OLG Köln, Urteil vom 15.03.2012 - 7 U 29/04
Fundstelle
openJur 2012, 85682
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30.10.2004 - 1 O 459/00 - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der beklagten Bundesrepublik wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30.10.2004 - 1 O 459/00 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (Kosten erster und zweiter Instanz sowie die Kosten des Revisionsverfahrens) trägt die Klägerin.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der beklagten Bundesrepublik durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die beklagte Bundesrepublik Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesrepublik Schadensersatz wegen Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts. Gegenstand des Verfahrens ist der von der Klägerin erhobene Vorwurf, die beklagte Bundesrepublik habe von Anfang 1993 bis 1999 entgegen geltendem Gemeinschaftsrecht faktisch ein Importverbot für Fleisch von nicht kastrierten männlichen Schweinen aus Dänemark verhängt. Im Hinblick auf dieses faktische Einfuhrverbot soll das Schreiben vom 26.01.1993 des Bundesministeriums für Gesundheit auf Seiten der Klägerin - so behauptet sie - im Ergebnis zur Drosselung der Produktion von Fleisch nicht kastrierter männlicher Schweine Veranlassung gegeben haben, was den geltend gemachten Schaden, den sie im Einzelnen in der Anspruchsbegründung in Höhe von (umgerechnet in deutscher Währung) 280.134.810,00 DM beziffert hat, verursacht habe.

Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil vom 30.01.2004, auf das wegen der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen Bezug genommen wird, den Klageanspruch für den Zeitraum ab dem 07.12.1996 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Klage im Übrigen in Hinblick auf die beklagtenseits erhobene Einrede der Verjährung abgewiesen. Nachdem gegen dieses Urteil beide Parteien Berufung eingelegt hatten, hat der Senat durch Urteil vom 02.06.2005, auf dessen Gründe verwiesen wird, unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Klage insgesamt dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 04.06.2009 - III ZR 144/05 - gleichfalls hier vollinhaltlich in Bezug genommen - die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zurückverwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte entsprechend dem erstinstanzlich gestellten Zahlungsantrag mit der Maßgabe zu verurteilen, an sie 143.161.726,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozent und aus 130.600.675,93 € seit dem 04.09.1999 und aus weiteren 12.561.050,80 € seit Rechtshängigkeit bis zum 30.05.2000 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2000 aus dem Betrag von 143.161.726,73 € zu verurteilen,

Hilfsweise beantragt die Klägerin Zurückverweisung.

Die beklagte Bundesrepublik beantragt,

die Klage abzuweisen

und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der beklagten Bundesrepublik zurückzuweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die beidseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

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II.

Beide Berufungen sind zulässig, die Berufung der Klägerin ist unbegründet, die der beklagten Bundesrepublik begründet.

Das angefochtene Urteil muss abgeändert und die Klage abgewiesen werden, weil sie unbegründet ist.

Ein Anspruch aus der hier allein in Betracht zu ziehenden gemeinschaftrechtlichen Staatshaftung ist nicht gegeben, da - neben der teilweise nicht mehr ersichtlichen Aktivlegitimation der Klägerin - jedenfalls ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem qualifizierten Verstoß gegen drittschützende Gemeinschaftsnormen und dem hier als entstanden geltend gemachten Schaden nicht dargelegt ist.

Im Einzelnen:

Mit der vorliegenden Schadensersatzklage berühmt sich die Klägerin, die als Branchenverband tätig ist, gemeinschaftsrechtlicher Schadensersatzansprüche, und zwar zunächst nur aus abgetretenem Recht der Schlachthofgesellschaften und der einzelnen Züchter.

