VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2000 - A 12 S 423/00
Fundstelle
openJur 2013, 11304
  • Rkr:

Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Asylfolgeantrags (hier im Einzelfall offen gelassen).

Tatbestand

Der am 05.02.1965 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger, kurdischer Volkszugehörigkeit und stammt aus xxx, Kreis xxx, Provinz xxx. Er reiste erstmals am 12.11.1988 in die Bundesrepublik Deutschland ein und war dabei im Besitz eines am 21.03.1988 ausgestellten türkischen Reisepasses. Am 13.11.1988 beantragte er die Anerkennung als Asylberechtigter. Gegenüber dem Grenzschutzamt Frankfurt/Main gab er dabei an, in der Türkei nicht vom Staat verfolgt oder unterdrückt worden zu sein. Er habe aber Angst gehabt, sich frei zu bewegen, weil er gedacht habe, dass die politisch Organisierten ihm etwas antun würden. Vor einem Jahr sei er von der Polizei grundlos geschlagen worden. In die Türkei wolle er nicht zurückkehren, weil es dort nicht gut sei und man dort unterdrückt werde.

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 24.02.1989 trug er vor, in seiner Heimat als Landwirt und Viehhändler tätig gewesen zu sein. Mitglied einer politischen Organisation oder Partei sei er nicht gewesen; "sie" seien aber zu ihnen gekommen und hätten etwas zum Essen gewollt. Weil sie Kurden seien, hätten sie "ihnen" etwas zum Essen geben müssen. Deswegen sei er angezeigt worden, woraufhin ihn die Polizei geschlagen habe. Insgesamt sei er zweimal wegen dieses Vorwurfs von der Polizei geschlagen worden. Außerdem sei er wegen des Ausnahmezustands unterdrückt worden; die Kurden hätten keine Rechte.

Mit Bescheid vom 05.05.1989 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seinen Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Mit Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 21.06.1989 wurde er aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise wurde ihm die Abschiebung in die Türkei angedroht. Beide Bescheide wurden am 28.06.1989 seinem Prozeßbevollmächtigten zugestellt und erwuchsen in Bestandskraft. Angabegemäß war er bereits zuvor in die Türkei zurückgereist.

Am 24.08.1992 reiste der Kläger - in Begleitung seiner Ehefrau und ihrer gemeinsamen Tochter - erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo die Familie ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragte. Bei der Asylantragstellung erklärte der Kläger laut Protokoll der Polizeibehörde der Stadt Karlsruhe, dass er in Deutschland Schutz vor Verfolgung suche und seine detaillierten Asylgründe dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge darlegen werde. Nach seinen eigenen Angaben verneinte er dabei die Frage nach einem früheren Asylantrag in Deutschland.

Zu einer Anhörung des Klägers durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge kam es in der Folgezeit nicht.

Seine Ehefrau gab bei ihrer am 08.03.1993 erfolgten Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an, vor etwa zweieinhalb Jahren in der Türkei geheiratet zu haben. Sie hätten die Partei PKK unterstützt. Ihr Bruder xxx sei nach seiner Ausreise nach Deutschland Mitglied der PKK geworden. Ihr in der Türkei lebender Cousin xxx sei dort Mitglied der PKK. Er sei den Regierungsbehörden als PKK-Kämpfer nachweislich bekannt, befinde sich (jedoch) auf freiem Fuß. Dass ihr Cousin bei den Behörden registriert sei, ergebe sich daraus, dass er in ihrem Dorf denunziert worden sei. Die Regierungsbeamten seien seinerzeit ins Dorf gekommen und hätten seine Personalpapiere mitgenommen. Er habe sich nicht zu Hause aufgehalten, sondern sei auf der Flucht gewesen. Sie sei Kurdin und unterstütze die PKK. Sie hätten für die PKK-Kämpfer Kleidung und Zigaretten besorgt und sie ihnen übergeben, wenn sie ins Dorf gekommen seien. Vor allem seien ihr Cousin und ihr Bruder gekommen. Sie hätten nicht nur für diese Kleidung gewaschen und ihnen zu essen gegeben, sondern dies auch für alle übrigen PKK-Kämpfer, die ins Dorf gekommen seien, getan. Sie sei wegen ihres Bruders und ihres Cousins aus der Türkei ausgereist. Das Militär sei zu ihnen gekommen. Es habe den Vater für zwanzig Tage in das Gefängnis nach xxx mitgenommen, nachdem er zuvor auf der Polizeistation in xxx vernommen worden sei. Vor etwa vier Jahren, als ihr Cousin verschwunden gewesen sei, sei auch sie selbst einmal für einen Tag auf der Polizeistation in xxx - gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem Onkel - festgehalten worden. Die Freilassung sei erfolgt, nachdem sie dem Polizeibeamten erklärt habe, dass sie keinen Einfluss auf eine Festnahme ihres Cousins und ihres Bruders nehmen könne. Außerdem sei ihnen vorgeworfen worden, dass sie die PKK-Kämpfer unterstützten. Einmal, als sie sich auf dem Weideland befunden hätten, seien sie vom Militär nach xxx mitgenommen worden. Sie hätten sie bedroht und ihnen mit Schlägen und Vernichtung gedroht. Sie hätten ihnen vorgeworfen, die PKK zu unterstützen. Dies hätten sie angenommen, weil ihr Bruder und ihr Cousin auch dabei seien. Die Festnahme auf der Polizeistation in xxx habe eine Woche gedauert. Dies sei im Herbst gewesen, als sie vom Weideland zurückgekommen seien. Auf dem Weideland seien sie angesprochen und nach dem Cousin befragt worden. Die Festnahme sei aber erst erfolgt, nachdem sie ins Dorf zurückgekehrt seien. Die gesamte Familie sei für eine Woche auf der Polizeistation festgehalten worden. Weil sie dabei nichts herausbekommen hätten, sei die ganze Familie nach einer Woche wieder freigelassen worden. Danach hätten sie überhaupt keine Ruhe gehabt; im Dorf herrsche immer das Militär. Sie sei nur wegen ihres Bruders und wegen ihres Cousins ausgereist. Ihr Bruder sei vor langer Zeit von der Türkei nach Deutschland ausgereist und 1991 von hier wieder in die Türkei zurückgekehrt, um sich dort der PKK anzuschließen. Das wisse sie von ihrem Cousin, der ein Foto vorgelegt habe, auf dem sie beide gemeinsam bei der Ausbildung abgebildet gewesen seien. Für den Fall der Rückkehr befürchte sie - wie in der Vergangenheit - hin und wieder zur Polizeistation geladen oder mitgenommen zu werden, wo sie nach dem Verbleib ihres Bruders und Cousins befragt würde. Ihre Tochter habe keine eigenen Asylgründe.

