VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.07.1992 - A 12 S 1416/92
Fundstelle
openJur 2013, 8285
  • Rkr:

1. Hat das Verwaltungsgericht in Asylrechtsstreitigkeiten nach dem 1.1.1991 den Klageantrag rechtsirrig (vgl BVerwG, Urteil vom 18.2.1992 und Beschluß vom 19.3.1992, DVBl 1992, Seite 843 und 849 - LS -) auf den Asylanspruch aus Art 16 Abs 2 Satz 2 GG beschränkt angesehen, aber subjektiv in vollem Umfang über das Klagebegehren entschieden und die Klage(n) ohne Einschränkung abgewiesen, so liegt weder ein übergangener Antrag im Sinne von § 120 VwGO vor, noch kann deswegen ein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO angenommen werden. Vielmehr liegt grundsätzlich ein Vollendurteil vor; ein wegen Verletzung des § 88 VwGO vorliegender Verfahrensmangel (§ 132 Abs 2 Nr 3 VwGO) kann die Zulassung der Berufung nach § 32 Abs 2 Nr 3 AsylVfG (§ 78 Abs 3 Nr 3 AsylVfG nF) nur rechtfertigen, wenn auch ein Verfahrensmangel im Sinne des § 138 Nr 3 oder 6 VwGO dargelegt worden ist und vorliegt.

2. Bei Asylsuchenden türkischer Staatsangehörigkeit rechtfertigt die Feststellung der kurdischen Volkszugehörigkeit als solche grundsätzlich nicht bereits den Schluß auf eine individuelle Verfolgungsbetroffenheit.

Auch wenn die Verfolgungsbetroffenheit - schlagwortartig - aus einer "Gruppenverfolgung" oder "Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit" hergeleitet wird, ist zur Darlegung von - noch oder erneut - klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Fragen im Bereich der Tatsachenfeststellungen, die eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründen sollen, von den mit beachtlichen Rügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen und deren Würdigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im angefochtenen Urteil auszugehen.

Gründe

Die nach § 87 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG i.d.F. des Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26.6.1992 (BGBl. I S. 1126) - AsylVfG n.F. - statthafte Beschwerde ist unzulässig, weil sie die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG a.F.) nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG a.F. entsprechend darlegt.

Die genannte Bedeutung hat eine Sache nur dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegung dieser Voraussetzungen, die innerhalb der Monatsfrist des § 32 Abs. 4 S. 4 AsylVfG zu erfolgen hat, erfordert wenigstens die Bezeichnung einer konkreten Frage, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für das Berufungsverfahren erheblich sein wird. Darüber hinaus muß die Beschwerdeschrift wenigstens einen Hinweis auf den Grund enthalten, der die Anerkennung der grundsätzlichen, d.h. über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Sache rechtfertigen soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.7.1984, BVerwGE 70, 24; Beschluß des Senats vom 18.8.1988 - A 12 S 930/88 - m.N.). Diesen Anforderungen entspricht das Beschwerdevorbringen nicht.

Die Beschwerde meint "nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts" liege "lediglich ein ... Teilurteil vor", weil das Verwaltungsgericht "nicht ausdrücklich die Frage entschieden" habe, "ob die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorliegen"; von grundsätzlicher Bedeutung sei, "wie angesichts dieses Teilurteiles weiter in Zukunft zu verfahren ist". Insoweit werden aber weder konkrete Rechtsfragen bezeichnet, noch wird erläutert und erklärt, weshalb ein Teilurteil anzunehmen sei. Hierfür genügt keineswegs allein der Hinweis auf die "Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts".

Zwar ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.2.1992 (BVerwG 9 C 59.91 - DVBl. 1992, S. 843) mit der Neubestimmung des Asylantragsbegriffs (§ 7 Abs. 1 AsylVfG a.F., § 51 Abs. 1 AuslG) der Streitgegenstand in einem vom Bundesamt vor dem 31.12.1990 entschiedenen Asylverfahren, das am 1.1.1991 noch bei Gericht anhängig war, von Gesetzes wegen auf die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erweitert worden. Liegen insoweit "tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts - wegen der von ihm vertretenen Rechtsauffassung konsequent - nicht vor", so stellt sich nach dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.3.1992 (BVerwG 9 B 235.91) "die bisherige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im Ergebnis als Urteil nur über einen Teil des Streitgegenstandes (§ 110 VwGO)" dar.

