KG, Beschluss vom 05.04.2012 - 17 UF 50/12
Fundstelle
openJur 2012, 68266
  • Rkr:

1. Auch wenn Verfahren in bestimmten Kindschaftssachen einem Vorrang- und Beschleunigungsgebot unterliegen und die Möglichkeit besteht, im Anhörungstermin einstweilige Anordnungen zu erlassen (§§ 155, 156 Abs. 1, 3 Satz 1 FamFG), kann im Einzelfall gleichwohl ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts im Sinn von § 49 Abs. 1 FamFG bestehen (Abgrenzung zu OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. September 2010 - 16 WF 189/10 -, FamRB 2011, 42).

2. Wenn die Beteiligten in einem früheren Verfahren eine gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung abgeschlossen haben, ergibt sich der Abänderungsmaßstab hierfür aus § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB und nicht aus den höheren Anforderungen des § 1696 Abs. 1 BGB, solange die Elternvereinbarung nicht zu einer Änderung der Sorgeverhältnisse geführt hat.

3. Soweit der im Verfahren der einstweiligen Anordnung von einem Elternteil vorgebrachte Verdacht des sexuellen Missbrauchs des Kindes durch den anderen Elternteil nach Ausschöpfung aller, im Eilverfahren zulässigerweise zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht geklärt werden kann, ist eine umfassende Risikoabwägung unter Berücksichtigung des Kindeswohls vorzunehmen, wobei es vom Grad der Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der erhobenen Anschuldigungen ankommt, ob eine Sorgeentscheidung zugunsten des betreffenden Elternteils ergehen kann.

4. Der Verfahrensbeistand untersteht nicht der Aufsicht des Gerichts, sondern nimmt seine Aufgaben im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich wahr und deshalb liegt es regelmäßig allein an ihm, zu entscheiden, ob er im Eilverfahren vor dem Anhörungstermin noch einen Hausbesuch macht und mit den Kindern, die er bereits aus mehreren anderen, früheren Verfahren kennt, noch einmal in Kontakt tritt.

Tenor

Auf die Beschwerde der Mutter wird die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 28. Februar 2012 - 124 F 3674/12 - unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen dahingehend abgeändert, dass dem Vater im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für die Kinder B…, geboren am … 2001, F…, geboren am … 2004 und C…, geboren am … 2008, allein übertragen wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Mutter.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde der Mutter richtet sich gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 28. Februar 2012. Mit diesem Beschluss hat das Familiengericht, nach mündlicher Erörterung der Sache, die gemeinsame elterliche Sorge der Beteiligten für die drei, aus ihrer zwischenzeitlich rechtskräftig geschiedenen Ehe aufgehoben und diese antragsgemäß dem Vater allein übertragen. Die Mutter meint, das Familiengericht habe die elterliche Sorge zu Unrecht und in verfahrensfehlerhafter Weise dem Vater übertragen; die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder sei vielmehr allein ihr, hilfsweise einem für die Kinder zu bestellenden Vormund zu übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss und, soweit es um das Beschwerdevorbringen geht, auf die Beschwerdeschrift vom 5. März 2012 und die Schriftsätze vom 12. März, 19. März, 23. März, 26. März sowie vom 27. März (vier Schriftsätze) 2012 - jeweils nebst teilweise umfangreichen Anlagen - Bezug genommen. Der Vater verteidigt den Beschluss; wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 30. März 2012 nebst Anlagen verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde der Mutter ist statthaft (§§ 58 Abs. 1, 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurde das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63 Abs. 2 Nr. 1, 64, 65 FamFG).

2. In der Sache ist das Rechtsmittel nur teilweise, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen erweist es sich als unbegründet und war deshalb zurückzuweisen. Im Einzelnen:

a) Das Familiengericht war berechtigt, auf den entsprechenden Antrag des Vaters im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für die drei, aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe der Eltern hervorgegangenen Kinder zu regeln (§§ 49 Abs. 1, 51 Abs. 1 FamFG). Denn der Antrag des Vaters, die Sorge für die Kinder wenn nicht ganz, so doch jedenfalls teilweise ihm allein zu übertragen, ist nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB gerechtfertigt und das Familiengericht hat auch zu Recht angenommen, dass ein Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass Kindschaftssachen, die - wie hier - den Aufenthalt des Kindes betreffen, vorrangig und beschleunigt durchzuführen sind (§ 155 FamFG) und in dem danach anzusetzenden frühen Erörterungstermin mit den Beteiligten der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erörtern ist, soweit eine Einigung nicht erreicht werden kann (§ 156 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Der vorliegende Fall unterscheidet sich insoweit maßgeblich von der Konstellation, die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Beschluss vom 30. September 2010 - 16 WF 189/10 -, ZFE 2011, 114) zugrunde lag: Der vorliegende Fall ist durch ein bereits aus dem Beschluss des Senats vom 30. November 2010 im Verfahren 17 UF 105/10 bekanntes, hochkonflikthaftes Verhalten der Eltern gekennzeichnet; die wechselseitigen, schwerwiegenden Vorwürfe der Eltern haben dazu geführt, dass die Kinder zunehmend auffälliger wurden und unter dem Elternstreit massiv zu leiden haben. Das wird von beiden Eltern auch eingeräumt: Der Vater hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass durch das Verhalten der Mutter den Kindern irreparable Schäden entstünden (Antragsschrift vom 24. Februar 2012, dort S. 6 und Anlage; I/6, 24). Nichts anderes hat auch die Mutter glaubhaft gemacht; sie trägt insoweit (u.a. Strafanzeige der Mutter vom 26. Februar 2012 gegen den Vater wegen u.a. des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen; I/116ff; eidesstattliche Versicherung der Mutter vom 27. Februar 2012; I/121ff.; eidesstattliche Versicherung von Frau … vom 5. März 2012; I/151f.) vor:

- dass F… psychisch stark belastet sei und unter einer Tic-Störung - Augenzucken - leide;

- dass B… stark übergewichtig sei und in einem solchen Ausmaß gegen F… körperlich aggressiv-gewaltbereit reagiere, dass er nicht mehr ohne Aufsicht mit F… allein in einem Raum bleiben könne; über den Vater äußere er sich verbal aggressiv und unangemessen (“er ist ein Arsch!”: nicht datierte, B… zugeschriebene handschriftliche Äußerung wohl vom 15. Februar 2012 von der Mutter u.a. vorgelegt als Anlage zur Beschwerdeschrift vom 5. März 2012; I/84, 102);

- alle Kinder, gerade aber B… und F…, seien wegen psychischer Auffälligkeiten behandlungsbedürftig;

- der Allgemeinzustand der Kinder sei so schlecht, dass sich eine Cousine der Mutter - Frau …, B… - ohne deren Wissen um eine vollstationäre Behandlung der Kinder im Klinikum B… : Kinder und Jugendmedizin auf einer psychosomatischen Station bemüht habe

Der Verdacht drängt sich auf, dass auch die akute Unterernährung bzw. die Essstörungen, die nach dem glaubhaft gemachten Vortrag der Mutter bei C… bestehen soll (Strafanzeige der Mutter vom 26. Februar 2012 gegen den Vater; I/116ff. sowie ärztliche Bescheinigung Dr.… vom 17. Februar 2012; I/109), möglicherweise auf den Elternstreit zurückzuführen ist. Letztlich bestätigen die Eltern nur die Feststellungen des im Verfahren Amtsgericht S… - 87 F 68/11 - eingeholten Sachverständigengutachtens; der Diplompsychologe … hat dort ausgeführt, der Zustand der beiden Jungen habe sich so verschlechtert, dass beide Kinder mittlerweile therapiebedürftig seien und ihr Wohl gefährdet wäre (Gutachten, S. 189).