Mit Bescheid vom 29.03.1994 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge auf den Antrag des Klägers die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Gleichzeitig wurde ihm die Abschiebung in die Türkei angedroht. Der Bescheid wurde am 02.04.1994 zugestellt.

Mit Bescheid vom 20.07.1994 wurden die Asylanträge seiner Ehefrau und ihrer Tochter abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Gleichzeitig wurde ihnen die Abschiebung in die Türkei angedroht. Der Bescheid wurde am 09.08.1994 zugestellt.

Mit Bescheid vom 19.10.1994 wurde der am 19.08.1994 gestellte Asylantrag der am 30.09.1993 in Deutschland geborenen Tochter des Klägers abgelehnt. Der Bescheid wurde am 14.02.1995 zugestellt.

Mit Bescheid vom 31.01.1996 wurde der am 21.12.1995 gestellte Asylantrag einer am 15.11.1995 in Deutschland geborenen weiteren Tochter abgelehnt. Der Bescheid wurde am 07.02.1996 zugestellt.

Der Kläger hat am 08.04.1994 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 29.03.1994 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise des § 53 AuslG vorliegen. (Seine Ehefrau und die gemeinsamen Töchter haben am 11.08.1994, am 17.02.1995 und am 17.02.1996 ebenfalls Klagen beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben mit den Anträgen, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide des Bundesamts vom 20.07.1994, 19.10.1994 und 31.01.1996 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise des § 53 AuslG vorliegen).

Zur Begründung hat der Kläger mit Schriftsatz seines damaligen Prozeßbevollmächtigten vom 07.04.1994 vorgetragen, sich vor seiner zweiten Einreise nach Deutschland konkret einer Verfolgung durch die türkische Armee ausgesetzt gefühlt zu haben. Er legte dazu einen Artikel aus Özgür Gündem vom Juni 1992 vor, in welchem seinen Angaben zufolge geschildert werde, dass er und andere Dorfbewohner gegen ein von der Armee ausgesprochenes Verbot, Schafe in den Bergen zu weiden, verstoßen hätten. Daraufhin seien die Schafhirten, so auch er selbst und sein Bruder xxx, von den Soldaten gefangen genommen und geschlagen worden. Ihre Zelte seien verbrannt worden. Schließlich seien sie mit ihren Schafen wieder davongejagt worden. In dem vorgelegten Zeitungsartikel erscheine der Name des Bruders als einer der Betroffenen. Dieser sei zugegen gewesen, als Journalisten der Zeitung die Reportage gemacht hätten. Sein eigener Name tauche deshalb nicht auf, weil er bei der Reportage nicht zugegen gewesen sei.

Des Weiteren legte er einen Zeitungsartikel vor, in dem über seinen Cousin xxx berichtet werde. Dieser sei aktiver Guerillakämpfer gewesen, in xxx gefangen genommen worden und befinde sich seit nunmehr zehn Jahren im Gefängnis. Nachdem die türkischen Behörden begonnen hätten, auch die Familie des xxx zu verfolgen, sei dessen Schwester nach Deutschland geflüchtet und hier als Asylberechtigte anerkannt worden.

In einem weiteren vorgelegten Zeitungsartikel ("Berxwedan" vom 15.03.1994) werde ausführlich über seinen Cousin xxx berichtet, der Sekretär von Öcalan gewesen sei. Der Artikel enthalte die Biografie des Cousins, in der seine Verdienste als aktiver Guerillakämpfer und Mitglied der PKK herausgestrichen würden. xxx lebe nicht mehr, sondern sei als Mitglied der Guerilla in Kämpfen mit dem türkischen Militär gefallen. Er müsse befürchten, dass er als Verwandter des xxx verfolgt werde, weil er ebenfalls als Unterstützer der türkischen Guerilla gelte.

Schließlich wurden vorgelegt die Kopie eines Serxwebun-Kalenderblattes vom September 1991 und die Kopie eines Lichtbildes. Auf beiden sei ein Bruder des gefallenen Guerillakämpfers xxx abgebildet - auf dem Kalenderblatt inmitten zahlreicher PKK-Kämpfer. Der Bruder des xxx sei ebenfalls sein Cousin und aktiver PKK-Kämpfer. Auch deshalb müsse er befürchten, selbst als Verwandter und mutmaßlicher Unterstützer der PKK verfolgt zu werden.

Sämtliche vorgelegten Erkenntnismittel lägen ihm erst seit dem 06.04.1994 vor. Früher hätten sie nicht ins Asylverfahren eingeführt und zur Begründung des Asylantrags herangezogen werden können. Er habe sie auch nicht bereits im früheren Verfahren geltend machen können.

In Deutschland unterstütze er die politischen Aktivitäten kurdischer Separatisten und nehme an zahlreichen Veranstaltungen, zuletzt im März 1994, teil. Am 02.02. 1995 trug er vor, am 25.06.1994 an einer Kurden-Demonstration in Frankfurt teilgenommen zu haben. Vor wenigen Tagen habe er erfahren, dass er in der Türkei vom Militär gesucht werde. Dies habe seine Mutter, die in der Türkei lebe, einem aus Deutschland eingereisten Besucher mitgeteilt.

Am 08. November 1995 teilte er dem Verwaltungsgericht Stuttgart mit, dass er seine exilpolitischen Aktivitäten fortgesetzt habe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.

Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger angegeben: Bei der Polizeibehörde der Stadt Karlsruhe habe man ihm erklärt, er könne seine Asylgründe später beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vortragen. Die Frage nach einer früheren Asylantragstellung in der Bundesrepublik habe er aus Angst verneint. Er wisse nicht mehr so genau, wann er die neuen Erkenntnismittel erhalten habe. Ohne es genau zu wissen glaube er, dass er das Kalenderblatt im Jahr 1994 erhalten habe. Den vorgelegten Artikel aus Özgür Gündem vom 13.06.1992 habe er im Jahr 1992 in die Hände bekommen. Das gegen ihn wegen Teilnahme an der Autobahnblockade eingeleitete Ermittlungsverfahren sei am 19.09.1994 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. An dem Hungerstreik in Berlin habe er nicht teilgenommen; am 14.07.1995 habe er jedoch an einer Demonstration teilgenommen, weil einer der Hungerstreikenden gestorben sei. Bei den Veranstaltungen habe er meistens eine Armbinde bekommen und beispielsweise den Leuten ihre Plätze zugewiesen oder sie in den Bus verbracht. xxx sei der Bruder seiner Ehefrau; xxx sei sowohl sein als auch seiner Ehefrau Cousin. Er selbst stehe zu seiner Ehefrau im Verhältnis von Cousin zu Cousine. Der Vorfall, von dem seine Frau berichtet habe, habe sich im Herbst 1991 ereignet. Sie sei damals wegen xxx mitgenommen und nach xxx gebracht worden. Dieser Vorfall habe nichts mit den Ereignissen zu tun, über die in Özgür Gündem im Juni 1992 berichtet worden sei. Das Verbot, die Schafe in den Bergen zu weiden, habe jedenfalls für das gesamte Dorf gegolten. Der Zeuge xxx sei im Sommer 1995 anlässlich des Todes von dessen Vater für ungefähr zwei Wochen in die Türkei zurückgekehrt. Während der Zeuge bei seiner (des Klägers) Mutter gewesen sei, sei das Militär gekommen und habe nach ihm (dem Kläger) gefragt. Dies habe ihm der Zeuge nach der Rückkehr im Spätsommer 1995 berichtet. Am 26.05.1996 habe er am kurdischen Fest zur Unterstützung der kurdischen Guerilla in Heilbronn teilgenommen. Er habe zwei Eintrittskarten; eine für sich und eine für seine Ehefrau. Bei dieser Gelegenheit habe er als Platzanweiser eine rote Armbinde getragen.

Mit Beschluss vom 19.07.1996 beschloss das Verwaltungsgericht, drei der vorgelegten Zeitungsartikel zur weiteren Aufklärung der Gefahr politischer Verfolgung der Ehefrau des Klägers übersetzen zu lassen.

Mit Urteil vom 07.02.1997 hat das Verwaltungsgericht - ohne weitere mündliche Verhandlung - die Bescheide des Bundesamts vom 29.03.1994, vom 20.07.1994 und vom 31.01.1996 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger, seine Ehefrau und die am 26.10.1991 bzw. am 15.11.1995 geborenen Töchter als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Hinsichtlich des die am 30.09.1993 geborene Tochter betreffenden Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19.10.1994 hob das Verwaltungsgericht dessen Ziffer 3 in vollem Umfang und dessen Ziffer 4 insoweit auf, als darin die Abschiebung in die Türkei angedroht wird. Zugleich wurde die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass in ihrer Person ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 AuslG bezüglich der Türkei vorliegt. Im Übrigen wurde ihre Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Asylfolgeantrag des Klägers jedenfalls nach § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG zulässig sei, weil der Zeitungsartikel aus Berxwedan vom 15.03.1994 innerhalb der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG als neues Beweismittel vorgelegt worden sei. Der Kläger sei auch vor unmittelbar drohender individueller Verfolgung aus der Türkei geflohen und bei seiner Rückkehr vor weiterer politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass er im Sommer 1992 von Soldaten daran gehindert worden sei, seine Schafe auf die Almen zu bringen; dabei sei er festgenommen und geschlagen worden. Zwei seiner Cousins seien PKK-Aktivisten, wobei xxx als "Held des Widerstands" und prominenter Guerilla-Kämpfer gefallen und xxx als aktives PKK-Mitglied festgenommen worden und offenbar noch immer inhaftiert sei. Es könne offen bleiben, ob bereits seine bisherigen Erlebnisse als asylrelevante Verfolgungsmaßnahmen einzustufen seien. Jedenfalls drohe ihm nunmehr, nach Erscheinen der Zeitungsartikel, in denen drei seiner näheren Verwandten genannt und zwei davon als aktive PKKler beschrieben worden seien, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf Grund des Verdachts der PKK-Unterstützung unmittelbar politische Verfolgung. Auf Grund einschlägiger Bestimmungen des türkischen Strafgesetzbuchs habe er bei einer Rückkehr in die Türkei zu befürchten, wegen des Verdachts der PKK-Unterstützung von Polizei oder Militärangehörigen überprüft und festgehalten oder in ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren zu geraten und dabei inhaftiert zu werden. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil er auf Grund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu zwei PKK-Aktivisten von vornherein ebenfalls dem Verdacht der PKK-Unterstützung unterliegen dürfte. Bei einem Ermittlungsverfahren drohe ihm politische Verfolgung in Gestalt einer unmenschlichen Behandlung durch körperliche Misshandlung bis hin zu Folterung durch unrechtmäßig handelnde Beamte, die (zumindest auch) an seine vermutete politische Überzeugung anknüpfen würden und für die der türkische Staat verantwortlich sei. Offen bleiben könne, ob ihm vor seiner erneuten Ausreise eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung gestanden habe. Auf eine inländische Fluchtalternative könne er jedenfalls nunmehr nicht mehr verwiesen werden, weil er, bevor er diese erreichen könnte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wäre. Seine Ehefrau und zwei ihrer gemeinsamen Töchter seien nach § 26 AsylVfG als Asylberechtigte anzuerkennen. Diese hätten auch einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Der weiteren Tochter stehe nur ein Anspruch nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 8 EMRK zu. Wegen der verspäteten Asylantragstellung könne sie sich nicht auf § 26 AsylVfG berufen; eigene Asylgründe stünden ihr - auch unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" - nicht zu.

