VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.09.1999 - 3 S 3/99
Fundstelle
openJur 2013, 11156
  • Rkr:

1. Zur Vereinbarkeit eines in einem Mischgebiet gelegenen Mühlenbetriebs mit einer neu geplanten sich unmittelbar anschließenden Wohnbebauung in einem allgemeinen Wohngebiet bei einem Abstand von ca 10 m (hier: verneint).

2. Die Anordnung von passiven Schallschutzmaßnahmen in Form einer vollständigen Fremdbelüftung (Klimaanlage) wegen des von einer Mühle ausgehenden Betriebslärms für Wohngebäude ist in einem allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig.

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan "Ehrlichweg" im Ortsteil Eggenstein der Antragsgegnerin vom 17.10.1996.

Der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans umfaßt die am westlichen Ortsrand des Ortsteils Eggenstein gelegenen Grundstücke zwischen Kirchenstraße im Süden und Ankerberg im Norden sowie zwischen Ehrlichweg im Westen und den Grundstücken an der Schlossergasse sowie der Hauptstraße im Osten.

Der Planbereich von ca. 1,5 ha Größe setzt sich aus (früherem) Gartenland und Teilen des Mühlenareals zusammen. Ziel der Planung ist es, die von Bebauung umgebenen Gartenflächen einer Wohnnutzung zuzuführen und den bebauten Ortsbereich zu arrondieren.

Die am südlichen Rand des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans gelegenen Grundstücke der Antragstellerin (Flst.-Nr. 113 und Flst.-Nr. 114) sind mit der zur Mühle gehörenden Siloanlage bebaut. Südlich daran grenzen - außerhalb des Plangebiets - die Mühle und das Wohnhaus der Antragstellerin K-straße X an. Die im Plangebiet gelegene Siloanlage besteht im wesentlichen aus einem nach den Angaben der Antragstellerin ca. 24 m hohen Silolager und einem Trockenraum. Dieser Bereich ist im Bebauungsplan als Mischgebiet ausgewiesen, für den westlich und nordwestlich unmittelbar angrenzenden bisher unbebauten Planbereich ist ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Als passive Schallschutzmaßnahmen wurden unter Ziffer II Nr. 10 der Festsetzungen des Bebauungsplans in Verbindung mit einer Anlage 1 für fünf Gebäude, die in einer Entfernung von 10-25 m zum Mühlenbetrieb liegen, Fremdbelüftung an jeweils mindestens zwei Gebäudeseiten und an drei Gebäuden vollständige Fremdbelüftung angeordnet.

Im Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands Karlsruhe ist das Plangebiet als allgemeines Wohngebiet und als dörfliches Mischgebiet dargestellt.

Dem angefochtenen Bebauungsplan liegt im wesentlichen folgendes Verfahren zugrunde:

Am 30.8.1994 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans. Nach Durchführung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung wurde der Planentwurf in der Zeit vom 21.8.1995 bis zum 22.9.1995 öffentlich ausgelegt.

Die Antragstellerin erhob gegen den Entwurf Einwendungen. Sie brachte vor: Der bestehende Bestandsschutz des gewerblichen Betriebs sei in keiner Weise berücksichtigt. Die Einhaltung von ausreichend großen Abständen sei möglich und geboten. Es werde auf den Abstandserlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 25.7.1974 für das Land Nordrhein-Westfalen hingewiesen. Für Mühlenbetriebe sei danach ein Abstand zur Wohnbebauung von 200 m erforderlich. Diese Abstandsliste verdeutliche die Anforderungen, die an eine verhältnismäßige Planung und Festlegung von Baugebieten, in deren Nachbarschaft sich Gewerbetreibende befänden, zu stellen seien. Die jetzt vorgesehene Wohnbebauung halte zu dem Mühlenbetrieb sowie zu dem Getreidesilo nur wenige Meter Abstand ein und trage den Planungsleitsätzen nicht im geringsten Rechnung. Das Silo weise einschließlich der Anböschung eine Höhe von insgesamt 23,90 m auf, woraus folge, daß im Falle einer Bebauung wie vorgesehen, die Wohnbebauung voll umfänglich durch das Silo beschattet würde, einmal abgesehen von den weiteren, bereits geschilderten Immissionen, die auf dieses Grundstück einwirkten.

