OLG Naumburg, Urteil vom 08.12.2010 - 5 U 96/10
Fundstelle
openJur 2012, 136403
  • Rkr:
Tenor

Auf Berufung der Klägerin wird das am 12. August 2010 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Rentenversicherungsschein Nummer ... der Z. AG (vormals L.) herauszugeben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 16.827,59 €.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt als Insolvenzverwalterin des Vermögens des Beklagten die Herausgabe des Versicherungsscheins Nr. ... über eine Rentenversicherung bei der Z. AG (im folgenden Z.).

Der Beklagte gab am 21. August 2007 die eidesstattliche Versicherung ab. Die Gläubiger J. und C. E. stellten am 29. Oktober 2007 bei dem Amtsgericht Oschersleben eingehend einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten. Daraufhin wurde die Klägerin durch Beschluss vom 14. November 2007 zur Gutachterin bestellt.

Am 13. März 2008 übermittelte die Z. an die Klägerin auf deren Anfrage Informationen über eine mit ihr abgeschlossene  Rentenversicherung des Beklagten Nr. ... . Nach dem Erhalt des Insolvenzgutachtens von der Klägerin bat der Beklagte mit Schreiben vom 6. Mai 2008 die Z. um Erteilung einer Verfügungsbeschränkung zur Sicherstellung von Pfändungsschutz für seinen Rentenversicherungsvertrag. Der spätere Prozessbevollmächtigte des Beklagten wiederholte die Bitte des Schuldners um Verfügungsbeschränkung mit Schreiben vom 8. Mai 2008; er erklärte, dass der Vertrag nur im Rentenbezug nach dem 65. Lebensjahr in Anspruch genommen werden könne, dass auf das Kapitalwahlrecht verzichtet werde, dass im Todesfall die Ehefrau des Beklagten bezugsberechtigt sei und dass die Verfügungsbeschränkungen unwiderruflich seien.  Die Z. bestätigte mit Schreiben vom 19. Mai 2008 die Umwandlung.

