Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 30.09.2010 - 12 W 28/10
Fundstelle
openJur 2012, 23461
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Cottbus vom 17. März 2010, Az.: 6 O 240/09, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen eine Klage, mit der die Klägerin von ihm die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 35.000,00 € nebst Zinsen wegen an ihr begangener Körperverletzungen verlangt.

Die Klägerin, die mit dem Beklagten verheiratet ist, zwischenzeitlich von ihm allerdings getrennt lebt, wurde vom Beklagten am 17. und 18.03.2006 so heftig geschlagen, dass sie drei Tage lang im Krankenhaus wegen einer Mittelhandfraktur, einer Fraktur der Großzehe und eines Schlüsselbeinbruchs behandelt werden musste. Zudem fügte der Beklagte ihr durch Schläge zahlreiche Hämatome an Armen und Beinen zu. Am 03.03.2007 schlug der Beklagte wiederum erheblich auf die Klägerin ein und stieß möglicherweise auch ihren Kopf gegen einen Treppenabsatz. Die Klägerin erlitt Hämatome im Gesicht, am rechten Schulterblatt und an der linken Brust, eine Bisswunde an der linken Brust, eine Risswunde an der Oberlippe, einen Bluterguss am Hinterkopf sowie Schürfwunden am Fuß und am linken Zeh. Die Klägerin musste deshalb stationär behandelt werden. In der Nacht vom 12. auf den 13.08.2007 wurde die Klägerin schließlich lebensbedrohlich verletzt, wobei die Parteien darüber streiten, ob der Beklagte der Klägerin diese Verletzungen zufügte. Die Klägerin wies mehrfache Zeichen schwerer stumpfer Gewalteinwirkung auf Kopf und Rumpf auf. Auf den Kopf war eine zweiseitige Gewalteinwirkung erfolgt. Linksseitig kam es zur Ausprägung eines Bruches des Jochbeines sowie des Schläfenbeines mit Blutung unter die harte Hirnhaut, welche operativ entfernt werden musste. Rechtsseitig erlitt die Klägerin eine massive Unterblutung der Haut der rechten Gesichtshälfte. Der rechte Unterkiefer und das Nasenbein waren gebrochen. Der Nasenbeinbruch führte zu einer massiven Unterblutung der Augenober- und -unterlider auf beiden Seiten. Durch Einwirkungen auf den Hals erlitt die Klägerin einen mehrfachen Zungenbeinbruch. Die Außenseite der rechten Schulter sowie des Oberarmbereichs und der rechten Rückenseite waren aufgrund stumpfer Gewalteinwirkung durch Schläge oder hierdurch verursachte Stürze ebenfalls massiv unterblutet. Ferner wiesen beide Brustdrüsen Unterblutungen auf, die durch Gewalteinwirkung verursacht wurden. Die Verletzungen des Kopfes mit der Unterblutung unter die harte Hirnhaut begründeten eine akute Lebensgefahr für die Klägerin. Die Klägerin musste stationär - zunächst intensivmedizinisch - behandelt werden. Infolge der Kopfverletzungen musste sich die Klägerin in der Zeit vom 29.08. bis 14.11.2007 einer Rehabilitationsmaßnahme unterziehen. Die Klägerin leidet noch heute unter dem Geschehen.

Der Beklagte ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Cottbus vom 10.07.2009 wegen gefährlicher Körperverletzung in einem Fall - nämlich wegen des Geschehens vom 12./13.08.2007 - und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei weiteren Fällen verurteilt worden. Hinsichtlich der Vorfälle vom 17./18.03.2006 und 03.03.2007 ist der Beklagte vom Vorwurf der Körperverletzung mit der Begründung freigesprochen worden, es sei nicht auszuschließen, dass seine Steuerungsfähigkeit und damit auch Schuldfähigkeit wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB aufgehoben gewesen sei. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen im Strafverfahren wird auf das Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Cottbus vom 10.07.2009 (Bl. 111 ff GA) Bezug genommen. Gegen die Verurteilung betreibt der Beklagte zur Zeit ein Wiederaufnahmeverfahren, wobei er sich in erster Linie auf die Angaben des zwischenzeitlich aufgefundenen Zeugen A… M… stützt, der ihn - nach Behauptung des Beklagten - am 12.08.2007 in der Zeit von ca. 23.00 bis 24.00 Uhr in seiner damaligen Wohnung aufgesucht und dabei eine Alkoholisierung bei ihm festgestellt habe, die dazu geführt habe, dass er nicht mehr ansprechbar gewesen sei und sich kaum auf den Beinen habe halten können, während die Klägerin zu dieser Zeit in der Wohnung nicht zugegen gewesen sei.