Die Antragsgegnerin ließ den Bebauungsplanentwurf überarbeiten und holte ein schalltechnisches Gutachten ein, das unter dem 12.8.1996 erstattet wurde. Der Antragsgegnerin lag bereits eine schalltechnische Untersuchung zum Bebauungsplan vom 23.2.1987 vor. Im schalltechnischen Gutachten vom 12.8.1996 wurden für den eigentlichen Mühlenbetrieb an einem Meßpunkt in 1,50 m Höhe über Gelände und 13,00 m Abstand zum Mühlengebäude eine Lärmimmission in Höhe von 54 dB(A) errechnet. Für den Bereich des Trockenturms wurde bei gleicher Höhe in einem Abstand von 25 m eine Lärmimmission in Höhe von 65,5 dB(A) ermittelt. Als Schalleistungspegel wurde für den Mühlenbetrieb 85 dB(A) und für den Trockenturmbetrieb 103,6 dB(A) festgestellt. Für den Standort 1 (Baufeld am südwestlichen Rand des Plangebiets) wurde ein Beurteilungspegel von 52 dB(A) errechnet. Im Gutachten ist hierzu u.a. ausgeführt, daß mit Ausnahme des Immissionsortes 1 tags der Richtwert von 55 dB(A) eingehalten bzw. ganz erheblich unterschritten werde. Anders stelle sich die Situation im Zeitraum von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr dar. In diesem Zeitraum werde zusätzlich zur Mühle noch der Trockenturm in Betrieb genommen, dessen Lärmemissionen maßgeblich die Situation beeinflußten. Auch nach Abschalten der Betriebseinheit Mühle um 20.30 Uhr werde im Nahbereich des Betriebsgeländes der Richtwert von 55 dB(A) aufgrund des Trockenturmbetriebs ganz erheblich und im entfernteren Umfeld immer noch deutlich überschritten. Noch ungünstiger stelle sich die Situation für den Beurteilungszeitraum nachts dar. Hier werde zur Beurteilung die lauteste Nachtstunde von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr herangezogen. Eine Überschreitung des für die Nacht gültigen Richtwertes von 40 dB(A) sei sehr deutlich. Aufgrund der sowohl saisonal, als auch tageszeitlich nur begrenzt vorliegenden Lärmbelastung werde empfohlen, den Schallschutz auf die entsprechende Dimensionierung der Außenbauteile der Gebäude des Wohngebiets zu beschränken. Darüber hinaus werde empfohlen, lärmempfindliche Raumnutzungen (Schlafräume und Kinderzimmer) an den dem Mühlenbetrieb abgewandten Gebäudeseiten anzuordnen und an allen Gebäuden, an denen die rechnerisch erforderliche Schallschutzklasse nachts über SSK 1 liege, an den dem Mühlenbetrieb zugewandten Gebäudeseiten Fremdbelüftungen anzuordnen. Für die Anwesen 1, 2 und 4 gelte dies aufgrund der zu erwartenden starken Reflektionen auch für die abgewandten Gebäudeseiten. Die für die einzelnen Gebäudeseiten jeweils rechnerisch erforderlichen Schallschutzklassen könnten dem Lageplan in der Anlage entnommen werden.

