht bestünde.

Soweit die Beklagte zur Begründung der fehlenden urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der Spielvorrichtungen der Klägerin die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu den Merkmalklötzen heranzieht (BGH GRUR 1976, 434), vermag die Kammer dem nicht beizutreten. Der dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliegende Fall ist mit vorliegenden nicht vergleichbar. Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nicht mehr zu entnehmen, als dass die Lehrmethode als solche - ähnlich der Spielidee bzw. des Spielkonzepts - nicht urheberrechtlich geschützt ist (vgl. BGH GRUR 1976, 434; dazu Schricker, UrhG, § 2 Rn. 208). Soweit der Bundesgerichtshof sich mit der Schutzfähigkeit der Merkmalklötze an sich zu beschäftigen hatte, hat er mit Blick auf deren einfache Gestaltung in - zudem: vorgegebenen - geometrischen Grundformen einen urheberrechtlichen Schutz mangels eigenen schutzfähigen geistigen Gehalts abgelehnt. Der vorliegende Fall liegt indes anders. Anders als bei den Merkmalklötzen, bei denen die Formen durch die Geometrie vorgegeben und nicht frei wählbar oder variierbar waren (vgl. BGH GRUR 1976, 434), ist die von der Klägerin geschaffene Darstellungsweise, durch geometrische Muster auf der Rückseite von Aufgabenplättchen bzw. Symbolen auf der Rückseite von Kippschaltern die Richtigkeit von Antworten auf der Lehre dienende Fragen optisch zu veranschaulichen und dadurch einen Lerneffekt zu erzielen, weder technisch oder gar funktional vorgegeben noch ist sie in ihrer schöpferischen Leistung mit derjenigen der Merkmalklötze vergleichbar. Sie geht vielmehr in ihrer schöpferischen Leistung weit über diejenige hinaus, die den Merkmalklötzen innewohnt.

Der Schutzfähigkeit steht auch nicht entgegen, dass sich der Inhalt der Aufgaben und damit der Lernstoff bzw. die Informationsvermittlung aus den Aufgabenheften und damit nur in Verbindung mit diesen ergibt. Denn geschützt ist im Rahmen der wissenschaftlichen Darstellungen nicht der Lernstoff oder die vermittelte Information, sprich: der Inhalt der Wissenschaft/Technik, selbst, sondern vielmehr die Form der Darstellung in dem oben bezeichneten Sinne (vgl. Wandtke/Bullinger, UrhG, § 2 Rn. 135). Diese ist allein in den Spielvorrichtungen bzw. den Kontrollgeräten zu sehen. Zudem ist es auch nach urheberrechtlichen Grundsätzen das Bestehen eines selbständigen Werkinhalts nicht erforderlich. So ist beispielsweise eine Seite in einem Roman, eine Strophe aus einem Gedicht oder eine Abbildung auf einem Fachbuch ohne Rücksicht darauf geschützt, ob sie für sich allein verständlich sind; erforderlich ist nur die individuelle Gestaltung des Werkteils (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 2 Rn. 77). Ebenso steht es dem Schutz der Kontrollgeräte nicht entgegen, dass sie erst im Zusammenwirken mit den Quizheften ihre Funktion erfüllen. Entscheidend ist nicht der selbstständige Inhalt, sondern die individuelle Gestaltung. Diese ist bei den streitgegenständlichen Spielvorrichtungen der Klägerin, wie zuvor bereits dargelegt, gegeben.

Die Kammer vermag schließlich in dem von der Beklagten angeführten Lernspiel "Z1" der W2 GmbH auch keinen bekannten Formenschatz zu sehen, auf den von der Klägerin zurückgegriffen und der von dieser übernommen worden wäre. Insoweit weicht der Gesamteindruck beider Lernspiele erheblich voneinander ab. Die Abweichung ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass sich die Kontrollleiste bei dem Lernspiel "Z1" nicht nur auf der rechten Rahmenseite, sondern auch auf der unteren Seite des Plastikrahmens befindet. Außerdem wird nicht die Technik der Kippschalter verwandt, sondern die Kontrolle findet mit Hilfe von Farbpunkten statt.

In Bezug auf das Spiel "Z" der M2 GmbH ist dem Vortrag der Beklagten bereits nicht das Erscheinungsdatum zu entnehmen und kann daher auch nach den Lernmitteln der Klägerin herausgekommen sein. Die Übernahme eines bekannten Formenschatzes ist von der Beklagten folglich nicht hinreichend dargelegt.