Am 8. Juli 2008 eröffnete das Amtsgericht Magdeburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten und bestellte die Klägerin zur Insolvenzverwalterin. Sie kündigte mit Schreiben vom 28. Juli 2008 die Rentenversicherung des Beklagten Nr. ... bei der Z. . Diese bestätigte mit Schreiben vom 6. August 2008 die Kündigung, rechnete über einen Auszahlungsbetrag von 16.827,59 € ab und bat - "zur abschließenden Bearbeitung" - um Vorlage des Versicherungsscheins. Unter dem 26. September 2008 teilte die Z. dann mit, dass der Vertrag dem Pfändungsschutz unterliege. Der Versicherungsnehmer habe von seinem Umwandlungsrecht Gebrauch gemacht, weswegen sie einer Auszahlung nicht zustimmen könne. Der Beklagte verweigert bis heute die Herausgabe des Versicherungsscheins an die Klägerin. Die Z. kündigte an, dass sie bei einem Obsiegen der Klägerin die Versicherungssumme an die Klägerin zahlen werde.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die Police Nummer ... der Z. Aktiengesellschaft, S. straße 27-37, F. herauszugeben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Magdeburg hat die Klage mit Urteil vom 12. August 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Pfändungsschutz des § 851 c ZPO vorrangig gegenüber einer Anfechtung der Erklärung des Schuldners vom 6. Mai 2008 nach §§ 129 ff., 132 InsO sei. Mit der Ausübung der Option einer pfändungsfreien und insolvenzfesten Altersvorsorge trete der Pfändungsschutz ein. Die Auslegung des Wortes "jederzeit" in § 167 VVG sei eindeutig. Jene Möglichkeit könne zu jeder Zeit in Anspruch genommen werden. Dem Gedanken, dass ein pfändungsfreier Betrag dem Schuldner in seiner Rentenzeit als Äquivalent für erarbeiteten "Lebenslohn" zustehen müsse, komme eine solche Bedeutung zu, dass §§ 851 c ZPO bzw. 167 ff. VVG in diesem Sinne verfassungskonform auszulegen seien.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich der Beklagte auf die Umwandlungserklärung vom 6. Mai 2008 und den daraus resultierenden Pfändungsschutz nicht berufen könne, weil jene Erklärung gemäß § 132 Abs. 2 InsO anfechtbar sei. Die Anfechtungsregeln seien auf Umwandlungserklärungen in der Krise anwendbar. Der Gesetzgeber habe mit § 167 VVG und § 851 c ZPO nur die Möglichkeit einer pfändungs- und insolvenzfesten Altersvorsorge geschaffen. Dieses gesetzgeberische Ziel sei auch dann zu erreichen, wenn einige Selbständige keine pfändungs- und insolvenzfeste Altersvorsorge erreichen, weil sie mit der Umwandlung zu lange gewartet und diese erst bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit erklärt haben. Das Wortlautargument "jederzeit" überzeuge nicht, da § 167 VVG das Verhältnis der Vertragsparteien, nicht jedoch das Verhältnis zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter regele. Die Rentenversicherung sei auf die Umwandlungserklärung des Versicherungsnehmers durch das Versicherungsunternehmen erst "zum Schluss der Versicherungsperiode" umzustellen, hier also zum 31. Dezember 2008. Insofern trete das eilige Schutzinteresse des Schuldners - vom Gesetzgeber gewollt - hinter das Interesse des Versicherungsunternehmens zurück, die Versicherung nicht innerhalb der laufenden Versicherungsperiode umstellen zu müssen. Ein Ausschluss einer Anfechtung der Umwandlungserklärung hätte entweder ausdrücklich geregelt oder zumindest in der Gesetzesbegründung erwähnt werden müssen. Umgekehrt überzeuge die Überlegung nicht, dass der Gesetzgeber eine Regelung in den § 167 VVG aufgenommen hätte, wenn er die Umwandlung der Verträge in der Krise hätte ausschließen wollen. Die Regelung sei bereits vorhanden, nämlich §§ 129 ff. InsO.

Die Klägerin stellt den Antrag,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 12. August 2010 zu verurteilen, an die Klägerin die Police Nummer ... der Z. Aktiengesellschaft, S. straße 27-37, F. herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht zusätzlich geltend, dass die bereits angesparten Beträge schon vor Ausübung des Wahlrechts nach § 167 VVG gemäß § 851 c Abs. 2 ZPO Pfändungsschutz besitzen würden.

II.

1.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 520 Abs. 2 ZPO).

2.

Die Berufung hat in der Sache auch Erfolg.

a.

Die Klage ist zulässig. Ihr fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht. Dieses kann fehlen, wenn über den Anspruch bereits ein Urteil oder ein sonstiger Vollstreckungstitel vorliegt (Greger, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., vor § 253 ZPO Rn. 18a). Die Klägerin besitzt tatsächlich bereits einen vollstreckbaren Titel auf Herausgabe des streitgegenständlichen Versicherungsscheins. Der Insolvenzverwalter ist nämlich nicht berechtigt, die der Besitzergreifung gemäß § 148 Abs. 1 InsO unterliegenden Gegenstände eigenmächtig oder gegen den Willen des Schuldners in Besitz zu nehmen. Er kann vielmehr einen Gerichtsvollzieher mit der Wegnahme beauftragen, da die vollstreckbare Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses gemäß § 148 Abs. 2 Satz 1 InsO einen Herausgabetitel im Sinne von § 794 ZPO beinhaltet (BGH, ZIP 2006, 2008; Dithmar, in: Braun, InsO, 4. Aufl., § 148 Rn. 8; Holzer, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, Loseblattsammlung Stand August 2010, § 148 Rn. 14; Wegener, in: Wimmer, Fk-InsO, 5. Aufl., § 148 Rn. 11). Zu den im Sinne von § 148 Abs. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmenden Gegenständen gehören auch Urkunden über verbriefte Rechte und Forderungen (Dithmar, in: Braun, InsO, 4. Aufl., § 148 Rn. 3; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Loseblattsammlung Stand August 2010, § 148 Rn. 8; Wegener, in: Wimmer, Fk-InsO, 5. Aufl., § 148 Rn. 4a).