Der Antragsgegnerin lagen daneben zwei Gutachten des Sachverständigen Dr. R. vom 15.3.1991 und vom 27.11.1991 über die Gefahr von Staubexplosionen und Bränden in der Siloanlage bzw. der Mühle vor. In diesen Gutachten heißt es, die Gefahr von Staubexplosionen oder von Bränden in der Siloanlage bzw. der Mühle bei nicht kontinuierlichem Betrieb sei zwar gering, könne aber nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Gefahr von Bränden sei aufgrund der technischen Gestaltung der Anlage größer als die von Staubexplosionen. Sofern nicht ein ausreichender Abstand zu den betreffenden Anlagen eingehalten sei, könnten im Falle einer solchen Explosion oder eines Brandes Gebäude, die in unmittelbarer Nähe errichtet seien, gefährdet werden. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Karlsruhe hatte im Rahmen der früheren Planungen mit Schreiben vom 1.2.1993 zum Brand- und Explosionsrisiko der Mühle ausgeführt, daß eine 100%ige Sicherheit der Beeinträchtigungen des Plangebiets im Brand- und Explosionsfall wohl nicht erreichbar sei. Es war der Ansicht, daß die von dem Sachverständigen vorgeschlagenen und vom Mühlenbetreiber weitgehend realisierten Sicherheitsvorkehrungen geeignet seien, die Wahrscheinlichkeit eines Schadenfalls auf ein äußerst geringes Maß zu reduzieren. Der Sachverständige des TÜV Südwest hat mit Schreiben vom 10.4.1995 erklärt, daß bei ordnungsgemäßem Betrieb des Getreidesilos das Restrisiko für die weitere Umgebung vernachlässigbar gering erscheine und daß gegen den Bebauungsplan aus seiner Sicht keine Bedenken bestünden.

In dem neuen überarbeiteten Planentwurf wurden sodann ergänzende Festsetzungen zum Schallschutz gemäß Ziffer II. Nr. 10 getroffen sowie die überbaubaren Flächen u.a. in der Nähe des Mühlenbetriebs und des Wendehammers geändert. Ferner wurden auf Anregung betroffener Eigentümer u.a. verschiedene Baufenster geändert.

Der so geänderte Planentwurf wurde nicht mehr ausgelegt, weder den Trägern öffentlicher Belange noch den Eigentümern der betroffenen Grundstücke wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. In seiner geänderten Fassung wurde der Bebauungsplan vom Gemeinderat der Antragsgegnerin am 17.10.1996 als Satzung beschlossen.

Nach Durchführung des Anzeigeverfahrens erfolgte am 6.6.1997 die öffentliche Bekanntmachung im Gemeindeblatt der Antragsgegnerin.

Die Antragsteller haben am 31.7.1997 das vorliegende Normenkontrollverfahren eingeleitet. Sie bringen vor: Sie seien nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie Eigentümer von Grundstücken im Planbereich seien und ihre rechtlich geschützten Interessen als Gewerbetreibende bei der Abwägung zu berücksichtigen waren. Es bestünden berechtigte Befürchtungen, daß im Falle der Errichtung von Wohngebäuden in unmittelbarer Nachbarschaft zur Mühle wegen der von der Mühle ausgehenden Beeinträchtigungen, Belästigungen und Emissionen von den Nachbarn Auflagen oder Einschränkungen für den Mühlenbetrieb erwirkt werden könnten.

Der Plan sei wegen formeller und materieller Fehler nichtig. Er verstoße zunächst gegen § 3 Abs. 2 BauGB, weil der ursprüngliche Entwurf nach der Offenlage aufgrund des Lärmgutachtens vom August 1996 über die vom Mühlenbetrieb ausgehenden Lärmemissionen ohne erneute Auslegung geändert worden sei. Eine solche Auslegung sei aber erforderlich gewesen, weil die vorgenommenen Änderungen erheblich in die bautechnische und planerische Gestaltung der Gebäude eingriffen. Zumindest hätte sowohl den betroffenen Grundstückseigentümern als auch ihnen selbst und den Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müssen.

