VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.03.2001 - 13 S 2643/00
Fundstelle
openJur 2013, 11583
  • Rkr:

Die Abschiebung eines nach erfolglos durchlaufenem Asylverfahren ausreisepflichtigen Ausländers, der eine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem aus früherer Ehe seiner ausländischen Ehefrau stammenden minderjährigen deutschen Stiefkind unterhält, kann wegen Art 6 Abs 1 GG, Art 8 Abs 1 EMRK (MRK) rechtlich unmöglich sein.

Tatbestand

I.

Der 1971 geborene Antragsteller, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, begehrt nach rechtskräftig bestätigter Ablehnung seines Asylantrags den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm eine Duldung zu erteilen. Seit dem 16.10.1998 ist er mit einer 1973 geborenen jugoslawischen Staatsangehörigen verheiratet, die seit dem 8.4.1997 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist. In erster Ehe war seine Ehefrau vom 21.1.1994 bis 26.6.1998 mit einem 1944 geborenen deutschen Staatsangehörigen verheiratet; sie ist Mutter dreier am 26.7.1995 und am 6.3.1997 geborener Kinder, die in ihrem Haushalt leben. Anträge des einer Gemeinschaftsunterkunft in Esslingen a.N. zugewiesenen Antragstellers auf Umverteilung zu seiner inzwischen in Stuttgart lebenden Ehefrau blieben bislang erfolglos. Über den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ist noch nicht entschieden.

Mit Beschluss vom 4.10.2000 hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen den Antragsteller abzusehen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, beim Antragsteller, seiner Ehefrau und deren Kindern handele es sich zwar um eine Familie. Es sei aber nicht zu erkennen, dass eine Lebenshilfe an die Kinder der Ehefrau des Antragstellers nur in Deutschland erbracht werden könne, weil ihnen eine Ausreise nicht zuzumuten sei. Seitens der Ausländerbehörde bestünden Zweifel, ob die Kinder der Ehefrau des Antragstellers nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich Abkömmlinge eines Deutschen seien. Damit hätten die Behörden zugleich Zweifel daran geäußert, dass in der Person dieser Kinder die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG erfüllt seien. Berufe sich ein Ausländer in der vorliegenden Konstellation darauf, von ihm gewährte Lebenshilfe könne wegen der deutschen Staatsangehörigkeit der "Hilfeempfänger" nur zumutbar im Inland geleistet werden, so müsse mit Blick auf eine solche Zumutbarkeit auch berücksichtigt werden, dass nach einer möglichen Ehelichkeitsanfechtung die Annahme des § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG entfalle und sich sodann ergeben könne, dass es sich in Wahrheit nicht um deutsche Staatsangehörige handele und gehandelt habe. Abgesehen davon sei derzeit auch nicht glaubhaft gemacht, dass gerade der Antragsteller den Kindern seiner Ehefrau die wesentliche Hilfe leiste. Angesichts des Umfangs der Berufstätigkeit seiner Frau überwiege seine Hilfeleistung nicht. Mit seiner vom Senat gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss zugelassenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein nunmehr auf Erteilung einer Duldung gerichtetes Rechtsschutzbegehren weiter.

Gründe

II.

Die nach Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen - im Beschwerdeverfahren sachdienlich neu gefassten - Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer Duldung zu verpflichten, zu Unrecht abgelehnt; denn dieser - zulässige - Antrag ist begründet, da der Antragsteller einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Der Anordnungsgrund besteht, weil der Antragsteller unanfechtbar ausreisepflichtig ist und der Antragsgegner seine Abschiebung auf der Grundlage der Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14.1.1998 betreibt. Der vom Antragsteller - auch - in der Hauptsache geltend gemachte Duldungsanspruch würde durch den Vollzug der Abschiebung vernichtet, was es mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise rechtfertigt, die Hauptsache - wenn auch nur vorläufig - vorwegzunehmen (vgl. Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 123 RdNr. 63).

Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass er nach § 55 Abs. 2 AuslG Anspruch auf Erteilung einer Duldung hat; denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass seine Abschiebung mit Blick auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen minderjährigen Stiefkindern wegen Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK rechtlich unmöglich ist.