Das bedeutet aber lediglich, daß sich das Urteil für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde "im Ergebnis" wie ein Teilurteil auswirkt, weil mangels der notwendigen tatsächlichen Feststellungen "eine Prüfung des Vorliegens oder Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts durch das Bundesverwaltungsgericht ... nicht in Betracht" gekommen ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 19.3.1992 - BVerwG 9 B 235.91 -; unklar insoweit der die Einschränkung "im Ergebnis" nicht enthaltende amtliche Leitsatz zu diesem Beschluß, DVBl. 1992, S. 849). Eine derartige Prüfung hätte sich nämlich bei einem Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO schon deswegen verboten, weil der den Feststellungsanspruch nach § 51 Abs. 1 AuslG betreffende Teil des Streitgegenstandes noch beim Berufungsgericht rechtshängig gewesen wäre und hierüber allenfalls im Revisionsverfahren im Wege des "Heraufholens dieses Prozeßrestes" hätte entschieden werden können.

Entscheidet das Gericht wegen unrichtiger Auslegung des Klageantrags subjektiv in vollem Umfang über das Klagebegehren, so liegt weder ein übergangener Antrag im Sinne von § 120 VwGO vor, der nur mit fristgebundenem Antrag auf Urteilsergänzung geltend gemacht werden könnte (BVerwG, Urteil vom 15.3.1984, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 15, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung), noch kann deswegen ein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO angenommen werden; vielmehr liegt grundsätzlich ein Vollendurteil vor, das jedoch wegen Verletzung des § 88 VwGO an einem Verfahrensmangel leidet, der gegebenenfalls durch Rechtsmittel zu beseitigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.3.1984, a.a.O., unter Hinweis auf Urteil vom 24.6.1981, Buchholz 448.0 § 18 Nr. 10, und BGH, Urteil vom 27.11.1979, NJW 1980, 840, sowie BVerwG, Urteil vom 10.11.1988, Buchholz 424.4 PflSchG Nr. 1; a.A. wohl OVG Berlin, Beschluß vom 31.3.1992 - OVG 4 N 7.91). Im Urteil vom 22.5.1987 (Buchholz 448.11 § 13 ZDG Nr. 4) ist der 8. Senat von der im Urteil vom 24.6.1981 geäußerten Auffassung lediglich für den Fall abgerückt, daß das Verwaltungsgericht bei zutreffender Auslegung des Klageantrags diesem insgesamt und nicht nur zum Teil hätte stattgeben müssen und mangels Abweisung der Klage im übrigen bereits nach der Urteilsformel nur über einen Teil des Streitgegenstandes entschieden worden ist.

Weist dagegen das Urteil - wie vorliegend - die Klage in vollem Umfang ab, so läßt die Urteilsformel, der in erster Linie der Inhalt der Entscheidung zu entnehmen ist, eine Beschränkung auf einen Teil des Streitgegenstandes nicht erkennen. Zwar sind zur Auslegung der Urteilsformel auch der Tatbestand und die Entscheidungsgründe heranzuziehen; anders läßt sich insbesondere bei klagabweisenden Urteilen der sachliche Umfang der materiellen Rechtskraft nicht bestimmen (vgl. Kopp, VwGO, 8. Aufl., § 121, Rdnrn. 18 ff. m.w.N.). Eine solche Auslegung ist allerdings nur begrenzt möglich; sie hat sich im Interesse der Rechtssicherheit allein an das zu halten, was der Richter erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Gibt die Urteilsformel im Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Klagantrag zu Zweifeln daran keinen Anlaß, daß der Tenor den gesamten Streitstoff erschöpft, so ist es grundsätzlich mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht vereinbar, gleichwohl anzunehmen, es sei nur teilweise über den Streitgegenstand entschieden (vgl. Kopp, a.a.O., unter Hinweis auf BGH, Urteile vom 15.6.1982 und 27.11.1979, NJW 1982, S. 2257 und NJW 1980, S. 840 f.).