Diese Situation schien nach Abschluss der umfassenden, im Verfahren des Amtsgerichts S… - 87 F 68/11 u.a. - familiengerichtlich gebilligten Elternvereinbarung vom 10. November 2011 zunächst beigelegt zu sein. Tatsächlich brach der Elternstreit jedoch unvermittelt in einer nicht geahnten Heftigkeit wieder auf, als die Mutter die drei Kinder am Donnerstag, den 23. Februar 2012 - in einer geraden Kalenderwoche (8. KW) und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kinder sich gemäß der Elternvereinbarung vom 10. November 2011 (Amtsgericht S…, 87 F 68/11 u.a., dort Ziff. 2a; I/12) bei ihr aufhielten - im Klinikum B…, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin vorstellte in der Absicht, sie dort stationär aufnehmen zu lassen, um dadurch einen - angeblichen - Verdacht des sexuellen Missbrauchs durch den Vater nachweisen zu können; C… sollte, nachdem eine erste Untersuchung den geäußerten Verdacht nicht bestätigt hatte, mit Einwilligung der Mutter am Folgetag unter Narkose weiter genital und rektal untersucht werden (eidesstattliche Versicherung des Vaters vom 24. Februar 2012 nebst Arztbericht Klinikum B… vom 23. Februar 2012; I/24, 18 sowie eidesstattliche Versicherung der Mutter vom 27. Februar 2012 und Arztbericht Klinikum B… vom 29. Februar 2012; I/121, 110f., 85f.). Bereits zuvor sollen B… und F…, dem Vortrag der Mutter zufolge, in deren Auto “zusammengebrochen” sein (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 6; I/85). Jedenfalls C… wurde in diesem Zusammenhang massiv instrumentalisiert und zu einem Objekt im Elternstreit herabgewürdigt: Die Mutter fertigte zu zwei Gelegenheiten, am 7. und am 21. Februar 2012 eine Serie von neun farbigen Großaufnahmen des Genitalbereichs des Kindes an in der Absicht, auf diese Weise einen - angeblichen - Missbrauchsverdacht durch Bildaufnahmen untermauern zu können (Anlagenkonvolut K5, 7 zur Beschwerdeschrift; I/126ff.); die Fotos waren wohl auch der Strafanzeige, die sie mit Schreiben vom 26. Februar 2012 gegen den Vater wegen des Verdachts u.a. des sexuellen Missbrauchs erstattet hatte, beigefügt (Anlage zur Beschwerdeschrift; I/119). Hervorzuheben ist allerdings, dass nicht nur die Mutter von den Kindern Bildaufnahmen macht mit dem Ziel, sich diese im Elternstreit nutzbar zu machen, sondern dass beide Eltern in gewisser Weise ähnliche Verhaltensweisen an den Tag legen: Die Mutter berichtet von einem Vorfall vom 19. Dezember 2011, bei dem der Vater die Mutter mit einer Videokamera aufgezeichnet, wohingegen die Mutter ihrerseits einen Konflikt des Vaters mit B… und F… fotografiert haben soll (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 9; I/88).

Bei dieser Sachlage war ein sofortiges familiengerichtliches Tätigwerden geboten; das Kindeswohl - dem in der Sache maßgeblichen Gesichtspunkt für die zu treffende Entscheidung (§ 1697a BGB) - ließ ein Abwarten bis zu einem erst noch anzuberaumenden Termin nach § 155 Abs. 2 FamFG nicht zu. Dies gilt auch deshalb, weil die beiden Jungen, dem Vortrag der Mutter zufolge, bereits einmal in deren PKW “zusammengebrochen” sein sollen und weil der bisherige Verlauf des Elternstreits Anlass zu der begründeten Besorgnis gab, dass die Kinder bis zu einem noch zu bestimmenden Termin weiter instrumentalisiert - etwa durch zusätzliche Fotos oder vergleichbare Maßnahmen - und damit in unangemessener Weise ihrem Wohl zuwider zu Objekten im Streit der Eltern umfunktioniert werden.

Auch die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 156 Abs. 1, 3 Satz 1 FamFG steht der Annahme eines Anordnungsgrundes gemäß § 49 Abs. 1 FamFG nicht entgegen: Abgesehen davon, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung in einem erst anzuberaumenden Termin in der Hauptsache nach dem Gesagten mit dem Kindeswohl nicht in Einklang stünde, war die Herstellung eines Einvernehmens der Eltern von vornherein nicht zu erwarten, weil die Mutter mit der Vorstellung der Kinder im Klinikum B… gegen die Elternvereinbarung vom 10. November 2011 verstieß: Dies einmal im Hinblick darauf, dass die Eltern dort verabredet hatten (Ziff. 1), es bei der gemeinsamen Sorge zu belassen und damit klar war, dass größere medizinische Behandlungen der Kinder oder die Zustimmung zu einer stationären Krankenhausaufnahme - von (hier nicht gegebenen) Akut- bzw. Notfällen abgesehen - nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich sind (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie Palandt/Diederichsen, BGB [71. Aufl. 2012], § 1626 Rn. 10, § 1687 Rn. 7). Zum anderen gilt das aber auch deshalb, weil die Eltern sich in der Vereinbarung ausdrücklich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hatten, wie der im Raum stehende Missbrauchsverdacht abgeklärt werden sollte (Ziff. 5 Abs. 3, 4 der Vereinbarung; I/13). Damit war - jedenfalls dem Sinn der Vereinbarung zufolge - jedes andere, einseitige Vorgehen stillschweigend ausgeschlossen worden.

Der Berechtigung des Familiengerichts, im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge zu regeln, steht schließlich auch nicht das verfassungsrechtliche Gebot entgegen, wonach bei einer einstweiligen Sorgerechtsregelung zu berücksichtigen ist, dass die auf diese Weise eröffnete Möglichkeit der Wahrnehmung der Elternverantwortung eine endgültige Sorgeregelung faktisch erheblich beeinflussen kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juni 2008 - 1 BvR 1265/08 -, FamRZ 2009, 189 [bei juris Rz. 19]; OLG Nürnberg, Beschluss vom 9. September 2010 - 11 WF 972/10 -, NJW-RR 2011, 219 [bei juris Rz. 15]): Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass durch die einstweilige Anordnung im Grunde genommen lediglich die Elternvereinbarung vom 10. November 2011 nachgezeichnet wird; der Lebensmittelpunkt der Kinder wurde dadurch gerade nicht verändert. Mit der angegriffenen Entscheidung erlangt der Vater im Hinblick auf ein Hauptsacheverfahren zur Sorgeregelung daher keine (besonderen) Vorteile; der Lebensmittelpunkt der Kinder war schon bislang bei ihm und hieran hat der angegriffene Beschluss nichts geändert.

