Bayerischer VGH, Urteil vom 17.12.2008 - 7 BV 06.3364
Fundstelle
openJur 2012, 96715
  • Rkr:
Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. November 2006 (Az. RO 2 K 06.1416) wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte dem Kläger die ihm entstandenen Anwaltskosten für einen erfolgreichen Widerspruch gegen einen Bescheid zu erstatten hat, mit dem der Beklagte die Befreiung des Klägers von der Rundfunkgebührenpflicht zunächst abgelehnt hatte.

Der Kläger ist in einem Pflegeheim untergebracht und steht unter Betreuung (Aufgabenkreise: Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über die Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen, Vermögenssorge). Seine Betreuerin, die zugleich seine Prozessbevollmächtigte in diesem Verfahren ist, beantragte für ihn im Oktober 2005 die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht mit der Begründung, das Einkommen des Klägers sei für die anfallenden Heimkosten nicht ausreichend. Dem Antrag war ein Bescheid des Landratsamts S. vom 20. Januar 2005 beigefügt, mit dem dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 Grundsicherung in Höhe von monatlich 541,02 € bewilligt wurde. Auf dem Antragsformular vom 25. Oktober 2005 war zusätzlich handschriftlich vermerkt: „Bescheid liegt noch nicht vor".

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht mit einem von der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) erstellten Bescheid vom 10. November 2005 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bewilligungsbescheid weise einen abgelaufenen Zeitraum auf. Mit Schreiben gleichen Datums bat die GEZ die Betreuerin des Klägers, den Bescheid über die Bewilligung von Grundsicherung zu übersenden, sobald er ihr vorliege. Dann werde über den Befreiungsantrag entschieden. Bis zur endgültigen Entscheidung seien Rundfunkgebühren zu zahlen. Eventuell zuviel gezahlte Gebühren würden unaufgefordert erstattet.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Betreuerin und Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 30. November 2005 Widerspruch ein, dem ein Bescheid des Bezirks ... vom 18. November 2005 über die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen und von Hilfe zur Pflege gemäß §§ 35, 61 SGB XII ab dem 24. Juni 2005 beigefügt war.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2006 half der Beklagte dem Widerspruch ab und befreite den Kläger für den Zeitraum von November 2005 bis Oktober 2008 von der Rundfunkgebührenpflicht. Die Kosten, die durch die Inanspruchnahme der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren entstanden seien, würden jedoch nicht erstattet. Für eine Kostenerstattung im isolierten Vorverfahren fehle es an einer Rechtsgrundlage. Außerdem sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig gewesen.

Der hiergegen von der Prozessbevollmächtigten des Klägers eingereichten Klage gab das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 14. November 2006 statt und verpflichtete den Beklagten, den Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2006 dahingehend zu ergänzen, dass der Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens trage und dass die Zuziehung einer Bevollmächtigten durch den Kläger im Widerspruchsverfahren notwendig gewesen sei. Zwar gelte das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 nicht für die Anstalt des öffentlichen Rechts „Bayerischer Rundfunk“. Es spreche jedoch gleichwohl viel dafür, dass Art. 80 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayVwVfG als Rechtsgrundlage herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Rundfunkanstalten nicht im eigentlichen Sinne Verwaltungstätigkeit ausübten. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, den Beklagten für den Erlass der Gebührenbescheide von den Regelungen des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes freizustellen. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG müsse daher verfassungskonform einschränkend ausgelegt werden. Zumindest aber sei Art. 80 BayVwVfG aufgrund der ansonsten bestehenden und vom Gesetzgeber nicht bedachten Regelungslücke analog anzuwenden. Folge man dem nicht, ergebe sich unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten des für ihn erfolgreichen Vorverfahrens. Die Entscheidung über die Rundfunkgebührenbefreiung stelle einen gebundenen Verwaltungsakt dar. Eine Ungleichbehandlung des schon im Widerspruchsverfahren obsiegenden Bürgers im Vergleich zu einem solchen, der erst im Klageverfahren obsiege, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Vielmehr dürfe derjenige, der versuche, ein gerichtliches Verfahren durch frühzeitige Einschaltung eines Anwalts zu vermeiden, nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der erst im gerichtlichen Verfahren qualifiziert vortrage. Außerdem hätte der Beklagte dem Kläger vor einer ablehnenden Entscheidung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch noch einen gewissen Zeitraum zur Vorlage des Bewilligungsbescheids einräumen müssen, von dessen künftigem Erlass der Beklagte selbst ausgegangen sei. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten sei auch notwendig gewesen. Schließlich sei die Geltendmachung von Rechtsanwaltskosten auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägervertreterin zugleich Betreuerin des Klägers sei. Eine Erstattung von Anwaltskosten könne verlangt werden, wenn die Tätigkeit eine originäre anwaltliche Dienstleistung darstelle, für die ein Betreuer ohne die erforderliche Qualifikation einen Anwalt hinzugezogen hätte.