Ein Vollstreckungstitel schließt eine erneute Klage indes nicht aus, wenn für diese ein verständiger Grund besteht. So kann trotz vorhandenen vollstreckbaren Titels, der kein eigentliches, Rechtskraft begründendes Urteil ist, beim Vorliegen eines besonderen Bedürfnisses oder Interesses, insbesondere wenn mit einer Vollstreckungsgegenklage zu rechnen ist, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage zu bejahen sein (BGH, NJW 1962, 1392; Greger, a.a.O., vor § 253 ZPO Rn. 18a). Im vorliegenden Falle droht eine Vollstreckungsgegenklage des Beklagten nach §§ 795, 767 ZPO, würde der Anspruch der Insolvenzverwalterin auf Herausgabe des Versicherungsscheins vollstreckt werden. Gegen den Herausgabeanspruch der Klägerin aus § 148 Abs. 1 InsO würde der Beklagte - die Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO gilt entsprechend § 797 Abs. 4 ZPO nicht - auf diese Weise geltend machen, dass jener Anspruch nicht bestehe, weil der Versicherungsschein nicht zu den Massegegenständen zähle (Füchsl/Weishäupl, in: Münchener Kommentar, InsO, 2. Aufl., § 148 Rn. 75).

Die Erwartung, dass der Beklagte mit einer Vollstreckungsgegenklage auf die Einleitung der Zwangsvollstreckung reagieren wird, ist auch deshalb begründet, weil dem Beklagten kein vorrangiger Rechtsbehelf zur Verfügung steht. Zwar ist der Streit über die Zugehörigkeit zur Masse gemäß § 36 Abs. 4 InsO in den dort geregelten Fällen grundsätzlich ausschließlich einer Entscheidung des Insolvenzgerichts zuzuführen. Für eine entsprechende Feststellungsklage fehlte es daher an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (BGH, MDR 2008, 828). Danach hat das Insolvenzgericht zu entscheiden, ob ein bestimmter Gegenstand nach den in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten Vorschriften, unter anderem gemäß dem hier streitentscheidenden § 851 c ZPO, der Zwangsvollstreckung und damit dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Anders als die Feststellungsklage setzt die Vollstreckungsgegenklage aber kein Rechtschutzbedürfnis in dem Sinne voraus, dass keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit bestehen darf. Unbeschadet dessen wäre durch die Vollstreckungsgegenklage des Beklagten weitergehender Rechtsschutz zu erlangen als im Verfahren gemäß § 36 Abs. 4 InsO. In diesem Verfahren würde nur die Zugehörigkeit der Versicherungspolice zur Masse geklärt. Im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage würde dem Herausgabetitel überdies die Vollstreckbarkeit genommen.

b.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß § 148 Abs. 1 InsO einen Anspruch auf Herausgabe des Versicherungsscheins Nummer ... der Z. .

Gegenstand der Inbesitznahme durch den Insolvenzverwalter und damit seines Herausgabeanspruchs sind alle körperlichen Gegenstände, die gemäß § 35 InsO zu dem Vermögen des Insolvenzschuldners gehören. Nicht zur Insolvenzmasse gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. Diese Pfändungsfreiheit besteht gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in entsprechender Anwendung des § 851 c ZPO für Vermögen, das im Rahmen einer Rentenversicherung, die bestimmte Anforderungen erfüllen muss, angespart worden ist. Diesen Pfändungsschutz genießen nur Versicherungsverträge, bei denen

(1) die Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit gewährt wird,

(2) über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf,

(3) die Bestimmung von Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigte ausgeschlossen ist und

(4) die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, nicht vereinbart wurde.

Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass der Versicherungsvertrag des Beklagten mit der Z. diese Anforderungen zunächst nicht erfüllte. Anders als der Beklagte meint, folgt auch nicht bereits unmittelbar aus § 851 c Abs. 2 ZPO der Pfändungsschutz für das von ihm angesammelte Deckungskapital, soweit die dort genannten Höchstbeträge nicht überschritten sind. Gemäß § 851 c Abs. 2 Satz 1 ZPO ist unpfändbar nur solches angespartes Vorsorgevermögen, das auf der Grundlage eines in § 851 c Abs. 1 ZPO bezeichneten Vertrages angesammelt wurde, also eines Vertrages, der die vorgenannten Kriterien erfüllt.

Erst durch die Umwandlungserklärung des Beklagten mit seinem Schreiben vom 6. Mai 2008 (Bl. 39 Band I d.A,), präzisiert durch das Schreiben seines Bevollmächtigten vom 8. Mai 2008 (Bl. 40 Band I d.A.) hat der fragliche Versicherungsvertrag grundsätzlich Pfändungsschutz erlangt. Dabei kann, obwohl die Parteien zur genaueren Prüfung des anwendbaren Rechts den fraglichen Versicherungsvertrag nicht vorgelegt haben, dahinstehen, ob die Umwandlung gemäß § 173 VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung oder gemäß dem danach geltenden § 167 VVG erfolgt ist. Inhaltlich sind § 173 VVG a.F. und § 167 VVG n.F. identisch. Jene Umwandlungserklärung hat erst einmal Pfändungsschutz bewirkt, dieser trat nicht erst zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode, am 1. Januar 2009, ein (aa). Der zwischenzeitlich bewirkte Pfändungsschutz ist allerdings durch die Anfechtung der Umwandlungserklärung nach §§ 129 ff. InsO seitens der Insolvenzverwalterin wieder entfallen (bb).

aa.

Pfändungsschutz ist, anders als die Klägerin meint, nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Umwandlungserklärung des Beklagten vom 6. Mai 2008 erst am 31. Dezember 2008 wirksam geworden wäre, also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 8. Juli 2008 bzw. nach der anschließenden Kündigung des Versicherungsvertrages durch die Klägerin mit Schreiben vom 28. Juli 2008 (Bl. 42 Band I d.A.). Zwar wird teilweise angenommen, dass der Pfändungsschutz erst und frühestens mit Beginn der auf den Zugang des Umwandlungsverlangens folgenden Versicherungsperiode einsetze (Neuhaus/Köther, Pfändungsschutz bei umgewandelten Lebensversicherungen - Neue Vorschriften, neue Streitpunkte, ZfV 2009, 248; in diesem Sinne wohl auch Kessal-Wulf, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 851 c ZPO Rn. 2). Auf der anderen Seite wird ganz überwiegend vertreten, dass der Pfändungsschutz nach § 851 c ZPO bereits mit dem Zugang des Umwandlungsverlangens bei der Versicherung eintritt (Stöber, Das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge, NJW 2007, 1242; Stöber, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 851 c, ZPO Rn. 10; Reiff, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 167 VVG Rn. 14; Hasse, Der neue Pfändungsschutz der Altersvorsorge und Hinterbliebenenabsicherung, VersR 2007, 870; Tavakoli, Lohnpfändung und private Altersvorsorge: Erhöhung der Freigrenze durch § 851 c ZPO ?, NJW 2008, 3259; Schwarz/Facius, Auswirkungen des Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge für das pfändbare Einkommen, ZVI 2009, 188; Ahrens, in: Prütting/ Gehrlein, ZPO, 1. Aufl., § 851 c ZPO Rn. 10; Brambach, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 167 VVG Rn. 18). Der Senat kann in diesem Fall offen lassen, welche Ansicht vorzugswürdig ist. Die Z. hat jedenfalls mit ihrem Schreiben vom 19. Mai 2008 (Bl. 198 Band I d. Insolvenzakte) die Umwandlung zeitlich vor dem Ablauf der Versicherungsperiode und überdies auch noch vor dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 8. Juli 2008 und der nachfolgenden Kündigung seitens der Klägerin mit Schreiben vom 28. Juli 2008 (Bl. 42 Band I d.A.) versicherungstechnisch vollzogen. Der Beklagte wollte offensichtlich die schnellstmögliche Umwandlung und im Rahmen der Vertragsfreiheit stand es der Versicherung offen, die Umwandlung des Versicherungsverhältnisses schon vor dem Ablauf der ihr von § 173 VVG a.F. bzw. § 167 VVG n.F. eingeräumten Frist zu bewirken.