b) Das Familiengericht hat die Entscheidung auf der Grundlage des zutreffenden Abänderungsmaßstabes getroffen: Obwohl mit der angegriffenen Entscheidung die im Verfahren des Amtsgerichts S… - 87 F 68/11 u.a. - gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung vom 10. November 2011 geändert wird, hat das Familiengericht seine Entscheidung zu Recht nicht am Maßstab der triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründe nach § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgerichtet, sondern allein auf die (einfache) Kindeswohlprognose entsprechend § 1671 Abs. 2 Satz 1 BGB abgestellt. Das Familiengericht hat insoweit zutreffend erkannt, dass mit der Elternvereinbarung vom 10. November 2011 gerade keine Änderung der Sorgerechtsverhältnisse einherging, sondern dass die Eltern dort - insoweit nur deklaratorisch - einen Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge vereinbart haben. Dass die Eltern in der Vereinbarung weiter festgelegt haben, der Lebensmittelpunkt der Kinder soll im Haushalt des Vaters sein, führt zu keiner anderen Bewertung; mit dieser Festlegung war weder eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts verbunden noch hat das Amtsgericht S… seinerzeit eine entsprechende Regelung - etwa nach §§ 1671 Abs. 2 Nr. 1, 1631 Abs. 1 BGB - über einen Teilbereich der elterliche Sorge getroffen (vgl. insoweit Kammergericht, Beschluss vom 5. September 2008 - 18 UF 83/08 -, ZKJ 2009, 211 [bei juris Rz. 6, 15f.]). Da folglich bis zum Erlass der angegriffenen Entscheidung die bisherigen, kraft Gesetzes (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB) bestehenden Sorgeverhältnisse unverändert fortgalten, handelt es sich um einen erstmaligen gerichtlichen Eingriff in den Sorgestatus, der damit (lediglich) dem Maßstab des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu genügen hat und nicht dem höheren Anforderungen des § 1696 Abs. 1 BGB (vgl. Amtsgericht Ludwigslust, Beschluss vom 23. September 2005 - 5 F 328/04 -, FamRZ 2006, 501 [bei juris Rz. 5] sowie Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis [4. Aufl. 2011], § 3 Rn. 6; Palandt/Diederichsen, BGB [71. Aufl. 2012], § 1696 Rn. 6). Das erscheint auch in der Sache zutreffend; des besonderen Schutzes vor einem beliebigen Wiederaufrollen von Sorgerechtsentscheidungen, der mit der Anhebung des Maßstabes für abändernde Sorgerechtsentscheidungen bezweckt wird, bedarf das Kind nur dann, wenn es bereits zuvor einmal zu einer Änderung im Sorgestatus gekommen ist und nicht, wenn dieser bislang unverändert geblieben war (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB [71. Aufl. 2012], § 1696 Rn. 15).

c) Das Familiengericht hat weiter zutreffend erkannt, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl der gemeinsamen Kinder dient, weil die Eltern - insgesamt betrachtet - nicht mehr in der Lage sind, im Interesse der Kinder miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren. Von der Beschwerde wird denn auch ausdrücklich eingeräumt, dass eine gemeinsame elterliche Sorge - aus Sicht der Mutter: jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - gescheitert ist (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 9; I/88). Dieser Befund wird durch die festgestellten Tatsachen in jeder Hinsicht klar bestätigt: Dadurch, dass jeder Elternteil die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich allein begehrt, bringen sie eindeutig zum Ausdruck, dass sie - entgegen ihrer erst wenige Monate zuvor geschlossenen Vereinbarung - in Zukunft nicht mehr miteinander kooperieren wollen und auch nicht bereit sind, sich um einen Konsens zu bemühen. Nachdem die Mutter erklärtermaßen beabsichtigt, die Kinder aus dem väterlichen Haushalt herauszunehmen (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 4f.; I/83f.), betrifft der Konflikt auch nicht nur Nebenfragen, sondern mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht ganz wesentliche, entscheidende Sorgebereiche. Dass den Eltern inzwischen eine tragfähige soziale Beziehung mehr oder weniger vollständig abhanden gekommen sein muss, wird geradezu augenfällig daran, dass das Familiengericht im Beschluss von einem “Schlachtfeld” spricht, aus dem die Kinder herauszunehmen seien (Beschluss, dort S. 3; I/65). In die gleiche Richtung deutet auch der vom Senat eingeholte Bericht des Verfahrensbeistandes vom 2. April 2012, in dem von “chronisch belasteten” Kindern die Rede ist (II/34).

Von der Beschwerde wird allerdings zu Recht gerügt, dass das Familiengericht dadurch, dass es dem Vater die elterliche Sorge insgesamt übertragen hat, gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen habe (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 4; I/83). Anerkannt ist, dass sich die Gerichte aus Respekt vor dem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht und im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz immer dann mit Teilentscheidungen als milderem Mittel zu begnügen haben, wenn auch das niedrigere, weniger intensive Eingriffsniveau genügt, um dem Kindeswohl Geltung zu verschaffen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. März 2004 - 1 BvR 7338/01 -, FamRZ 2004, 1015 [bei juris Rz. 9, 12] sowie MünchKommBGB/Hennemann [6. Aufl. 2012], § 1671 Rn. 17; Palandt/Diederichsen, BGB [71. Aufl. 2012], § 1671 Rn. 4, 24). Das gilt umso mehr, als die angegriffene Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung erging; insbesondere in einem summarischen Verfahren, in dem nur ein geringeres Beweismaß gilt (§ 51 Abs. 1 Satz 2 FamFG), wird ein entsprechend dringendes Regelungsbedürfnis im Allgemeinen nur in engen Ausnahmefällen gegeben sein (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 9. September 2010 - 11 WF 972/10 -, NJW-RR 2011, 219 [bei juris Rz. 12] sowie Zöller/Feskorn, ZPO [29. Aufl. 2012], § 49 FamFG Rn. 16). Dass der Vater zur Begründung seines Antrages, mit dem er die Übertragung der Sorge insgesamt auf sich begehrt hat, auf das im Verfahren des Amtsgericht S… - 80 F 653/10 - im August 2011 erstattete Gutachten … und dessen Empfehlung, die elterliche Sorge auf ihn allein zu übertragen, verweist (Antragsschrift vom 24. Februar 2012, dort S. 3 nebst einem Blatt Anlage; I/3, 9), führt zu keiner anderen Bewertung: Abgesehen davon, dass der Vater lediglich eine Seite des Gutachtens - möglicherweise die aus seiner Sicht entscheidende Seite (S. 190; I/9) - vorlegt, kann er auf diese Weise nicht die Verfahrensgrundsätze unterlaufen und im einstweiligen Anordnungsverfahren eine Entscheidung zu einem Verfahrensgegenstand - elterliche Sorge - erzwingen, über die die Beteiligten in dem Verfahren, in dem das Gutachten erstellt wurde (Amtsgericht S… - 87 F 68/11 -) die gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung vom 10. November 2011 (Anlage zur Beschwerdeschrift; I/11f. bzw. Beiakte, dort II/69) getroffen haben.