Nach der Anspruchsbegründung gab es zum damaligen Zeitpunkt 15.476 Landwirte, die in der Aufzucht von Schweinen tätig waren und ihre Tiere an einen Schlachtbetrieb einer der dänischen Schlachthofgesellschaften lieferten (vgl. Rz. 62 der Anspruchsbegründung, Bl. 42 GA). Ausweislich der Anspruchsbegründung haben sowohl die drei Schlachthofgesellschaften E., U. und S. wie auch die 15.476 Landwirte Schadensersatzansprüche, die sich aus den hier streitgegenständlichen Vorgängen ergeben sollen, an die Klägerin abgetreten. Hierüber hatte die Klägerin mit der Anspruchsbegründung gemäß Anlagen K 9, K 10 und K 11 Abtretungserklärungen der Schlachthofgesellschaften sowie beispielhaft als Anlage K 15 die Abtretungserklärung eines Züchters vorgelegt (jeweils in Kopie). Klagestütze für die Klage waren daher Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht, und zwar der drei Schlachthofgesellschaften und der dänischen Züchter, wobei der Schaden insgesamt mit einem Betrag in deutscher Währung in Höhe von 280.134.810,00 DM beziffert wurde, wovon die Klägerin - und zwar im Wege der Teilklage (vgl. Rz 378 a.E. der Anspruchsbegründung, Bl.153 GA), ohne nun im Einzelnen die Beträge bestimmt abzugrenzen - einen Betrag von „zunächst“ 280.000.000,00 DM geltend machte. Dabei hat die Klägerin den danach bezifferten Gesamtschaden nach den Verlusten der dänischen Schlachthofgesellschaften in Höhe von 868.340.340,00 DK berechnet und die Verluste der Schweinezüchter mit einem Betrag von 230.153.100,00 DK beziffert (Bl. 153 GA).

Entgegen ihrem dezidiert anderslautenden Vorbringen in der Anspruchsbegründung hat die Klägerin im weiteren Verlauf des Berufungsrechtszuges mit Schriftsatz vom 16.09.2010 (Bl. 2235 ff. GA), und zwar erst nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes, ihre damalige Darstellung in der Anspruchsbegründung (Rz. 66) dahingehend „richtig gestellt“, dass - auf einem Missverständnis beruhend (in einem späteren Schriftsatz vom 31.01.2012, -Bl. 2356 ff. GA - wird darauf verwiesen, der „widerrufene Vortrag aus der Klage“ sei „schlicht unschlüssig“ gewesen) - gesonderte schriftliche Abtretungaabreden mit den Schweinezüchtern nicht getroffen worden seien. In diesem Schriftsatz heißt es zudem, dass die Schlachthöfe die Ansprüche der Züchter „im Wege der Prozessstandschaft“ geltend machen,

die Klägerin sei wiederum von den Schlachthöfen zur Geltendmachung ermächtigt;

im weiteren Schriftsatz vom 03.02.2011 (Bl. 2307 ff. GA) will die Klägerin, soweit der Senat vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Prozessstandschaft nicht ausgehen sollte, „alternativ“ ihr Klagebegehren auf eine Abtretung „aller Züchter“, die durch Beschlüsse der Schlachthofgesellschaften erfolgt sei (Anlage K 257), gestützt wissen.

Bezogen auf den als Schaden der einzelnen Züchter geltend gemachten Teil der Klage ist dann aber die Aktivlegitimation nicht gegeben. Die Klägerin trägt selber vor, dass gesonderte schriftliche Abtretungsvereinbarung mit den Schweinezüchtern nicht getroffen worden sind. Die weiter als Anlage K 257 überreichten Beschlüsse der Schlachthofgesellschaften lassen aber nicht erkennen, dass die diesbezüglichen - im Übrigen bezogen auf den hier geltend gemachten Schaden recht unbestimmten („Mitglieder“) - Abtretungserklärungen der Schlachthofgesellschaften an die Klägerin im Einverständnis mit den jeweiligen Forderungsinhabern, also den oben schon angeführten 15.476 Züchtern, erfolgt sind.

Soweit demgegenüber die Klägerin ihre diesbezügliche Schadensersatzklage im Berufungsrechtszug auch auf die Grundsätze der gewillkürten Prozessstandstandschaft - gemeint ist wohl hilfsweise - stützen will, was schon in Hinblick auf die Vorschriften der §§ 263, 533 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO Bedenken unterworfen ist, da die beklagte Bundesrepublik ausdrücklich dem - unter Bestreiten des diesbezüglichen Sachvortrag der Klägerin - nicht zugestimmt hat (vgl. Schriftsatz vom 29,01,2012, Bl. 2338 ff. GA), so vermag auch dies ihrem Begehren nicht zum Erfolg zuverhelfen.

