OLG Koblenz, Beschluss vom 21.07.2005 - 1 Ws 331/05
Fundstelle
openJur 2012, 135715
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen werden der Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 1. April 2005 und der zugrundeliegende Bescheid der Justizvollzugsanstalt Diez vom 22. Juni 2004 aufgehoben.

2. Die Justizvollzugsanstalt Diez wird angewiesen, den Antrag des Strafgefangenen auf Genehmigung eines Fernsehers mit 55 cm Bildschirmdiagonale unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

3. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Gefangenen fallen der Staatskasse zur Last.

4. Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 250 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu sichern.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat sich Strafvollstreckungskammer abermals (siehe bereits 7 StVK 1009/02, 581/02 und 9/01, alle im Rechtsbeschwerdeverfahren aufgehoben) in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des OLG Koblenz (1 Ws 681/03 vom 10.02.2004, 2 Ws 396/01 vom 23.08.2001 und 2 Ws 787/02 vom 4.12.2002; ebenso OLG Zweibrücken 1 Ws 605/00-Vollz) gestellt, wonach es grundsätzlich Sache des Strafgefangenen ist, sich die Ausstattung seines Haftraums bis zur REFA-Listen-Gesamtpunktzahl von 2.400 selbst zusammenzustellen (OLG Koblenz, jeweils aaO.).

Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer reicht es "für die Ablehnung des Erwerbs des beantragten Fernsehers" (mit 55er Bildschirm) nicht aus, "wenn die Antragsgegnerin darauf verweist, dass eine maximale Bildschirmgröße der TV Geräte durch die Vertreter der REFA Gruppe des Ministeriums (auf 39 cm; Erg. d. Sen.) festgelegt worden" sei.

Nach §§ 19, 70 StVollzG darf der Gefangene seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten; Gegenstände, die die Übersichtlichkeit der Zelle behindern, können ausgeschlossen werden. Dass letzteres bei einem Fernseher mit 55 cm-Bildschirm (im Gegensatz zu einem als "unproblematisch" angesehenen 39er-Fernseher) der Fall sei, lässt sich weder der im angefochtenen Beschluss mitgeteilten Argumentation der JVA noch sonstigen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer entnehmen.

Die angefochtene Entscheidung begnügt sich mit dem Hinweis auf eine - ihrem Wortlaut nach rechtsfehlerhaft nicht mitgeteilte - "Festlegung einer maximalen Bildschirmgröße der TV-Geräte durch die Vertreter der REFA-Gruppe des Ministeriums". Das ist zur Darlegung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 StVollzG in Bezug auf das vom Beschwerdeführer beantragte 55er Fernsehgerät nicht ausreichend. Dass ein Fernseher mit 55 cm statt 39 cm Bildschirmdiagonale grundsätzlich die Übersichtlichkeit des Haftraums entscheidend beschränken würde, ist nicht ersichtlich; der Haftraum enthält lt. angefochtenem Beschluss Einrichtungsgegenstände, die wesentlich umfänglicher sind. Im Übrigen erscheint es auch wenig sachgerecht, auf die Bildschirmgröße abzustellen. Wenn es um die Übersichtlichkeit des Haftraums geht, kommt es nicht auf die Bildschirmgröße, sondern auf die Größe des Geräts an. Je nachdem, wie breit oder schmal der den Bildschirm umgebende Rahmen des Geräts ist, braucht ein moderner Fernseher mit 55er Bildschirmdiagonale und einem Rand von nur wenigen Millimetern Stärke nur geringfügig größer zu sein als ein altes, breitrandiges 39 cm-Modell der Jahre 2000 und früher, von dem die 2000er REFA-Liste ausgeht.