Dementsprechend kann auch nur mit fristgebundenem Antrag auf Urteilsergänzung nach § 120 VwGO geltend gemacht werden, daß das Gericht einen nach dem Tatbestand gestellten Antrag bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen, d.h. nicht rechtsirrig den Inhalt des Antrags nur zum Teil erfaßt, sondern sich lediglich versehentlich (irrtümlich) mit einem gestellten Antrag nicht befaßt hat. Wird ein Antrag nach § 120 Abs. 1 VwGO nicht gestellt, entfällt mit Ablauf der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO die Rechtshängigkeit mit der Folge, daß im Falle der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage die angefochtenen Bescheide unanfechtbar werden, soweit ein gestellter Antrag übergangen worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.1988, Buchholz 424.4 PflSchG Nr. 1). Mit dieser Rechtsfolge ließe sich schwerlich die Annahme vereinbaren, ein nach dem Tatbestand gestellter Antrag sei ungeachtet des die Klage in vollem Umfang abweisenden Tenors weiterhin rechtshängig, wenn sich das Gericht rechtsirrtümlich nicht mit ihm befaßt hat; ob dies der Fall ist oder ein Fall des § 120 VwGO vorliegt, wird sich nämlich vielfach nicht zweifelsfrei feststellen lassen. In diesem Fall müßten zweckmäßig beide Wege beschritten, nämlich sowohl ein Antrag auf Ergänzung des Urteils gestellt als auch der Rechtsbehelf oder das Rechtsmittel eingelegt werden, das gegen das Urteil gegeben ist.

Ob es gleichwohl Fälle geben kann, in denen die Urteilsformel nach ihrem Wortlaut und der nach dem Tatbestand gestellte Antrag bei sachdienlicher Auslegung gemäß den §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO den gesamten Streitstoff erschöpfen, in denen aber der Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen eindeutig ergibt, daß der Tenor den angefallenen Streitstoff nicht vollständig erfaßt, kann dahingestellt bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.1979, a.a.O. unter Hinweis auf Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 37. Aufl. § 321 Anm. 1 und m.w.N.). Daß ein solcher Fall vorliegend gegeben sein könnte, hat weder die Beschwerde dargelegt, noch lassen sich dem angefochtenen Urteil hierfür Anhaltspunkte entnehmen.

So weist das Urteil nach der Urteilsformel die Klage(n) des Klägers gegen die Beklagte zu 1. und den Beklagten zu 2. in vollem Umfang ab. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.2.1992 (a.a.O.) und dessen Beschluß vom 19.3.1992 (a.a.O.) umfaßt der vom Kläger nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils gestellte Antrag, die Beklagte zu 1. unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 24.10.1989 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, auch die Verpflichtung zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Der vom Kläger hiermit geltend gemachte prozessuale Anspruch ist nämlich auf die Verpflichtung der Beklagten zu 1. gerichtet, "die beantragte Amtshandlung vorzunehmen" (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), d.h. die mit jedem Asylantrag gemäß den §§ 7 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 6 AsylVfG a.F. (vgl. nunmehr § 13 Abs. 2, 31 Abs. 2 AsylVfG n.F.) beantragte Entscheidung zu erlassen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und der Antragsteller als Asylberechtigter anerkannt wird. Die genannten Bestimmungen verbieten auch im gerichtlichen Verfahren eine Beschränkung des Asylbegehrens auf den Anspruch aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG. Zu einer anderen als in § 12 Abs. 6 AsylVfG a.F./§ 31 Abs. 2 AsylVfG n.F. vorgesehenen Entscheidung darf das Gericht das Bundesamt nur dann verpflichten, wenn der Antrag gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AsylVfG a.F./§ 31 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG n.F. auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG beschränkt ist oder das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 4 AsylVfG n.F. in den Fällen des Familienasyls nach § 26 AsylVfG n.F. von den Feststellungen des § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG absehen soll; im übrigen kommt eine auf die Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG beschränkte Verpflichtung des Bundesamtes nur in Betracht, wenn dieses bereits die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG getroffen hat und im gerichtlichen Verfahren allein noch die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in Streit stehen, hinsichtlich deren Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG mit den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht deckungsgleich ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.2.1992, a.a.O.).

Soweit danach zwischen Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und § 51 Abs. 1 AuslG eine materiell-rechtliche Verknüpfung dergestalt besteht, daß ihre Voraussetzungen teilweise, d.h. was die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung angeht, deckungsgleich sind, könnten nämlich bei getrennter Beurteilung dieser Voraussetzungen der Bestands- oder Rechtskraft fähige divergierende Entscheidungen nicht ausgeschlossen werden (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 28.2.1985, Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 126 S. 13; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3.9.1991 - 9 S 896/91 -; Kopp, a.a.O., § 110 Rdnr. 2 f.; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, a.a.O., § 301 Anm. 2 I Ac m.w.N.). Etwas anderes kann auch nicht aus § 12 Abs. 6 Satz 4 AsylVfG a.F. hergeleitet werden. Denn diese Bestimmung hat lediglich klarstellende Bedeutung für die Fälle, in denen diese materiell-rechtliche Verknüpfung und die §§ 7 Abs. 1, 12 Abs. 6 AsylVfG a.F./§§ 13, 31 AsylVfG n.F. einer Entscheidung nur über den Asylanspruch aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht entgegenstehen; deshalb enthält das AsylVfG n.F. eine entsprechende Bestimmung nicht mehr.

