LG Hamburg, Urteil vom 10.06.2008 - 312 O 284/08
Fundstelle
openJur 2013, 374
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist eine Versicherungsmaklergesellschaft.

Die Antragsgegnerin ist die Vertriebsgesellschaft des H.-G.. Versicherungskonzerns.

Zwischen den Parteien bestand ein Maklervertrag. Dieses Vertragsverhältnis kündigte die Antragsgegnerin durch Schreiben vom 05.03.2008 fristlos. Grund der Kündigung war, dass bei der Antragsgegnerin der Verdacht aufgekommen war, einer der Mitarbeiter der Antragstellerin könne eine Urkundenfälschung in Form einer Unterschriftenfälschung begangen haben. Die Antragsgegnerin hatte bei einer Kontrolle festgestellt, dass verschiedene Dokumente eines ihrer Versicherungskunden mit unterschiedlichen Unterschriften vorlagen.

Am 05.03.2008 zeigte die Antragsgegnerin der AVAD die Beendigung des Maklerverhältnisses auf einem dafür vorgesehenen Formular an. Dabei tätigte sie in das Formularfeld „Gegebenenfalls besondere Gründe für die Beendigung der Courtagezusage?“ die Eintragung „Verdacht auf Urkundenfälschung“.

Beim AVAD handelt es sich um eine Selbsthilfeeinrichtung, die den in Deutschland tätigen Versicherungsunternehmen - ähnlich wie die sog. Schufa im Verbraucherbereich - als Auskunftsplattform dient. Bei ihm sind die wesentlichen Daten aller Versicherungsvermittler gespeichert, die auf Anfrage an die Versicherungsgesellschaften übermittelt werden. Zweck dieses Auskunftssystems ist es, das Vertrauen in die Versicherungswirtschaft zu stärken und den Versicherungsgesellschaften Anhaltspunkte für die Zuverlässigkeit der Makler zu geben. Der AVAD überprüft nicht die inhaltliche Richtigkeit der an ihn von den Versicherungsgesellschaften übermittelten Angaben. Legt der Betroffene entweder bei dem die Auskunft erteilenden Unternehmen oder beim AVAD direkt gegen Teile der Auskunft begründeten Einspruch ein, werden diese Eintragungen bis zur Klärung des Sachverhalts in der Weise gesperrt, als das jeweilige Formularfeld den Vermerk „gesperrt“ trägt. Erweisen sich die Einwände des Betroffenen als zutreffend, erfolgt insoweit eine Korrektur. Die Versicherer werden von der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, angehalten, die beim AVAD gespeicherten Daten abzurufen.

Die Antragstellerin legte gegenüber dem AVAD Widerspruch gegen die von der Antragsgegnerin erteilte Mitteilung zum Kündigungsgrund ein, die darum seit dem 13.03.2008 gesperrt ist.

Über die Mitteilung an den AVAD hinaus erklärte sich die Antragsgegnerin bislang nicht gegenüber Dritten zu ihren Gründen für die Beendigung der Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin. Weitere, dem AVAD vergleichbare Auskunftsstellen gibt es nicht.

Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 01.04.2008 unter Hinweis darauf, dass nach ihrer Ansicht der Vorwurf der Urkundenfälschung nicht haltbar sei, ab und forderte diese zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Dieser Aufforderung kam die Antragsgegnerin nicht nach.

Die Antragstellerin behauptet, der von der Antragsgegnerin gegen sie erhobene Verdacht einer Urkundenfälschung sei unbegründet. Tatsächlich habe die Antragsgegnerin in einem Gespräch auch eingeräumt, dass lediglich „allgemein ein Verdacht auf Urkundenfälschung“ bestehe, dass aber nicht sie – die Antragstellerin – Adressat dieses Verdachts sei.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, die Antragsgegnerin habe durch die Mitteilung des unrichtigen Kündigungsgrundes gegenüber dem AVAD i.S.d. §§ 4 Nr. 8, 3 UWG wettbewerbswidrig gehandelt.