Die Erteilung einer Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG scheidet nicht etwa deshalb aus, weil es dem Antragsteller erkennbar darum geht, die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen Stiefkindern auf unabsehbare Zeit im Bundesgebiet fortzuführen. Zwar kommt der Duldung, die nach § 55 Abs. 1 AuslG nur die zeitweise Aussetzung der Abschiebung beinhaltet, nicht die Funktion eines ersatzweise gewährten Aufenthaltsrechts zu. Typischerweise wird daher in den Fällen, in denen Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK der Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet entgegen stehen und daher die Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, diesem Abschiebungshindernis nicht durch Erteilung einer Duldung gemäß § 55 Abs. 2 AuslG entsprochen werden können; vielmehr ist vorrangig die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG ins Auge zu fassen (BVerwG, Urteil vom 4.6.1997 - 1 C 9.95 -, BVerwGE 105, 35). Im vorliegenden Fall dürfte zwar die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG auch rechtlich möglich sein; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind offenbar erfüllt und die hier in Betracht zu ziehenden Regelversagungsgründe des § 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AuslG stehen der Erteilung nicht zwingend entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1997, a.a.O., Beschluss vom 26.3.1999, InfAuslR 1999, 332). Mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung "auf Null" hat der Antragsteller insoweit aber lediglich Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des nach § 30 Abs. 3 AuslG eröffneten Ermessens, so dass vorrangig der Rechtsanspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG als das durch die begehrte einstweilige Anordnung zu sichernde Recht anzusehen ist (zur Sicherungsfähigkeit auch eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensentscheidung vgl. die Senatsbeschlüsse vom 10.3.2000 - 13 S 1026/99 -, InfAuslR 2000, 378 und vom 22.12.2000 - 13 S 2540/99 -).

Dass dem Antragsteller jedenfalls wegen der Beziehung zu seinen minderjährigen Stiefkindern ein rechtliches Abschiebungshindernis aus Art. 6 Abs. 1 GG zur Seite steht, ist nach Aktenlage überwiegend wahrscheinlich. Entsprechend gilt dies im Hinblick auf Art. 8 EMRK, der keinen weitergehenden Schutz vermittelt, soweit sich - wie im vorliegenden Fall - sein Anwendungsbereich mit dem des Art. 6 GG deckt (BVerwG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 C 19.96 -, BVerwGE 106, 13).

Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, führt zur Annahme eines rechtlichen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen durch Ausreise zu unterbrechen. Vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst sind auch die Beziehungen des Stiefvaters zu den aus einer früheren Ehe seiner Ehefrau stammenden Kindern; denn das verfassungsrechtliche Gebot, Ehe und Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern zu schützen, kann nicht davon abhängen, ob das Kind vom Ehemann seiner Mutter abstammt (vgl. BVerfG, Urteil vom 31.1.1989, BVerfGE 79, 256 <267>). Entscheidend ist, ob die Beziehung am Bild der im Normalfall auf Verwandtschaft beruhenden Familie orientiert ist (Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6 Abs. 1 RdNr. 25; so auch OVG Hamburg, Beschluss vom 10.11.1997, InfAuslR 1998, 104).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar unmittelbar keinen Anspruch auf Aufenthalt. Die entscheidende Behörde hat aber die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, bei der Anwendung offener Tatbestände und bei der Ermessensausübung pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz von Ehe und Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über den Aufenthalt seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 9.12.1997, a.a.O., m.w.N.). Dies gilt auch bei der Prüfung der rechtlichen Unmöglichkeit einer Abschiebung im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG.

Bei der Gewichtung der durch Art. 6 GG geschützten Bindungen des Antragstellers im Bundesgebiet geht der Senat davon aus, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen minderjährigen Stiefkindern besteht. Eine familiäre Lebensgemeinschaft ist in der Regel durch eine gemeinsame Lebensführung in der Form der Beistandsgemeinschaft gekennzeichnet, in der den Familienangehörigen dauernde Hilfe und Unterstützung zuteil wird; in Bezug auf die in der Familie lebenden minderjährigen und heranwachsenden Kinder hat die Familie überdies die Funktion einer Erziehungsgemeinschaft, die von der elterlichen Verantwortung für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes geprägt wird (GK-AuslR, § 17 RdNr. 39 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 9.12.1997, a.a.O.). Zur Entfaltung eines gemeinsamen Lebens gehört im Allgemeinen eine gemeinsame Wohnung. Leben die Familienmitglieder dagegen getrennt, so bedarf es zusätzlicher Anhaltspunkte, um gleichwohl eine familiäre Lebensgemeinschaft annehmen zu können. Solche Anhaltspunkte können im Verhältnis zwischen einem Stiefvater und seinem Stiefkind etwa in intensiven Kontakten, gemeinsam verbrachten Ferien, der Übernahme eines nicht unerheblichen Anteils an der Betreuung und der Erziehung des Kindes oder in sonstigen vergleichbaren Beistandsleistungen liegen, die geeignet sind, das Fehlen eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes weitgehend auszugleichen (BVerwG, Urteil vom 9.12.1997, a.a.O.).