Die Planung weise auch erhebliche Abwägungsfehler auf. Zunächst verstoße der Bebauungsplan gegen das Gebot der Rücksichtnahme und den planungsrechtlichen Grundsatz, daß Wohnbebauung und immissionsträchtige gewerbliche Nutzung räumlich zu trennen seien, weil bereits im Abstand von rund 8,00 m zum Mühlenbetrieb die Wohnbebauung beginne. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen § 50 BImSchG, da angesichts der von der Mühle ausgehenden Lärm- und Staubbelästigungen ein ausreichend großer Abstand zwischen ihr und der Wohnbebauung einzuhalten gewesen wäre. Der Abstandserlaß sehe für Mühlenbetriebe einen Abstand von 200 m zur Wohnbebauung vor. Darüber hinaus sei weder der Bestandsschutz ihrer Mühle berücksichtigt worden, noch die Tatsache, daß der Mühlenkomplex als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz stehe. Die Richtigkeit der schalltechnischen Untersuchung vom August 1996 werde bestritten. Das Gutachten gehe bereits von falschen Voraussetzungen aus und besitze deshalb keine Aussagekraft. Es liefere lediglich Meßdaten über die Getreideernte im Juli und berücksichtige in keiner Weise die Lärm- und Staubimmissionen während der Maisernte im Oktober. Außerdem seien die zugrunde gelegten Laufzeiten der Mühle unzutreffend. Die Mühle laufe nicht nur während der Erntezeit, sondern über das gesamte Jahr hinweg, da der Mühlenbetrieb von den Erntezeiten nicht abhängig sei. Lediglich die Getreidetrocknung beschränke sich auf die Erntezeiten, laufe aber auch hier länger, als im Gutachten angenommen. Ferner basiere das Gutachten auf nicht repräsentativen Meßwerten, die am 24.6.1986 während des Betriebs der Mühle und am 31.6.1986 während des Betriebs des Trockenturms gewonnen und zudem durch Rückrechnung neu ermittelt worden seien. Schließlich sei unberücksichtigt geblieben, daß der Mühlenbetrieb in weit größerem Umfang ausgelastet werden könne, als zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Die Antragstellerin beantragt,

der Bebauungsplan "Ehrlichweg" der Antragsgegnerin vom 17.10.1996 für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hält den Antrag bereits für unzulässig. Der Bebauungsplan verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Der Mühlenbetrieb genieße hinsichtlich der Staub- und Lärmimmissionen Bestandsschutz. Die Befürchtung der Antragstellerin, daß aus Klagen oder Beschwerden der Nachbarn Auflagen, Verpflichtungen oder Einschränkungen für den Mühlenbetrieb resultieren könnten, sei nicht geeignet, eine Rechtsverletzung zu begründen. Das Risiko einer Klage bestehe schon jetzt aufgrund der existierenden angrenzenden Wohnhäuser. Ihren Bedenken sei dadurch Rechnung getragen, daß die im Plangebiet liegenden Bebauungen durch technische Maßnahmen vor den befürchteten Immissionen geschützt seien.

Der Antragstellerin fehle ferner das Rechtsschutzbedürfnis. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. R. bestehe eine Gefährdung der Nachbargebäude der Mühle infolge von Staubexplosionen im Getreidesilo. Aufgrund der Gefahr einer Staubexplosion für die bereits vorhandene Wohnbebauung entfalle ein Bestandsschutz der Mühle. Der Betrieb der Mühle sei einzustellen. Mit der Stillegung des Mühlenbetriebs werde aber das Rechtsschutzinteresse der Antragsteller entfallen.

Ein Verfahrensfehler liege nicht vor. Da die Änderungen des Bebauungsplans nur Schutzmaßnahmen an einzelnen Gebäuden vorsähen ohne in die Gesamtplanung einzugreifen, seien die Grundzüge der Planung nicht betroffen, weshalb von einer erneuten öffentlichen Auslegung habe abgesehen werden können. Eine erneute Anhörung der Antragstellerin sei schon deswegen nicht erforderlich gewesen, weil sie nicht Eigentümerin der betroffenen Grundstücke sei. Im übrigen könne die von der Antragstellerin unaufgefordert abgegebene Stellungnahme als ausreichende Anhörung gewertet werden. Schließlich sei auch eine weitere Anhörung der Träger öffentlicher Belange entbehrlich gewesen, da die Änderungen diese nicht tangiert hätten.