Die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Dritten gegenüber zu behaupten, es bestehe der Verdacht, dass die Antragstellerin und/oder deren Mitarbeiter Urkunden gefälscht haben – so wie in dem an die Auskunftsstelle über Versicherungs-/ Bausparkassenaußendienst und Versicherungsmakler in Deutschland (AVAD) gerichteten Schreiben vom 05.03.2008 geschehen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihr Verdacht einer Urkundenfälschung durch einen Mitarbeiter der Antragstellerin berechtigt sei.

Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, sie stehe mit der Antragstellerin nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Außerdem bestehe keine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der beanstandeten Äußerung. Die Meldung an den AVAD sei ein einmaliger Vorgang gewesen, da es andere entsprechende Auskunftsstellen nicht gebe.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 25.04.2008 ist als unzulässig zurückzuweisen.

Denn der Antragstellerin fehlt bereits ein Rechtsschutzbedürfnisses für ihr Unterlassungsbegehren.

Die Stellungnahme der Antragsgegnerin gegenüber dem AVAD genießt den gleichen wettbewerbs- bzw. äußerungsrechtlichen Schutz, wie Äußerungen, die der Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, und insoweit ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts nicht im Wege einer Unterlassungsklage unterbunden werden können. In diesen Fällen soll die Frage, ob das Vorbringen wahr oder erheblich ist, allein in diesem „seiner eigenen Ordnung unterliegenden Verfahren“ geprüft werden, das dem Betroffenen – hiervon geht die Rechtsprechung für den Regelfall aus – hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten gewährt (vgl. BGH, Urt. vom 22.01.1998 – I ZR 177/95 -Bilanzanalyse Pro7, NJW 1998, 1399, 1401 m.w.N.). Einer sich in diesen Fällen auf einen Wettbewerbsverstoß oder allgemein auf eine unerlaubte Handlung stützenden Unterlassungsklage fehlt es mithin am Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage, § 823 Rdn. 104 m.w.N.).

Die vorgenannten, im Rahmen gerichtlicher bzw. behördlicher Verfahren geltenden Grundsätze sind auch auf Äußerungen gegenüber einem als „Selbsthilfeeinrichtung“ fungierenden eingetragenen Verein wie dem AVAD anwendbar. Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 1977 (WM 1978, 62, 63) darauf hingewiesen, dass „niemand... daran gehindert werden [könne], angebliche Missstände bei Dienstleistungen den Stellen aufzuzeigen, die zur Beseitigung solcher Missstände berufen sind“. Darüber hinaus sind von der Rechtsprechung auch Äußerungen in einem disziplinären Ordnungsverfahren eines eingetragenen Vereins für nicht (gesondert) gerichtlich überprüfbar gehalten worden (vgl. Palandt/Sprau, § 823 Rdn. 104 m.w.N.).

Bei dem AVAD handelt es sich im Sinne dieser Rechtsprechung um eine zur Entgegennahme von Beanstandungen dienende Stelle, welche ein ausreichendes, „seiner eigenen Ordnung unterliegendes Verfahren“ bietet.

Der Verein hält insbesondere ein Verfahren bereit, welches einerseits den Versicherungsgesellschaften die Erlangung bestimmter Anhaltspunkte im Hinblick auf die Zuverlässigkeit der Versicherungsmakler ermöglicht und andererseits den Versicherungsmaklern ausreichende Möglichkeiten bietet, durch Einlegung eines Widerspruchs bestimmte Einträge bis zur vollständigen Klärung der Sachlage - z.B. im Rahmen einer auf die Löschung der Eintragung gerichteten Klage - sperren zu lassen. Vor dem Hintergrund dieses ausgewogenen Systems bedarf es zumindest keines auf ein Unterlassungsbegehren gerichtetes wettbewerbsrechtliches (Eil-)Verfahrens zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der von der Antragsgegnerin an den AVAD gegebenen Mitteilung.

