Bayerischer VGH, Urteil vom 14.02.2008 - 15 B 06.3463
Fundstelle
openJur 2012, 89903
  • Rkr:
Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. November 2006 wird aufgehoben.

II. Die Klagen werden abgewiesen.

III. Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Die Klägerinnen sind Eigentümer von Grundstücken (FlNrn. ... ... ...  ... ) im Gebiet der beklagten Stadt. In dem Rechtsstreit geht es ihnen in erster Linie um die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Vorbescheids, der feststellt, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben auf diesen Grundstücken nach § 34 BauGB beurteilt. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 14. November 2006 stattgegeben. Der Senat macht sich die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu eigen und nimmt auf den Tatbestand des Urteils Bezug (§ 130 b Satz 1 VwGO).

2. Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vor: Die gestellte Vorbescheidsfrage habe keinen Bezug zu einem konkreten oder zumindest konkretisierbaren Vorhaben und solle einen solchen Bezug auch nicht haben; sie sei deshalb als bloße abstrakte Rechtsfrage nicht vorbescheidsfähig. Die aufgeworfene Frage sei keine in der Baugenehmigung zu entscheidende Frage, weil in der Baugenehmigung nur die Übereinstimmung des Vorhabens mit den zu prüfenden Vorschriften, nicht aber die Anwendbarkeit einer bestimmten Vorschrift des Bauplanungsrechts festgestellt werde. Im Übrigen handle es sich bei dem fraglichen Gelände um Außenbereich, denn die noch vorhandenen baulichen Anlagen übten eine -für § 34 BauGB wesentliche -prägende Wirkung nicht mehr aus. Die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge seien unzulässig. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. November 2006 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragen sie,

festzustellen, dass sich die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben auf den Grundstücken FlNrn. ... ... ... ... der

            Gemarkung Schwandorf nach § 34 BauGB beurteilt,

höchst hilfsweise

festzustellen, dass sich die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, wie es sich aus den Unterlagen zur

            Bauvoranfrage vom 8. Juni 2004 der Firma Hutschenreuther-Keramag GmbH und der Firma BHS tabletop AG ergibt,

            nach § 34 BauGB beurteilt.

Die mit dem Vorbescheidsantrag eingereichten Pläne und Unterlagen stellten einen konkreten Vorhabensbezug her. Es handle sich daher nicht nur um eine abstrakte Rechtsfrage. Den Klägerinnen gehe es nicht um die Frage, ob das vorgelegte Vorhaben nach § 34 BauGB zulässig ist, sondern nur darum, ob ein Vorhaben, wie es sich aus den eingereichten Unterlagen ergebe, nach § 34 BauGB zu beurteilen sei. Das Verwaltungsgericht gehe auch zu Recht davon aus, dass § 34 BauGB zur Anwendung komme. Die vorhandenen Gebäude seien nicht weitgehend marode. Im Übrigen könne sogar von abgerissenen Gebäuden noch eine prägende Wirkung ausgehen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts war aufzuheben, die Klagen waren abzuweisen.

1. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die Erteilung des beantragten Vorbescheids.

Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayBO in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl S. 588) ist zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Nach dem Sinn und Zweck des Vorbescheids, eine bindende Wirkung zu erzeugen, sind -jedenfalls soweit das in Rede stehende Vorhaben einer Baugenehmigung bedarf -einzelne Fragen des Bauvorhabens solche, über die in einer Baugenehmigung zu entscheiden ist (so auch noch der Wortlaut des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO in der Fassung der Bekanntmachung vom 4.8.1997 GVBl S. 433 -BayBO 1998 -; vgl. auch Schmaltz BauR 2007, 975). Eine sachliche Änderung gegenüber Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 ist weder beabsichtigt gewesen (vgl. LT-Drs. 15/7161 S. 70) noch wird sie durch den Wortlaut des Art. 71 Abs. 1 Satz 1 BayBO nahegelegt. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vorbescheid etwa auch in den Fällen des Art. 58 BayBO oder wegen nach Art. 60 Satz 1 BayBO im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfender Gegenstände in Betracht zu ziehen wäre, ist für den Rechtsstreit unerheblich.

15Die Feststellung, dass sich die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben auf den Grundstücken FlNrn. ... ... ... ... ... der Gemarkung Schwandorf nach § 34 BauGB beurteilt, kann in einem Vorbescheid nicht getroffen werden. Eine solche Feststellung würde in einer Baugenehmigung nicht getroffen. Nach allgemeiner Auffassung bescheinigt die Baugenehmigung feststellend die Unbedenklichkeit des Vorhabens im Hinblick auf das im Genehmigungsverfahren zu prüfende Recht (vgl. etwa Jäde/Dirn-berger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, RdNr. 37 ff. zu Art. 72 BayBO 1998). Um eine solche feststellende Bescheinigung der Unbedenklichkeit (oder Zulässigkeit) "eines Vorhabens" geht es bei der gegenständlichen Vorbescheidsfrage aber nicht. Sie will nur festgestellt wissen, nach welchem rechtlichen Regime sich die Frage der Unbedenklichkeit gegebenenfalls beantworten würde. Damit befasst sich die Baugenehmigung nur in ihren Gründen. Diese nehmen an der Regelungswirkung der Baugenehmigung nicht teil (und entscheiden deshalb auch nicht über die Rechtmäßigkeit der getroffenen Regelung).