Sind die Spielvorrichtungen als wissenschaftliche Darstellung in dem oben bezeichneten Sinne geschützt, hat die Beklagte diese in den von ihr hergestellten und vertriebenen Lernspielen auch unzweifelhaft übernommen. Denn da die Darstellungsweise an sich geschützt ist, kommt es auf die von der Beklagten aufgezählten - unwesentlichen - Unterschiede in der optischen Ausgestaltung der Lernspiele sowie der Aufgabenhefte nicht an, sondern allein auf die Übernahme der Darstellungsweise. Diese ist von der Beklagten zur Gänze übernommen worden.

Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Die Rechtsverletzung indiziert die Wiederholungsgefahr. Die Beklagte hat auch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

2.

Auch soweit die Klägerin die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden zu erstatten, der ihr daraus entstanden ist und künftig entstehen wird, dass die Beklagte die im Klageantrag unter Ziff. I genannten Spielvorrichtungen hergestellt und vertrieben hat, ist die Klage zulässig und begründet.

Ausweislich der Klagebegründung macht die Klägerin auch nur materielle Schadensersatzansprüche geltend. Die insoweit erfolgte ausdrückliche Beschränkung des Tenors auf materielle Schadensersatzansprüche und die Teilabweisung der Klage erfolgt daher nur zur Klarstellung.

Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 ZPO an der Feststellung der Ersatzpflicht ist anzunehmen, da künftige Schadensfolgen möglich sind, ihre Art, ihr Umfang oder ihr Eintritt aber noch ungewiss sind.

Die Feststellungsklage ist auch begründet, da der Klägerin aufgrund der Rechtsverletzungen (siehe oben unter Ziff. I.) ein Schadensersatz gegen die Beklagte gemäß § 97 UrhG zusteht. Die Beklagte handelte insoweit auch schuldhaft (§ 276 BGB).

3.

Der Anspruch auf Drittauskunft, welcher unter III. a) - e) des Klageantrages geltend gemacht wird, steht der Klägerin aus § 101a UrhG zu. Die Beklagte bietet die streitgegenständlichen Spielgeräte im geschäftlichen Verkehr an. Der Klageantrag wird von dem Umfang des Drittauskunftsanspruchs gem. § 101a UrhG gedeckt.

Ferner steht der Klägerin der unter III. f) - l) des Klageantrags geltend gemachte Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung in dem geltend gemachten Umfang gemäß §§ 242, 259, 256 BGB zu.

Zwar ist der Anspruch auf Auskunft und die davon umfasste Rechnungslegung ausdrücklich nicht abschließend gesetzlich geregelt. Er besteht aber im Hinblick auf alle Ansprüche auf der Grundlage von Treu und Glauben (st. Rspr., vgl. BGHZ 95, 285, 288 - GEMA-Vermutung II; BGH, GRUR 1988, 604, 605 - Kopierwerk). Auch die positivrechtliche Ausformung des Rechnungslegungsanspruchs in § 97 Abs. 1 Satz 2, 2. HS UrhG dient nur zur Klarstellung und soll nicht Auskunftsansprüche im Übrigen ausschließen. Der Anspruch setzt auf der Seite des Verletzten voraus, dass dieser in entschuldbarer Weise über das Bestehen (so ausdrücklich BGH, GRUR 1988, 604, 605 - Kopierwerk) oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchführung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete sie unschwer zu geben vermag. Weiterhin ist das Bestehen einer besonderen rechtlichen Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem erforderlich, die auch in einem gesetzlichen Schuldverhältnis, z. B. aus unerlaubter Handlung bestehen kann (vgl. Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Auflage, § 97 Rn. 228).

Diese Voraussetzungen sind gegeben, da die Klägerin selbst keine Kenntnis von den mit der Auskunft und Rechnungslegung geforderten Daten haben kann. Diese sind ausschließlich dem Geschäftsbetrieb der Beklagten zuzuordnen. Auch ist die die Beklagte unschwer in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Schließlich ist auch eine Rechtsverletzung durch die Beklagte gegenüber der Klägerin gegeben, da die Beklagte im geschäftlichen Verkehr durch Verbreitung und Vervielfältigung der antragsgegenständlichen Spielevorrichtungen die Nutzungsrechte der Klägerin verletzt (siehe oben unter Ziff. I.).