Voraussetzung für eine gewillkürte Prozessstandschaft ist, dass überhaupt eine diesbezügliche Ermächtigung des Forderungsberechtigten, also hier der Züchter, vorliegt. Grundsätzlich ist es allerdings möglich, dass die Ermächtigung formlos erteilt wird (vgl. Musielak, ZPO 8. Aufl., § 51 Rn. 26 zitiert nach beckonline). Eine solche Ermächtigung ist aber von der Klägerin schon nicht dargelegt. Insbesondere der diesbezüglich von ihr herangezogene Hinweis auf die Statuten der Schlachthofgesellschaften, die alle erst aus dem Jahr 2009 stammen (Anlage K 247), ist hierfür nicht geeignet. Zwar mag es Unternehmensgegenstand der genossenschaftlich organisierten Schlachthöfe sein, die bestmögliche Vermarktung und den Vertrieb der Schweineproduktion ihrer Genossen zu gewährleisten. Auch mögen die Züchter verpflichtet sein, ihre Schweine nicht selbst, sondern ausschließlich über die jeweiligen Schlachthöfe vermarkten und vertreiben zu lassen. Wieso hieraus „ohne Weiteres“ folgen soll, dass auch der jeweilige Schlachthof befugt ist, Schadensersatzprozesse der Züchter zu führen, wie die Klägerin völlig pauschal ins Blaue hinein im Schriftsatz vom 16.09.2010 behaupten will, erschließt sich nicht. Vielmehr gilt doch, dass ein Verband, zu dessen satzungsmäßigen Zwecken es gehört, die gemeinsam gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten, eben nicht kraft seiner Satzung als ermächtigt anzusehen ist, Schadensersatzansprüche seiner Mitglieder im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen (vgl. grundsätzlich BGH NJW 1984, S. 2220 ff. zitiert nach beckonline).

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da von der Klägerin jedenfalls ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem qualifizierten Verstoß gegen drittschützende Gemeinschaftsnormen und dem als hierdurch entstanden geltend gemachten Schaden nicht dargelegt ist. Deshalb ist die Klage, auch soweit sie den weiteren Schadensanteil, der bei den Schlachthofgesellschaften entstanden sein soll, zum Gegenstand hat, unbegründet.

Der Senat hat durch Auflagenbeschluss vom 28.01.2010 (Bl. 1964 ff. GA) - ergänzt durch Beschluss vom 24.08.2010 (Bl. 2229 GA) - der Klägerin Gelegenheit zum ergänzenden Sachvortrag gegeben und ihr auch aufgegeben, die erstinstanzlich von ihr angesprochenen Beschlussfassungen bzw. Beratungen der maßgeblichen Gremien, die hier - wie behauptet - bedingt durch europarechtswidriges Verhalten der beklagten Bundesrepublik dazu geführt haben sollen, die Produktion zurückzufahren, was den hier geltend gemachten Schaden verursacht haben soll, durch Vorlage der jeweiligen Sitzungsprotokolle zu substantiieren.

Hierauf hat die Klägerin dann mit Schriftsatz vom 12.04.2010 (Bl. 1986 ff. GA) bzw. vom 20.10.2010 (Bl. 2246 ff. GA) u.a. auch das Protokoll der Preisfestsetzungskommission vom 21.12.1992 (Anlage K 249), das Protokoll des Aufsichtsrates vom 20.01.1993 (Anlage K 180), das Protokoll der Preisfindungskommission vom 08.02.1993 (Anlage K 156), das Protokoll der Preisfestsetzungskommission vom 11.08.1993 (Anlage K 187) sowie das Protokoll der Sitzung des Bestyrelsen vom 07.10.1993 (Anlage K 215) vorgelegt. Für letzteres (sonst werden von der Klägerin nur auszugsweise „freie Übersetzungen“ vorgelegt) hat die Klägerin eine beglaubige Übersetzung eines ermächtigten Übersetzers vorgelegt (Anlage K 216, daneben auch auszugsweise eine „freie Übersetzung“), der sie wesentlich in Hinblick auf die dortige Verwendung des Begriffes „Eber“ entgegentritt.