Auf Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hat der Senat mit Beschluss vom 09.06.1997 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit den Klagen stattgegeben wurde.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07.02.1997 - A 3 K 12958/94 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte, die im Berufungsverfahren nichts vorgetragen hat, stellt keinen Antrag.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Sein früherer Prozessbevollmächtigter benennt für die Gefährdung des Klägers in der Türkei und für seine exilpolitischen Aktivitäten einige Zeugen, beantragt schriftsätzlich deren Vernehmung und legt zum Teil Niederschriften über Tonbandmitschnitte von weiteren Angaben des Klägers und von Zeugen vor. Dabei wird geltend gemacht: Ein weiterer Verwandter der Ehefrau des Klägers, xxx genannt xxx, sei als Mitglied der PKK-Guerilla - nach seiner Rückkehr aus Deutschland - in der Türkei gefallen und werde dort als Märtyrer der PKK gefeiert. Des Todes und des Wirkens von xxx werde in der Özgur Politika vom 02.04.1997 gedacht. Zahlreiche Verwandte der Familie seien in Deutschland und in der Schweiz als politisch Verfolgte anerkannt worden. Der Kläger entfalte in der Bundesrepublik Deutschland Aktivitäten für die kurdische Sache. Dabei sei er teilweise als Ordner oder Döner-Verkäufer eingesetzt oder mit der Betreuung von bei diesen Veranstaltungen auftretenden Künstlern befasst. Er habe mit seiner Mutter telefoniert, die noch in der Türkei lebe. Seine Mutter habe ihm berichtet, dass Soldaten kämen, nach ihm suchten und sich nach seinem Verbleib erkundigten. Ihre Antwort, dass er in Deutschland sei, hätten die Soldaten nicht geglaubt, sondern geäußert, dass er sich der PKK angeschlossen habe und in den Bergen sei. Der Vater seiner Ehefrau, xxx, der sich bereits 1990 wegen xxx für 20 Tage in xxx im Gefängnis befunden habe, werde vermisst. Keiner wisse, wo er sei oder ob er überhaupt noch lebe. Der Zeuge xxx, der vor kurzem nach Deutschland gekommen sei, könne bekunden, dass Agenten der türkischen Sicherheitsbehörden behaupteten, der Kläger habe sich in Deutschland der PKK angeschlossen. Da das türkische Militär dieser Auffassung sei, behelligten Soldaten immer wieder dessen Mutter. Sie fragten nach seinem Aufenthaltsort und forderten sie auf, er möge in die Türkei zurückkehren, falls er sich in Deutschland aufhalte. Der Kläger werde seit fünf Jahren in der Türkei von Agenten des Militärs gesucht.

Mit Schriftsatz vom 04.08.1999 tragen die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vor, dass seine Familie nahe mit der Familie xxx verwandt sei, welche ebenfalls von den türkischen Sicherheitskräften als politisch der PPK nahe stehend eingestuft werde. Hinsichtlich der "nächsten Verwandten" des Klägers sei am 23.04.1998 eine Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission ergangen, in deren Folge die Verwandten (xxx) ein Aufenthaltsrecht gem. § 53 Abs. 4 AuslG erhalten hätten. Diese Verwandten hätten - ebenso wie der Kläger - vor ihrer Flucht in xxx im Kreis xxx gewohnt. Das genannte Verfahren habe (große) Publizität erfahren. Unter den Mitgliedern der Europäischen Menschenrechtskommission befinde sich mindestens eine türkische Staatsangehörige. Es stehe sicherlich außerhalb jeden Zweifels, dass diese Entscheidung gerade in der Türkei für Aufsehen an höchster Stelle sorge und insbesondere die Verfahrensbeteiligten und ihre nächsten Angehörigen den staatlichen Stellen namentlich bekannt sein dürften. Die Entscheidung sei auch im Informationsbrief Ausländerrecht 9/98 - unter Nennung der Familiennamen xxx und xxx - veröffentlicht worden. Sie sei auch Gegenstand eines Dokumentationsberichts des Fernsehsenders "ARTE" vom 06.05.1999 gewesen.

Das Verfahren des Klägers wurde von dem seiner Ehefrau und der gemeinsamen Töchter (A 12 S 1825/97) mit Beschluss des Senats vom 24.02.2000 abgetrennt und als eigenes Verfahren fortgeführt.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört. Hierzu wird auf die Aufzeichnungen des Berichterstatters (Anlage zur Niederschrift) verwiesen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Behörden- und Gerichtsakten vor. Diese waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die in der mit der Ladung übersandten Liste aufgeführten Erkenntnismittel und Leitsatzurteile des Senats. Auf die genannten Unterlagen wird ergänzend verwiesen.

Gründe

Nach §§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO konnte der Senat auch ohne die in der mündlichen Verhandlung ausgebliebenen Beteiligten über die Berufung verhandeln und entscheiden.

Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist zulässig. Zwar ist das neue Recht nach dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 01.11.1996 (BGBl. I S. 1626) anwendbar, weil im Verfahren ohne (weitere) mündliche Verhandlung die Geschäftsstelle das Urteil zum Zwecke der Zustellung an die Parteien nach dem 01.01.1997 herausgegeben hat (Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 6. VwGOÄndG); die Monatsfrist des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO zur Begründung der Berufung begann jedoch nicht zu laufen, weil der Berufungsführer nicht gemäß § 58 Abs. 1 VwGO belehrt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 9 C 26.98). Mangels wirksamer Zustellung wurde auch nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Lauf gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 9 C 14.98). Die am 06.07.1998 eingegangene Begründung der Berufung erfolgte sonach rechtzeitig und genügt hier auch im Übrigen den gesetzlichen Anforderungen.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Klägers zu Unrecht stattgegeben. Es kann letztlich in diesem Fall offen bleiben, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens überhaupt vorliegen; denn der Kläger hat jedenfalls weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (zum "Anwachsen" des Hilfsantrags hinsichtlich der Voraussetzungen des § 53 AuslG in der Berufungsinstanz vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, NVwZ 1997, 1132); die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I.

