LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.09.2005 - 4 Sa 865/04
Fundstelle
openJur 2012, 135248
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.08.2004 - 1 Ca 825/094 - wird auch in Form der geänderten Klage auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger von dem beklagten Land Entschädigung wegen Benachteiligung bei der Einstellung.

Der Kläger ist am 24.04.1962 geboren, er ist aufgrund einer Lähmung des rechten Armes mit einem Grad von 100 schwerbehindert.

Das beklagte Land veröffentlichte durch die Fachhochschule T. im T. V. vom 25./26.10.2003 eine Stellenanzeige, wonach sie zum 01.01.2004 die Stelle einer Controllerin/eines Controllers zu besetzen gedenkt. In der Stellenbeschreibung findet sich weiter wörtlich:

"Für die Bereiche Controlling, Kosten- und Leistungsberechnung sowie Flächenmanagement wird eine Diplom-Betriebswirtin (FH)/ein Diplom-Betriebswirt (FH) gesucht. Gute EDV-Kenntnisse werden vorausgesetzt. Erfahrungen im Hochschulbereich sind erwünscht. Die Vergütung erfolgt nach Vergütungsgruppe IV a/III Bundesangestelltentarifvertrag ...".

Der Kläger bewarb sich auf die Stellenanzeige mit Schreiben vom 26.10.2003. Dabei wies der daraufhin, dass er aufgrund der Lähmung seines rechten Armes zum Kreis der behinderten Menschen zählt. Wie sich aus den weiteren Bewerbungsunterlagen ergibt, hat der Kläger eine kaufmännische Lehre absolviert, darüber hinaus ein Hochschulstudium (Universität) in Betriebswirtschaft mit dem Abschluss als Diplom-Kaufmann. Darüber hinaus hat er die Zusatzqualifikation Rechnungswesen/Controlling der Steuer- und Wirtschaftsakademie T. erworben. Zuletzt war er 3 ½ Jahre lang in einem mittelständischen Betrieb als Controller mit den Schwerpunkten Berichtswesen, Reporting und kaufmännische Planung tätig.

Eine Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch erfolgte nicht. Die Fachhochschule teilte ihm unter dem 05.12.2003 mit, dass er bei der Ausschreibung nicht berücksichtigt werden könne. Die ausgeschriebene Stelle wurde sodann zum 01.01.2004 mit einer weiblichen Bewerberin besetzt, die den Abschluss einer Diplom-Betriebswirtin (FH) hat.

Das beklagte Land hatte vor der Stellenausschreibung das zuständige Arbeitsamt bzw. das Integrationsamt nicht von der freien Stelle in Kenntnis gesetzt.