Das Abwägungsgebot sei nicht verletzt worden. Die Umgebung der Mühle sei durch die vorhandene Wohnbebauung geprägt. Es gebe bereits Wohngebäude, die dem Mühlenbetrieb näher lägen als die im Bebauungsplan vorgesehenen Wohngebäude. Somit sei nicht ersichtlich, weshalb die weitere allgemeine Wohnbebauung dem Gesamtcharakter des Gebiets widersprechen und eine unzumutbare Beschränkung des bestehenden Mühlenbetriebs bedeuten solle. Aufgrund des Bestandsschutzes könne die Mühle durch die weitere Wohnbebauung nicht tangiert werden. § 50 BImSchG sei im vorliegenden Fall nicht verletzt, weil diese Vorschrift im Abwägungsvorgang den Belangen des Immissionsschutzes zwar ein besonderes Gewicht, jedoch keinen generellen Vorrang verleihe. Den Bedenken der Antragstellerin sei durch die passiven Schallschutzmaßnahmen an den Wohnhäusern Rechnung getragen worden. Der Abstandserlaß Nordrhein-Westfalen hingegen sei schon wegen des Bestandsschutzes der Mühle ohne Belang und gelte ohnehin in Baden-Württemberg nicht als verbindliche Rechtsvorschrift, sondern nur als Auslegungshilfe. Des weiteren sei es auch nicht richtig, daß das Silo des Mühlenbetriebs wegen seiner Höhe die Wohngebäude vollumfänglich beschatte. Das schalltechnische Gutachten sei inhaltlich richtig und beruhe im übrigen auf den Angaben des Mühlenbetreibers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des gegenseitigen Vorbringens wird auf die Bebauungsplanakten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Der Antrag ist zulässig und begründet.

I. Die Antragstellerin ist gemäß § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Danach kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragstellerin beruft sich auf ihr Eigentum an Grundstücken im Planbereich, ihre Interessen als Gewerbetreibende sowie auf eine mögliche Verletzung des in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltenen Abwägungsgebots. In der Abwägung war hier von der Antragsgegnerin insbesondere zu berücksichtigen, daß von der Mühle der Antragstellerin Lärm- und Staubemissionen ausgehen und es deshalb zu künftigen Konflikten mit der geplanten unmittelbar benachbarten Wohnbebauung kommen kann. An der Antragsbefugnis bestehen deshalb keine Zweifel.

II. Das von der Antragsgegnerin weiter in Frage gestellte Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, daß der Mühlenbetrieb der Antragstellerin wegen der mit ihm verbundenen Staubexplosionsgefahr ohnehin stillzulegen sei. Diese Behauptung ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ohne Substanz.

III. a) Der Bebauungsplan leidet bereits an einem formalen Mangel, der in einem ergänzenden Verfahren allerdings behoben werden könnte. Die Antragsgegnerin hat trotz der für den Plan wesentlichen Änderung durch Aufnahme der passiven Schallschutzmaßnahmen und weiterer Änderungen weder eine erneute Auslegung vorgenommen noch überhaupt das vereinfachte Verfahren durchgeführt. Dies bedarf allerdings keiner weiteren Vertiefung, da der Bebauungsplan aus anderen materiellen Gründen für nichtig zu erklären ist.

b) Der Bebauungsplan leidet an einem Abwägungsfehler. Die von der Gemeinde bei der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans gemäß § 1 Abs. 6 BauGB vorzunehmende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ist nach ständiger Rechtsprechung (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 12.12.1969, BVerwGE 34, 301, 309; s. ferner BVerwG, Urteil vom 5.7.1974, BVerwGE 45, 309, 314) gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belange in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufenen Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.

Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bebauungsplan maßgebend. Mängel im Abwägungsvorgang sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind (§ 214 Abs. 3 BauGB).

Eine ordnungsgemäße Abwägung setzt als erstes voraus, daß alle maßgeblichen Gesichtspunkte in den Abwägungsprozeß eingestellt werden und der Gemeinderat von einem zutreffenden Sachverhalt ausgeht. Die Ermittlung der abwägungsrelevanten Gesichtspunkte erfordert bei der Überplanung eines teilweise bereits bebauten Gebiets eine sorgfältige Bestandsaufnahme des vorhandenen Betriebs, insbesondere seines Emissionsverhaltens (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.3.1993, UPR 1993, 349). Dieser allgemeine Grundsatz erlangt bei der Überplanung eines vorhandenen Gewerbebetriebs in der Nachbarschaft einer geplanten Wohnnutzung besondere Bedeutung. Das ergibt sich daraus, daß nur auf der Grundlage gesicherten Tatsachenmaterials der Plangeber darüber entscheiden kann, auf welche Weise schädliche Einwirkungen von bestehenden Immissionsquellen auf das zu beplanende Gebiet soweit wie möglich vermieden werden können (vgl. § 50 BImSchG). Denn je nach Art und Umfang der von einem solchen Betrieb ausgehenden Staub-, Geräusch- und Geruchsimmissionen und der örtlichen Verhältnisse (wie z.B. Hauptwindrichtung, Geländeverlauf, Entfernung zur Wohnbebauung) sowie der Explosionsgefahr können Belästigungen und Störungen entstehen, die mit der Forderung nach gesundem Wohnen unvereinbar oder aus sonstigen Gründen unzumutbar sind. Die entsprechenden Feststellungen erfordern wegen der üblicherweise fehlenden Sachkunde des Plangebers regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um so eine hinreichende Grundlage für die von ihm zu treffende Planungsentscheidung zu erhalten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.11.1988, NVwZ 1988, 674, 675).