Bei der Betrachtung dieser Protokolle in der Gesamtschau ist ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen gemeinschaftsrechtlichem Verstoß und hier geltend gemachtem Schaden nicht zu erkennen. In der Anspruchsbegründung (dort Rz. 308 und 309) hat die Klägerin vorgetragen, dass von ihr und den dänischen Schlachthofgesellschaften im Hinblick auf das Schreiben der beklagten Bundesrepublik vom 26.01.1993, an dem allerdings der qualifizierte Verstoß festzumachen sei, beschlossen worden sei, Maßnahmen zu ergreifen, die die Schweinezüchter „freiwillig“ dazu bewegen würden, ihre männlichen Tiere wieder kastriert aufzuziehen. Es sei deshalb im Rahmen der Sitzung der Preisfindungskommission am 08.02.1993 entschieden worden, ab dem 04.10.1993 den Abzug für nicht kastrierte männliche Schweine auf DK 20 zu senken, die Preise für ein mit Geschlechtsgeruch belastetes Schwein (über 25 ppm Skatol) aber den niedrigen Notierungen für „Eberfleisch“ anzupassen, um so die Produktion zu drosseln. Hiermit lässt sich jedoch nicht in Übereinstimmung bringen, dass schon in der Sitzung vom 21.12.1992 ein entsprechender Abschlag (15 - 20 DK) diskutiert wurde, also zu einem Zeitpunkt, als die einschlägige Richtlinie für die Bundesrepublik Deutschland auch noch nicht bindend war, da die diesbezüglichen Vorgaben erst ab dem 01.01.1993 galten. Soweit demgegenüber die Klägerin darauf verweist, das damalige, im Ergebnis europarechtswidrige Verhalten der beklagten Bundesrepublik, das sich etwa auch im Protokoll der Ausschusssitzung „Bundesmarktverband für Vieh und Fleisch“ vom 30.11.1992, dort Seite 9 (K 132) manifestiere, wonach der Vertreter des Bundesministeriums deutlich gemacht habe, dass die EG-Richtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt und die derzeitige Regelung, d.h. ein praktisches Verbot der Ebermast in Deutschland, weiterhin gelten werde (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 11.01.05, Bl. 1550 ff, 1566, Rz. 55), sei schon damals von Seiten der Klägerin beobachtet worden, so nimmt allerdings das Sitzungsprotokoll vom 21.12.1992 hierauf in keiner Weise Bezug. Vielmehr wird in diesem Zusammenhang nur berichtet, dass eine Schlachthofgesellschaft Probleme dabei habe, alle Produzenten dazu zu bewegen, am Male-Pig-Projekt teilzunehmen, weshalb man bis auf Weiteres die Investitionen in Anlagen für männliche Schweine in zwei Unternehmen gestoppt habe. Gegen den von der Klägerin behaupteten Kausalzusammenhang spricht auch das Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrates vom 20.01.1993, in dem gleichfalls ein Abzug erörtert wird, wobei aus dem Eingangssatz dieses Protokolls hervorgeht, dass die Initiative zur Preisgestaltung bereits auf eine Sitzung des Landesnotierungsausschusses vom 21.12.1992 zurückgeht (vgl. Anlage K 180). Auch das Protokoll der Sitzung vom 08.02.1993 ist für eine konkrete Darlegung des von Seiten der Klägerin behaupteten Kausalzusammenhangs nicht geeignet. Im Sitzungsprotokoll ist zwar die Rede von „Deutschland-Problematik“, wobei die Klägerin hierzu vorträgt, dass hiermit gerade die tatsächliche Einführungsbeschränkung gemeint gewesen sei. Das diesbezügliche Schreiben vom 26.01.1993, an dem der qualifizierte Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht manifest wurde, ist mit keinem Wort in diesem Protokoll erwähnt, was schon erstaunt, da die Klägerin mit der Anspruchsbegründung vorträgt, gerade dieses (schon vor der Sitzung klägerseits vorliegende) Schreiben vom 26.01.1993 sei Auslöser dafür gewesen, in der Sitzung vom 08.02.1993 die Produktion zu drosseln. Nach dem Inhalt des Protokolls war es des Weiteren auch so, dass die Schlachthofgesellschaft der E. nicht an einer Drosselung der Schweineproduktion interessiert war, anders als die Schlachthofgesellschaft W..