bb.

Der Pfändungsschutz im Sinne von § 851 c ZPO ist allerdings durch die Anfechtung der Umwandlungserklärung nach §§ 129 ff. InsO seitens der Insolvenzverwalterin wieder entfallen.

(1)

Eine Anfechtung der Umwandlungserklärung gemäß §§ 129 ff. InsO ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Zwar wird teilweise angenommen, dass die Umwandlungserklärung nach § 173 VVG a.F. oder § 167 VVG n.F. nicht im Wege der Insolvenzanfechtung angreifbar sei, da anderenfalls ein effektiver Vollstreckungsschutz nicht gewährleistet sei, was dem erklärten Ziel des Gesetzgebers widerspreche (Brambach, a.a.O., § 167 VVG Rn. 20; Schwarz/ Facius, a.a.O.; Hasse, a.a.O., sämtlich ohne weitergehende Begründung). Demgegenüber wird überwiegend vertreten, dass die Umwandlung grundsätzlich - vorbehaltlich des Vorliegens der Voraussetzungen der einzelnen Anfechtungstatbestände - angefochten werden kann (Smid, Pfändungsschutz bei Altersrenten, FPR 2007, 443; Wimmer, jurisPR-InsR 7/2007 Anm. 5; Wimmer, ZInsO 2007, 281; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Loseblattsammlung Stand August 2010, § 36 InsO Rn. 28 h; Tavakoli, a.a.O. (Fußnote 15); Ahrens, a.a.O., § 851 c ZPO Rn. 47). Der Senat schließt sich der zweiten Ansicht an. Die Argumentation der ersten Ansicht, dass der Gesetzgeber mit 173 VVG a.F. die Umwandlung gerade zu dem Zweck erlaubt habe, eine insolvenzrechtlich privilegierte Altersvorsorge zu schaffen, stimmt zum einen nicht, weil der Gesetzesbegründung eine solche erweiterte Zielrichtung nicht zu entnehmen ist. Auch erfordert es nicht der Zweck des § 173 VVG a.F. oder § 167 VVG n.F., dass die Anfechtungsvorschriften auf eine Umwandlungserklärung unanwendbar sind. Zwar trifft es zu, wie Flitsch (Lebensversicherungsverträge und Altersvorsorge als Teil der Insolvenzmasse, ZVI 2007, 161) argumentiert, dass eine Umwandlung nach § 173 VVG a.F. oder § 167 VVG n.F. letztlich immer darauf abzielt, den im Versicherungsvertrag verkörperten Vermögenswert der Gläubigergemeinschaft zu entziehen. Dass die Umwandlung deshalb uneingeschränkt insolvenzfest sein soll, findet sich in der Gesetzesbegründung allerdings zu Recht nicht. Hinzu kommt, dass der Umstand, dass das Gesetz zivilrechtlich etwas erlaubt, nicht für die Unanfechtbarkeit spricht. Anfechtungsrechtlich relevant sind regelmäßig Handlungsweisen von Schuldner und Anfechtungsgegner, die zivilrechtlich erlaubt und nicht wirkungslos sind. Die Anfechtungsregelungen unterwerfen tatsächlich eine Vielzahl von zivilrechtlich zulässigen rechtlichen und tatsächlichen Handlungen in der Krise des Schuldners dem besonderen Regime des Insolvenzverwalters mit dem Ziel, die Insolvenzmasse für die Gemeinschaft der Gläubiger zu erhalten und zu vermehren. Aus diesem Grunde ist, anders als der Beklagte meint, eine Anfechtung nicht nur dann eröffnet, wenn § 173 VVG a.F. oder § 167 VVG n.F. eine Anfechtung ausdrücklichen zulassen würden. Eine Anfechtung wäre vielmehr nur dann allgemein ausgeschlossen gewesen, wenn dies eine konkrete Vorschrift für die Umwandlungserklärung ausdrücklich vorgesehen hätte.