aa) Der Gemeinderat der Antragsgegnerin hat aber - anders als über die Schallimmissionen und die Explosionsgefahr - kein Gutachten über die von dem Betrieb der Antragstellerin ausgehenden Staubemissionen eingeholt und damit das Abwägungsmaterial insoweit nicht ordnungsgemäß aufbereitet. In der Begründung des Bebauungsplans bzw. der Sitzungsvorlage zu dem Satzungsbeschluß heißt es lediglich: "Die Staubemissionen sind bei ordnungsgemäßem Betrieb nach langjähriger Beobachtung im Gebiet verträglich". Im Dunkeln bleibt, wer diese Bewertung getroffen hat und ob überhaupt hierzu gezielt Ermittlungen angestellt wurden. Im Widerspruch zu dieser Stellungnahme steht, daß der frühere Antragsteller zu 1 sich im Rahmen der Planungen mit dem Argument gegen eine Lärmschutzwand gewandt hat (Schriftsatz vom 5.12.1996), durch diese würde der freie Abzug des Staubs aus seinem Betrieb auf die umliegenden Felder beeinträchtigt. In der mündlichen Verhandlung legte der Vertreter des Gewerbeaufsichtsamts Karlsruhe näher dar, daß die Staubentwicklung bei der Getreideanlieferung für die umliegenden Wohngebäude ein ernstes Problem darstelle und Schutzvorkehrungen gegen die Staubentwicklung notwendig seien.

bb) Die Antragsgegnerin hat bei der Aufstellung des Bebauungsplans weiter die Anforderungen an die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung verkannt und fehlerhaft abgewogen. Sie hat trotz einer von dem Betrieb der Antragsteller ausgehenden Staubexplosions- oder Brandgefahr nur unzureichende Sicherheitsabstände zwischen der Mühle und der nächsten Wohnbebauung vorgesehen. Zwei der geplanten Wohnhäuser sind von der Siloanlage der Antragstellerin nur ca. 10 bzw. 25 m entfernt. In seinem Gutachten vom 27.11.1991 (S. 3) hat der Sachverständige Dr. R. ausgeführt, daß zwischen explosions- bzw. brandgefährdeten Betrieben in der Art der von der Antragstellerin betriebenen Mühle und der nächsten Wohnbebauung üblicherweise ein Sicherheitsabstand von 30 m eingehalten wird (Ergänzungsgutachten vom 27.11.1991, S. 3) Dieser ist im vorliegenden Fall deutlich unterschritten. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige bestätigt, daß ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen an der Mühle ein Abstand zu den Wohnhäusern von 30 m erforderlich sei. Das Explosionsrisiko bestehe während des Betriebs, nehme also mit der Länge der Betriebsdauer entsprechend zu. Der Vertreter des Gewerbeaufsichtsamts bezeichnete den vom Sachverständigen Dr. R. genannten Mindestabstand ebenfalls als unverzichtbar. Nach den Ausführungen des Sachverständigen breitet sich der Explosionsdruck bzw. eine Explosionsflamme aufgrund der Konstruktion des Silos unter anderem nach Westen, d.h. in Richtung des geplanten Wohngebiets aus. In einer Entfernung von ca. 10 m, in der laut Bebauungsplan das nächste Wohnhaus geplant ist, kann nach Angabe des Gutachters bei einer Explosion noch mit ca. 60% des Ausgangsdrucks gerechnet werden. Zwar bezeichnet der Sachverständige die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens als sehr gering, dennoch durfte die Antragsgegnerin auch diese geringe Gefahr nicht gänzlich vernachlässigen. Im Falle eines Explosionsereignisses bestehen nämlich durch herumfliegende Gebäudeteile und Glassplitter (durch Fensterbruch) erhebliche Gefahren für Gesundheit und Leben der angrenzenden Wohnbevölkerung sowie für Sachwerte (hohe Gebäudeschäden). Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts kann aber um so geringer zu sein, je höher die in diesem Fall drohenden Rechtsgutverletzungen sind. Im Falle einer Explosion sind höchstrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit gefährdet. Deshalb ist bei einer Neuplanung von Wohngebieten dafür Sorge zu tragen, daß - auch geringe - Gefährdungen dieser Rechtsgüter vermieden werden. Dies aber wäre nach den sachverständigen Äußerungen erst dann anzunehmen, wenn die in einem Umkreis von 30 m westlich von dem Betrieb der Antragstellerin liegenden Flächen von einer Wohnbebauung freigehalten werden. Dies wäre im übrigen auch ohne weiteres möglich.