In der weiteren Sitzung der Preisfestsetzungskommission vom 11.08.1993 ist ein Grund für die weitere Drosselung nicht angegeben, vielmehr wird diesbezüglich pauschal nur auf den früheren Beschluss verwiesen.

Schließlich lässt sich der von der Klägerin behauptete Kausalzusammenhang auch nicht dem Protokoll der Sitzung vom 07.10.1993 entnehmen, dies schon deshalb, weil tatsächlich der Abzug für männliche Schweine nicht ermäßigt, sondern sogar noch erhöht wurde. Soweit hierzu die Klägerin vorgetragen hat, man habe durch einen „Kunstgriff“ erreicht, die Produktion für die Produzenten unattraktiver zu machen, da der Grenzwert des Skatolgehaltes von 0,25 mg/g auf 0,20 mg gesenkt werde, so findet dies allerdings mit der von der Klägerin behaupteten Motivation keinen Niederschlag im Protokoll. Ganz im Gegenteil ergibt sich aus dem Protokoll, worauf die beklagte Bundesrepublik zu Recht hinweist (vgl. deren Schriftsatz vom 16.07.2010, dort Seite 21 - Bl. 2108 ff, 2128 GA), dass dieser Kunstgriff aus fachlicher Notwendigkeit erfolgt sein muss, da es in dem Protokoll nach der hier maßgeblichen amtlichen Übersetzung (die von Seiten der Klägerin daneben überreichte freie Übersetzung enthält diese Passage nicht, bemerkenswerterweise, ohne dies kenntlich zu machen) wie folgt auf S. 2 heißt:

„Das Institut konnte nicht sofort beantworten, weshalb der prozentuale Anteil von zugelassenen, aber trotzdem riechenden Ebern bei einer Skaltolgrenze von 0,25 ppm im Vergleich zur Beschlussgrundlage von 0,3 auf 0,6 angestiegen war. Eine Senkung auf 0,20 ppm würde diesen Anteil reduzieren, aber SF untersucht eingehender den Hintergrund für die neuen Zählungen bei 0,6 %.“

Schließlich ist in die hier zu machende Gesamtschau auch auf das Verhalten der Klägerin nach 1999 abzustellen. Denn auf eine von der Kommission im Jahr 1996 erhobene Klage, die die Klägerin nach eigenen Worten in vielfältiger Weise unterstützt und befördert hat, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft durch Urteil vom 12. November 1998 - C (Rs. C 102/96, SLG.1998, I - 6890) einen Verstoß der beklagten Bundesrepublik gegen die Richtlinienbestimmungen festgestellt. Hierauf wurde die Vorschrift des § 17 der Fleischhygieneverordnung (FIHV) sodann mit Wirkung zum 01.04.1999 an das Gemeinschaftsrecht angepasst. Warum angesichts dieser Rechtslage die Klägerin nicht ihr Male-Pig-Projekt wiederbelebt hat, ist von ihr nachvollziehbar nicht dargelegt. Soweit die Klägerin insbesondere auf ihr Schreiben vom 24.03.1999 (Anlage K 66) verweist, wonach sie die beklagte Bundesrepublik um die konkrete Bestätigung gebeten habe, dass dänisches Fleisch, das mit der erforderlichen amtlichen Genusstauglichkeitsbescheinigung versehen sei, nicht auf einen Androstenon-Grenzwert getestet werde, eine solche Bestätigung sei eben nicht von Seiten der Beklagten abgegeben worden, vielmehr sei nur auf die fehlende Akzeptanz des Verbrauchers und auf den kritischen Standpunkt der Fleischindustrie verwiesen worden, so ist auch unter Berücksichtigung dieser Erläuterung der Entschluss der Klägerin, trotz der ihr günstigen, auch gerichtsseitig durch den europäischen Gerichtshof festgestellten Rechtslage ihr Male-Pig-Projekt nicht „wiederzubeleben“, nicht nachvollziehbar, dies vor dem Hintergrund ihrer vorgetragenen hohen Investitionen und der von ihr weiter behaupteten guten Vermarktungschancen für Fleisch nicht kastrierter männlicher Schweine auch in Bezug auf deutsche Verbraucher.

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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind geklärt. Es handelt sich nunmehr um eine Einzelfallentscheidung ohne eben solche.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 143.161.726,73 €