Nach Aktenlage erscheint es glaubhaft, dass der Antragsteller wesentliche elterliche Betreuungsleistungen erbringt, die über Besuchskontakte in der Art einer bloßen Begegnungsgemeinschaft weit hinaus gehen. Zwar wohnt er offenbar nicht zusammen mit seiner Ehefrau und den Stiefkindern in dem Anwesen Nordbahnhofstraße 67, 70191 Stuttgart, das diese am 1.11.2000 bezogen haben; denn er ist einer Gemeinschaftsunterkunft in Esslingen a.N. zugewiesen und seine Anträge auf Umverteilung an den Wohnsitz seiner Ehefrau blieben bislang erfolglos (zuletzt Bescheid der Stadt Esslingen a.N. vom 5.9.2000; hiergegen Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart - A 7 K 12656/00 -). Er hält sich aber, wie seinem durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Ehefrau untermauerten Vorbringen zu entnehmen ist, überwiegend bei seiner Familie auf und betreut und versorgt seine Stiefkinder vor allem dann, wenn seine Ehefrau ihrer Berufstätigkeit nachgeht. So bringt er die Kinder zum Kindergarten und holt sie dort auch ab. Wenn seine Ehefrau Spätschicht hat, bereitet er den Kindern das Abendbrot und bringt sie ins Bett. Nach dieser glaubhaften, vom Antragsgegner nicht in Zweifel gezogenen Darstellung ist die Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft somit unabhängig davon gerechtfertigt, ob der Anteil des Antragstellers an der Beistands- und Erziehungsgemeinschaft den seiner Ehefrau überwiegt, was sich ohnehin kaum quantifizieren lässt. Insoweit zieht das Verwaltungsgericht unzutreffende Schlüsse aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.1989 (NJW 1990, 895). Dort führt das Bundesverfassungsgericht zwar aus, eine Beistandsgemeinschaft liege nur vor, wenn die wesentliche Hilfe von dem Familienmitglied und nicht von anderen Personen geleistet werde. Diese Entscheidung betraf aber einen Fall der Erwachsenenadoption, in dem Art. 6 Abs. 1 GG weitergehende Schutzwirkungen nur dann entfaltet, wenn nicht andere (familienfremde) Personen die erforderliche Lebenshilfe überwiegend erbringen. Im Verhältnis von Kindern zu ihren (Stief-)Eltern besteht eine aufenthaltsrechtlich gesteigert schutzwürdige familiäre Lebensgemeinschaft indessen nicht etwa nur mit dem Elternteil, der im Rahmen der familieninternen Arbeitsteilung mit der Betreuung und Erziehung zeitlich stärker in Anspruch genommen ist. Vielmehr genügt es auch in Bezug auf den anderen Elternteil, dass überhaupt eine durch hinreichende Beistandsleistungen gekennzeichnete Eltern-Kind-Beziehung vorliegt.

Auf die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Jugoslawien, deren Staatsangehörigkeit auch seine Ehefrau besitzt, braucht sich der Antragsteller nicht verweisen zu lassen; denn jedenfalls seinen Stiefkindern ist als deutschen Staatsangehörigen ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zuzumuten. Die vom Verwaltungsgericht gehegten Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit der Stiefkinder teilt der Senat nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß Zweifel an der biologischen Vaterschaft des früheren Ehemanns der Ehefrau des Antragstellers angebracht sind. Ob der ehemalige deutsche Ehemann der Ehefrau des Antragstellers den 1995 und 1997 geborenen Kindern die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt hat, beurteilt sich nach § 4 Abs. 1 RuStAG in der vom 1.7.1993 bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung (zur Entstehungsgeschichte der Norm vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl., § 4 RuStAG RdNrn. 1 f.). Danach (Satz 1) erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Geburt, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt eines nichtehelichen Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger, bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Feststellung der Vaterschaft; das Feststellungsverfahren muss eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat (Satz 2). Maßgeblich im vorliegenden Fall ist § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG a.F.; denn nach den kollisionsrechtlich (vgl. Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNrn. 5 ff.) heranzuziehenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Abstammung (§§ 1591 ff. BGB in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung) sind die Stiefkinder des Antragstellers ehelich geboren (§ 1591 Abs. 1 und 2 BGB a.F.). Gemäß § 1593 BGB a.F. kann die Nichtehelichkeit eines Kindes, das während der Ehe oder innerhalb von dreihundertzwei Tagen nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren ist, nur geltend gemacht werden, wenn die Ehelichkeit angefochten und die Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt ist. Dies ist hier nicht der Fall, so dass dahinstehen kann, ob der Ansicht von Marx (in GK-StAR, IV - 2 § 4 StAG, RdNr. 52) zu folgen wäre, dass auch für den Fall der nachträglichen Feststellung der Nichtehelichkeit das Kind die durch die Geburt zunächst als eheliches Kind vermittelte deutsche Staatsangehörigkeit behält (a.A. Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, § 4 RuStAG RdNr. 13; VG Düsseldorf, Urteil vom 10.9.1985, NJW 1986, 676). Spekulationen, ob eine Anfechtung der Ehelichkeit der Stiefkinder des Antragstellers "möglich" wäre, sind für die Frage, ob der Familie bei deutscher Staatsangehörigkeit der Kinder die Fortführung der Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist, ohne Belang. Abgesehen davon zeichnet sich für ein Anfechtungsverfahren derzeit nichts ab.