Nach Ansicht des Senats bestehen schon erhebliche Bedenken, ob im Falle des Klägers die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens überhaupt vorliegen:

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist dann, wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3) und wenn die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt wird. Hinzukommen muss dann noch, dass der Folgeantragsteller ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren - insbesondere durch einen Rechtsbehelf - geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG) und, dass der Antragsteller bei den einzelnen Folgeantragsgründen die dreimonatige Antragsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.05.1993, NVwZ 1993, 788). Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass das Gericht nicht befugt ist, bei der Prüfung des Folgeantrags andere als vom Antragsteller geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zugrunde zu legen, d.h. der Folgeantragsteller muss die seiner Ansicht nach vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens selbst und umfassend vortragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1989, NVwZ 1990, 359). Die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG müssen grundsätzlich schon im Antrag selbst abschließend und substantiiert dargetan werden. So ist namentlich substantiiert auszuführen, inwieweit der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen schon im früheren Verfahren geltend zu machen, und inwiefern er - es sei denn, dies wäre aktenkundig oder offensichtlich - die 3-Monats-Frist eingehalten hat.

Soweit der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 07.04.1994 gegenüber dem Verwaltungsgericht nur pauschal vorgetragen hat, dass "sämtliche hier vorgelegten Erkenntnismittel" dem Kläger erst seit dem 06.04.1994, dem Zeitpunkt der Mandatserteilung, vorlägen und früher nicht in das Asylverfahren eingeführt und zur Begründung des Asylantrags hätten herangezogen werden können, genügt dies nicht den oben genannten Grundsätzen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es vorliegend allein auf die tatsächliche Erlangung der Unterlagen als solche nicht ankommt.

Bei dem Vorbringen des Klägers handelt es sich nämlich - durchgängig - um die Geltendmachung einer nachträglichen Änderung der Sachlage zu seinen Gunsten (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG - Zuspitzung der innenpolitischen Situation in der Türkei; Vorfall in den Bergen mit der Schafherde am 13.06.1992; mehrere Cousins des Klägers als aktive PKK-Kämpfer gefallen oder in Haft; Exilpolitik; Schicksal der Familien xxx und xxx; Suche nach dem Kläger in der Türkei). Die genannten Gesichtspunkte waren nicht Gegenstand des bestandskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahrens bzw. konnten - nach dem zeitlichen Ablauf - nicht Gegenstand des früheren Asylverfahrens sein.

Eine Subsumtion der Unterlagen als "neue Beweismittel" im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, wie sie vorliegend vom Verwaltungsgericht unternommen wurde, kommt jedoch nicht in Betracht. Denn "neu" ist ein Beweismittel nur dann, wenn es entweder während der Anhängigkeit des ersten Asylverfahrens noch gar nicht existierte oder damals zwar vorhanden war, aber im Verfahren nicht verwendet wurde. Erforderlich ist aber stets, dass sich das Beweismittel auf den im ersten Verfahren entschiedenen Sachverhalt bezieht, weil es anderenfalls keine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Da das gesamte neue Vorbringen nicht einmal andeutungsweise Gegenstand des ersten Asylbegehrens des Klägers gewesen ist, dies gilt in Sonderheit für die nahe Verwandtschaft zu herausragenden PKK-Aktivisten, kann es sich insoweit bei den als Beleg vorgelegten Zeitungsartikeln usw. nicht um "neue Beweismittel" im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG handeln. Vielmehr ist die Vorlage von Unterlagen zum Beleg eines neuen oder bislang nicht bekannten Sachverhalts stets als Unterfall des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG anzusehen (vgl. GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 105; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., § 71 Rdnr. 95). Ob sich die Bedeutung der Unterlagen auf die Geltendmachung des Beweisgegenstands ("neuer Sachverhalt") beschränkt, oder ob daneben in besonderen Konstellationen auch die eigenständige Funktion als Beweismittel zu berücksichtigen ist, kann hier dahinstehen.

Für die vorliegend allein in Betracht kommende Bejahung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Asylverfahrens eines Folgeantrags wegen nachträglicher Änderung der Sachlage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist es, neben dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG, notwendig und allerdings auch ausreichend, dass der Asylbewerber eine Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage glaubhaft und substantiiert vorträgt. Dagegen ist es insoweit nicht von Bedeutung, ob der neue Vortrag im Hinblick auf das glaubhafte persönliche Schicksals des Antragstellers sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Verhältnisse im angeblichen Verfolgerland tatsächlich zutrifft, ob der neue Vortrag die Verfolgungsfurcht begründet erscheinen lässt und die Annahme einer asylrechtlich relevanten politischen Verfolgung rechtfertigt. Dies ist in dem neuen Anerkennungsverfahren zu prüfen. Wird danach eine nachträgliche Änderung der Sachlage zu Gunsten des Asylbewerbers geltend gemacht, genügt es freilich nicht, dass lediglich eine entsprechende Behauptung aufgestellt wird. Vielmehr muss sich aus dem Vorbringen des Antragstellers eine nachträgliche Änderung im Verhältnis zu dem früher geltend gemachten Sachverhalt ergeben. Dabei ist die Geeignetheit der neuen Tatsachen, für eine dem Asylbewerber günstigere Entscheidung, schlüssig darzutun. Freilich kann dementsprechend dann, wenn das glaubhafte und substantiierte Vorbringen von vornherein nach jeder vernünftigen vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet ist zur Asylanerkennung zu führen, das Verwaltungsgericht den Folgeantrag als unbeachtlich ansehen. Vorliegend ist schließlich zu berücksichtigen, dass auch neuer Sachverhalt, mit dem der Kläger Wiederaufnahmegründe geltend machen will, nach Ergehen der ablehnenden Entscheidung des Bundesamts den Streitstoff, den das erkennende Gericht bei seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, "anreichert". Auch insoweit ist jeweils im Einzelnen eine Prüfung der Beachtlichkeit (unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG) vorzunehmen.