Der Kläger forderte mit Schreiben vom 29.01.2003 die Zahlung einer Entschädigung. Die Forderung wurde mit Schreiben vom 10.02.2004 abgelehnt. Mit seiner am 11.05.2004 bei Gericht eingegangener Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Der Kläger hat vorgetragen, das beklagte Land habe im Zuge des Stellenbesetzungsverfahrens, abgesehen von der korrekten Ausschreibung, alle gesetzlich vorgesehenen Schritte zur vorrangigen Berücksichtigung schwer behinderter Menschen missachtet. Es sei bei der Ausschreibung der Stellenbesetzung ihrer gesetzlichen Prüfungspflicht nicht nachgekommen und habe ihm dadurch aufgrund seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Durch die unterlassene Meldung der freien Stelle beim Arbeitsamt sei es dem Arbeitsamt unmöglich gemacht worden, geeignete Bewerber vorzuschlagen oder diese für die ausgeschriebene Stelle zu qualifizieren. Allein die fehlende Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens stelle bereits eine zur Entschädigungsleistung verpflichtende Beeinträchtigung des schwer behinderten Bewerbers dar. Entsprechendes gelte hinsichtlich der nicht erfolgten Einladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch. Wäre die Einladung ausgesprochen worden, wäre offenbar geworden, dass er das Qualifikations- und Anforderungsprofil der Stellenausschreibung mehr als erfülle und bereits auf eine mehrjährige erfolgreiche Tätigkeit in den einschlägigen Aufgabenfeldern verfüge. Soweit das beklagte Land sich darauf berufe, eine Berücksichtigung habe schon deshalb nicht erfolgen können, da der Kläger nicht Diplom-Betriebswirt (FH) sondern Diplom-Kaufmann mit Universitätsabschluss sei, könne die dahin gehende Argumentation nicht greifen. Die Einladung sei nur dann nicht erforderlich, wenn das Anforderungsprofil mit dem Leistungsprofil überhaupt nicht übereinstimme und die fehlende Qualifikation auch mittels einer Anlernzeit oder dienstlicher Qualifizierung unter keinen Umständen erworben werden könne. Aufgrund der jeweiligen Studieninhalte sei klar ersichtlich, dass der Studiengang des Diplom-Kaufmanns die Kenntnisse eines Diplom-Betriebswirtes (FH) vermittele, diese sogar noch erweitere und mit größerem theoretischem Unterbau unterfüttere. Darüber hinaus habe er eine Zusatzqualifikation bezüglich der Kosten- und Leistungsrechnung erworben und mehrjährige Berufserfahrungen als Controller gesammelt. Von einem offensichtlichen Fehlen der fachlichen Eignung könne jedenfalls keine Rede sein. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, eine Entschädigung in Höhe von 9 Bruttomonatsgehältern sei angemessen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über das Bruttomonatsgehalt incl. evtl. Sachleistungen des oder der auf die Stellenausschreibung eines Controllers im ".T V." vom 25./26.10.2004 hin eingestellten Person;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit ihrer Angaben gemäß Antrag zu 1. eidesstattlich zu versichern;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung, mindestens jedoch eine Entschädigung in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern gemäß Antrag zu 1. zu zahlen nebst 5 % Zinsenpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat vorgetragen, der Kläger sei wegen seiner nicht im Anforderungsprofil der Stellenausschreibung entsprechend Qualifikation nicht berücksichtigt worden und nicht wegen seiner Behinderung. Aus der Stellenanzeige gehe eindeutig hervor, dass für die Stellenbesetzung ausschließlich als Anforderungsprofil die Qualifikation eines Diplom-Betriebswirtes oder einer Diplom-Betriebswirtin mit dem Abschluss einer Fachhochschule als zwingende Voraussetzung benannt und gefordert sei. Anderweitige Hochschulabschlüsse seien für die Bewerbung nicht zugelassen worden, was sowohl für Universitäts- als auch für Berufsakademieabschlüsse gelte. Aus dem Kreise der Bewerber seien aufgrund der vorstehenden Maßgaben nur diejenigen berücksichtigt und zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, die ausschließlich über das Anforderungsprofil eines Diplom-Betriebswirtes (FH)/Diplom-Betriebswirtin (FH) verfügt hätten. Dieses Kriterium sei von wesentlicher Bedeutung, da der Bewerber über fachhochschulspezifische Kenntnisse verfügen müsse. Es liege in der alleinigen Entscheidungsgewalt des Arbeitgebers, welche Berufs- oder Ausbildungsgruppe durch die Stellenausschreibung angesprochen werden solle. Ferner sei zu bedenken, dass ein an der Universität ausgebildeter Diplom-Kaufmann im Falle der Einstellung einen Eingruppierungsanspruch nach Vergütungsgruppe II a BAT gehabt hätte. Letztlich ergebe sich, dass unabhängig von dem Kläger auch kein weiterer der insgesamt 46 Kandidaten ohne Abschluss Diplom-Betriebswirt (FH) zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, dass der Kläger nicht aufgrund der Schwerbehinderung benachrichtigt worden sei. Dass im vorliegenden Verfahren die Einschaltung des Arbeitsamtes bzw. Integrationsamtes unterblieben sei, sei im Betriebs- und Verwaltungsablauf der Beklagten unüblich und als bedauerliches Versehen einzuordnen. Die Urlaubsvertretung des ansonsten zuständigen Personalsachbearbeiters habe die Einschaltung übersehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 25.08.2004 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es liege keine Benachteiligung des Klägers i. S. des § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX vor. Eine unmittelbare Diskriminierung liege vor, wenn einer Person wegen einer Schwerbehinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfahre. Der schwerbehinderte Bewerber solle nicht der Darlegungs- und Beweislast dafür enthoben werden, dass überhaupt, d. h. dem Grunde nach eine weniger günstige Behandlung als andere Personen in vergleichbarer Situation vorliege. Der Kläger sei der ihm obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Er hätte darlegen müssen, dass er eine weniger günstige Behandlung als andere Personen in vergleichbarer Situation erfahren habe. Dies bedeute, er hätte darlegen müssen, dass Bewerber, die wie er ebenfalls über einen Universitätsabschluss als Diplom-Kaufmann bzw. nicht über einen Fachhochschulabschluss eines Diplom-Betriebswirtes verfügen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden seien. Dieser Sachvortrag wäre insbesondere deswegen erforderlich gewesen, da nach dem Vortrag des beklagten Landes sich insgesamt 46 Kandidaten beworben hätten, von denen 20 zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden sind, jedoch nur solche Kandidaten, die Diplom-Betriebswirtinnen (FH) und bzw. Diplom-Betriebswirte (FH) seien. Sämtliche anderen Kandidaten mit höheren oder niederwertigen Hochschul- oder Berufsabschlüssen seien nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des beklagten Landes nicht eingeladen worden.