cc) Ein Abwägungsfehler liegt schließlich in der mangelhaften Bewältigung des Konflikts zwischen der Wohnbebauung und den vom Mühlenbetrieb ausgehenden Lärmemissionen. Das schalltechnische Gutachten hat für das dem Mühlenbetrieb nächstgelegene Grundstück (Immissionsort 1) einen Beurteilungspegel von 52 dB(A) ermittelt. Dementsprechend wird im Lärmgutachten ausgeführt, daß die Ergebnisse der Berechnungen zeigten, daß mit Ausnahme des Immissionsortes 1 tags der Richtwert in Höhe von 55 dB(A) eingehalten bzw. ganz erheblich unterschritten werde. Am Immissionsort 1 werde der Tagesrichtwert in Höhe von 55 dB(A) im Ruhezeitraum von 6.00 Uhr bis 7.00 Uhr geringfügig und im Zeitraum von 19.00 Uhr bis 20.00 Uhr etwas stärker überschritten, in der Zeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr werde auch hier der Richtwert eingehalten. Anders stelle sich die Situation im Zeitraum von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr dar. In diesem Zeitraum werde zusätzlich zur Mühle noch der Trockenturm in Betrieb genommen, dessen Lärmimmissionen maßgeblich die Situation beeinflußten. Auch nach Abschalten der Betriebseinheit Mühle um 20.30 Uhr werde im Nahbereich zum Betriebsgelände der Richtwert von 55 dB(A) aufgrund des Trockenturmbetriebs ganz erheblich und im entfernteren Umfeld immer noch deutlich überschritten. Noch ungünstiger stelle sich die Situation für den Beurteilungszeitraum Nacht dar, da hier zur Beurteilung die lauteste Stunde von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr herangezogen worden sei. Eine Überschreitung des für die Nacht gültigen Richtwerts von 40 dB(A) sei sehr deutlich gegeben.