Aber auch wenn man unterstellt, dass der vom Beschwerdeführer konkret ins Auge gefasste 55er Fernseher in seinen Ausmaßen einige Zentimeter größer ist als ein solcher mit 39 cm Bildschirm, und wenn weiter davon ausgegangen wird, dass ein Gerät mit solchen Ausmaßen in der REFA-Liste nicht vorgesehen ist (die Liste führt unter Nummer 9.1.1 nur allgemein einen "Fernseher mit Fernbedienung - 13 Punkte" auf, ohne eine Einschränkung bezüglich der Bildschirmgröße zu machen; gemeint sein könnte allerdings in Anbetracht der besagten "Festlegung der REFA-Gruppe" ein 39er Gerät), würde dies nicht ohne weiteres zur Unzulässigkeit des vom Beschwerdeführer gewünschten Geräts führen. Vielmehr wäre dann eine an § 19 Abs. 2 StVollzG ausgerichtete Einzelfallentscheidung zu treffen und der 55er Fernseher, sofern er - unabhängig von der Bildschirmdiagonalen - aufgrund seiner Ausmaße überhaupt einen höheren Kontrollaufwand als das 39er Gerät erfordern sollte, mit einer eigenen, angemessen höheren Punktzahl zu bewerten und dem Gefangenen sodann Gelegenheit zu geben, selbst darüber zu entscheiden, welches Gegenstandes bzw. welcher Gegenstände er sich entledigen will, um sein REFA-Konto von 2.400 Punkten nicht zu überziehen.

Soweit die Strafvollstreckungskammer darauf verweist, der Antragsteller werde durch die Ablehnung des größeren Bildschirms "nicht in unzumutbarer Weise in seinen Rechten tangiert, da sein Interesse an einem größeren Fernseher nicht dem Interesse der Anstalt an der Übersichtlichkeit des Haftraums unter Anwendung des REFA-Punktesystems überwiege", ist dies bereits im Ansatz verfehlt. Dass durch den - bei Auswahl eines dünnrahmigen Gerätes ohnehin nur geringfügig größeren - Geräteumfang das Punktekonto überhaupt überzogen werde und die Übersichtlichkeit des Haftraums leide, hat die Strafvollstreckungskammer nicht festgestellt. Sie hat auch das Recht des Gefangenen, zu Gunsten eines größeren Fernsehers auf einen anderen, der Punktedifferenz entsprechenden Einrichtungsgegenstand zu verzichten (Senat 1 Ws 681/03 vom 10.02.2004 m.w.N.) nicht in ihre Erwägungen einbezogen, sondern ohne weiteres unterstellt, die Bildschirmvergrößerung führe zu einer nicht behebbaren Überziehung der maximalen Summe von 2.400 Punkten. Das ist rechtsfehlerhaft, weil diese Begründung am Sinn und Zweck des REFA-Systems vorbeigeht, den Strafgefangenen im Rahmen des für die Anstalt Verträglichen die Möglichkeit zu geben, ihre Hafträume eigenverantwortlich in einer ihren Wünschen und Vorstellungen entsprechenden Weise zu gestalten bzw. auszustatten (Senat aaO.). Es ist nicht Sinn und Zweck des REFA-Systems, einzelne, unter Sicherheitsaspekten an sich unbedenkliche Gegenstände (hier: Fernseher mit mehr als 39 cm Bildschirmdiagonale) den Gefangenen grundsätzlich vorzuenthalten, indem verwaltungsseitig entsprechende "Festlegungen" getroffen werden, die sodann jedwede individuelle Anwendung des § 19 Abs. 2 StVollzG von vornherein ausschließen (vgl. OLG Zweibrücken bei Matzke, NStZ 01,412,413). Wenn ein Gegenstand, für dessen Besitz - wie hier bei einem 55er Bildschirm-Fernseher - ein berechtigtes Interesse, möglicherweise sogar gesundheitlich bedingtes Bedürfnis nicht von der Hand zu weisen ist, in der REFA-Liste nicht enthalten ist, muss entweder die Liste ergänzt werden oder es ist dem Gegenstand außerhalb der Liste im individuellen Genehmigungsverfahren eine angemessen erhöhte Punktzahl zuzuweisen, die es dem Gefangenen ermöglicht, zwecks Einhaltung des Grenzwertes von 2.400 Punkten auf einen anderen Gegenstand seiner Wahl zu verzichten.

Unabhängig von der ungeklärten Frage, ob die Übersichtlichkeit überhaupt nennenswert beeinträchtigt wird und dies durch Verzicht auf einen anderen Gegenstand behebbar wäre, hätte der Gefangene allerdings keinen Anspruch auf bauliche oder sonstige die Grundausstattung betreffende Haftraumveränderungen, um das gewünschte Gerät aufstellen zu können. Sollte das neue Gerät z.B. nicht auf die für die Fernseheraufstellung bestimmte Konsole passen oder dafür zu schwer sein oder dergleichen, hätte der Gefangene sich damit abzufinden.