Die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sind auch in dem beantragten Umfang gegeben. Die Klägerin kann grundsätzlich alle Angaben verlangen, die notwendig sind, um den festgestellten Schadensersatzanspruch für Verletzungshandlungen nach jeder der drei möglichen Berechungsarten (konkrete Schadensberechung einschließlich des entgangenen Gewinns, entgangene angemessene Lizenzgebühr, Herausgabe des Verletzergewinns) zu errechnen. Der Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung soll den Schadensersatzberechtigten gerade in die Lage versetzen, die für ihn günstigste Berechnungsart auszuwählen. Der Auskunftsanspruch erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Angaben, welche eine Nachprüfung der Rechnungslegung ermöglichen (vgl. Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage, § 97 Rn. 45, m.w.N.). Insbesondere die Pflicht zur Belegvorlage ist von dem Anspruch umfasst (vgl. BGH, GRUR 2002, 709, 712 - Entfernung der Herstellernummer III). Die geltend gemachten und im Tenor konkret bezeichneten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche sind nach den vorstehenden Ausführungen daher auch in vollem Umfang gegeben.

4.

Die Klägerin hat schließlich auch einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Abmahnkosten ihres Prozessbevollmächtigten i.H.v. 2.247,- Euro. Die Beklagte schuldet die Kosten der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß § 97 UrhG aber auch unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683, 670 BGB. Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Die berechtigte Abmahnung eines Verletzers als auch die Aufforderung zur Zahlung von Schadenersatz stellen zudem ein Geschäft des Verletzers dar, das seinem Interesse und Willen entspricht und für das er dem Geschäftsführer Aufwendungsersatz schuldet (vgl. Palandt, BGB, § 683 Rn. 7 a m.w.N.).

Die von der Klägerin zugrunde gelegte Geschäftsgebühr von einem 0,75-fachen Satz sowie der angesetzte Streitwert i.H.v. 500.000 € ist angemessen.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB

5.

Schließlich steht der Klägerin der unter Ziff. V. tenorierte Anspruch auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen streitgegenständlichen Spielvorrichtungen nach § 98 UrhG zu. Gemäß § 98 I UrhG kann der Verletzte verlangen, dass die rechtswidrig hergestellten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke vernichtet werden. Die Vernichtung erfolgt üblicherweise durch den Gerichtsvollzieher, auf eine eigene Vernichtung durch den Schuldner muss sich der Gläubiger nicht verweisen lassen (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 98 Rn. 7). Die Vernichtung kann auch in der Form verlangt werden, dass rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher herauszugeben sind (BGH GRUR 2003, 228 - P-Vermerk).

II.

Die Widerklage ist unbegründet.

Der Beklagten steht der widerklagend geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 945 ZPO nicht zu, denn das in der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Unterlassungsgebot war, wie zuvor dargelegt, von Anfang an gerechtfertigt.

Nach § 945 ZPO ist die Partei, welche eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, dem Gegner zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sich die Anordnung der einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist. Als von Anfang an ungerechtfertigt erweist sich eine einstweilige Verfügung, wenn der Verfügungsanspruch oder der Verfügungsgrund von Anfang an fehlten. Zu ersetzen sind dabei auch Schäden wegen "entgangener Aufträge" (vgl. Zöller, § 945 Rn. 14c).

Ein Schaden i.S.d. § 945 ZPO ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn und soweit der Schuldner materiellrechtlich ohnehin zur Unterlassung verpflichtet war (BGH, NJW 1994, 2767; NJW 1990, 125 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ 15, 356, 358; NJW 1981, 2579, 2580) ist in den Fällen, in denen eine einstweilige Verfügung ein auf einem Unterlassungsanspruch beruhendes Verbot zum Gegenstand hatte, dem Verfügungsbeklagten durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung kein nach § 945 ZPO zu ersetzender Schaden erwachsen, wenn er ohnehin materiell- rechtlich verpflichtet gewesen wäre, die ihm durch die einstweilige Verfügung untersagte Handlung zu unterlassen. Dies ist, wie unter Ziff. I der Entscheidungsgründe dargelegt, vorliegend der Fall.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Soweit eine Teilabweisung bezüglich immaterieller Schadenersatzansprüche erfolgt ist, hat dies - wie dargelegt - lediglich eine klarstellende Funktion, die keine Auswirkungen auf den Streitwert hat, so dass auch insoweit der Klägerin keine Kosten aufzuerlegen waren.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert für die Klage: 750.000,- €

Streitwert für die Widerklage: 150.000,- €