(2)

Die - nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten erklärte - Umwandlung ist nach §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO anfechtbar.

(a)

Gegenstand der Anfechtung im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 8. Juli 2008. Unter dem Begriff der Rechtshandlung ist jede bewusste Willensbetätigung zu verstehen, die eine rechtliche Wirkung auslöst (Kirchhof, in: Münchener Kommentar, InsO, 2. Aufl., § 129 InsO Rn. 7). Ein solches Verhalten ist hier in der Ausübung des Rechts des Insolvenzschuldners aus § 173 VVG a.F. oder § 167 VVG n.F. durch sein Schreiben vom 6. Mai 2008 zu sehen (Bl. 39 Band I d.A.).

(b)

Jene Rechtshandlung hat die Gläubiger des Insolvenzschuldners gemäß § 129 Abs. 1 InsO objektiv benachteiligt. Eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger liegt vor, wenn die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Rechtshandlung verkürzt wird, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Dies ist bei einer Verkürzung der Aktivmasse oder einer Vermehrung der Schuldenmasse anzunehmen, die den Gläubigerzugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert (BGH, ZIP 2010, 2009).

Nach diesen Maßstäben ist hier eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten. Durch die Unpfändbarkeit des Rückkaufswertes der bereits angesammelten Lebensversicherungsbeiträge nach § 851 c Abs. 2 ZPO ist es zu einer Verringerung der massezugehörigen Aktiva des Insolvenzschuldners gekommen. Es liegt auf der Hand, dass hierfür die Umwandlungserklärung des Insolvenzschuldners vom 6. Mai 2008 ursächlich war. Dabei ist es unerheblich, dass jener Gegenstand - Rückkaufwert - weiter zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehört, denn vom Masseschutz nach §§ 129 ff. InsO ist nur das pfändbare Vermögen umfasst, das dem Insolvenzbeschlag gemäß §§ 35 f. InsO unterliegt. Es macht deshalb keinen Unterschied, ob der Gegenstand aus dem pfändbaren Vermögen des Insolvenzschuldners in das Vermögen eines Dritten oder in den - rechtlich gesondert zu betrachtenden - unpfändbaren Teil des Vermögens des Insolvenzschuldners gelangt ist.

