AG Gronau, Urteil vom 13.12.1990 - 4 C 430/90
Fundstelle
openJur 2012, 132762
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner

an die Klägerin 1.480,00 DM nebst 4 % Zinsen

von je 120,00 DM seit dem 02.08., 02.09., 02.10.

und 02.11.1990 und von weiteren 1.000,00 DM seit

dem 15.08.1990 zu zahlen abzügl ich am 07.11.1990 gezahlter

120,- - DM.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten

als Gesamtschuldnern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung gegen

Sicherheitsleistung in Höhe von 1.900,00 DM

abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit

in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beklagten sind Mieter eines Hauses der Klägerin auf

der Grundlage eines Mietvertrages vom 18.08.1987 zu einem

monatlichen Kaltmietzins von 600,00 DM zuzüglich anfallender

Nebenkosten.

Mietvertraglich war vereinbart, eine Kaution in Höhe von

1.000,00 DM zu zahlen. Diese Kaution haben die Beklagten

bisher nicht geleistet. Die Klägerin hat eine in der Nachbarschaft

des von den Beklagten gemieteten Wohnhauses gelegene

Lagerhalle an die Stadt H vermietet, die in

dieser Halle Asylsuchende und Übersiedler untergebracht

hat.

Die Beklagten mindern seit dem 01.08.1990 die monatliche

Miete um 120,00 DM mit der Begründung, durch die Bewohner

der Lagerhalle und ihr Verhalten sei der Wohnwert des Hauses

erheblich gesunken.

Wegen der Einzelheiten wird auf das mit der Klageschrift

eingereichte Schreiben der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten

vom 17.07.1990, Blatt 4 ff der Akte, Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Vorbringen der Beklagten

in diesem Schreiben rechtfertige keine Mietminderung.

Sie bestreitet darüberhinaus die von den Beklagten behaupteten

Verhaltensweisen der Asylbewohner, insbesondere,

daß diese den zum Wohnhaus gehörenden Vorgarten als Toilette

mißbrauchten und den PKW der Tochter der Beklagten beschädigt

hätten.

Sie behauptet darüberhinaus, die Beklagten mehrfach auf

die Bezahlung der Kaution angesprochen gehabt zu haben,

letztmals seien sie mit anwaltlichem Schreiben vom 02.08.1990

unter Fristsetzung zum 15.08.1990 zur Zahlung der

Kaution auf gefordert worden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner

a)

an die Klägerin 1.120,00 DM nebst 4 % Zinsen seit

dem 02.08.1990 aus 120,00 DM sowie aus weiteren

1.000,00 DM seit dem 16.08.1990 zu zahlen,

b)

an die Klägerin 360,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem

02.09.1990 aus 120,00 DM, seit dem 02.10.1990 aus

weiteren 120,00 DM sowie seit dem 02.11.1990 aus weiteren

120,00 DM zu zahlen abzüglich am 07.11.1990 gezahlter

120,-- DM.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der Wohnwert des von ihnen gemieteten Hauses

sei durch die in der Nachbarschaft untergebrachten

Asylbewerber und Übersiedler erheblich gesunken, insbesondere

beschädigten diese ihnen nicht gehörende Fahrzeuge,

sie verursachten erheblichen Lärm und mißbrauchten den

zum Wohnhaus gehörenden Vorgarten als Toilette.

Gegenüber der von der Klägerin beanspruchten Kaution tragen

die Beklagten zum einen vor, diese sei nicht mehr zu

zahlen, weil sie beabsichtigten - was im übrigen unstreitig

ist - das Wohnhaus so schnell als möglich zu kündigen,

im übrigen habe die Klägerin ihren Anspruch auf die Zahlung

der Kaution verwirkt, da sie seit Mietvertragsabschluß

diese nicht beansprucht habe.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf

die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen

Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat zum einen Anspruch auf die mietvertraglich

vereinbarte Kaution. Dabei ist unerheblich, daß die Beklagten

bereits ihre Absicht kundgetan haben, so schnell als

möglich auszuziehen. Die Kaution soll eine Sicherheit für

den Vermieter darstellen, beim Auszug festgestellte Schäden

bzw. aufgelaufene Mietrückstände zu entnehmen und nur

den freibleibenden Betrag an die Mieter auszuzahlen. Dieser

Zweck der Kaution entfällt nicht mit der Absicht des Auszuges,

sondern wird gerade zu diesem Zeitpunkt erst aktuell.