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten. Zur Begründung führt der Beklagte aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten im isolierten Vorverfahren. Der Beklagte unterliege nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG nicht dem Anwendungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Diese Vorschrift sei weder verfassungswidrig noch müsse sie in verfassungskonformer Weise restriktiv ausgelegt werden. Sie verstoße nicht gegen das Willkürverbot. Die Erhebung von Rundfunkgebühren bzw. die Befreiung hiervon müsse aufgrund der großen Fallzahlen beschleunigt und nach möglichst einfach zu handhabenden Vorschriften bewältigt werden, damit der Beklagte seinem verfassungsrechtlichen Grundversorgungsauftrag gerecht werden könne. Für eine analoge Anwendung des Art. 80 BayVwVfG fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Dem Gesetzgeber sei bereits beim Erlass des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes im Jahre 1976 bekannt gewesen, dass der Beklagte beim Gebühreneinzug auch hoheitlich tätig werde. Dennoch habe der Gesetzgeber den Beklagten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes herausgenommen. Dies könne nicht im Wege der Analogie durch teilweise Anwendung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes auf den Beklagten ins Gegenteil verkehrt werden. Dem Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er gestellte Anträge auf Rundfunkgebührenbefreiung anhand der gesetzlich festgelegten Kriterien beurteile und verbescheide. Mit dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag habe der Gesetzgeber den Beklagten von Nachforschungen bezüglich der wirtschaftlichen Situation und der Lebensverhältnisse des jeweiligen Antragstellers entbinden wollen. Eine Verpflichtung der Rundfunkanstalt, den jeweiligen Antragsteller darauf hinzuweisen, welche Nachweise er noch vorliegen müsse, sei dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) nicht zu entnehmen. Obwohl er somit dazu nicht verpflichtet gewesen sei, habe sich der Beklagte im Fall des Klägers bemüht, den Sachverhalt aufzuklären, und deshalb den Kläger gebeten, einen etwaigen Bewilligungsbescheid nachzureichen. Hätte der Kläger bzw. seine Betreuerin dies von vornherein angekündigt, wäre die endgültige Entscheidung über den Antrag der gängigen Praxis entsprechend für eine angemessene Zeit ausgesetzt worden. Mangels einer solchen Ankündigung sei jedoch am 10. November 2005 über den Antrag entschieden worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich auf Anfrage des Gerichts mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Gründe

Über die Berufung konnte gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

1. Die zulässige Berufung ist begründet. Für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch des Klägers besteht keine Rechtsgrundlage. Es ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten, Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG einschränkend auszulegen oder Art. 80 BayVwVfG oder § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO analog anzuwenden. Ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung ergibt sich auch nicht unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG.