Dies vorausgeschickt, war hier auf jeden Fall eine Entscheidung über den künftigen Aufenthalt der Kinder zu treffen. Das gilt schon deshalb, weil die Mutter in ihrer Erwiderung auf den Antrag des Vaters ausdrücklich begehrt hat, die elterliche Sorge auf sich zu übertragen (Schriftsatz vom 27. Februar 2012; I/30) und damit deutlich zu erkennen gegeben hat, dass sie sich nicht mehr an die Elternvereinbarung vom 10. November 2011 gebunden fühlt. Weiter war auch eine Regelung im Bereich der Gesundheitsfürsorge zu treffen: Aus der Elternvereinbarung geht klar hervor, dass die Eltern alle Fragen der ärztlichen Behandlung, also sowohl hinsichtlich des “ob” als auch der Art und der Intensität möglicher Heileingriffe und Therapien gemeinsam entscheiden wollten. So hatten sie sich beispielsweise dahingehend verständigt, dass Fachärzte - und die Vorstellung der Kinder im Klinikum B… ist letztlich nichts anders - nur nach entsprechender Empfehlung des behandelnden Kinderarztes aufgesucht werden sollen (Elternvereinbarung, Ziff. 4); insbesondere die Abklärung des zwischen ihnen stehenden Vorwurfs eines - angeblichen - sexuellen Missbrauchs zum Nachteil von C… oder eine neu einzuleitende psychotherapeutische Behandlung von F… sollte nur auf der Grundlage einer gemeinsamen Entscheidung erfolgen (Elternvereinbarung, Ziff. 5 Abs. 2, 3). Mit der eigenmächtigen Vorstellung der Kinder im Klinikum B… - bei der es sich offensichtlich nicht um eine von einer elterlichen Alleinentscheidungsbefugnis gedeckte Not- oder Akutbehandlung handelte (§ 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB), weil die Vorstellung dem Vortrag der Mutter zufolge mit Vorbedacht und aufgrund anderweitiger Empfehlung erfolgte (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 6; I/85; eidesstattliche Versicherung von Frau … vom 5. März 2012; I/151f.) - hat die Mutter die getroffene Abrede einseitig aufgekündigt mit der Folge, dass ein Bedürfnis für eine familiengerichtliche Regelung entstand.

Dafür, dass ein aktuelles Regelungsbedürfnis auch in anderen Sorgerechtsteilbereichen bestünde wie etwa in schulischen Angelegenheiten oder in Fragen der Vermögenssorge, geht weder aus dem glaubhaft gemachten Vortrag des Vaters hervor noch ergeben sich diesbezügliche Hinweise oder Andeutungen aus der Erwiderung der Mutter in ihrem Schriftsatz vom 27. Februar 2012 (I/30ff.). Damit verbleibt es insoweit, wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 16. Oktober 2007 - 17 UF 88/07 -, FamRZ 2008, 634) und bis zu einer anderweitigen Regelung (§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG) bei der gemeinsamen elterliche Sorge. Folglich war auf die Beschwerde der angegriffene Beschluss wie aus dem Tenor ersichtlich entsprechend abzuändern.

d) Soweit danach die gemeinsame elterliche Sorge in den Teilbereichen Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge aufzuheben war, kam aus Gründen des Kindeswohls nur eine Übertragung auf den Vater in Betracht:

- Ganz maßgeblicher, entscheidender Gesichtspunkt ist insoweit der Kontinuitätsgedanke, der hier eindeutig für den Vater streitet: Die Kinder leben seit November 2011 in seinem Haushalt; es erscheint schlechterdings unzumutbar und dem Kindeswohl eindeutig abträglich, wenn die Kinder im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens aus ihrem bisherigen Umfeld herausgerissen und in die Obhut der Mutter gegeben werden, die zwischenzeitlich von ihrem bisherigen Wohnort in B…, wo sie bei Abschluss der Elternvereinbarung noch wohnte, in den B… Nordwesten nach F… verzogen ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es beiden Eltern frei steht, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz ergangene Entscheidung in dem bereits eingeleiteten Hauptsacheverfahren (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - 124 F 4086/12 -) überprüfen zu lassen (§ 52 FamFG) und es dabei zu einer (ggf. erneuten) Abänderung kommen kann und damit zur Gefahr eines mehrfachen Wechsels von Zuhause und unmittelbarer Bezugsperson der Geschwister (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 2010 - 1 BvR 2910/09 -, FamRZ 2010, 353 [bei juris Rz. 167f]);

- Weiterer, gewichtiger Gesichtspunkt ist, dass mit einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater letztlich nur das nachvollzogen wird, was die Eltern bereits am 10. November 2011 vereinbart haben; durchgreifende Gründe, die gegen eine gerichtliche Bestimmung des Lebensmittelpunktes der Kinder im Haushalt des Vaters sprechen könnten, sind weder ersichtlich noch von der Mutter glaubhaft gemacht. Das gilt insbesondere für die von ihr erhobene Anschuldigung, der Vater würde seine Kinder sexuell missbrauchen: Dieser Verdacht war der Mutter bereits bei Abschluss der Elternvereinbarung genauso bekannt wie die Ausführungen der Psychotherapeutin Diplom-Pädagogin … von September/Anfang Oktober 2011 (Anlagen zur Beschwerdeschrift; I/103ff.) und hinderte sie nicht daran, im Verfahren des Amtsgerichts S… - u.a. 87 F 68/11 - am 10. November 2011 einem Wechsel aller drei Kinder in den Haushalt des Vaters zuzustimmen (Elternvereinbarung, Ziff. 1);

- im Hinblick auf das Förderprinzip kann mit den im Rahmen eines summarischen Verfahrens zur Verfügung stehenden, beschränkten Erkenntnismöglichkeiten festgestellt werden, dass mit der Übertragung der genannten Teilbereiche auf den Vater die Fortführung einer einheitlichen und gleichmäßigen Erziehung der Kinder und die Stabilität der Betreuung durch ihn gewährleistet wird (vgl. Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis [4. Aufl. 2011], § 1 Rn. 210). Für die Behauptung der Mutter, die Entwicklung seit November 2011 habe gezeigt, dass der Vater mit der Betreuung und Versorgung der Kinder überfordert und damit letztlich erziehungsungeeignet sei (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 4ff.; I/83ff), ist nichts ersichtlich: Der Hinweis auf - angebliche - Gewaltvorfälle im Haushalt des Vaters vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Mutter insoweit auf ein in dem von ihr vorgelegten ärztlichen Attest … näher beschriebenes Vorkommnis vom 29. Oktober 2011 abhebt (Anlage zur Beschwerdeschrift; I/83f., 98), welches ihr bereits bei Abschluss der Elternvereinbarung vom 10. November 2011 bekannt war und deshalb hier nicht erneut herangezogen werden kann. Vielmehr ergibt sich aus dem Bericht des Verfahrensbeistandes, dass es den Kindern gut gehen soll (Bericht vom 2. April 2012, II/36).

Dem Kindeswillen kommt - wenn überhaupt - schon aufgrund des Alters der Kinder nur eine eher geringe Bedeutung zu. Insoweit ist ganz entscheidend zu berücksichtigen, dass beide Eltern sich wechselseitig vorwerfen, die Kinder massiv in ihrem jeweiligen Sinne zu manipulieren: Für den Vater folgt das mittelbar aus dem Umstand, dass er auf den Auszug aus dem Gutachten … verweist, in dem referiert wird, der Wille der beiden Jungen - derzeit 7 und 11 Jahre alt - sei nicht erlebnisbegründet, sondern auf eine mütterliche Beeinflussung zurückzuführen (I/9). Umgekehrt trägt auch die Mutter vor, der Vater setze die Kinder unter Druck. Insoweit verweist sie auf ihre Strafanzeige vom 26. Februar 2012 gegen den Vater (Anlage zur Beschwerdeschrift vom 5. März 2012; I/147). Auch der Umstand, dass beide Elternteile nicht davor zurückschrecken, ihre Kinder zu filmen oder zu fotografieren, um sich auf diese Weise vermeintliche Vorteile im Elternstreit zu verschaffen, ist ebenfalls ein deutliches Zeichen für eine Instrumentalisierung der Kinder. Bei dieser Sachlage und vor dem Hintergrund der nur begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des summarischen Verfahrens konnte dem Kindeswillen daher kein Gewicht zuerkannt werden.