Der Rückkaufwert ist nicht etwa wegen § 167 VVG oder § 173 VVG a.F. so anzusehen, als sei er von jeher kein vollwertiger Teil des pfändbaren Vermögens gewesen, weil er jederzeit durch einfache Erklärung des Insolvenzschuldners aus diesem Vermögen ausgeschieden werden kann, so allerdings vertreten von Henning (VIA 2009, 17). Wäre hiervon auszugehen, wäre die Umwandlungserklärung nicht gläubigerbenachteiligend gewesen, weil der Rückkaufwert der Rentenversicherung auch vor der Umwandlung des Versicherungsverhältnisses schon nicht dem Zugriff der Insolvenzgläubiger offen gestanden hätte. Richtigerweise unterliegt der Rückkaufwert einer einschlägigen Lebensversicherung vor der Erklärung der Umwandlung nach § 167 VVG n.F. oder § 173 VVG a.F. aber zweifellos der Pfändung, und zwar ohne besondere Einschränkungen. Zudem kann allgemein jeder Vermögensgegen-stand grundsätzlich jederzeit durch Rechtshandlung des Schuldners, insbesondere Veräußerung, aus dem pfändbaren Vermögen entfernt werden, ohne dass dies Zweifel an der Zugehörigkeit zum pfändbaren, durch §§ 129 ff. InsO geschützten Vermögen des Insolvenzschuldners erweckt. Vielmehr liegt der Zweck der §§ 129 ff. InsO gerade darin, solche Vermögensverluste wieder rückgängig zu machen. Insofern sehen die einschlägigen Vorschriften der § 851 c ZPO, § 167 ZPO und § 36 InsO auch keine generelle Vorwirkung vor. Überdies geben die Gesetzesmaterialien des zugrunde liegenden Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge keinen Anlass für die Annahme, dass eine solche Rentenversicherung einer solchen potentiellen Unpfändbarkeit unterliege.

(c) Der Beklagte handelte bei der Umwandlungserklärung vom 6. Mai 2008 auch mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung zu prüfen (BGH ZIP 2009, 1966). Dabei genügt es, dass sich der Schuldner die Benachteiligung der anderen Gläubiger als möglich vorstellte, sie aber billigend in Kauf nahm, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von der Rechtshandlung abhalten zu lassen (BGH, NJW 2003, 3347). Daran bestehen hier keine Zweifel. Schon in dem Anschreiben des Beklagten an die Z. vom 6. Mai 2008 teilte er mit, dass er den Rückkaufwert der Rentenversicherung dem Zugriff seiner Gläubiger entziehen wollte.

(d)

Dass hier kein anderes Rechtssubjekt als Anfechtungsgegner, also als "anderer Teil" im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO, vorhanden ist, spielt keine Rolle. Die Z. kommt insoweit nicht in Betracht, weil ihr der fragliche Gegenstand nicht zugeflossen ist. Ist es für eine Gläubigerbenachteiligung ausreichend, dass es zu einer Vermögensverschiebung dergestalt kommt, dass der Gegenstand vom pfändbaren ins unpfändbare Vermögen des Insolvenzschuldners überführt wird, bedarf es keines externen "weiteren Teils". Dann stehen sich der Träger des pfändbaren, abgebenden und der Träger des unpfändbaren, begünstigten Teils des Vermögens in der Person des Insolvenzschuldners selbst gegenüber.

(e)

Rechtsfolge der Anfechtung ist gemäß § 143 Abs. 1 InsO die Rückgewähr, und zwar hier in der Weise, dass sich der Insolvenzschuldner so behandeln lassen muss, als sei der Rückkaufwert der Versicherung pfändbar und somit Teil der von der Klägerin verwalteten Insolvenzmasse. Hieraus folgt ein Anspruch der Insolvenzverwalterin gemäß § 148 Abs. 1 InsO auf Herausgabe derjenigen Urkunde, die die Rechte des Insolvenzschuldners gegen die Versicherung verbrieft, somit auf Herausgabe des streitgegenständlichen Versicherungsscheins der Z. .

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Streitwertentscheidung hat ihre Grundlage in den §§ 3 ZPO, 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG. Dabei bemisst sich der Wert an dem Interesse der Klägerin an der Verfügungsgewalt bzw. dem Besitz und der damit verbundenen Verwendung über den Versicherungsschein, begrenzt durch den Wert des ausgewiesenen Rechts (Heinrich, in: Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 3 Ziffer 6 Stichwort Herausgabe). Der in diesem Streitverfahren herausverlangte Versicherungsschein bezieht sich auf eine Rentenversicherung, die derzeit einen Rückkaufwert in Höhe von 16.827,59 € besitzt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der in § 543 Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllt ist. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine höchstrichterliche Entscheidung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 erste Alternative ZPO). Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 zweite Alternative ZPO).