16a) Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG gilt das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz nicht für die Anstalt des öffentlichen Rechts „Bayerischer Rundfunk“. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 10. Oktober 1985 (Az. 25 B 83 A. 3026) in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass Art. 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG als Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren, an das sich kein Gerichtsverfahren anschließt (sog. isoliertes Vorverfahren), ausscheide, weil Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG den Bayerischen Rundfunk ausdrücklich vom Geltungsbereich des Gesetzes ausnehme und hiervon auch das Verwaltungshandeln des Bayerischen Rundfunks umfasst sei. Eine davon abweichende teilweise Unterwerfung des Bayerischen Rundfunks unter das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens hätte der Gesetzgeber hinreichend eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Die fehlende gesetzliche Grundlage könne auch nicht durch entsprechende Anwendung der Bestimmungen des Art. 80 Abs. 1 bis 3 BayVwVfG ersetzt werden. Eine hierfür erforderliche, auf einem gesetzgeberischen Versehen beruhende, der analogen Regelung zugängliche Gesetzeslücke sei nicht feststellbar. Der amtlichen Gesetzesbegründung ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber die in Art. 80 BayVwVfG getroffene Regelung auch auf ausdrücklich aus dem Geltungsbereich des Gesetzes herausgenommene Verfahren angewandt wissen wollte. Auch verfassungsrechtliche Überlegungen würden zu keinem anderen Ergebnis zwingen. Die Bedenken wegen der Ungleichbehandlung des Klägers im Vergleich zu einem Rechtsmittelführer, der erst nach Durchführung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens obsiegt und dem dann nach §§ 154, 155, 162 VwGO ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten des Vorverfahrens einschließlich der Kosten des für das Vorverfahren zugezogenen Rechtsanwalts eröffnet sei, seien, wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich entschieden habe (BVerfGE 27, 175), nicht begründet. Die Herausnahme des Beklagten aus dem Geltungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes insgesamt erscheine weder willkürlich noch sonst mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Zwischen den Beteiligten selbst finde keine Ungleichbehandlung statt, da der Beklagte seinerseits im Falle des Obsiegens die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens nicht verlangen könne.

b) Zwar wird teilweise für den Bereich der Rundfunkgebührenfestsetzung und der Entscheidung über Anträge auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht trotz landesrechtlicher Ausnahmeregelungen wie in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG der Rückgriff auf die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts befürwortet und etwa eine Verpflichtung zur Beachtung der Grundgedanken der §§ 24 – 27, 28, 30 und 39 VwVfG angenommen (Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 2 RdNr. 22, Ohliger in: Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, RdNr. 42 zu § 7 RGebStV). Gleichwohl hält der Verwaltungsgerichtshof für die Frage der Kostenerstattung im isolierten Vorverfahren an seiner im Urteil vom 10. Oktober 1985 vertretenen Auffassung fest (ebenso VGH BW vom 19.6.2008 NVwZ-RR 2008, 750, und OVG LSA vom 5.3.2007 Az. 3 O 97/06 <juris>, für vergleichbare landesrechtliche Regelungen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt). Auch bei einer Bindung der Rundfunkanstalten an allgemeine Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens kann eine Verpflichtung zur Erstattung der Anwaltskosten im isolierten Vorverfahren nicht angenommen werden. Diese ist nicht notwendiger Bestandteil eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens, sondern bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl. auch Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 80 RdNrn. 5 - 10).

18c) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts besteht auch keine Regelungslücke, die der Gesetzgeber nicht bedacht hätte. Vielmehr ist von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen, die sich auch auf die Verwaltungstätigkeit des Beklagten erstreckt.

Die amtliche Gesetzesbegründung für die Regelung (LT-Drs. 8/3551, S. 30) weist zwar zunächst darauf hin, dass der Bayerische Rundfunk nicht im typischen Sinn Verwaltungstätigkeit ausübe, sondern ein freies und ausgewogenes Rundfunkprogramm gewährleisten solle. Im Folgesatz heißt es allerdings ausdrücklich, dass „daher das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz nicht für die Verwaltungstätigkeit des Bayerischen Rundfunks gelten“ solle (Hervorhebung nicht im Original). Die primäre Aufgabe und Tätigkeit der Landesrundfunkanstalten erfüllt ohnehin nicht den Begriff des Verwaltungsverfahrens gemäß Art. 9 BayVwVfG. Für deren Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes hätte es daher der Regelung des Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG nicht bedurft. Somit ist davon auszugehen, dass die Ausschlussregelung des Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG sich auch auf das Verfahren des Gebühreneinzugs und der Entscheidung über die Befreiung erstreckt (ebenso VGH BW vom 19.6.2008 NVwZ-RR 2008 für die vergleichbare Regelung in § 2 Abs. 1 VwVfG BW).