Die Beklagte bestreitet der Klägerin die in der Nacht vom 12. auf den 13.08.2007 erlittenen Verletzungen zugefügt zu haben. Auch beruft er sich auf seine fehlende Verantwortlichkeit bezüglich der Ereignisse im Hinblick auf eine nicht gegebene Steuerungsfähigkeit sowie einen gleichfalls nicht schuldhaften Verlust der Steuerungsfähigkeit infolge eines alkoholbedingten hirnorganischen Psychosyndroms und einer krankhaften Störung in Form einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Insoweit macht sich der Beklagte die entsprechenden Ausführungen im Strafurteil sowie die im Rahmen des Strafverfahrens erstellten Gutachten der Ärzte Dr. J… R… und V… H… vom 02.05.2008 und 27.04.2009 zu Eigen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 17.03.2010 den Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverteidigung biete im Hinblick auf die im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Feststellungen im Strafverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Beklagte hat gegen den ihm am 22.03.2010 zugestellten Beschluss mit am 06.04.2010 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit seinem Rechtsmittel vertieft der Beklagte seinen bisherigen Vortrag zum Ausschluss seiner Verantwortlichkeit nach § 827 BGB. Weiter beantragt der Beklagte die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über seinen Wiederaufnahmeantrag im Strafverfahren mit der Begründung, eine erfolgreiche Wiederaufnahme und ein Freispruch im Strafverfahren seien auch im Zivilprozess zwingend zu berücksichtigen.

Mit Beschluss vom 07.05.2010 hat das Landgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

Die Akten 379 AR 253/10 der Staatsanwaltschaft Neuruppin (= 11 AR 2/10 des Landgerichts Neuruppin, vormals 1250 Js 29597/07 der Staatsanwaltschaft Cottbus) lagen dem Senat vor.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist nach §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Beklagten verneint und deshalb Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, § 114 ZPO.

Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 35.000,00 € jedenfalls wegen der zu ihrem Nachteil begangenen Körperverletzungen vom 17./18.03.2006 und 12./13.08.2007 aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB, 223, 224 StGB verlangen, unschädlich ist daher der in Betracht kommende Ausschluss der Verantwortlichkeit des Beklagten gem. § 827 BGB für den Vorfall vom 03.03.2007.