Die Annahme eines aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK folgenden Abschiebungshindernisses führt schließlich nicht zu einem Wertungswiderspruch zu sonstigen aufenthaltsrechtlichen Vorschriften. Allerdings ist bei der Gewichtung der nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten familiären Belange des Ausländers im Hinblick auf die rechtliche Zulässigkeit einer zwangsweisen Beendigung der familiären Lebensgemeinschaft, soweit sie im Bundesgebiet geführt wird, maßgeblich zu berücksichtigen, ob nach den einschlägigen Regelungen des Ausländergesetzes über den Familiennachzug eine Zuwanderung ermöglicht werden soll. Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe der §§ 17 f. AuslG nicht vor, kann nicht ohne weiteres durch Annahme einer aus Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK hergeleiteten rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung der weitere Aufenthalt oder gar dessen Legalisierung (über § 30 Abs. 3 AuslG) erreicht werden (vgl. Senatsurteil vom 2.12.1998 - 13 S 3120/96 -). Dies kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die einem Daueraufenthalt des Ausländers entgegenstehenden öffentlichen Belange den verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Familienschutz nicht zu überwinden vermögen. Im vorliegenden Fall könnte dem Nachzugsbegehren prinzipiell durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis Rechnung getragen werden, sei es in Anwendung des § 23 Abs. 1 2. Halbs. AuslG auf den Antragsteller als nicht sorgeberechtigten Stiefvater, sei es in Anwendung des §§ 22 AuslG, falls § 23 Abs. 1 2. Halbs. AuslG Stiefeltern nicht erfasst. Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach diesen Vorschriften steht zwar bereits der besondere Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG entgegen, und grundsätzlich gebieten Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht die Freistellung von der Visumspflicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.9.1994, Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 3; Urteil vom 18.6.1996, BVerwGE 101, 265). In Anbetracht der Unwägbarkeiten des Visumsverfahrens ist es dem Antragsteller aber kraft höherrangigen Rechts nicht zuzumuten, das Bundesgebiet zum Zwecke der Erfüllung der Einreisevorschriften auf unabsehbare Zeit zu verlassen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen Kindern die Entwicklung sehr schnell voranschreitet, so dass auch eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit im Lichte von Art. 6 GG schon unzumutbar lang sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.8.1999, NVwZ 2000, 59). Auch das öffentliche Interesse an einer Vermeidung finanzieller Belastungen der öffentlichen Hand infolge der Hinnahme eines weiteren Aufenthalts des Antragstellers - sein Lebensunterhalt ist offenbar nicht aus eigenen Mitteln gesichert - stünde zwar der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis jedenfalls auf der Grundlage von § 23 Abs. 4 i.V.m. § 22 AuslG entgegen. Bei der im Rahmen der Prüfung des Abschiebungshindernisses erforderlichen Abwägung jenes öffentlichen Belangs mit dem nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK gebotenen Schutz der familiären Lebensgemeinschaft gebührt diesem aber der Vorrang. Ausschlaggebend hierfür ist letztlich, dass die Stiefkinder des Antragstellers auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe nicht nur seitens ihrer leiblichen Mutter, sondern auch seitens ihres Stiefvaters, zu dem sie ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Ehefrau vom 20.10.2000 mittlerweile eine enge emotionale Beziehung aufgebaut haben, angewiesen sind, und dass ihnen als deutschen Staatsangehörigen eine Fortführung der familiären Gemeinschaft im Herkunftsland des Antragstellers nicht zugemutet werden kann. Schließlich haben auch die vom Antragsteller 1994 und früher begangenen Straftaten kein solches Gewicht (mehr), dass spezialpräventive Gründe sich gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Familienschutz durchsetzen könnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 20 Abs. 3, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).