VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.05.1997 - 6 S 708/97
Fundstelle
openJur 2013, 10475
  • Rkr:

1. Der mittellose Beteiligte, der einen verspäteten Antrag auf Zulassung der Beschwerde stellt, hat in der Regel einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er bis zum Ablauf der Antragsfrist einen Prozeßkostenhilfeantrag eingereicht hat, über den aber erst nach Ablauf dieser Frist entschieden wird.

Die Gründe, aus denen die Beschwerde zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Zulassungsantrags bei Gericht darzulegen. Eine besondere (weitere) Begründungsfrist steht auch nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zur Verfügung.

Ausführungen eines nicht postulationsfähigen Beteiligten sind unzulässige Prozeßhandlungen und deshalb unbeachtlich. Die allgemeine Bezugnahme eines Rechtsanwalts auf persönliche Eingaben seines Auftraggebers entspricht nur dann den Darlegungserfordernissen, wenn aus ihr erkennbar wird, daß sie das Ergebnis einer Prüfung, Sichtung, rechtlichen Durchdringung und Würdigung des Streitstoffs ist.

Gründe

Dem Antragsteller kann die beantragte Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt und sein Prozeßbevollmächtigter nicht beigeordnet werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114, 121 ZPO).

Hinreichende Erfolgsaussicht fehlt allerdings nicht schon deshalb, weil der am 07.04.1997 eingegangene, vom Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers gestellte Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den am 25.02.1997 zugestellten Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 18.02.1997 verspätet wäre (vgl. § 146 Abs. 5 VwGO n.F.). Denn insoweit war dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In Fällen, in denen ein Rechtsmittel nur unter Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts formgerecht eingelegt werden kann, hat der mittellose Beteiligte, der ein solches Rechtsmittel einlegt, in der Regel Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein Prozeßkostenhilfegesuch eingereicht hat, über das aber erst nach Ablauf dieser Frist entschieden wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.02.1989 u.v. 18.03.1992, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 161 und Nr. 178 = § 133 VwGO n.F. Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im Fall des Antragstellers gegeben.

Der Zulassungsantrag kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. Nach § 146 Abs. 4 VwGO n.F. ist die Beschwerde aus den in § 124 Abs. 2 VwGO n.F. genannten Gründen zuzulassen. In dem Antrag sind die Gründe darzulegen, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist. Dies muß innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen geschehen (§ 146 Abs. 5 S. 3 u. S. 1 VwGO n.F.). Dabei bedeutet "darlegen" mehr als lediglich ein allgemeiner Hinweis auf die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen und die Erklärung, diese oder eine davon seien erfüllt; vielmehr bedeutet dieser Begriff "erläutern", "erklären" oder "näher auf etwas eingehen" (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.10.1961, BVerwGE 15, 90 und vom 09.03.1993, Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 11).

Dem entspricht der Vortrag des Antragstellers nicht einmal ansatzweise. Der Antragsteller hat sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO n.F.) berufen. Diese leitet er daraus her, daß das Verwaltungsgericht im Beschluß vom 18.02.1997 nicht über "die Anträge des Antragstellers vom 02.10.1996 unter Ziffer 1 und Ziffer 3 entschieden" habe, sondern - fehlerhaft - "lediglich über Ziffer 4 des Eilantrags vom 02.10.1996". Abgesehen davon, daß der Antrag des Antragstellers vom 02.10.1996 überhaupt keine Einteilung in Ziffern aufweist, so daß der Vortrag schon deshalb nicht nachvollziehbar ist, hätte eine ordnungsgemäße Darlegung jedenfalls ein Mindestmaß an Ausführungen dazu erfordert, weshalb denn nun fehlerhaft entschieden worden sein soll. Daran fehlt es vollständig.

Solche Ausführungen kann der Antragsteller auch nicht mehr nachholen. Da in § 146 Abs. 5 VwGO n.F. eine besondere Begründungsfrist (wie etwa in § 133 Abs. 3 VwGO a.F. und n.F.) nicht vorgesehen ist, kann dem Antragsteller auch nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Antragstellungsfrist keine weitere Frist zur Verfügung gestellt werden, wie das etwa bei der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO der Fall wäre (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 18.03.1992 a.a.O.). Vielmehr wäre der Antragsteller gehalten gewesen, seine in dem am 07.04.1997 eingegangenen Zulassungsantrag angekündigte "weitere Begründung" spätestens im Laufe der nächsten zwei Wochen, also bis zum 21.04.1997 abzugeben. Das ist nicht geschehen.

Der Verweis im Schriftsatz vom 07.04.1997 auf "die schriftlichen Ausführungen des Antragstellers vom 06.03.1997" führt nicht weiter. Zunächst sind die Ausführungen des Antragstellers für sich genommen unbeachtlich, da dem Antragsteller die sogenannte Postulationsfähigkeit fehlt. Aber auch dadurch, daß der Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers auf dessen schriftliche Ausführungen verweist, wird den Anforderungen, die § 146 Abs. 5 VwGO n.F. an die Darlegung der Gründe stellt, aus denen die Beschwerde zuzulassen wäre, nicht genügt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob aus den ziemlich unstrukturierten 8 Seiten schriftlicher Ausführungen des Antragstellers und 11 Seiten Anlagen dazu überhaupt entnommen werden könnte, welcher der gesetzlich vorgesehenen Zulassungsgründe vorliegen soll. Denn selbst wenn einer oder mehrere der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO n.F. aufgezeigt wären, wären sie nicht formgerecht geltend gemacht. Die allgemeine Bezugnahme des Rechtsanwalts auf persönliche Eingaben seines Auftraggebers genügt dafür nicht. Vielmehr muß aus ihr erkennbar werden, daß sie das Ergebnis einer Prüfung, Sichtung, rechtlichen Durchdringung und Würdigung des Streitstoffs ist, denn nur diese allein rechtfertigen die Einschaltung eines rechtskundigen Vertreters (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für das Revisions- Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, vgl. Beschl. v. 02.10.1961 und vom 30.10.1961, Buchholz 310 § 132 Nr. 18 u. 19; v. 06.09.1965, BVerwGE 22, 38; v. 17.03.1971, Buchholz a.a.O. § 139 Nr. 37; v. 13.07.1973, Buchholz a.a.O. § 132 Nr. 110; v. 07.09.1981, Buchholz a.a.O. § 132 Nr. 202 und zuletzt Beschluß v. 19.08.1993, Buchholz a.a.O. § 67 Nr. 81). Daran fehlt es offensichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 188 S. 2 VwGO.

Dieser Beschluß ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.