BGH, Beschluss vom 21.01.2009 - Xa ARZ 273/08
Fundstelle
openJur 2012, 133935
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Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Verden bestimmt.

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung in Höhe von 41.254,71 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte zu 1 ist eine Arbeitsgemeinschaft, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2 und 3 sind. Die Beklagte zu 2 hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Verden; die Beklagte zu 3 hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Stuttgart.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Sie habe mit der Beklagten zu 1 im Oktober 2005 einen Vertrag über die Betankung von Lkw und Geräten in Henningsdorf und Eberswalde geschlossen. In ihren auf der Rückseite des Angebots abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei bestimmt:

"Im Geschäftsverkehr mit Kaufleuten ist ausschließlicher Gerichtsstand beider Parteien für sämtliche sich unmittelbar oder mittelbar aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Streitigkeiten - auch aus Urkunden und Schecks - Bad Freienwalde. Wir sind jedoch - nach unserer Wahl - berechtigt, Ansprüche gegen den Kunden auch vor demjenigen Gericht geltend zu machen, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der Wohnort oder der Sitz des Kunden befindet."

Für Lieferungen im Zeitraum vom 4. April bis 25. Juli 2006 an die Beklagte zu 1 seien noch zwölf Rechnungen in Höhe der Klageforderung offen.

Die Klägerin hat Klage zum Amtsgericht Bad Freienwalde erhoben. Das Amtsgericht hat auf den Antrag der Klägerin die Sache dem vorlegenden Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Mit Beschluss vom 29. Juli 2008 hat das Oberlandesgericht die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es hält seine Zuständigkeit für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für gegeben, sieht sich aber an einer entsprechenden Entscheidung durch die Beschlüsse anderer Oberlandesgerichte gehindert.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 1. August 2008 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 3 eröffnet worden.

II. Die Vorlage ist gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zulässig.

1. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Das vorlegende Oberlandesgericht meint, es sei nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 analog i.V.m. Abs. 2 ZPO für die Gerichtsstandsbestimmung zuständig, weil das zu seinem Bezirk gehörende Amtsgericht Bad Freienwalde bislang als einziges Gericht mit der Sache befasst sei. Der Umstand, dass im Bezirk dieses Amtsgerichts keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand habe, ändere daran nichts.

Mit dieser Rechtsauffassung weicht das Brandenburgische Oberlandesgericht jedenfalls von derjenigen des Oberlandesgerichts Karlsruhe ab, nach der für die Feststellung des nächsthöheren Gerichts auch dann nur auf die allgemeinen Gerichtsstände der Streitgenossen abzustellen ist, wenn bereits ein Gericht mit der Sache befasst ist (OLG Karlsruhe OLGR 2006, 357 f.).

2. Wie sich aus dem nach dem Vorlagebeschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. August 2008 (X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789) ergibt, ist die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts zutreffend, dass es für seine Zuständigkeit nicht darauf ankommt, ob in dem Bezirk des angerufenen Amtsgerichts (oder demjenigen des übergeordneten Landgerichts) einer der Streitgenossen seinen Wohn- oder Geschäftssitz hat. Es genügt jedenfalls, dass die nicht offensichtlich unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung einen möglichen Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bad Freienwalde bzw. des Landgerichts Frankfurt an der Oder bildet. Aufgrund der zulässigen Vorlage bleibt gleichwohl der Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.

III. Einer Gerichtsstandsbestimmung steht nicht entgegen, dass gemäß § 240 Satz 1 ZPO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 3 unterbrochen ist. Die Unterbrechung des Rechtsstreits hindert die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht (BayObLGZ 1985, 314, 315). Die Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO betrifft nicht die Hauptsache selbst, sondern nur die Zuständigkeit und hat daher nur vorbereitenden Charakter (BayObLGZ 1985, 314, 315 f.; Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., § 249 Rdn. 5; vgl. auch zum Prozesskostenhilfeverfahren BGH, Beschl. v. 23.3.1966 - Ib ZR 103/64, NJW 1966, 1126).