Was die PKK-Aktivitäten der Cousins angeht, erscheint fraglich, ob und inwieweit die Voraussetzungen von § 51 Abs. 2 VwVfG vorliegen. So soll der Guerillakämpfer xxx - 1994 - bereits seit zehn Jahren im Gefängnis gesessen haben. Sollte der Kläger dies - und auch von den PKK-Aktivitäten der anderen Verwandten - gewusst und es gleichwohl nicht durch entsprechenden Sachvortrag zum Gegenstand seines früheren Asylbegehrens gemacht haben, so wäre ihm insoweit grobes Verschulden für die unterlassene Geltendmachung des Wiederaufgreifensgrundes im früheren Verfahren vorzuwerfen. Wenn er insoweit nur vortragen lässt, alle vorgelegten Erkenntnismittel lägen ihm erst seit dem 06.04.1994 vor, genügt dies nicht den Anforderungen an die substantiierte Darlegung der Voraussetzungen von (hier) § 51 Abs. 2 VwVfG. Selbst wenn von der Wahrheit der klägerischen Behauptung über den Zeitpunkt der Erlangung der vorgelegten Zeitungsartikel, Kalenderblätter, Fotos u.a. ausgegangen würde, trüge dies jedoch nicht zu der Klärung der Frage bei, ob und inwieweit dem Kläger der den Unterlagen zugrunde liegende Sachverhalt bereits früher bekannt gewesen ist und insoweit ins erste Asylverfahren hätte eingeführt werden können bzw. auch müssen.

Abgesehen davon wäre für jeden Wiederaufgreifensgrund (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) im Einzelnen das Vorliegen der Voraussetzungen von § 51 Abs. 3 VwVfG zu prüfen. Da vorliegend (fast) ausnahmslos Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden, die während der zwischenzeitlichen Rückkehr in den Heimatstaat entstanden und (wohl) auch zur Kenntnis des Klägers gelangt sind, beginnt die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG für deren Geltendmachung frühestens mit der Wiedereinreise zu laufen (vgl. GK-AsylVfG, II-§ 71 Rdnr. 122; Hailbronner, AuslR, B 2 § 71 Rdnr. 41; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., § 71 Rdnr. 110). Sonach wäre der Kläger zur Fristwahrung gehalten gewesen, die Wiederaufnahmegründe binnen drei Monaten nach der am 24.08.1992 erfolgten (Wieder-)Einreise gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge geltend zu machen. Sein Vorbringen erfolgte demgegenüber erstmals mit Klageschrift des früheren Prozessbevollmächtigten vom 07.04.1994. Auf einen Vertrauenstatbestand des Inhalts, dass er bei Antragstellung darauf verwiesen worden sei, seine Asylgründe gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge darzulegen und er deshalb noch persönlich angehört werde, könnte sich der Kläger jedenfalls nicht berufen, weil er sich insoweit das Prozedere eines Erstverfahrens durch bewusst wahrheitswidrige Verneinung der Frage nach einem früheren Asylantrag in Deutschland erschlichen hat. Von daher käme auch eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht in Betracht.

Von dem Versuch einer weiteren Aufklärung aller verfahrensrelevanten Umstände zur Frage nach der Zulässigkeit des Folgeantrags des Klägers hat der Senat jedoch - ungeachtet der mannigfachen sich dagegen aus den oben genannten Gründen ergebenden Bedenken - wegen der im Laufe des Verfahrens offenbar gewordenen Gedächtnisschwäche des Klägers und insbesondere auch im Hinblick auf dessen nur sehr begrenzte psychische und physische Belastbarkeit abgesehen. Die Feststellung der Zulässigkeit des Folgeantrags des Klägers mag hier deshalb ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen dahinstehen.

II.

Der Kläger ist nicht politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG. Bei ihm liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vor, wonach ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Er war vor der Ausreise nicht von landesweiter politischer Verfolgung betroffen oder bedroht. Ihm droht auch bei einer Rückkehr in das Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

1.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl (Art. 16a Abs. 1 GG) einerseits und des Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 Satz 1 AuslG andererseits deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft.

Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale (politische Überzeugung, religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen) gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315 (335); zu den Voraussetzungen im Einzelnen siehe die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Ladung mitgeteilten Senatsurteile).

2.) Der Kläger unterlag keiner landesweiten Vorverfolgung bis zur Ausreise.

a) Er war bis zur Ausreise im August 1992 keiner staatlichen gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt. Kurden hatten und haben allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit keine politische Verfolgung zu befürchten. Der Senat hat in seinen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilten Urteilen vom 02.04.1998 - A 12 S 1092/96 - und vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - festgestellt, dass Kurden in der Türkei in keinem Landesteil bisher, derzeit und auf absehbare Zukunft allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt waren bzw. sind. Weder der Tatsachenvortrag der Beteiligten in diesem Verfahren noch die zwischenzeitlich eingegangenen Erkenntnismittel rechtfertigen eine andere Beurteilung für den Zeitpunkt der Ausreise des Klägers.

b) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vom Kläger in substantiierter Weise vorgetragen worden, dass ihm zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus der Türkei Verfolgungsmaßnahmen im Sinne einer Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit unmittelbar bevorstanden.

Auch im Übergangsbereich zwischen anlassgeprägter Einzelverfolgung und gruppengerichteter Kollektivverfolgung können asylerhebliche Gefährdungslagen gegeben sein, die nicht in einer den Gewährleistungsinhalt des Grundrechts des Art. 16 a Abs. 1 GG verkürzenden Weise unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urteil vom 30.04.1996, BVerwGE 101, 134). Tatsächlichen Gefährdungslagen im Übergangsbereich zwischen anlassgeprägter Einzelverfolgung und gruppengerichteter Kollektivverfolgung ist danach im Rahmen der Prüfung der Frage Rechnung zu tragen, ob ein Asylsuchender begründete Furcht vor politischer Verfolgung hegt, weil es ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles nicht zuzumuten ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 23.07.1991, BVerwGE 88, 367). Bei der gebotenen objektiven Beurteilung dieser Frage können grundsätzlich auch Referenzfälle stattgefundener und stattfindender politischer Verfolgung sowie ein Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung in einem Asylbewerber begründete Verfolgungsfurcht entstehen lassen, sodass es ihm nicht zuzumuten ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Die für eine Verfolgung sprechenden Umstände müssen jedoch nach ihrer Intensität und Häufigkeit von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Asylbewerber die begründete Furcht ableiten lässt, selbst Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991, BVerwGE 88, 367). Diese im Wege einer Gesamtbetrachtung vorzunehmende Beurteilung setzt daher die Feststellung eines konkreten und individuellen Lebenssachverhaltes voraus (vgl. Urteil des Senats vom 18.05.1992 - A 12 S 1478/90 - und Beschluss vom 05.11.1992 - A 12 S 904/92), also eine Konkretisierung der Gefährdung in Bezug auf den einzelnen Asylbewerber (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.11.1991 - 18 A 10259/85); einen solchen Lebenssachverhalt konnte der Senat indes gerade nicht feststellen.

c) Der Kläger war in der Heimat vor der Ausreise aus der Türkei auch nicht von landesweiter individueller politischer Verfolgung betroffen oder bedroht.