Die Beklagten können sich auch nicht auf Verwirkung berufen,

da dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich

sind. Die Geltendmachung einer Forderung ist nur dann verwirkt,

wenn zum einen ein erheblicher Zeitablauf vorhanden

ist und zum anderen aus dem Verhalten des Gläubigers nur

der Schluß gezogen werden kann, er werde nicht mehr auf

der Geltendmachung dieser Forderung bestehen {vgl. Palandt-

Heinrichs, BGB , 40 . Auflage, § 242, Anm. 5 a). Die Klägerin

hat zwar nicht mehr im einzelnen vortragen können, wann

sie die Beklagten gemahnt hat, tatsächlich hat sie jedoch

die Mahnung mit Schreiben vom 02.08. 1990 durch ihre

Prozeßbevollmächtigten erheben lassen. Da es sich um eine einmalige

Zahlung handelt, das Mietverhältnis darüberhinaus

auf Dauer angelegt ist, kann alleine aus der Tatsache,

daß der Vermieter zunächst nach Beginn des Mietverhältnisses

die Kaution nicht anmahnt, nicht geschlossen werden,

er werde auf Dauer darauf verzichten. Da zu dem "Zeitmoment"

zur Bejahung der Verwirkung auch das "Umstandsmoment"

hinzukommen muß, für dieses aber keine Anhaltspunkte

ersichtlich sind, können die Beklagten sich nicht

auf Verwirkung berufen.

Die Klägerin kann darüberhinaus auch die von den Beklagten

vorgenommene Mietminderung von monatlich 120,00 DM verlangen,

weil entgegen der Auffassung der Beklagten ein Grund

zur Mietminderung nicht vorliegt. Gemäß § 537 BGB kann

die Miete dann gemindert werden, wenn der Mietsache ein

Mangel in ihrer Substanz anhaftet (vgl. Palandt-Putzo,

A.A.O. § 537, Anm. 2 a) . Den Beklagten ist zwar zuzugeben,

daß ein solcher Mangel der Mietsache auch in einem tatsäch-

lichen Verhältnis bestehen· kann, das nach den allgemeinen

Verkehrsanschauungen für einen Mieter die Sache und deren

Gebrauchswert unmittelbar beeinträchtigt. Dies können grundsätzlich

auch äußere Einwirkungen, insbesondere Lärm oder

Luftverschmutzung und ähnliches sein (vgl. derselbe, a.a.O.,

Anm. b) und d) ).

Solche Mängel machen die Beklagten hier jedoch nicht geltend.

Sie tragen vielmehr vor, der Wohnwert des Hauses

sei durch die neue Nachbarschaft erheblich gesunken. Sie

machen zwar auch geltend, daß dadurch Lärmbelästigungen

entstehen, diese werden jedoch aufgrund der Tatsache geltend gemacht,

daß in der Lagerhalle der Klägerin Asylbewerber und Übersiedler zugewiesen

worden sind und dort wohnen. Aus diesem Umstand können die Beklagten

jedoch kein Recht zur Mietminderung herleiten. Sie

machen dadurch nämlich einen "Milieuschutz" geltend, der

sich auf die Mietsache selbst letztlich nicht auswirkt,

sondern, wenn überhaupt, das ''Ansehen" der Wohngegend beeinflusst.

Dies kann jedoch, insbesondere unter dem Gesichtspunkt,

daß dem Asylrecht Verfassungsrang zukommt, kein

Grund sein, gegenüber dem jeweiligen Wohnungseigentümer

ein Mietminderungsrecht zu begründen. Dem Eigentümer kann zwar eine

Mietminderung auch entgegengehalten werden für Beeinträchtigungen

und Mängel der Mietsache, die er nicht unmittelbar

beeinflussen kann, soweit es sich um Baulärm o.ä. handelt,

auch wenn er nicht vom Eigentümer verursacht und beeinflußt

werden kann. Deshalb ist es unabhängig, ob die

Lagerhalle, in der die Stadt Gronau diese Personen untergebracht

hat, im Eigentum der Klägerin stehen oder nicht.

Den Beklagten ist zwar zuzugestehen, daß durch die Unterbringung

von Asylbewerbern und Übersiedlern Beeinträchtigungen

und möglicherweise Störungen verursacht werden,

die sich alleine aus der Vielzahl von Menschen verschiedener

Nationalitäten auf verhältnismäßig engem Raum ergeben.

Andererseits hat keine Privatperson Anspruch darauf, nur

bestimmte Menschen, die ihr möglicherweise sympathisch

sind, in ihrem Wohnumfeld zu haben. Daraus folgt, daß nicht

einmal in baurechtlicher Hinsicht ein "Milieuschutz" gewährt

wird (vgl. OVG Münster NJW 90, 1132 ff, 1134) mit

der Folgerung, daß eine Ausgrenzung von Menschen, denen

verfassungsgemäß Asyl zusteht, nicht erfolgen darf. Inkonsequenz

dieser verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung kann

dem einzelnen Mieter kein Recht auf Mietminderung gegenüber

seinem Vermieter zugebilligt werden, weil dies sonst

zur Folge hätte, das der Mieter letztlich bei jedem Nachbarn, der ihm,

aus welchen Gründen auch immer, mißliebig ist und durch sein Verhalten

oder fehlendes Ansehen den Wohnwert gefährdet, zur Mietminderung berechtigt wäre.

Die Beklagten sind deshalb sowohl zur Zahlung der Kaution

als auch zur Zahlung der Mietminderungen mit Abzug der

am 07.11.1990 gezahlten 120, 00 DM verpflichtet.

Die geltendgemachten Zinsen rechtfertigen sich aus Verzug.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO , die

über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11,

711 ZPO.

Unterschrift