Das vom Vater in einem einseitigen Auszug vorgelegte Sachverständigengutachten … (I/8f.) kann nicht als entscheidender Gesichtspunkt gewertet werden: Dies gilt einmal im Hinblick darauf, dass der Vater - wie ausgeführt - auf diesem Weg nicht eine Änderung der Elternvereinbarung vom 10. November 2011 erzwingen kann und zum anderen, weil die Mutter Bedenken gegen das Gutachten geltend gemacht hat (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 3; I/82), die - soweit sie nach der von ihr erteilten Zustimmung zum Aufenthaltswechsel überhaupt noch relevant sind - im vorliegenden, einstweiligen Anordnungsverfahren aufgrund seines Charakter als Eilverfahren nicht geklärt werden können (§§ 51 Abs. 1 Satz 2, 31 Abs. 2 FamFG). Eine Klärung kann vielmehr nur im ordentlichen Verfahren zu erfolgen. Festzuhalten ist freilich, dass die Ergebnisse der Begutachtung einer Übertragung nicht entgegenstehen.

e) Entgegen der Auffassung der Mutter (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 5f.; I/84f.) steht der von ihr geäußerte Verdacht, der Vater missbrauche - angeblich - seine Kinder, insbesondere C…, einer Übertragung der Sorgerechtsteilbereiche auf ihn nicht entgegen: Richtig ist, dass bei einem nachgewiesenen Missbrauch die mangelnde Erziehungseignung des betreffenden Elternteils außer Frage steht und ihm deshalb nicht das Sorgerecht übertragen werden kann (vgl. Handbuch Fachanwalt Familienrecht/Maier [8. Aufl. 2011], Rn. 4-238; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis [4. Aufl. 2011], § 1 Rn. 226; Schwenzer/Schreiner, FamKomm Scheidung [2. Aufl. 2011], Anh. Psych. Rn. 262). Das liegt indessen nicht vor; die Mutter äußert nur den Verdacht des sexuellen Missbrauchs. Der bloße Verdacht reicht hingegen nicht aus, um hieran sorgerechtliche Konsequenzen zu knüpfen; dies gilt schon im Hinblick auf die schwerwiegenden Konsequenzen für Kind und betroffenen Elternteil, falls aufgrund eines falschen Verdachts massiv in bestehende, wechselseitige Bindungen und Rechte eingegriffen würde. Aufgrund des in diesem Bereich bestehenden, relativ hohen Anteils von (bewusst oder unbewusst) falschen bzw. nicht belegbaren Anschuldigungen - ihr Anteil soll zwischen einem Viertel und der Hälfte aller Fälle betragen (vgl. Carl, FamRZ 1995, 1183 [1185]) und ist in scheidungs- und familienrechtlichen Streitigkeiten auf jeden Fall wesentlich häufiger als sonst (vgl. Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten. Rechtliche Vorgaben und sachverständiges Vorgehen [5. Aufl. 2011], Rn. 1759; Schwenzer/Schreiner, FamKomm Scheidung [2. Aufl. 2011], Anh. Psych. Rn. 257) - und mit Blick auf die möglicherweise gravierenden Konsequenzen bei einer unzutreffenden Beurteilung der Situation ist daher dem Verdacht mit den im Verfahren zur Verfügung stehenden Mitteln nachzugehen. Soweit nach Ausschöpfung aller zulässigerweise zu nutzenden Erkenntnisquellen der Verdacht weder ausgeräumt noch bestätigt werden kann, ist eine Risikoabwägung unter Berücksichtigung des Kindeswohls vorzunehmen; es hängt dann vom Grad der Wahrscheinlichkeit für eine Richtigkeit der erhobenen Anschuldigungen ab, ob eine Sorgeentscheidung zugunsten des betreffenden Elternteils ergehen kann (vgl. MünchKommBGB/Hennemann [6. Aufl. 2012], § 1671 Rn. 84; § 1684 Rn. 67; Johannsen/Henrich-Jaeger, Familienrecht [5. Aufl. 2010], § 1671 BGB Rn. 58).

Im Verfahren der einstweiligen Anordnung kann eine weitere Aufklärung des Verdachts indessen nicht geleistet werden, weil die insoweit zu Gebote stehenden Mittel - u.a. eine eingehende körperliche Untersuchung der Kinder durch einen forensischen Mediziner/Sachverständigen, die professionelle Befragung der Kinder durch einen entsprechenden Sachverständigen und ggf. die Veranlassung einer Glaubhaftigkeitsbegutachtung, soweit erforderlich, nach Aufklärung der Kinder über allfällige Zeugnisverweigerungsrechte (§§ 29 Abs. 2 FamFG, 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bzw. §§ 52, 81c Abs. 3 StPO) - im vorliegenden Verfahren keine zulässigen Beweismittel sind, da sie nicht sofort erhoben werden können (§§ 51 Abs. 1 Satz 2, 31 Abs. 2 FamFG).

Daher kommt es entscheidend auf die Risikoabwägung an und dabei auf die Frage, inwieweit es gesicherte Anzeichen für einen Verdacht gibt. Insoweit vermochte die Mutter jedoch nichts glaubhaft zu machen, was im Rahmen der gebotenen Abwägung sorgerechtliche Einschränkungen oder Beschränkungen rechtfertigen könnte:

- Soweit die Mutter auf die Feststellungen der Diplompädagogin … verweist (Anlage zur Beschwerdeschrift vom 5. März 2012; I/103f.) ist festzuhalten, dass es sich schon nach der eigenen Erklärung von Frau … lediglich um Hinweise handeln soll, die eine psychotherapeutische Begleitung von C… indizieren könnten (Schreiben … vom 26. September 2011; I/104). Zu berücksichtigen ist weiter, dass Frau … ihre Bekundungen später ausdrücklich relativiert hat (Schreiben … vom 12. Oktober 2011) und, insoweit von Gewicht, dass die diesbezüglichen Erkenntnisse bei Abschluss der Elternvereinbarung vom 10. November 2011 allemal schon bekannt waren und seinerzeit auch von der Mutter keine Veranlassung gesehen worden ist, von einer Zustimmung zum Wechsel der Kinder in den Haushalt des Vaters abzusehen. Schließlich hat der Vater hat durch Vorlage des Anhörungsvermerks aus dem Verfahren des Amtsgerichts S… - 87 F 379/11 - vom 13. Oktober 2011 (Anlage 9 zum Schriftsatz vom 30. März 2012; II/12f) glaubhaft gemacht, dass die Bekundungen der Erziehungswissenschaftlerin … im Hinblick auf einen angeblichen sexuellen Missbrauch von C… bereits Gegenstand ausführlicher Erörterungen waren und vom Jugendamt seinerzeit ganz erhebliche, durchgreifende Bedenken im Hinblick auf den fachlichen Wert der Bekundungen und den von Frau … bei ihrer Arbeit beobachteten Standards geäußert wurden, was von der Mutter verschwiegen wird. Lediglich ergänzend ist auf die einschlägige Literatur zu verweisen, wonach Kinderzeichnungen für nicht geeignet angesehen werden, Hinweise auf mögliche Belastungen des Kindes zu erbringen; auch Verhaltsstimulationen mit Hilfe von anatomischen Puppen werden nicht als sicheres Mittel angesehen, um Misshandlungen zu diagnostizieren. Vielmehr soll deren Einsatz ein hohes Maß an suggestivem Risiko beinhalten (vgl. Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten. Rechtliche Vorgaben und sachverständiges Vorgehen [5. Aufl. 2011], Rn. 1757; Balloff/Koritz, Handreichungen für Verfahrenspfleger. Rechtliche und psychologische Schwerpunkte in der Verfahrenspflegschaft [2006], S. 186ff.). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Strafsachen ist denn auch - worauf das Jugendamt im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht S… - 87 F 379/11 - vom 13. Oktober 2011 deutlich aufmerksam gemacht hat (Anlage 9 zum Schriftsatz des Vaters vom 30. März 2012, Anhörungsvermerk S. 4; II/13) - anerkannt, dass der Ausdeutung von Kinderzeichnungen oder von Interaktionen, die Kinder unter Einsatz anatomisch korrekter Puppen darstellen, in forensisch-aussagepsychologischen Gutachten keine Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98 -, BGHSt 45, 164 = FamRZ 1999, 1648 [bei juris Rz. 37] [“Wormser Kinderschänderprozess”]);

- die von der Mutter kontaktierte Sachverständige, Frau Professor … vom Institut für Forensische Psychiatrie der C…, weist in ihrer Mail vom 28. November 2011 (Anlage zur Beschwerdeschrift vom 5. März 2012; I/107) letztlich auf nichts anderes hin; sie warnt eindringlich vor der Gefahr, bei sehr jungen Kindern “Dinge überzuinterpretieren”. In den verschiedenen Verdachtsmomente, die von der Mutter ihr schriftlich geschildert wurden, vermochte sie - freilich in einer Art “Ferndiagnose” - keinen sexuellen Bezug zu erkennen;

- der behandelnde Kinderarzt von C…, …, konnte bei dem Kind ebenfalls keine verdächtigen, auf einen sexuellen Missbrauch hindeutende Anzeichen feststellen, sondern diagnostizierte lediglich eine akute Vulvovaginitis (ärztliche Bescheinigung vom 17. Februar 2012; I/109); also eine Entzündung im Genitalbereich, die meist von Jucken oder Brennen begleitet wird (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch). Dies ist insoweit von Gewicht, als dass … als Arzt, dem das Kind regelmäßig vorgestellt wurde, sicherlich am ehesten in Betracht kommt, fachliche Stellungnahmen abzugeben und er bereits aus berufsrechtlichen Gründen zwingend gehalten wäre, einem Missbrauchsverdacht nachzugehen. In Bezug auf die Rötungen im Genitalbereich des Kindes, die von der Mutter auf einer zur Akte gereichten Fotoserie ausführlich festgehalten wurden (Anlage zur Beschwerdeschrift vom 5. März 2012; I/126ff.), ist ebenfalls auf die Fachliteratur zu verweisen, in der einerseits hervorgehoben wird, dass derartige Rötungen bei kleinen Kindern häufig als Anlass für einen Verdacht auf sexuellen Missbrauch herangezogen werden und zum anderen, dass beim Kind körperliche Schäden im Zusammenhang mit einem sexuellen Missbrauch, entgegen laienhaften Vorstellungen, recht selten vorkommen und deshalb im Zusammenhang mit einem Missbrauchsverdacht vielfach viel zu schnell an eine gynäkologische Untersuchung des Kinds gedacht wird (vgl. Fegert, in: Salgo/Zenz u.a., Verfahrensbeistandschaft [23. Aufl. 2010], Rn. 760ff.; Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten. Rechtliche Vorgaben und sachverständiges Vorgehen [5. Aufl. 2011], Rn. 1761, 1753). Der mütterliche Vortrag wird durch diese Fakten ganz erheblich relativiert;

- auch die Untersuchung von C… im Klinikum B… hat keine Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch ergeben: Dem Arztbericht vom 29. Februar 2012 (Anlage zur Beschwerdeschrift vom 5. März 2012; I/110) zufolge wurde anlässlich der Untersuchung noch nicht einmal eine Rötung des Genitals festgestellt; in dem vom Vater vorgelegten Arztbericht des Klinikums vom 23. Februar 2012 (Anlage zur Antragsschrift vom 24. Februar 2012; I/18) wird der Verdacht auf sexuellen Missbrauch sogar eindeutig verneint.

In vergleichbaren Fällen haben Familiengerichte die Tatsache eines laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens für nicht ausreichend erachtet, elterliche Pflichten und Befugnisse einzuschränken, sondern dem anderen Elternteil anheim gestellt, notfalls durch Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe an sich zu arbeiten, bestehende Ängste abzubauen (vgl. OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 30. Juni 1995 - 6 UF 60/95 -, FamRZ 1995, 1432 [bei juris Rz. 7, 9]). Sorgerechtliche Eingriffe auf der Grundlage eines Verdachts sollen vielmehr erst dann möglich sein, wenn der betreffende Elternteil bereits einschlägig vorbestraft ist und gegen ihn ein dringender Tatverdacht in einem solchen Maß besteht, dass im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen ihn Haftbefehl erging (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 17. Juli 2009 - 9 WF 166/08 -, FamRZ 2010, 221). Gleiches soll gelten, wenn der Verdacht sich bereits in einem solchen Maße verdichtet hat, dass ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren geführt wird und zusätzlich ein aussagepsychologisches Gutachten belegt, dass die kindliche Aussage gegenüber der Polizei genügend Realkennzeichen aufweist, um davon ausgehen zu können, dass die kindlichen Schilderungen auf einem tatsächlichen Erleben beruhen (vgl. AG Bremen, Beschluss vom 26. Januar 2006 - 61 F 2210/05 -, Streit 2006, 126 [bei juris Rz. 21, 32]). Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich, dass die von der Mutter vorgebrachten, vermeintlichen Verdachtsmomente einer partiellen Sorgeübertragung auf den Vater nicht entgegenstehen.