Die entsprechend dem Vorschlag des Lärmgutachtens aufgenommenen Schallschutzmaßnahmen halten unter Abwägungsgesichtspunkten einer Überprüfung nicht stand. Die Antragsgegnerin sah von der Anordnung aktiver Schallschutzmaßnahmen am Betrieb der Mühle selbst sowie von der Errichtung einer Lärmschutzwand zwischen dem Mühlenbetrieb und dem beplanten Gebiet ab. Die hingegen angeordneten passiven Schallschutzmaßnahmen für die betroffenen acht Gebäude bedeuten eine erhebliche Einbuße an Wohnqualität und widersprechen den Anforderungen an gesundes Wohnen. Das gilt insbesondere für die festgesetzte vollständige Fremdbelüftung. Diese bedeutet nämlich, daß bei den betroffenen Wohngebäuden keine öffnungsfähigen Fenster eingebaut werden dürfen. Die Belüftung muß m.a.W. durch eine Klimaanlage erfolgen. Lärmschutzmaßnahmen dieser Art mögen in gewerblich genutzten Räumen etwa auch Hotels unter anderen planungsrechtlichen Vorzeichen möglich sein, nicht jedoch für Wohnhäuser innerhalb eines neu geplanten allgemeinen Wohngebiets. Hinzu kommt, daß die festgesetzten Maßnahmen allenfalls die Lärmbeeinträchtigungen innerhalb der Räume mindern, aber die außerhalb des Gebäudes vorhandenen Lärmimmissionen im Gartenbereich nicht gesenkt werden können. Daher bleibt die Wohnqualität in unmittelbarer Nähe zum Betrieb der Antragstellerin auch bei Durchführung der passiven Schallschutzmaßnahmen für die betroffenen Gebäude deutlich beeinträchtigt. Die Anordnung der passiven Lärmschutzmaßnahmen ist hier kein geeignetes Mittel, zu einem verträglichen Nebeneinander von Gewerbe und Wohnbebauung zu führen. Dies indiziert auch der bereits erwähnte Abstandserlaß des Landes Nordrhein-Westfalen, der einen Abstand von 200 m vorsieht. Abgesehen davon hat die Antragsgegnerin in der Abwägung auch nicht dargetan, welche vordringlichen Gründe für solch geringe Abstände zur Schallquelle sprechen. Zwar ist auch schon die vorhandene Situation in der Umgebung der Mühle von den Lärmimmissionen beeinflußt, durch die weitere Bebauung des Gebiets wird jedoch die gegebene Konfliktlage noch wesentlich verschärft.

dd) Aufgrund seines Emissionsverhaltens ist der fragliche Bereich des Mühlenbetriebs mit Silolager und Trockenturm - ohne (Lärm-)Schutzmaßnahmen - nicht mischgebietsverträglich. Die Ausweisung als Mischgebiet allein, das als solches neben einem allgemeinen Wohngebiet zulässig ist, gewährleistet noch kein verträgliches Miteinander von Wohnen und Gewerbe. Auch im Mischgebiet dürfen Gewerbebetriebe das Wohnen nicht wesentlich stören. Der Richtwert für ein Mischgebiet von nachts 45 dB(A) wird von dem Mühlenbetrieb vorliegend erheblich überschritten. Da in diesem Fall auch ein Wohngebäude im Mischgebiet liegt und nur wenige Meter von der Mühle bzw. dem Trockenturm entfernt ist, hätten schon deshalb passiver oder aktiver Lärmschutz zugunsten dieses Gebäudes in Erwägung gezogen werden müssen. Dies wurde gänzlich versäumt. Die Antragsgegnerin hatte von vornherein nur Schallschutzmaßnahmen im Hinblick auf die "neue" Wohnbebauung im geplanten allgemeinen Wohngebiet im Auge.

ee) Abgesehen davon hat die Antragsgegnerin das Abwägungsmaterial auch deshalb unzureichend zusammengestellt und damit letztlich auch fehlerhaft gewichtet, weil in dem der Abwägung zugrundeliegenden Schallschutzgutachten die Lärmimmissionen bei der Behandlung von Mais - auch in zeitlicher Hinsicht - nicht berücksichtigt sind. Nach den von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des Vertreters des Gewerbeaufsichtsamt in der mündlichen Verhandlung ist bei dem großkörnigen Mais mit einer höheren Lärmemissionen, nämlich um ca. 3 dB(A), zu rechnen. Die Antragsgegnerin hat darüber hinaus auch nicht die tatsächlichen Betriebszeiten zugrunde gelegt. Die Antragstellerin hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung plausibel dargetan, daß die Betriebszeiten deutlich länger als drei Wochen zur Getreideernte und zwei Wochen zur Maisernte dauern.

Die genannten Mängel sind offenkundig und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen. Eine Behebung der Mängel durch ein ergänzendes Verfahren (§ 215a Abs. 1 BauGB) scheidet vorliegend aus. Die Abwägungsmängel berühren die Grundzüge der Planung bzw. den Kern der Abwägung (vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 8.10.1998 - 4 CN 7.97 -, ZfBR 1999, 107 - und Beschluß vom 10.11.1998 - 4 BN 45.98 -, ZfBR 1999, 106).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.