13Zwar hat der Beklagte seine Täterschaft hinsichtlich der in der Nacht vom 12. auf den 13.08.2007 erfolgten gefährlichen Körperverletzung in Abrede gestellt. Für die Versagung der Prozesskostenhilfe genügt es jedoch, wenn die Gesamtwürdigung aller bereits feststehender Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Antragstellers als ausgeschlossen erscheinen lässt und eine vernünftige und wirtschaftlich denkende Partei wegen des absehbaren Misserfolges der Beweisaufnahme von einer entsprechenden Prozessführung absehen würde (BGH NJW 1994, S. 1160; Philippi in Zöller, ZPO, Kommentar, 28. Aufl., § 114, Rn. 26). Insoweit gilt der Grundsatz des Verbots der vorweggenommenen Beweiswürdigung nicht uneingeschränkt. Die Erfolgsprognose umfasst nicht nur die Schlüssigkeit bzw. Erheblichkeit des Vorbringens, sondern auch seine Beweisbarkeit (Fischer in Musielak, ZPO, Kommentar, 7. Aufl., § 114, Rn. 21). Bezieht sich eine Partei zum Beweis des Tathergangs auf bereits vorliegende Strafakten, kann der Inhalt dieser Akten - insbesondere die Verhandlungsprotokolle und vergleichbaren Niederschriften der Angaben von Zeugen und anderen Verfahrensbeteiligten sowie die tatsächlichen Feststellungen in einem Strafurteil - bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung berücksichtigt werden (vgl. OLG Koblenz OLGZ 1991, S. 210). Haben Zeugen bereits ausgesagt oder die Aussage verweigert, so können deren Aussagen jedenfalls dann gewürdigt werden, wenn nicht substantiiert vorgetragen wird, dass die Zeugen über ihre früheren Angaben hinaus für den Antragsteller günstige Tatsachen bekunden können (vgl. OLG München JurBüro 1986 Sp. 606; KG VersR 1972, S. 104; Fischer, a. a. O., Rn. 22; vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 2000, S. 1669). Im vorliegenden Fall können daher die Erkenntnisse aus dem vorangegangenen Strafverfahren im Rahmen der Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe verwertet werden. Danach ist hinsichtlich der Ereignisse vom 12./13.08.2007 von der Täterschaft des Beklagten auszugehen, es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass in einer Beweisaufnahme die umfangreichen Feststellungen der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Cottbus zu einer vom Beklagten zum Nachteil der Klägerin begangenen gefährlichen Körperverletzung nicht bestätigt werden würden, zumal das Vorbringen des Beklagten, die Klägerin sei von einem Dritten vor ihrer Heimkehr verletzt worden, bereits im Strafverfahren geltend gemacht und von der Strafkammer verworfen worden ist. So hat die Strafkammer des Landgerichts die Verletzungen der Klägerin, die vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt werden, auf der Grundlage des eingeholten rechtsmedizinischen Gutachtens festgestellt und - sachverständig beraten - eine Eigenverletzung etwa durch Stürze der Klägerin wie auch - hinsichtlich der lebensbedrohlichen Kopfverletzungen - eine bereits länger zurückliegende Schädigungshandlung ausgeschlossen. Für die Tatbegehung durch den Beklagten sprechen die Angaben des Zeugen Gr…, der als Rettungssanitäter an den Tatort gerufen wurde. Dieser hat bekundet, der Beklagte habe bei seinem Eintreffen sichtlich betroffen gewirkt und angegeben, so sei es noch nie gewesen. Diese Angabe knüpft ersichtlich an den Zustand der Klägerin infolge der Verletzungshandlungen an, die der Beklagte schon deshalb wahrgenommen haben muss, weil er die Klägerin vor dem Eintreffen des Rettungswagens noch gesäubert haben will. Eine solche Erklärung gegenüber dem Rettungssanitäter, die auf zuvor vom Beklagten an der Klägerin begangene Verletzungshandlungen anspielt, wäre hingegen bei einer Verletzung durch einen Dritten nicht nachzuvollziehen. Auch die Angaben der im Strafverfahren vernommenen Zeuginnen B… und K… sprechen für eine Tatbegehung durch den Beklagten. Beide Zeuginnen haben angegeben, sie hätten bereits in der Zeit vor der Nacht vom 12. auf den 13.08.2007 häufiger Streitigkeiten aus der Wohnung des Beklagten und der Klägerin gehört, wobei die Zeugin B… auch von Hilferufen der Klägerin und massiven Drohungen des Beklagten berichtet hat. Zudem haben beide Zeuginnen Geräusche gehört, die auf Verletzungshandlungen schließen ließen. Dies steht in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Strafkammer zu vorangegangenen Körperverletzungen der Klägerin durch den Beklagten, die von diesem jedenfalls teilweise auch eingeräumt werden. Dabei war Anlass der Handlungen des Beklagten jeweils ein Verhalten der Klägerin, das dem Willen des Beklagten zuwiderlief. Der alleinige Besuch der Klägerin auf dem Fischerfest in P… am Abend des 12.08.2010 stellt ein derartiges Verhalten dar, sodass Verletzungshandlungen des Beklagten an der Klägerin auch unter diesem Gesichtspunkt nicht unerwartet waren. Auch die wechselnden und widersprüchlichen Angaben des Beklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung am 14.08.2007, gegenüber den Sachverständigen im Rahmen seiner Begutachtung im Strafverfahren sowie schließlich in der Hauptverhandlung zu den Ereignissen in der Tatnacht, insbesondere aber auch zu Geschehnissen, die die Verletzungen der Klägerin bereits im Vorfeld der Tatnacht verursacht haben sollen, zeigen, dass der Beklagte wahrheitsgemäße Angaben zu machen nicht bereit ist, was wiederum den Rückschluss nahelegt, dass er eine von ihm begangene Straftat zu verbergen sucht.