Dem steht nicht entgegen, dass Versicherungsunternehmen, die sich z.Z. über die Antragstellerin informieren wollen, bei einer Einsicht in die vom AVAD bereit gehaltenen Daten durch den Sperr-Vermerk erkennen können, dass es zwischen den Parteien (zumindest) Uneinigkeit über die von der Antragsgegnerin gewählte Eintragung zum Kündigungsgrund gibt. Diese Information entspricht aber dem tatsächlichen Stand der zwischen den Parteien geführten Streitigkeit. Das Dokumentationssystem des AVAD wird damit gerade seinem Anliegen gerecht, die Versicherungswirtschaft über die Verhältnisse der Versicherungsmakler zu informieren.

Ungeachtet der Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis fehlt es - die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Aussage unterstellt - auch an einer einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründenden Wiederholungsgefahr. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist darum auch unbegründet.

Denn die widerlegliche Vermutung der Wiederholungsgefahr erfasst nur die konkrete Verletzungsform, also die identische Wiederholung des Verstoßes und darüber hinaus Begehungsformen, die mit der konkreten Verletzungsform im Kern wesensgleich sind (vgl. Piper/ Ohly/Piper, UWG, 4. Auflage, § 8 Rdn. 8 m.w.N.). Wenngleich die Beurteilung, ob eine Wiederholungsgefahr gegeben ist, von der Willensrichtung des Verletzers abhängt, muss sie sich doch objektiv aufgrund äußerlich erkennbarer Umstände erschließen und eine entsprechende Absicht des Verletzers zumindest erkennen lassen (vgl. auch BGH GRUR 1999, 1097, 1099-Preissturz ohne Ende; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Beckedorf, UWG, 1. Aufl. 2004, § 8 Rdn. 11).

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin in diesem Sinne eine zumindest kerngleiche Wettbewerbsverletzung erneut begehen könnte, hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Die streitgegenständliche Aussage ist in ihrem inhaltlichen Gehalt davon geprägt, dass sie gegenüber dem AVAD abgegeben wurde. Dies geschah einmalig und lediglich deshalb, weil sich die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Versicherungswirtschaft zu einer entsprechenden Meldung verpflichtet sah, was angesichts der Unterstützung, die dem AVAD durch die Versicherungsaufsicht entgegen gebracht wird, auch berechtigt war.

Allein aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin die – allerdings fakultative - Meldung an den AVAD erteilt hat, rechtfertigt sich aufgrund der besonderen Hintergründe dieser Äußerung nicht die Vermutung, dass die Antragsgegnerin sich in Zukunft auch gegenüber Dritten in dieser Weise äußern werde.

Auch der Umstand, dass beim AVAD inzwischen die Eintragung zum Kündigungsgrund gesperrt ist, begründet nicht die Befürchtung, die Antragsgegnerin werde sich gegenüber sie zu dieser Sperreintragung befragenden Dritten in dem von der Antragstellerin befürchteten Sinne äußern. Der Antragsgegnerin ist – spätestens - durch den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Eintragung beim AVAD bekannt geworden, dass die Antragstellerin ihre Einschätzung der Gründe für die Trennung nicht teilt. Vor einer abschließenden Klärung der zwischen den Parteien geführten Auseinandersetzung ist darum nicht zu erwarten, dass die Antragsgegnerin - die sich dann allerdings dem Vorwurf einer Wettbewerbswidrigkeit aussetzen würde - Dritten und insbesondere anderen Versicherungsunternehmen gegenüber ungesicherte Erklärungen abgibt.

Da der AVAD die Sperrung erst aufhebt, wenn der streitige Sachverhalt abschließend geklärt ist, besteht auch nicht die Gefahr, dass die in Rede stehende Mitteilung vor Klärung des Sachverhaltes freigeschaltet und anderen Versicherungsunternehmen auf diese Weise zugänglich gemacht werden könnte.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.