Das beklagte Land könne das Anforderungsprofil für die auszuschreibenden Arbeitsplätze in bestimmter Art und Weise erstellen. Dabei unterliege es der freien Unternehmerentscheidung, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sei sogar verpflichtet, vor einer Auswahlentscheidung ein Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle festzulegen. Die geforderte Qualifikation an einen Diplom-Betriebswirt/Diplom-Betriebswirtin (FH) sei nicht als abwegig oder unsachlich zu bewerten. Ob und inwieweit der Kläger aufgrund seines Universitätsabschlusses und seiner mehrjährigen beruflichen Erfahrung diesen Qualifikationen annähernd gleich komme, bedürfe keiner Entscheidung. Jedenfalls entspreche die Qualifikation nicht dem seitens der Beklagten in rechtmäßiger Art und Weise erstellten Anforderungsprofil. Auch sei es nicht relevant, dass die zu besetzende Stelle nicht dem Arbeitsamt gemeldet sei und der Kläger auch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Allein die Verletzung dieser gesetzlichen Vorgaben sei nicht als diskriminierende Benachteiligung zu werten und löse deshalb kein Entschädigungsanspruch aus. Hilfsweise hat das Arbeitsgericht die klageabweisende Entscheidung darauf gestützt, dass eine Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch entbehrlich war.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 25.09.2004 zugestellt. Er hat hiergegen am 22.10.2004 Berufung eingelegt und diese Berufung am 21.11.2004 begründet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei nachteilig behandelt worden. Unstreitig sei, dass er als Schwerbehinderter nicht zum Vorstellungsgespräch geladen wurde, geschweige denn die ausgeschriebene Stelle erhalten habe. Statt seiner sei die Position mit einer nicht behinderten Bewerberin besetzt. Somit sei auf den ersten Blick ersichtlich, dass er sowohl gegenüber den sonstigen, zumindest zum Vorstellungsgespräch geladenen Bewerbern ebenso schlechter gestellt wurde wie zu der berücksichtigten Bewerberin. Das Arbeitsgericht habe auch nicht davon ausgehen dürfen, dass das beklagte Land von vornherein nur Bewerber mit der Qualifikation eines Diplom-Betriebswirts/Diplom-Betriebswirtin (FH) hätte einbeziehen dürfen. Dies sei nicht zutreffend. Das Arbeitsgericht hat oberflächlich die Auffassung des beklagten Landes übernommen, lediglich Betriebswirte mit einem Fachhochschulabschluss seien fachlich in der Lage, ein Controlling für eine praxisorientierte Hochschule mit internationaler Ausrichtung und anwendungsorientierter Forschung durchzuführen. Im Bereich des Controllings gebe es keine fachhochschulspezifischen Besonderheiten, geschweige denn fachhochschulspezifische Kenntnisse, d. h. besondere Fertigkeiten, welche ausschließlich an einer Fachhochschule gelehrt und vermittelt werden könnten. Solche zur Voraussetzung für die Stellenbesetzung zu machen, sei dem entsprechend abwegig.