Von einer bewussten und vollständigen Herausnahme des Beklagten aus dem Anwendungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes durch den Gesetzgeber ist auch deswegen auszugehen, weil er die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 1985 (Az. 25 B 83 A. 3026) trotz seither mehrfacher Änderung des Gesetzes nicht zum Anlass für eine Korrektur im Sinne einer Einschränkung der Ausnahme genommen hat. Auch bei der letzten, am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Änderung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (GVBl S. 312) hat der Gesetzgeber keinen Änderungsbedarf gesehen, obwohl er mit diesem Gesetz ausdrücklich auch eine klarstellende Änderung in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayVwVfG hinsichtlich der Anwaltskosten des unterlegenen Widerspruchsführers im Bereich des Beamtenrechts vorgenommen hat. Hätte nach Auffassung des Gesetzgebers Anlass bestanden, die Frage der Kosten im isolierten Vorverfahren im Bereich des Rundfunkgebührenrechts abweichend von der bisherigen Rechtslage und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zu regeln, hätte es nahe gelegen, die entsprechenden Vorschriften bei dieser Gelegenheit zu ändern. Da der Gesetzgeber hiervon jedoch abgesehen hat, kann nicht von einer unbeabsichtigten Regelungslücke ausgegangen werden.

21d) Die Herausnahme des Beklagten aus dem Anwendungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Ausschluss des Anspruchs eines erfolgreichen Widerspruchsführers auf Kostenerstattung im isolierten Vorverfahren sind auch nicht verfassungswidrig. Zwar ist fraglich, ob allein der vom Beklagten angeführte Umstand, dass es sich bei der Rundfunkgebührenerhebung und bei der Entscheidung über Befreiungsanträge um „aufwändige Massenverwaltungsverfahren“ handelt, eine Ungleichbehandlung der Rundfunkteilnehmer und der Rundfunkanstalten hinsichtlich der Kostentragung im isolierten Vorverfahren rechtfertigen würde. Dass eine einseitige Kostenregelung zu Lasten der Rundfunkteilnehmer im isolierten Vorverfahren bei erfolgreichen Widersprüchen zur Erfüllung des Grundversorgungsauftrags durch die Rundfunkanstalten erforderlich wäre, wie vom Beklagten vorgetragen, ist jedenfalls nicht ersichtlich.

Auch mag es auf den ersten Blick widersprüchlich oder unbillig erscheinen, dass ein bereits im Vorverfahren erfolgreicher Widerspruchsführer keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen von ihm hinzugezogenen Rechtsanwalt hat, während bei Erfolg erst im Klageverfahren auch die Kosten für einen im Vorverfahren notwendigerweise hinzugezogenen Bevollmächtigten in der Regel erstattungsfähig sind (§§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch bereits vor der Geltung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder entschieden, dass kein allgemeiner, dem Bundesrecht angehörender Rechtssatz besteht, wonach die Behörde bei Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes im Widerspruchsverfahren zwingend auch die Kosten des Widerspruchsführers zu tragen habe. Vielmehr sei es Aufgabe des Gesetzgebers, diese Frage zu regeln (BVerwG vom 1.11.1965 BVerwGE 22, 281/283; vgl. auch BVerwG vom 27.9.1989 BVerwGE 82, 336/340 ff.).