Eine andere Beurteilung ist nicht aufgrund der vom Beklagten behaupteten Wahrnehmungen des nunmehr ermittelten Zeugen A… M… veranlasst. Allerdings hat der Zeuge M… im Rahmen seiner Vernehmung im Wiederaufnahmeverfahren am 01.07.2010 bekundet, er habe den Beklagten am 12.08.2007 in der Zeit von ca. 23.00 bis 24.00 Uhr in seiner damaligen Wohnung aufgesucht und dabei eine Alkoholisierung beim Beklagten festgestellt, die dazu geführt habe, dass der sich allein in der Wohnung befindende Beklagte nicht mehr ansprechbar gewesen sei und sich kaum auf den Beinen habe halten können. Diese Angaben schließen jedoch nicht aus, dass sich der Beklagte wenige Stunden später soweit erholt hatte, dass er die zwischenzeitlich heimgekehrte Klägerin verletzen und gegen drei Uhr morgens den Rettungswagen verständigen konnte. Gerade letztere Handlung sowie die Angaben der Zeugen Gr… und B… zu ihrem Eindruck vom Zustand des Beklagten um drei Uhr morgens sprechen für eine Erholung des Beklagten - soweit den Angaben des Zeugen M… zum vorangegangenen Zustand des Beklagten zu folgen sein sollte -, die diesen auch zur Verletzung der Klägerin in die Lage versetzt hat.