Ungeachtet des damit auch den Feststellungsanspruch nach § 51 Abs. 1 AuslG umfassenden Klageantrags und des diesen in vollem Umfang abweisenden Tenors gleichwohl anzunehmen, das Urteil erfasse nicht auch den Feststellungsanspruch nach § 51 Abs. 1 AuslG, können auch die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht rechtfertigen. Denn diesen läßt sich nicht einmal andeutungsweise entnehmen, weshalb sich das Gericht nicht mit § 51 Abs. 1 AuslG befaßt hat. Auch wenn es mit Blick auf die damalige Rechtsprechung der mit Asylsachen befaßten Senate des Berufungsgerichts (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 25.2.1991 - A 12 S 1644/90 -, vom 17.11.1991 - A 13 S 1571/91 - und vom 28.6.1991 - A 14 S 1489/88 -) den Klageantrag auf den Asylanspruch aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG beschränkt angesehen und ihn damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit angeschlossen hat, rechtsirrig unter Verstoß gegen § 88 VwGO zu eng ausgelegt haben sollte, hätte dies nur einen allgemeinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluß vom 19.3.1992, a.a.O., und Urteil vom 15.3.1984, a.a.O.) zur Folge. Da jegliche Ausführungen zu § 51 Abs. 1 AuslG in den Entscheidungsgründen fehlen, könnte auch ein - absoluter - Verfahrensmangel im Sinne des § 138 Nr. 3 und 6 VwGO vorliegen; in der Sache setzen sich allerdings die Entscheidungsgründe auch mit den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG auseinander, weil wegen Fehlens der mit Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG deckungsgleichen Voraussetzungen ein Asylanspruch und weiter hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 2. auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a.F., der mit § 51 Abs. 1 AuslG wörtlich übereinstimmt, jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses der auf § 28 Abs. 1 AsylVfG a.F. gestützten Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung verneint wird. Auch ein Verfahrensmangel im Sinne des § 138 Nr. 3 und 6 VwGO könnte aber nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden. Er rechtfertigt aber keineswegs, ein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO anzunehmen, auch wenn sich die Entscheidung "im Ergebnis als Urteil nur über einen Teil des Streitgegenstandes (§ 110 VwGO)" darstellt, weil es - teilweise - nicht mit Gründen versehen ist.

Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG a.F. (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG n.F.) i.V.m. § 138 Nrn. 3 und 6 VwGO wird aber von der Beschwerde nicht bezeichnet, geschweige denn daß das Vorliegen eines solchen Verfahrensmangels dargelegt wird. Die gilt auch hinsichtlich des Vorbringens im Schriftsatz vom 3.7.1992; deshalb kann dahingestellt bleiben, ob der Inhalt dieses Schriftsatzes ungeachtet dessen Eingangs nach Ablauf der Beschwerdefrist noch hätte berücksichtigt werden können.

Die Beschwerde genügt weiter auch nicht dem Darlegungserfordernis, soweit sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin begründet sieht, daß sich das Verwaltungsgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, "ob nicht-assimilierte Kurden in der Türkei einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, weiterhin ob eine inländische Fluchtalternative besteht oder nicht". Zur Begründung wird ausgeführt, angesichts der allseits bekannten Verschärfung der Lage der Kurden in der Türkei hätte zwingender Anlaß dafür bestanden, sich sehr ausführlich mit diesen Fragenkomplexen auseinanderzusetzen. Immerhin habe die derzeitige Situation in der Türkei dazu geführt, daß mehrere Bundesländer einen Abschiebungsschutz zu Gunsten dieser Personengruppe verfügt haben.

Bereits diese Begründung selbst macht deutlich, daß mit der Frage einer "Gruppenverfolgung" ein komplexer tatsächlicher und rechtlicher Sachverhalt angesprochen wird, der der Zerlegung in einzelne konkrete Tatsachen- und Rechtsfragen zugänglich und bedürftig ist (vgl. dazu ausführlich VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 21.11.1991 - A 12 S 799/91 -). Die Beschwerde verkennt offenbar zudem, daß der Begriff der Gruppenverfolgung lediglich schlagwortartig die tatsächlichen Voraussetzungen bezeichnet, unter denen anzunehmen ist, daß jeder Gruppenangehörige ohne Rücksicht auf sein persönliches Schicksal in der Gefahr politischer Verfolgung steht. Er ist nur ein Hilfsmittel, um aus Maßnahmen, die gegen die Gruppe als solche gerichtet sind, auf eine individuelle Verfolgungsbetroffenheit des Asylsuchenden zu schließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, DVBl. 1992, S. 828, 829 f.).