Im Einzelnen legt der Kläger die fachlichen Schwerpunkte eines Grundstudiums des bei einer Fachhochschule zu absolvierenden Studiengangs des Diplom-Betriebswirts (FH) vor, der von ihm absolvierte Studiengang des Diplom-Kaufmannes vermittele die Kenntnisse eines Diplom-Betriebswirts (FH) vollumfänglich, erweitere diese und versehe sie mit einem größeren theoretischem Überbau. Darüber hinaus habe er eine Zusatzqualifikation erworben. Es sei daher unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehbar, weshalb das Arbeitsgericht zu der Auffassung komme, die unterschiedliche Behandlung von (FH)-Betriebswirten und Diplomkaufleuten sei weder abwegig noch unsachlich. Sie sei ganz im Gegenteil sowohl abwegig als auch unsachlich. Damit stehe auch nicht die offensichtliche Ungeeignetheit fest. Der Hinweis auf die höhere Eingruppierung oder vorhandene Planstelle gehe fehl, weil die auszuübende Tätigkeit maßgeblich sei.

Des Weiteren habe er Tatsachen vorgetragen welche vermuten lassen, dass diese nachteilige Behandlung aufgrund gerade der betreffenden Besonderheit des Antragstellers erfolgt sei. Dies sei sowohl die unterbliebene Einschaltung des Arbeitsamtes als auch des Integrationsamtes als auch die unterbliebene Anhörung zu einem Vorstellungsgespräch, zu dem das beklagte Land verpflichtet sei.

Nachdem die Höhe der zu erzielenden Bruttomonatsvergütung klargestellt wurde, hat der Kläger zuletzt eine angemessene Entschädigung ausgehend von einem Bruttomonatsgehalt von 3.148,90 € verlangt.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25. August 2004 im Rechtsstreit "A. ./. Land Rheinland-Pfalz", gerichtliches Aktenzeichen: 1 Ca 825/04 wird vollumfänglich aufgehoben.

2. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Kläger eine angemessene Entschädigung, mindestens jedoch eine Entschädigung in Höhe von drei Brutto-Monatsgehältern á € 3.148,90, zu zahlen nebst 5 % Zinspunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage.

3. Die Berufungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist notfalls gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil. Ein Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot voraus. Bei Nachweis des Verstoßes komme dem Kläger die Beweiserleichterung entgegen. Er müsse beweisen, dass eine Ungleichbehandlung zwischen ihm und anderen vergleichbaren Bewerbern vorliege und glaubhaft machen, dass diese Ungleichbehandlung auf der Behinderung beruhe. Dies habe er weder bewiesen noch habe er glaubhaft gemacht, dass eine Ungleichbehandlung kausal auf seine Behinderung zurückzuführen sei. Unstreitig erfülle er das Anforderungsprofil nicht. Er sei kein Diplom-Betriebswirt FH. Aufgrund dessen sei er genau wie seine Mitbewerber und Mitbewerberinnen die ebenfalls keinen betriebswirtschaftlichen Diplom-Abschluss nachweisen konnten, nicht für die Stellenbesetzung berücksichtigt worden.