IV. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind erfüllt, da die als Streitgenossen in Anspruch genommenen Beklagten bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben und ein gemeinschaftlicher ausschließlicher oder besonderer Gerichtsstand nicht zuverlässig festgestellt werden kann, was für eine Gerichtsstandsbestimmung genügt (BGH, Beschl. v. 20.5.2008 - X ARZ 98/08, BGH-Report 2008, 976, 977).

1. Ein gemeinschaftlicher ausschließlicher Gerichtsstand für alle Beklagten ist nicht durch die von der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1 verwendeten Gerichtsstandsklausel, wonach vereinbarter ausschließlicher Gerichtsstand "Bad Freienwalde" ist, bei dem Amtsgericht Bad Freienwalde oder - streitwertbedingt (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.1996 - X ARZ 683/96, MDR 1997, 91) - bei dem Landgericht Frankfurt an der Oder begründet worden.

Die gegenüber der Beklagten zu 1 verwendete Gerichtsstandsklausel würde nur dann nach § 128 HGB auch gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 als ihren Gesellschaftern wirken (zur Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf die Gesellschafter: BGH, Urt. v. 8.7.1981 - VIII ZR 256/80, NJW 1981, 2644, 2646; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 128 Rdn. 41), wenn die Beklagte zu 1 Kaufmann wäre und damit die Gerichtsstandsklausel ihr gegenüber gemäß § 38 Abs. 1 ZPO überhaupt wirksam hätte vereinbart werden können. Für die Qualifikation der Beklagten zu 1 als OHG und damit als Kaufmann bestehen jedoch keine sicheren Anhaltspunkte.

2. Auch ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO lässt sich nicht ohne weiteres feststellen.

Erfüllungsort für die Verpflichtung der Beklagten zu 1 zur Zahlung des Kaufpreises für die in Rechnung gestellten Lieferungen ist gemäß §§ 270, 269 BGB der Sitz des Schuldners. Sitz des Schuldners ist auch der "Sitz" einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 6.9.2003 - 5 W 153/03, juris; BayObLG ZIP 2002, 1998). Der sich hieraus ergebende Erfüllungsort für die Verbindlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist auch für die Haftung der Gesellschafter maßgeblich (vgl. BayObLG ZIP 2002, 1998 f.; OLG Saarbrücken aaO; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 29 Rdn. 25 "Handelsgesellschaft und GbR").

Im Streitfall lässt sich jedoch ein Sitz der Beklagten zu 1, der als Erfüllungsort einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand für alle Beklagten begründen könnte, nicht zuverlässig feststellen. Dem auszugsweise vorgelegten Dach-Arbeitsgemeinschaftsvertrag ist die Angabe eines Sitzes im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu entnehmen. Fehlt es an einem solchen festgelegten Sitz, gilt nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO als Sitz der Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Maßgebend dafür ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272). Auch hierfür bestehen keine sicheren Anhaltspunkte. Die Beklagte zu 1 hat ihre Geschäftsführung als "kaufmännische" und "technische" Geschäftsführung zwischen ihren beiden Gesellschaftern aufgeteilt. Dementsprechend wird ihre Geschäftsführung nicht im Sinne einer einheitlichen Verwaltung von einem Ort aus geführt.

V. Es erscheint zweckmäßig, von den in Betracht kommenden Landgerichten Verden und Stuttgart das Landgericht Verden als zuständiges Gericht zu bestimmen. Das Verfahren gegen die im Bezirk des Landgerichts Stuttgart ansässige Beklagte zu 3 ist nach § 240 ZPO unterbrochen. Im Bezirk des Landgerichts Verden hat die Beklagte zu 2 ihren Sitz, deren Anschrift die Beklagte zu 1 der Klägerin als maßgeblich mitgeteilt hat. Dorthin hat die Klägerin dementsprechend auch die im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung des Vertrages stehende Korrespondenz gerichtet.

Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Asendorf Achilles Vorinstanz:

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 29.07.2008 - 1 AR 22/08 -