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Asylsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Ihm obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen, und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern (BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989, InfAuslR 1990, 38, Urteil vom 24.03.1987, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 64). An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Lauf des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113 = InfAuslR 1989, 349 = NVwZ 1990, 171).

An diesem Maßstab gemessen hat der Kläger eine individuelle Vorverfolgung nicht zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht.

Einen zentralen Punkt seines bisherigen Vorbringens, nämlich den angeblichen Weidevorfall im Juni 1992, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ausdrücklich dahingehend korrigiert, dass er bei diesem Vorfall selbst nicht zugegen gewesen und ihm persönlich insoweit auch nichts widerfahren sei.

Soweit der Kläger ebenfalls in der mündlichen Verhandlung erstmals angegeben hat, mit Knüppeln geschlagen und mit Schlägen oder Folter bedroht worden zu sein, vermag der Senat diesem Vorbringen wegen der evidenten Steigerung keinen Glauben zu schenken. Hierbei handelt es sich um ein vollkommen neues Vorbringen des Klägers, von dem bislang nicht einmal in Andeutungen die Rede gewesen ist. Die Überzeugung von der fehlenden Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Angaben findet ihre nachdrückliche Bestätigung vor allem auch in dem Umstand, dass selbst seine - im Vergleich zum Kläger offensichtlich deutlich eloquentere - Ehefrau während des gesamten Verfahrens nicht einmal andeutungsweise von einer derartigen Behandlung ihres Ehemanns berichtet hat. Da die gesamte Familie (so auch der Kläger selbst) während einer Woche inhaftiert gewesen sein soll, müsste die Ehefrau des Klägers über derartige Vorkommnisse, wenn sie sich denn ereignet hätten, berichten können.

Ungeachtet der Frage, ob seine Darstellung im Übrigen glaubhaft ist und ob der behaupteten Maßnahme überhaupt die für die Annahme politischer Verfolgung erforderliche Intensität und Zielgerichtetheit zukommt, vermag der Senat jedenfalls schon nicht festzustellen, dass die angeblichen Vorgänge im Jahr 1990 bzw. im Herbst 1991 für die Ausreise im August 1992 noch ursächlich waren. Der Kläger hat insbesondere selbst nicht einmal ansatzweise zu erklären versucht, dass und warum er sich in einer ausweglosen Lage wähnte, der er sich nur durch eine Flucht nach Deutschland glaubte entziehen zu können.

Im Übrigen würde selbst das in der Berufungsverhandlung vorgetragene Verfolgungsgeschehen nicht die Annahme rechtfertigen, der Kläger sei von - für seine Ausreise ursächlicher - individueller politischer Verfolgung betroffen oder bedroht gewesen. Nach den - im Folgenden hilfsweise als wahr unterstellten - Angaben des Klägers verließ er die Türkei vor allem wegen der PKK-Aktivisten in seinem familiären Umfeld. Bei den Genannten handelt(e) es sich um PKK-Kämpfer, derentwegen der Kläger - und wegen des Vorwurfs eigener Unterstützung der PKK - einmal für einen Tag und ein weiteres Mal für eine Woche inhaftiert gewesen sein will. Während der Inhaftierung will er nach den Gesuchten, insbesondere nach dem Cousin xxx, befragt worden sein.

Selbst wenn man die asylerhebliche Intensität der hier unterstellten Maßnahmen und auch deren "Gerichtetheit" (auf asylerhebliche Merkmale) bejahen würde, führte dies nicht zur Annahme einer durch den Kläger vor der Ausreise erlittenen oder ihm jedenfalls im Zeitpunkt der Ausreise unmittelbar drohenden landesweiten Verfolgung. Denn dem Kläger stand insoweit jedenfalls eine inländische Fluchtalternative zu Gebote. Selbst wenn er einem gewissen Druck der Sicherheitskräfte wegen der gesuchten Verwandten ausgesetzt gewesen sein sollte und ihm dieser auch weiterhin gedroht hätte, hätte er sich der Gefahr durch ein Ausweichen in den Westen der Türkei entziehen können. Nach den Angaben der Ehefrau des Klägers wurde sie nach ihrer eintägigen Inhaftierung auf freien Fuß gesetzt, nachdem sie bekundet hatte, keinen Einfluss auf die Festnahme ihres Bruders und ihres Cousins nehmen zu können. Die Freisetzung nach einwöchiger Haft sei erfolgt, weil sie bei ihnen nichts herausbekommen hätten. Vor diesem Hintergrund ist auszuschließen, dass gegen den Kläger, der ebenfalls jeweils wieder auf freien Fuß gesetzt worden sein will, ein konkreter Verdacht bestanden hat, der geeignet gewesen wäre, ihn nicht nur auf lokaler Ebene in Schwierigkeiten zu bringen, sondern zur Aufnahme in eine landesweite Fahndungsliste geführt hätte. Der Kläger hat insoweit selbst nicht einmal behauptet, dass gegen ihn ein Haftbefehl bestanden habe. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf angebliche Zeugen und Telefonate, die er mit seiner Mutter geführt haben will, behauptet, dass nach ihm im Heimatort gesucht werde, misst der Senat diesem Vorbringen keine Erheblichkeit zu. Es mag dahinstehen, ob die behauptete Suche nach dem Kläger glaubhaft ist; gravierende Bedenken dagegen ergeben sich schon im Hinblick auf das Aussageverhalten des Klägers selbst und wegen der in den schriftlichen Angaben der Zeugen aufgetretenen Widersprüche. Im Übrigen mag es der Praxis der türkischen Sicherheitsorgane entsprechen, sich bei Verwandten nach spurlos verschwundenen Personen zu erkundigen, ohne dass deshalb nach den Verschwundenen gefahndet oder gar sonst landesweit gesucht würde.