16Infolgedessen fordert die ganz h.M. für die Vorbescheidsfrage einen konkreten Vorhabensbezug (Schwarzer/König, BayBO, 3. Auflage 2000, RdNr. 2 zu Art. 75; Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Anm. 3.3 zu Art. 75; Simon/Busse; BayBO, RdNr. 2a zu Art. 75; Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, a.a.O., RdNr. 34 zu Art. 75; VGH BW vom 14.11.2006 BauR 2007; 1378; Schmaltz BauR 2007, 975/976; a.A. ohne Gründe Reichel/Schulte, Handbuch des Bauordnungsrechts, 14. Kapitel RdNr. 144). Der Wortlaut des Art. 71 Satz 1 BayBO (einzelne Fragen "des Bauvorhabens") stellt das gegenüber Art. 75 BayBO 1998 noch stärker heraus. Dieser "konkrete Vorhabensbezug" geht verloren, wenn nur die Frage gestellt wird, ob die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 34 BauGB zu beurteilen ist. Denn diese Frage ist von einem konkreten Vorhaben unabhängig. Sie würde sich für jegliches Vorhaben auf dem betroffenen Grundstück in gleicher Weise stellen. An der rechtlichen Beurteilung ändert sich also nichts dadurch, dass die gegenständliche Vorbescheidsfrage sich auf eine Planzeichnung mit beispielhafter Bebauung und einem groben Nutzungskonzept bezieht. Die vorgelegte Planzeichnung ist auch aus der Sicht der Klägerinnen bezeichnenderweise unverbindlich. Schon die Vorbescheidsfrage bezieht sich nicht mehr auf den Plan, sondern fragt nach der Beurteilungsgrundlage für die "Zulässigkeit von Vorhaben". Zu Unrecht berufen sich die Klägerinnen für ihre Auffassung auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Die Urteile vom 3. Februar 1984 (BVerwGE 69, 1) und 3. April 1987 (NVwZ 1987, 884) befassen sich mit Fragestellungen zur Zulässigkeit einer Bebauung.

Ungeachtet dessen lässt sich die Zulässigkeit der gegenständlichen Fragestellung auch nicht -etwa jenseits von Art. 71 BayBO -damit rechtfertigen, es gebe dafür ein erhebliches praktisches Bedürfnis. Denn mit der geforderten Feststellung würde keine Regelung im Sinn des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG getroffen; sie hätte also keine bindende Wirkung und wäre daher auch rechtlich nutzlos. Den Klägerinnen geht es um eine verbindliche Feststellung eines Aspekts der Rechtslage. Das kann Gegenstand eines Gutachtens sein. Weder aus der Anwendbarkeit des § 34 BauGB noch aus damit zusammenhängenden Fragen wie etwa der Geltung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§ 21 Abs. 2 BNatSchG) ergeben sich jedoch konkrete feststellungsfähige Rechte oder Pflichten, die Gegenstand einer (vorweggenommenen) Regelung sein könnten. Das Verwaltungsverfahrensrecht sieht nicht einmal eine behördliche Auskunft zu der aufgeworfenen Fragestellung verbindlich vor (Art. 25 Satz 2 BayVwVfG).

Auf die beantragte Einnahme eines Augenscheins an den betroffenen Grundstücken kommt es daher nicht an.

2. Die Hilfsanträge sind unzulässig.

Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Die begehrte Feststellung, dass sich die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben auf den Grundstücken FlNrn. ... ... ... ... der Gemarkung Schwandorf nach § 34 BauGB beurteilt, bezieht sich nicht auf ein Rechtsverhältnis. Als Rechtsverhältnis im Sinn des § 43 Abs. 1 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. etwa BVerwG vom 23.1.1992 BVerwGE 89, 327/329). Zu einer solchen rechtlichen Beziehung besagt die geforderte Feststellung nichts. Sie beschränkt sich -auch in der erweiterten Fassung des zweiten Hilfsantrags -bewusst auf die Frage, ob einzelne Tatbestandsmerkmale des § 34 BauGB erfüllt sind, und bleibt damit bei einer Vorfrage stehen, die über Rechte und Pflichten nichts besagt und daher auch selbst kein Rechtsverhältnis bildet (h.M.; vgl. etwa Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, RdNrn. 13, 15 zu § 43; BVerwG vom 20.11.2003 NVwZ-RR 2004, 253).

3. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO 22 Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO 23 Gründe für die Zulassung der Revision gibt es nicht (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 750.000 Euro festgesetzt.