VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.07.1994 - 8 S 1428/94
Fundstelle
openJur 2013, 9258
  • Rkr:

1. Die Verdolung eines offenen Wasserlaufs beeinträchtigt das Wohl der Allgemeinheit und kann daher regelmäßig nicht gestattet werden.

Tatbestand

Der Kläger beantragt den Erlaß eines Planfeststellungsbeschlusses zur Anlage einer Verdolung.

Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flst. Nr. 287/2 und Alleineigentümer des angrenzenden Grundstücks Flst. Nr. 287/7 der Gemarkung L -D Das Grundstück Flst. Nr. 287/7 erwarb er mit notariellem Vertrag vom 26.7.1991 vom O kreis, der es wegen der Rückforderung von Sozialhilfeleistungen durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.4.1989 - 5 O 278/88 - vom Voreigentümer erstritten hatte. Über beide Grundstücke verläuft ein Wassergraben, der als Gewässer zweiter Ordnung einzustufen ist. Der Graben wurde nach Angaben des Wasserwirtschaftsamts O zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt ohne die dafür erforderliche Genehmigung verdolt. Diese Verdolung ist inzwischen so schadhaft, daß für das darunter liegende Grundstück Flst. Nr. 287/8 bei größeren Abflüssen erhebliche Nachteile entstehen, weil das anfallende Oberflächenwasser nicht mehr schadlos abgeführt werden kann.

Im März 1992 wurde festgestellt, daß auf dem Grundstück Flst. Nr. 287/7 am D bach Bauarbeiten mit einem Bagger durchgeführt wurden. Der Kläger wurde vom Bürgermeister der Gemeinde L darauf hingewiesen, daß eine Neuverdolung als Ersatz der beschädigten, ungenehmigten Verdolung nicht zulässig sei und daß deshalb die Bauarbeiten einzustellen seien.

Mit Schreiben vom 24.8.1992 beantragte der Kläger, ihm die Genehmigung für die Instandsetzung des auf seinem Grundstück vorhandenen Vorfluters durch Erneuerung der Verdolung zu erteilen. Im Verlaufe des vom Landratsamt O kreis durchgeführten wasserrechtlichen Verfahrens äußerte das Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz O sich dahingehend, daß die beantragte Verdolung abzulehnen sei, da die wasserwirtschaftlichen, ökologischen und landschaftspflegerischen Nachteile bei derartigen Maßnahmen nicht durch Auflagen und Bedingungen ausgeglichen werden könnten. Nach dem Wasserbaumerkblatt seien Verdolungen dieser Art grundsätzlich abzulehnen. Die Restteile der schadhaften Verdolung seien zu entfernen und der Graben wieder in naturnaher Bauweise als offener Grabenlauf wiederherzustellen. Auch der Naturschutzbeauftragte äußerte erhebliche Bedenken und verwies darauf, daß die Verdolung des derzeit offenen Bachlaufs auf einer Länge von 40 m dem Biotopschutzgesetz am 1.1.1992 widerspräche.

Mit Entscheidung vom 28.5.1993 versagte das Landratsamt O kreis die beantragte wasserrechtliche Planfeststellung (Ziff. 1 des Bescheids) und gab dem Kläger auf (Ziff. 2 des Bescheids), die vorhandenen Restteile der schadhaften Verdolung aus dem Gewässerbett zu entfernen und den Graben in naturnaher Bauweise als offenen Grabenlauf wiederherzustellen. Hinsichtlich der Begründung des Bescheids wird auf die Wiedergabe im Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger hat am 23.6.1993 gegen Ziff. 2 des Bescheids Widerspruch eingelegt und am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht Freiburg gegen Ziff. 1 des Bescheids Klage erhoben mit dem Antrag, den beantragten Planfeststellungsbeschluß zu erlassen. Er hat die Klage trotz wiederholter Aufforderung nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach entsprechendem Hinweis durch Gerichtsbescheid vom 15.4.1994 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß der Plan nicht festgestellt werden könne, weil nach den zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Landratsamts O Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu befürchten seien.

Der Kläger hat gegen den ihm am 22.4.1994 zugestellten Gerichtsbescheid am 24.5.1994 (dem Dienstag nach Pfingsten) Berufung eingelegt.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15. April 1994 - 2 K 1068/93 - zu ändern, Ziff. 1 des Bescheids des Landratsamts O vom 28. Mai 1993 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, seinen Antrag auf Erneuerung der Verdolung des Grabens auf den Grundstücken Flst. Nrn. 287/2 und 287/7 - gegebenenfalls durch Planfeststellungsbeschluß - zu genehmigen.