Welche tatsächlichen Voraussetzungen nach Auffassung der Beschwerde die Annahme rechtfertigen sollen, jeder türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit stehe ohne Rücksicht auf sein persönliches Schicksal und unabhängig von sonstigen, staatliche Verfolgungsmaßnahmen auslösenden Umständen landesweit in der Gefahr politischer Verfolgung, wird nicht einmal ansatzweise erläutert. Deshalb kann keine Rede davon sein, daß die Beschwerde Fragen im Bereich der Tatsachenfeststellungen oder Rechtsfragen aufzeigt, die auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats - noch oder erneut - klärungsbedürftig und entscheidungserheblich sind.

Der Senat geht nämlich in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 30.3.1992 - A 12 S 293/91 - und vom 21.11.1991 - A 12 S 799/91 - m.w.N.) davon aus, daß bei Asylsuchenden türkischer Staatsangehörigkeit die Feststellung der kurdischen Volkszugehörigkeit als solche nicht bereits den Schluß auf eine individuelle Verfolgungsbetroffenheit rechtfertigt. Eine gegenteilige Auffassung wird in der höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Rechtsprechung, aber auch - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht vertreten.

So hat etwa auch das Verwaltungsgericht Stade in seinem Urteil vom 15.4.1991 - 4 A 427/90 -, das im übrigen inzwischen durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Niedersachsen vom 21.1.1992 - 11 L 5961/91 - aufgehoben worden ist, lediglich angenommen, "daß die nicht-assimilierten Kurden in den angestammten kurdischen Siedlungsgebieten im Osten der Türkei einer asylrechtlich relevanten Gruppenverfolgung in Form der unmittelbar staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt" seien, also nicht bei allen Kurden und nicht für die gesamte Türkei aus der kurdischen Volkszugehörigkeit auf eine individuelle Verfolgungsbetroffenheit geschlossen.

Auch der Senat verkennt keineswegs, daß kurdische Volkszugehörige in der Türkei insbesondere in den Gebieten des Ausnahmezustandes vielfach staatlichen Repressalien ausgesetzt sind und hierbei die kurdische Volkszugehörigkeit durchaus ein die Verfolgungsbetroffenheit mitprägender Umstand sein kann, der je nach Lage des Einzelfalls mehr oder minder deutlich hervortritt. Daß dies auch für Kurden gilt, die vom türkischen Staat oder dessen Sachwalter als loyal gegenüber dem Staat angesehen werden oder gar selbst dessen Sachwalter sind, will wohl auch die Beschwerde nicht behaupten. So zieht sie selbst nur bei "nicht-assimilierten Kurden" eine Gruppenverfolgung in Betracht. Sie legt aber nicht näher dar, was unter "nicht-assimilierten" Kurden zu verstehen ist. Insbesondere erläutert sie auch nicht, weshalb der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen und deren Würdigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im angefochtenen Urteil, die nicht mit beachtlichen Rügen angegriffen worden sind, als "nicht-assimilierter Kurde" anzusehen sein soll. Auch für die Frage einer etwaigen "Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit" ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von diesen Tatsachenfeststellungen auszugehen. Daß danach ein Sachverhalt auch nur gegeben sein könnte, bei dem die Verfolgungsbetroffenheit ihren Grund praktisch nur in der kurdischen Volkszugehörigkeit hat, wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Die Beschwerde läßt vielmehr insoweit jegliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil vermissen. Dies mag seinen Grund darin haben, daß das Verwaltungsgericht aufgrund der "aufgezeigten erheblichen Widersprüche im gesamten Vorbringen des Klägers ... dessen Angaben als unglaubhaft" angesehen hat. Daß sich diese Feststellung nur auf einen Teil der vom Kläger gemachten Angaben erstrecken soll, wird von der Beschwerde nicht behauptet. Deshalb legt die Beschwerde selbst im Ansatz auch keinen individuellen und konkreten Lebenssachverhalt dar, aus dem sich bei einer Subsumtion unter Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG Fragen im Bereich der Tatsachenfeststellungen oder Rechtsfragen ergeben könnten, die entscheidungserheblich und - obergerichtlich oder höchstrichterlich - klärungsbedürftig sind. Allein aus der Feststellung der kurdischen Volkszugehörigkeit ergeben sich - wie dargelegt - solche Fragen nicht.