Welchen Stellenwert die Ausbildung des Klägers im Verhältnis zum Studiengang Diplom-Betriebswirt (FH) habe, sei nicht erheblich. Weder der Kläger noch ein anderer Bewerber könnten vorschreiben, dass die Fachhochschule auch andere Qualifikationen zu berücksichtigen habe, wenn sie eine ganz bestimmte Ausbildung zu ihrem Stellenangebot voraussetze. Eine Benachteiligung des Klägers habe deshalb nicht stattgefunden. Er sei genau so behandelt worden wie jeder andere Bewerber, der das Anforderungsprofil im Stellenangebot nicht erfüllt habe. Er habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass die angebliche Ungleichbehandlung auf der Behinderung beruhe. Die Tatsache, dass er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, sei nicht geeignet, eine nachteilige Behandlung aufgrund der Schwerbehinderung glaubhaft zu machen. Unstreitig sei das auch andere Bewerber, die nicht schwer behindert seien, aus den gleichen Gründen nicht zum Vorstellungsgespräch geladen worden seien, wie sie auch beim Kläger vorgelegen haben.

Der Entschädigungsanspruch werde auch nicht dadurch ausgelöst, dass das beklagte Land die neu zu besetzende Stelle nicht dem Arbeitsamt gemeldet und den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zu den Sitzungsprotokollen vom 27.01.2005 und vom 01.09.2005.

Gründe

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, auch nicht in Form des schließlich gestellten Antrages auf Zahlung einer konkreten Entschädigung in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern.

II. Die Klage ist bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die Höhe der von ihm begehrten Geldzahlung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Ein derartiger Klageantrag ist zulässig, wenn die Bestimmung von einer gerichtlichen Schätzung oder billigem Ermessen des Gerichts abhängig ist.

Die Tatsachen, die das Gericht für die Schätzung heranzuziehen hat, sind vom Kläger benannt. Er hat die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben.

Für den Fall der Diskriminierung eines schwer behinderten Stellenbewerbers bei der Einstellung sieht § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SG IX eine Entschädigung in angemessener Höhe vor. Der Entschädigungsanspruch wird auf drei Monatsverdienste beschränkt, wenn der schwer behinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (§ 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 S. 1 SGB IX).

Das Begehren des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Ein Anspruch des Klägers kommt allein nach § 81 Abs. 2 SGB IX, der bei einer Benachteiligung für behinderte Bewerber unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatzansprüche vorsieht, in Betracht. Diese Regelung ist abschließend. Sie ist § 611 a BGB nachgebildet und dient zudem der Umsetzung der EG-Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichberechtigung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000). Die zu § 611 a BGB entwickelten Grundsätze können deshalb zur Auslegung des § 81 Abs. 2 SGB IX ebenso herangezogen werden wie die Vorgaben der Richtlinie.

Nach § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 S. 1 i. V. m. Nr. 1 S. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber einem schwer behinderten Bewerber, den er bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses benachteiligt hat, selbst dann eine angemessene Entschädigung zu leisten, wenn der Bewerber bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Diese Bestimmung unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil bei der Bemessung der Entschädigung allein auf den immateriellen Schaden abzustellen ist. Jede Diskriminierung wegen einer Schwerbehinderung stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, der auch nach allgemeinen Grundsätzen zu Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen führen würde.

Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch besteht nicht. Es liegen nicht die tatsächlichen Voraussetzungen einer Diskriminierung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vor, weder als unmittelbare noch als mittelbare.

Die tatsächlichen Voraussetzungen einer unmittelbaren Diskriminierung sind nach den Grundsätzen des § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 3 SGB IX festzustellen. Im Streitfall muss der schwerbehinderte Beschäftigte Tatsachen glaubhaft machen, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, dann trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf die Behinderung bezogene sachliche Gründe vorliegen. Damit ist zugleich festgelegt, dass solche Gründe unabhängig von den in § 81 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 SGB IX genannten Fallgestaltung eine Benachteiligung wegen der Behinderung rechtfertigen. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt dabei schon dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber für seine Entscheidung Gründe hat, die nicht auf die Behinderung bezogen sind. Dann knüpft er gerade nicht an die Behinderung unmittelbar an. Das entspricht Art. 10 Abs. 1 der vorbezeichneten Rahmenrichtlinien. Danach obliegt es immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten, Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, dem Beklagten zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatz vorgelegen hat.