Letztlich ist die Mutter darauf zu verweisen, dass die Eltern in Ziff. 5 Abs. 3 der Vereinbarung vom 10. November 2011 sich ausdrücklich auf ein Verfahren geeinigt haben, wie sie gemeinsam auf die von ihr vorgebrachten Ängste und Sorgen in diesem Zusammenhang reagieren wollen und was getan werden sollte, um subjektiv bestehende Befürchtungen zu zerstreuen. Wenn das vereinbarte Vorgehen, was die Mutter durch Vorlage der Mail von Prof. … (Anlage zur Beschwerdeschrift vom 5. März 2012; Bl. 107) glaubhaft gemacht hat, sich als nicht gangbar erweist, wäre es an ihr gewesen, sich mit dem Vater - etwa im Rahmen der vereinbarten Elternberatung (Elternvereinbarung, Ziff. 6) - auf eine andere Form der Abklärung zu einigen oder, wenn dies nicht zum Erfolg geführt hätte, ein Vorgehen nach § 1628 BGB zu prüfen. Ihr eigenmächtiges Vorgehen ist nicht von dem gemeinsamen Sorgerecht abgedeckt und lässt im Übrigen auch sehr ernste Zweifel aufkommen, inwieweit die von der Sache her, mangels Vorliegens eines unmittelbar vorausgegangenen Missbrauchs oder akuter Verletzungen nicht gebotene und damit “überfallartige”, die Kinder in jeder Hinsicht überrumpelnde Vorstellung im Klinikum B…, um sie dort ohne die von kinder- und jugendpsychiatrischer Seite empfohlene Vorbereitung auf die Untersuchung (vgl. Fegert, in: Salgo/Zenz u.a., Verfahrensbeistandschaft [2. Aufl. 2010], Rn. 761, 762) stationär explorieren zu lassen, mit dem Kindeswohl im Einklang steht.

f) Der Hilfsantrag der Mutter, für die drei Kinder einen Vormund zu bestellen, entbehrt jeglicher Grundlage. Diese Maßnahme wäre allenfalls dann angezeigt, soweit eine Kindeswohlgefährdung im Sinne der §§ 1666, 1666a BGB vorliegt (§ 1671 Abs. 3 BGB; vgl. Palandt/Diederichsen, BGB [71. Aufl. 2012], § 1671 Rn. 25). Hierfür ist nach dem derzeitigem Stand des Verfahrens, jedenfalls soweit es um den Vater geht, nichts ersichtlich.

3. Die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch; das vom Familiengericht beobachtete Verfahren hält den Angriffen im Ergebnis stand:

a) Die Rüge, das Familiengericht habe es in verfahrensfehlerhafter Weise unterlassen, den Gegenantrag der Mutter, die alleinige elterliche Sorge ihr zu übertragen, zu bescheiden (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 4; I/83), geht fehl. Die Beschwerde verkennt, dass es sich vorliegend um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, in dem nicht die strengen Regeln des Zivilprozesses gelten. Deshalb bedurfte es auch keiner ausdrücklichen Zurückweisung des Antrages, sondern das Familiengericht konnte sich, wie geschehen, darauf beschränken, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und diese (oder einen Sorgeteilbereich) auf einen Elternteil allein zu übertragen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB [71. Aufl. 2012], § 1671 Rn. 24). Damit ist zugleich festgestellt, dass dem entsprechenden Gegenantrag der Mutter, ohne das es einer ausdrücklichen Zurückweisung bedürfte, nicht stattgegeben wurde.

b) Ohne Erfolg rügt die Mutter weiter, das Gericht habe sich auf die Erklärung des Verfahrensbeistandes gestützt, obwohl der Verfahrensbeistand letztmalig im Oktober 2011 einen Hausbesuch bei den Kindern vorgenommen habe (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 3; Bl. 82): Insoweit verkennt die Mutter, dass der Verfahrensbeistand nicht der Aufsicht des Gerichts untersteht. Vielmehr nimmt er seine Aufgaben - ähnlich wie ein anwaltlicher Bevollmächtigten eines Beteiligten - eigenverantwortlich und selbständig wahr; es ist allein an ihm, zu entscheiden, ob er vor der Anhörung einer Hausbesuch macht oder mit den Kindern in Kontakt tritt. Entscheidend ist, dass der Verfahrensbeistand vom Familiengericht so rechtzeitig bestellt wird, dass er noch Einfluss auf die Gestaltung und den Ausgang des Verfahrens nehmen kann (vgl. Holzer/Menne, FamFG [1. Aufl. 2011], § 158 Rn. 87, 69, 71). Das ist hier, unter Berücksichtigung des Eilcharakters des Verfahrens, uneingeschränkt zu bejahen: Der Antrag des Vaters ging am Freitag, den 24. Februar 2012 bei Gericht ein; der Anhörungstermin, zu dem der Verfahrensbeistand nach im Termin ausgesprochener Bestellung hinzugezogen wurde, fand am Mittwoch, 28. Februar 2012 statt. Es handelte sich um ein Eilverfahren, in dessen Rahmen keine langwierigen Ermittlungen möglich waren. Daher erscheint es in jeder Hinsicht sachgerecht, wenn das Familiengericht sich Sachverstand und -kenntnisse eines Verfahrensbeistands, der die Kinder, dem Vortrag der Mutter und eigener Erklärung zufolge bereits aus anderen, früheren Verfahren kannte - der Verfahrensbeistand war den Kindern bereits im Verfahren Amtsgericht S… - 80 F 653/10 - (= Senat - 17 UF 105/10 -) beigeordnet und hat in jenem Verfahren im Anhörungstermin vom 23. Dezember 2009 umfangreich berichtet (Beiakte Amtsgericht S… - 80 F 653/10 -, dort I/103) - zunutze macht und als zusätzlichen, weiteren “Baustein” in den Erkenntnisprozess einfließen lässt, um die zu treffende Entscheidung breiter abstützen. Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass der bestellte Verfahrensbeistand mit den Kindern am 2. April 2012, im Zuge des Beschwerdeverfahrens gesprochen hat; der Bericht vom 2. April 2012 (II/34ff.) deckt sich mit der im Anhörungstermin vor dem Familiengericht am 28. Februar 2012 (I/61) abgegebenen Einschätzung.

c) Auch die Rüge der Mutter, das Familiengericht habe es unterlassen, die Kinder anzuhören (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 2; I/81), greift nicht durch: Denn es liegen hinreichend schwerwiegende Gründe vor, die in ihrer Summe und unter Berücksichtigung der konkreten (Verfahrens-) Situation es sogar sachgerecht erscheinen lässt, von einer Anhörung abzusehen (§ 159 Abs. 3 Satz 1 FamFG):

- Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Kinder nach dem glaubhaft gemachten Vortrag beider Eltern, der sich insoweit mit der Einschätzung durch den Verfahrensbeistand deckt (Bericht vom 2. April 2012; II/34) bereits in hohem Maße traumatisiert sind. Hinzukommt, dass die Kinder, wiederum nach dem Vortrag beider Eltern, vom jeweils anderen Elternteil massiv manipuliert worden sein sollen. Belegt wird das durch die überzeugenden Ausführungen im Gutachten … in der vom Senat beigezogenen Akte, wonach insbesondere B… aufgrund zunehmender Manipulationen sich der Mutter unterordne, um auf diese Weise dem Loyalitätskonflikt zu entgehen (Amtsgericht S… - 87 F 68/11 -, dort Gutachten S. 159). Aufgrund des Eilcharakters des Verfahrens war es nicht möglich, die Kindesanhörung in einer Weise vorzubereiten oder zu gestalten, dass die Willensbekundung der Kinder frei von sachfremden Einflüssen erfolgen konnte. Im Einklang mit der Einschätzung des Verfahrensbeistands (Bericht vom 2. April 2012; II/34) war bei dieser Ausgangslage ein weitergehender Erkenntnisgewinn, der im Verfahren oder bei der Entscheidungsfindung hätte verwertet werden können, nicht zu erwarten. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte durfte daher die von einer Anhörung naturgemäß ausgehende Belastung für die Kinder höher bewertet werden als der mögliche Erkenntnisgewinn und die Anhörung folglich unterbleiben (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich [Ziegler], FamFG [3. Aufl. 2012], § 159 Rn. 9);

- ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Bei der gegebenen Sachlage und unter Berücksichtigung der Elternvereinbarung vom 10. November 2011 kam eine andere Entscheidung kaum ernsthaft in Betracht; in dieser besonderen Situation kam dem Willen, den Bindungen und Neigungen der Kinder kein besonderes, entscheidungserhebliches Gewicht mehr zu, weil die Mutter mit Abschluss der Elternvereinbarung bereits zu erkennen gegeben hat, dass sie mit einem Lebensmittelpunkt der Kinder im väterlichen Haushalt grundsätzlich einverstanden ist. Aus Sicht der Kinder wurde durch die familiengerichtliche Entscheidung an dieser Situation nichts geändert;

- letztendlich ist - mit dem Familiengericht, das die Gefahr wiederholter Befragungen der Kinder für eine Aufklärung des in Rede stehenden Missbrauchsvorwurfs zutreffend erkannt hat - aber auch zu berücksichtigen, dass es für die Abklärung des von der Mutter geäußerten Verdachts ganz entscheidend auf eventuelle Aussagen der Kinder ankommen kann: Gerade bei Kindern besteht aber die große Gefahr, dass sie ihre Angaben unbewusst ihrer eigenen Erinnerung zuwider verändern können, um den von ihnen angenommenen Erwartungen des Erwachsenen, der sie befragt, zu entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98 -, BGHSt 45, 164 = FamRZ 1999, 1648 [bei juris Rz. 14] sowie Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten. Rechtliche Vorgaben und sachverständiges Vorgehen [5. Aufl. 2011], Rn. 1759ff., 1763; Schwenzer/Schreiner, FamKomm Scheidung [2. Aufl. 2011], Anh. Psych. Rn. 259; Fegert, in: Salgo/Zenz u.a., Verfahrensbeistandschaft [2. Aufl. 2010], Rn. 765). Dem kann nur durch eine professionelle, sachverständige Befragung vorgebeugt werden und dies stellt nach dem Dafürhalten des Senats jedenfalls in der konkreten Situation und vor dem Hintergrund, dass das Hauptsacheverfahren (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - 124 F 4086/12 -) bereits eingeleitet ist und die Anhörung dort - ggf. mit sachverständiger Hilfe - nachgeholt werden kann, einen schwerwiegenden Gesichtspunkt im Sinne von § 159 Abs. 3 FamFG dar, der es zusammen mit den übrigen Erwägungen ausnahmsweise rechtfertigt, von der Anhörung abzusehen.

4. a) Eine erneute Anhörung der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz erscheint dem Senat nicht geboten, weil der erstinstanzliche Anhörungstermin nur wenige Wochen zurückliegt. Die Standpunkte der Beteiligten sind bekannt; neue Gesichtspunkte sind weder mit der Beschwerde vorgetragen noch lässt eine erneute Anhörung dies erwarten. Dass von der Mutter ausdrücklich beantragt wurde, nicht ohne mündliche Anhörung zu entscheiden (Beschwerdeschrift vom 5. März 2012, dort S. 11; I/90), rechtfertigt keine andere Beurteilung: Mit § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist dem Beschwerdegericht vom Gesetzgeber ausdrücklich ein Ermessen eingeräumt worden, ob eine erneute persönliche Anhörung zu erfolgen hat. Gründe, die eine solche zwingend erforderlich machen würden, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt wurde ohne Verfahrensfehler ermittelt und der Senat sieht keine Veranlassung, von den in der ersten Instanz getroffenen Feststellungen abzuweichen oder diese anders zu würdigen (vgl. Keidel/Sternal, FamFG [17. Aufl. 2011], § 68 Rn. 57, 59ff.), zumal die Beteiligten auf die beabsichtigte Vorgehensweise eigens hingewiesen wurden (Verfügung vom 16. März 2012; I/154).

b) Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 81 Abs. 1 FamFG. Nach dem Dafürhalten des Senats entspricht es billigem Ermessen, wenn die Kosten des Verfahrens insgesamt der Mutter auferlegt werden: Mit der eigenmächtigen Vorstellung der Kinder im Klinikum B… in der Absicht, sie dort stationär einweisen zu lassen, hat die Mutter eindeutig gegen die Elternvereinbarung vom 10. November 2011 verstoßen und ihre Sorgebefugnisse offensichtlich überschritten; ein akuter Not- oder Unglücksfall oder gar ein unmittelbar vorausgegangener Missbrauch, der nur auf diese Weise gerichtsmedizinisch hätte dokumentiert werden können, lag nicht vor. Die verschiedenen Verdachtsmomente, auf die die Mutter in der Beschwerdeschrift vom 5. März 2012 verwiesen hat, waren bereits zuvor bekannt oder - wie die vorgelegten, schriftlichen Bekundungen der Diplompädagogin … - sogar bereits Gegenstand ausführlicher familiengerichtlicher Erörterung gewesen (im Verfahren Amtsgericht S… - 87 F 379/11 -). Eine renommierte Fachfrau wie Prof. … vom Institut für Forensische Psychiatrie der C… hat versucht, den Missbrauchsverdacht der Mutter zu zerstreuen. Darüber hinaus hat die Mutter in voller Kenntnis dieser, von ihr als Indizien angeführten Momente die Elternvereinbarung vom 10. November 2012 abgeschlossen und dem Wechsel der Kinder in den Haushalt des Vaters ausdrücklich und aus freien Stücken zugestimmt. Neue Gesichtspunkte, die ihrem Verdacht hätten aktualisieren können, liegen nicht vor; vielmehr vermochte der behandelnde Kinderarzt, Herr …, der C… noch Mitte Februar 2012 untersucht hatte, keine Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch feststellen. Ob dieses Verhalten bereits den Tatbestand des groben Verschuldens nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG erfüllt, kann dahingestellt bleiben. Eine alleinige Kostenhaftung nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ist tatbestandlich ausgeschlossen, weil das Verfahren von der Mutter nicht eingeleitet worden ist, sondern sie die Einleitung durch ihre Eigenmächtigkeit provoziert hat. Vor diesem Hintergrund lässt es der Maßstab der Billigkeit, jedenfalls soweit es nicht um echte Streitverfahren mit gegnerschaftlicher Stellung der Beteiligten geht, nach Dafürhalten des Senats zu, die geschilderten Umstände und Gesichtspunkte wertend in die notwendige Abwägung einfließen zu lassen (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich [Keske], FamFG [3. Aufl. 2012], § 81 Rn. 18; Haußleiter/Haußleiter, FamFG [1. Aufl. 2011], § 81 Rn. 4). Dass das Rechtsmittel der Mutter teilweise Erfolg hat und zu einer Abänderung der angegriffenen Entscheidung zu ihren Gunsten führt, steht nicht entgegen: Die ausgesprochene Abänderung beruht allein auf dem Umstand, dass die angegriffene Entscheidung nicht im ordentlichen Verfahren, sondern im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen ist; bei der gebotenen, wertenden Betrachtung kommt dem kein nennenswertes Gewicht zu. Daher ist dieser Umstand nicht geeignet, eine andere Kostenentscheidung zu rechtfertigen.

c) Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 41, 45 FamGKG; da es sich vorliegend um ein Verfahren der einstweiligen Anordnung handelt, war die Hälfte des Regelwertes festzusetzen. Eine Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft (§ 70 Abs. 4 FamFG).