Auch das Bundesverfassungsgericht hat mit Entscheidung vom 29. Oktober 1969 (BVerfGE 27, 175) bestätigt, dass die Auslegung, wonach weder Bundes- noch Landesrecht eine Erstattung der im isolierten Vorverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten vorsieht, nicht willkürlich ist und nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, auch wenn der bereits im Vorverfahren erfolgreiche Widerspruchsführer hierdurch schlechter gestellt ist als der erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegende Kläger. In späteren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht insoweit stets darauf abgestellt, ob sich eine (dann als verfassungswidrig anzusehende und auch nicht im Hinblick auf die Besonderheiten von Massenverfahren zu rechtfertigende) Ungleichbehandlung des Staatsbürgers und der Behörde daraus ergibt, dass letztere einen erfolglosen Einspruchs- oder Widerspruchsführer oder Einwender in Planfeststellungsverfahren zu Kosten heranziehen kann (BVerfG vom 28.1.1970 BVerfGE 27, 391/395 ff., vom 20.6.1973 BVerfGE 35, 283/289 ff., vom 19.12.1989 Az. 1 BvR 1336/89). Dem Gebot der Waffen- und Chancengleichheit sei Genüge getan, wenn auch die Behörde ihre Auslagen nicht auf erfolglos bleibende Einwender oder Widerspruchsführer abwälzen könne.

Gemessen daran ist eine Ungleichbehandlung in Verfahren hinsichtlich der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht festzustellen. Vielmehr kann auch der Beklagte mangels entsprechender Rechtsgrundlage einem Widerspruchsführer dann, wenn ein (gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung - AGVwGO - nach wie vor möglicher) Widerspruch erfolglos bleibt und sich kein Gerichtsverfahren anschließt, keine Kosten auferlegen. Der Grundsatz der Waffen- und Chancengleichheit gebietet es daher nicht, dem im isolierten Vorverfahren erfolgreichen Widerspruchsführer einen Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Anwaltskosten einzuräumen. Eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke, die durch analoge oder ausdehnende Anwendung des Art. 80 BayVwVfG oder der §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO oder durch reduzierende Auslegung des Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG zu schließen wäre, besteht daher nicht (ebenso Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 80 RdNr. 8). Eine etwaige Änderung, die allerdings auch eine Kostentragung des erfolglosen Widerspruchsführers zur Folge haben könnte, bleibt vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten.

e) Eine Verpflichtung des Beklagten zur Kostenerstattung ergibt sich auch nicht aus § 7 Abs. 4 Satz 1 RGebStV. Der dort vorgesehene Anspruch des Rundfunkteilnehmers auf Erstattung von Rundfunkgebühren, die ohne rechtlichen Grund entrichtet wurden, erstreckt sich nicht auf Kosten für einen im Widerspruchsverfahren hinzugezogenen Rechtsanwalt.

f) Ob in besonders gelagerten Fallgestaltungen ein Rundfunkteilnehmer die ihm entstandenen Anwaltskosten als Schadensersatz im Wege der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) geltend machen kann, kann dahinstehen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Anspruch in Betracht kommt, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Allerdings hat der Beklagte insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Betreuerin und Prozessbevollmächtigte des Klägers in ihrem Befreiungsantrag vom 25. Oktober 2005 lediglich mitgeteilt hatte, ein aktueller Bescheid über die Bewilligung von Hilfe zur Pflege liege noch nicht vor, ohne jedoch um Aussetzung der Entscheidung zu bitten oder anzukündigen, bis wann voraussichtlich der ausstehende Bescheid nachgereicht werden kann.

g) Da ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung ausscheidet, kann offen bleiben, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war und ob der Beklagte dem Erstattungsanspruch entgegengehalten kann, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits eine Vergütung als Betreuerin erhalten hat.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es nicht, da das Verfahren gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei ist. Dies betrifft nicht nur Streitigkeiten über die Rundfunkgebührenbefreiung als solche, sondern auch damit zusammenhängende Verfahren der vorliegenden Art. Der Gegenstandswert (§§ 2 Abs. 1, 22 ff. des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - RVG) wird auf Antrag festgesetzt (§ 33 RVG).

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.