Zu Gunsten des Klägers wird unterstellt, dass er Tatsachen vorgetragen hat, die vermuten lassen, dass er wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft benachteiligt wurde.

Er kann die Beweislast des Arbeitgebers dadurch herbeiführen, dass er Hilfstatsachen darlegt und ggf. unter Beweis stellt, die eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lassen. Das Gericht muss die Überzeugung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Schwerbehinderteneigenschaft und Nachteil gewinnen.

Aufgrund des unstreitigen Tatsachenvortrages der Parteien ist davon auszugehen, dass dem beklagten Land ein Gesetzesverstoß zur Last fällt, der nach diesen Grundsätzen eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lässt. Die Kammer unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass die Rahmenrichtlinie auch positive Maßnahmen zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zulässt und damit auch Verletzungen von speziellen Regelungen, die bestimmte Arbeitgeber zu besonderen Anstrengungen verpflichten, eine Vermutung begründen können. Daher ist die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, welche öffentlichen Arbeitgebern auferlegt wird, zur Glaubhaftmachung einer Benachteiligung geeignet. Weiterhin ist die Verletzung des Verfahrens, das Arbeitsamt bzw. Integrationsamt von der Stellenbesetzung zu informieren, geeignet, eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten zu lassen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschriften lässt auf eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung schließen. Denn diese Verfahrensvorschriften sind zu Gunsten der schwerbehinderten Menschen aufgestellt worden. Verletzt ein Arbeitgeber die zu Gunsten der schwerbehinderten Menschen aufgestellten Verfahrensvorschriften, ist nicht auszuschließen, dass sie diese Verfahrensvorschriften deswegen außer Acht lässt, weil er schwer behinderte Mitarbeiter benachteiligen will.

Der Kläger hat aber gegen das beklagte Land deswegen keinen Anspruch auf eine Entschädigung, weil die Vermutung der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung entkräftet ist.

Die vom beklagten Land getroffene Personalentscheidung beruht darauf, dass der Kläger das vom beklagten Land aufgestellte Anforderungsprofil nicht erfüllt. In der aufgegebenen Anzeige ist das Anforderungsprofil eindeutig als das eines Diplom-Betriebswirts/Diplom-Betriebswirtin FH bezeichnet. Unstreitig hat der Kläger diese Ausbildung nicht.

Ein Arbeitgeber kann das Anforderungsprofil für den auszuschreibenden Arbeitsplatz in bestimmter Weise erstellen. Dabei unterliegt es seiner freien unternehmerischen Entscheidung, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen. Die Unternehmerentscheidung kann nur darauf überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich oder willkürlich ist. Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit einer besonderen, bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist grundsätzlich zu respektieren. Dabei ist sogar ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nach Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet, vor einer Auswahlentscheidung ein Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle festzulegen (BAG AP Nr. 59 zu Art. 33 GG). Deshalb konnte und musste das beklagte Land, wenn sie Wert auf den Abschluss eines betriebswirtschaftlichen Studienganges an einer Fachhochschule legte, diese in der Stellenausschreibung herausstellen.

Die geforderte Qualifikation als Diplom-Betriebswirt/Diplom-Betriebswirtin (FH) ist, wie vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, nicht als abwegig oder unsachlich zu bewerten.

Hier folgt die Kammer der Argumentation des beklagten Landes, wonach nicht der Kläger vorschreiben kann, welche Ausbildungsgänge als Voraussetzung für eine zu besetzende Stelle von der Fachhochschule aufgestellt werden. Bereits aufgrund des Umstandes, dass die Fachhochschule Diplom-Betriebswirte (FH) selbst ausbildet, begründet die Berechtigung, für die von ihnen zu besetzende Stellen auch diese entsprechenden Studienqualifikationen zu berücksichtigen und andere, möglicherweise auch gleichwertige oder besser qualifizierte Studiengänge nicht zu berücksichtigen.

Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass kein einziger Bewerber, der nicht über die Qualifikation eines Diplom-Betriebswirts/Diplom-Betriebswirtin FH verfügte, in die Vorauswahl durch das beklagte Land einbezogen wurde. Somit kann lediglich festgestellt werden, dass der Kläger zwar objektiv benachteiligt wurde, er wurde weder zu einem Vorstellungsgespräch geladen noch gar eingestellt, dass diese Benachteiligung aber nicht auf seiner Schwerbehinderung beruhte, sondern die Benachteiligung allein dadurch bedingt war, dass er nicht über den geforderten Abschluss als Diplom-Betriebswirt (FH) verfügt. Letztlich liegt also nur eine unmittelbare Diskriminierung von Diplom-Kaufleuten mit Universitätsabschluss vor, die im Verhältnis zu Diplom-Betriebswirten (FH) benachteiligt wurden. Dies löst aber keinen Entschädigungsanspruch aus.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend macht, das beklagte Land habe das Anforderungsprofil nicht festsetzen dürfen, verkennt er, dass es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers ist, Anforderungsprofile für die von ihm ausgeübten Tätigkeiten aufzustellen. Der Umstand, dass im Bereich der Fachhochschule Studienabschlüsse als Diplom-Betriebswirt (FH) vermittelt werden und nicht Studienabschlüsse eines Diplom-Kaufmanns mit Universitätsabschluss, rechtfertigt es, dass allein schon aus Werbungsgesichtspunkten für diesen Studienabschluss entsprechenden Bewerbern eine Beschäftigungsmöglichkeit geboten wird, während anderen Bewerbern mit höherwertigen Abschlüssen gerade die Betätigung im Bereich der Fachhochschule nicht zur Verfügung gestellt werden soll.

Dabei kann es unerheblich bleiben, ob die von dem beklagten Land geäußerte Rechtsauffassung zutreffend ist, eine Einstellung des Klägers hätte zu einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a BAT geführt, zutreffend ist. Immerhin spricht vieles dafür, dass für die Eingruppierung die auszuübende Tätigkeit maßgebend ist. Allerdings ist auch nicht zu verkennen, dass die Beschäftigung eines überqualifizierten Mitarbeiters auf einer Stelle, die die entsprechenden subjektiven Voraussetzungen nicht erfüllt, zu Reibungen oder zu Anspruchsdenken führen können.

Das beklagte Land konnte rechtsfehlerfrei das Anforderungsprofil auf einen Diplom-Betriebswirt (FH) beschränken, die Nichtauswahl des Klägers ist daher nicht wegen unsachlicher oder willkürlicher Motive erfolgt. Die Auswahlentscheidung, die sich dokumentiert in der Ausschreibung und dem anschließenden Auswahlverfahren ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Dabei kann der Kläger sich insbesondere nicht darauf berufen, dass er wegen der Neuerungen in der Regelung der Arbeitslosenunterstützung gezwungen ist, sich auf niedriger qualifizierte Stellen zu bewerben, gleichzeitig der öffentliche Arbeitgeber aber höher qualifizierte behinderte Bewerber von vornherein rechtlich einwandfrei von der Einbeziehung der Auswahl ausschließen könnte. Hierbei ist entscheidend darauf abzuschließen, dass der Kläger nicht wegen seiner Behinderung nicht ausgewählt wurde, sondern weil er nicht die von der Fachhochschule zutreffend festgesetzten Qualifikationen erfüllt.

III. Eine mittelbare Diskriminierung scheidet ebenfalls aus.

Diese liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahrenspersonen mit einer bestimmten Behinderung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

Hierbei kann nicht zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass schwer behinderte Menschen durch das aufgestellte Kriterium Diplom-Betriebswirt (FH) häufiger betroffen werden können, als andere Personen in der gleichen Lage. Die Gleich- oder Höherqualifizierung eines Diplom-Kaufmanns mit Universitätsabschluss gegenüber einem Diplom-Betriebswirt FH ist kein Kriterium, welches bei schwer behinderten Menschen häufiger auftritt als bei nicht Schwerbehinderten.

IV. Die Berufung war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung wegen der Frage der Erstellung eines Anforderungsprofils die Revision zugelassen.