Zur Begründung trägt er vor: Er habe das Grundstück Flst. Nr. 287/7 mit Vertrag vom 19.8.1991 vom Landkreis erworben. In § 4 desselben sei der verdolte Wassergraben und die an der Verdolung bestehenden Schäden erwähnt. Er habe sich darin verpflichtet, die Kosten für deren Beseitigung zu übernehmen. Solange der Landkreis Eigentümer dieses Grundstücks gewesen sei, hätten die zuständigen Fachbehörden offensichtlich keinerlei Beanstandungen erhoben. Zudem fühle er sich getäuscht, weil in dem Vertrag zwar die Rede von einer Beseitigung der Schäden an der Verdolung gewesen sei, nicht jedoch von einer vollständigen Renaturierung. Es sei darauf hinzuweisen, daß unterhalb seiner Grundstücke der weitere Verlauf des Grabens verdolt sei. Er werde von der Eigentümerin des Nachbargrundstücks wegen der von der schadhaften Verdolung ausgehenden Schäden in Anspruch genommen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, daß die ursprüngliche Verdolung nicht genehmigt gewesen sei; er müsse dies mit Nichtwissen bestreiten. Auf keinen Fall könne davon ausgegangen werden, daß die beabsichtigte Wiederherstellung der Verdolung eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit mit sich brächte. Man müsse hier berücksichtigen, daß der gesamte weitere Verlauf des Wasserlaufs verdolt sei, so daß von der von ihm geplanten Verdolung nicht die von der Behörde gesehenen negativen Auswirkungen ausgehen könnten.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es hält das angefochtene Urteil für richtig.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und des Landratsamts Offenburg vor.

Gründe

Der Senat entscheidet gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten damit einverstanden sind.

Die - zulässige - Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht und der Wasserbehörde der Ansicht, daß die vom Kläger beantragte Verdolung nicht gestattet werden kann, weil von ihr Gründe des Wohls der Allgemeinheit beeinträchtigt werden (§ 64 WG). Wie das Verwaltungsgericht richtig erkannt hat, ist dies im angefochtenen Bescheid des Landratsamts O in gerichtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt worden. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung des Klägers ist lediglich ergänzend anzumerken, daß die Begründung der Behörde auch mit der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs übereinstimmt (vgl. etwa Urt. v. 18.8.1988 - 5 S 2975/87 -). Es entspricht danach gesicherter Kenntnis, daß Verdolungen die Wechselwirkung zwischen Wasser, Boden und der Tier- und Pflanzenwelt unterbinden, das Gewässer gegen positive Umwelteinflüsse wie Belichtung und Belüftung isolieren und die Selbstreinigungskraft des Wassers verringern. Hinzu kommt, daß Verdolungen den Wert eines Gewässers als Bestandteil des Landschaftsbildes beschneiden und deshalb auch aus Gründen der Landschaftspflege, der Erholungsvorsorge und der Fischerei grundsätzlich abzulehnen sind. Daran ändert vorliegend auch der Umstand nichts, daß der weitere Verlauf des Grabens verdolt ist, denn entscheidend ist allein, daß bereits die vom Kläger geplante Maßnahme geeignet ist, die genannten Wirkungen auszulösen. Anderweitig vorhandene Mißstände können kein Grund sein, die allgemein anerkannten Grundsätze über die Schädlichkeit von Verdolungen unbeachtet zu lassen.

Der Kläger beruft sich auch ohne Erfolg darauf, daß die Behörde erst nach dem Eigentumserwerb durch ihn aktiv geworden ist. Dies ist bereits sachlich unrichtig, weil ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten des Landratsamts das Wasserwirtschaftsamt schon im Jahre 1990 an dieses herangetreten ist und gebeten hat, ein wasserrechtliches Verfahren für die Wiederherstellung des offenen Grabens einzuleiten und danach das Amt für Umweltschutz, das technische Amt des Landratsamts aufgefordert hat, den hierfür notwendigen Antrag mit Plänen vorzulegen. Nach Erwerb dieses Grundstücks durch den Kläger bestand für den Kreis keine Möglichkeit mehr, in diesem Sinne tätig zu werden. Im übrigen könnte aber auch ein etwaiges Untätigbleiben der Behörde dem Kläger keinen Rechtsanspruch verleihen, da dies nichts daran ändert, daß seinem Begehren Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des von ihm beim Kauf beider Grundstücke vorgefundenen Zustandes hatte.

Schließlich ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auch der Inhalt des vom Kläger mit dem Landkreis abgeschlossenen Kaufvertrags nicht von Bedeutung. Der vom Kläger insoweit angeführte Passus hat im übrigen erkennbar nur die Bedeutung, daß der Kreis auf keinen Fall Kosten für die Instandsetzung des Wassergrabens übernehmen wollte. Eine Aussage darüber, was mit dem Wassergraben geschehen sollte, ist darin nicht enthalten.