15Es ist auch nicht von einem Ausschluss oder einer Minderung der Verantwortlichkeit des Beklagten gem. § 827 BGB für die von ihm an der Klägerin begangenen Körperverletzungen vom 17./18.03.2006 und vom 12./13.08.2007 auszugehen. Darlegungs- und beweisbelastet für die Unzurechnungsfähigkeit nach § 827 Satz 1 BGB wie auch - bei einer Tat im durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel herbeigeführten Zustand der Willensunfreiheit - für den Eintritt des Zustandes der Willensunfreiheit ohne sein Verschulden ist der Täter (Sprau in Palandt, BGB, Kommentar, 69. Aufl., § 827, Rn. 3). Die vom Kläger insoweit in Bezug genommenen Feststellungen im Strafurteil sowie die Ausführungen der Ärzte Dr. J… R… und V… H… in ihren Gutachten vom 02.05.2008 und 27.04.2009 belegen jedoch nicht, dass sich der Beklagte bei der Begehung der Taten vom 17./18.03.2006 und vom 12./13.08.2007 in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat und dass eine Alkoholisierung des Beklagten bei Begehung der Taten ohne sein Verschulden eingetreten ist. Die Sachverständigen haben allerdings festgestellt, dass beim Beklagten im Zeitpunkt der Vorfälle vom 17./18.03.2006 und vom 12./13.08.2007 wie auch vom 03.03.2007 sowohl eine narzistische Persönlichkeitsstörung als auch eine Alkoholabhängigkeit verbunden mit einem hirnorganischen Psychosyndrom und einer hierdurch bedingten Unfähigkeit zur Alkoholabstinenz vorlag. Zugleich führen die Sachverständigen jedoch aus, dass sowohl die Persönlichkeitsstörung als auch die Alkoholerkrankung nicht zu einer Aufhebung der Einsichtsfähigkeit sowie der Steuerungsfähigkeit beim Beklagten geführt haben, solange sich dieser nicht im Zustand des Vollrausches befunden hat. Ein Vollrausch des Beklagten und damit die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand ist indes nur für den Vorfall vom 03.03.2007 anzunehmen. An diesem Tag ist zeitnah nach den Verletzungshandlungen zum Nachteil der Klägerin beim Beklagten ein mittlerer Blutalkoholwert von 4,78 Promille festgestellt worden. Zugleich kommt nach den Feststellungen der Sachverständigen im Strafverfahren wegen der Abstinenzunfähigkeit des Beklagten in diesem Zeitraum eine Berücksichtigung der Handlungen des Beklagten auch nach Maßgabe des § 827 Satz 2 BGB nicht in Betracht. Hinsichtlich der Taten vom 17./18.03.2006 und vom 12./13.08.2007 ist hingegen ein Vollrausch des Klägers nicht nachgewiesen bzw. hinreichend unter Beweis gestellt. Die Verletzungen der Klägerin vom 17. und 18.03.2006 sind erstmals von Dritten anlässlich eines gemeinsamen Gaststättenbesuchs der Parteien am Mittag des 19.03.2006 festgestellt worden. Die dem Beklagten um 16:40 Uhr entnommene Blutprobe ergab zwar einen Wert von 3,58 Promille, dieses Ergebnis rechtfertigt jedoch nicht den Rückschluss, dass der Beklagte auch bei der Verletzung der Klägerin am Vortage bzw. zwei Tage zuvor im Vollrausch gehandelt hat. Anders als im Strafverfahren wirkt das Fehlen weiterer Aufklärungsmöglichkeiten im vorliegenden Zivilrechtsstreit zu Lasten des Beklagten. Auch hinsichtlich der Tat vom 12./13.08.2007 sind objektivierbare Feststellungen zum Vorliegen eines Vollrausches - etwa durch Einholung einer Blutprobe - nicht vorhanden. Auch sprechen die Angaben der Zeugen Gr… und B… zu dem Eindruck den sie vom Beklagten hatten gegen das Vorliegen eines Vollrausches. Selbst bei Wahrunterstellung der Angaben des Zeugen M… zum Zustand des Zeugen in der Zeit zuvor ist daher das Vorliegen eines Vollrausches auch im Tatzeitpunkt nicht nachgewiesen.

16Der Höhe nach ist unter Berücksichtigung der vorsätzlichen Begehungsweise, der bei der Klägerin eingetretenen Verletzungen und der hierdurch bedingten Folgen ein Schmerzensgeld von 35.000,00 € auch bei Berücksichtigung nur der Taten vom 17./18.03.2006 und vom 12./13.08.2007 gerechtfertigt. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigungen an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 9. Aufl., Rn. 274 ff) Dabei muss die Entschädigung zu Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden (BGH VersR 1976, S. 968; OLG Hamm MDR 2003, S. 1249). Im Rahmen der daneben zu berücksichtigenden Genugtuungsfunktion ist insbesondere die Schwere des Verschuldens des Schädigers in Ansatz zu bringen (BGH NJW 1955, S. 1675; NJW 1982, S. 986; VersR 1992, S. 1410). Vorliegend erachtet der Senat aufgrund der oben aufgeführten Verletzungsfolgen, insbesondere aber auch wegen der im Hinblick auf die Art und Weise der Tatbegehung - erhebliche und vorsätzliche Misshandlungen - besonders ins Gewicht fallenden Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 35.000,00 € auch unter Einbeziehung vergleichbarer Entscheidungen in der Rechtsprechung (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.12.2001, Az. 4 U 120/01, zitiert nach juris) für angemessen.

Die vom Beklagten beantragte Aussetzung des Verfahrens gem. § 149 ZPO bis zur Entscheidung über seinen Wiederaufnahmeantrag im Strafverfahren konnte im Prozesskostenhilfeverfahren wegen der nur summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht erfolgen (vgl. Stadler in Musielak, ZPO, Kommentar, 7. Aufl. § 149 Rn. 3).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Inanspruchnahme des Beklagten für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens bereits aus Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG ergibt, das erstinstanzliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, §§ 118 Abs. 1 S. 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Gründe gegeben ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.