Nach ständiger Senatsrechtsprechung (siehe die vorab mitgeteilten Senatsurteile, insbesondere die Urteile vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - und vom 10.11.1999 - A 12 S 2013/97 - m.w.N.) steht kurdischen Volkszugehörigen in der westlichen Türkei, insbesondere in den dortigen Großstädten eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Der Senat befindet sich damit in Übereinstimmung mit der aktuellen Beurteilung durch die Oberverwaltungsgerichte und trägt nicht zuletzt dem gebotenen Interesse einer einheitlichen Würdigung desselben Lebenssachverhalts Rechnung (vgl. Niedersächs. OVG, Urteil vom 23.11.1995 - 11 L 6076/91 -, S. 24ff., und vom 18.11.1997 - 11 L 4327/97 -, S. 19ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 11.03.1996 - 25 A 5801/94.A -, S. 46ff., 03.06.1997 - 25 A 3631/95.A -, Leitsatz 1, und vom 28.10.1998 - 25 A 1284/96.A -, S. 39ff.; Hamburgisches OVG, Urteile vom 23.08.1995 - Bf V 88/89 -, S. 45ff., 19.03.1997 - Bf V 10/91 -, Leitsatz; vom 04.03.1998 - Bf V 48/94 -, Leitsatz, und vom 03.06.1998 - Bf V 26/92 -, S. 39ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.10.1994 - 13 A 12464/93.OVG -, S. 19, und vom 30.10.1998 - 10 A 12577/97.OVG -, S. 17ff.; Hess. VGH, Urteile vom 14.10.1998 - 6 UE 214/98.A -, S. 61ff., und vom 07.12.1998 - 12 UE 232/97.A -, S. 41ff.; Sächs. OVG, Urteile vom 27.02.1997 - A 4 S 293/96 sowie A 4 S 434/96; OVG Bremen, Urteil vom 18.03.1998, - OVG 2 BA 30/96 -, Leitsatz 2; Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 24.11.1998 - 4 L 18/95 -, S. 27ff.). An diesen Feststellungen hält der Senat in Würdigung des Tatsachenvortrags der Beteiligten sowie der dem Senat bekannten und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel fest und verweist zur Begründung auf die o.g. Senatsurteile.

3.) Politische Verfolgung hat der sonach unverfolgt ausgereiste Kläger auch bei seiner Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu fürchten. Es liegen weder objektive noch subjektive - asylrechtlich oder im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevante - Nachfluchtgründe vor.

a) Als objektiver Nachfluchtgrund kann eine unmittelbare oder mittelbare staatliche Verfolgung des Klägers allein wegen kurdischer Volkszugehörigkeit nicht festgestellt werden. Im Übrigen steht ihm in der westlichen Türkei, insbesondere in den dortigen Großstädten, gegenwärtig und auf absehbare Zeit, eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Hierzu wird auf die o.g. Rechtsprechung des Senats und die o.g. weiteren Nachweise Bezug genommen.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Westen - etwa wegen einer landesweiten Fahndung nach ihm - Maßnahmen der Sicherheitskräfte ausgesetzt wäre, sind nicht ersichtlich (siehe auch unten unter b).

Auch wäre er dort vor anderen Nachteilen und Gefahren hinreichend sicher, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestünden (siehe die vorab mitgeteilten Senatsurteile, insbesondere die Urteile vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - und vom 10.11.1999 - A 12 S 2013/97 - m.w.N.). Insbesondere droht ihm bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung (BVerwG, Urteil vom 08.02.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104) nicht auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt. Vielmehr ergibt sich aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln, dass Kurden in der Westtürkei im Allgemeinen eine, wenn auch bescheidene, wirtschaftliche Existenz finden können und zwar selbst dann, wenn sie über keine Schul- oder Berufsausbildung verfügen und der türkischen Sprache nicht mächtig sind (vgl. hierzu im Einzelnen das Senatsurteil vom 22.07.1999, a.a.O.).

Umstände, die Anlass geben könnten, den unverfolgt ausgereisten Kläger aus der generalisierenden Betrachtung auszunehmen, liegen nicht vor (vgl. hierzu das Urteil des BVerwG vom 30.04.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 145).

b) Bei der Rückkehr in die Türkei droht dem Kläger auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit individuelle politische Verfolgung. Zurückkehrende kurdische Asylbewerber sind grundsätzlich, sofern in ihrer Person keine Besonderheiten vorliegen, bei ihrer Einreise in die Türkei sogar hinreichend sicher davor, an der Grenze oder auf dem Flughafen asylrelevanten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein. Besonderheiten lassen sich im Falle des Klägers nicht feststellen.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass zurückkehrende Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit nicht routinemäßig, d.h. ohne Vorliegen von Besonderheiten, allein aufgrund eines längeren Auslandsaufenthalts und einer Asylantragstellung (s. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1994, NVwZ-Beilage 3/1995, 18, mit Hinweis auf Rechtsprechung des Senats) bei der Wiedereinreise inhaftiert und asylerheblichen Mißhandlungen oder Folter ausgesetzt werden (vgl. insbesondere Urteile vom 02.04.1998 - A 12 S 1092/96 -, 02.07.1998 - A 12 S 1006/97 und A 12 S 3031/96 - sowie vom 21.07.1998 - A 12 S 2806/96). Die inzwischen bekannt gewordenen und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel geben dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsprechung grundsätzlich in Frage zu stellen. Übergriffe gegenüber Rückkehrern sind zwar bekannt geworden, beschränken sich indes angesichts der großen Zahl im Wege der Abschiebung und Zurückschiebung zurückkehrender türkischer Staatsangehöriger auf wenige Einzelfälle, die zudem überwiegend "Besonderheiten" im Sinne der Senatsrechtsprechung aufweisen (vgl. hierzu im Einzelnen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilte Senatsurteil vom 10.11.1999 - A 12 S 2013/97).

Auch der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 07.09.1999 führt zu keiner anderen Beurteilung. Das Auswärtige Amt schränkt dort seine Einschätzung aus dem ad-hoc-Lagebericht vom 25.02.1999, dass "angesichts der zurzeit hochemotionalisierten Atmosphäre im Zusammenhang mit der Inhaftierung Öcalans" zu bedenken sei, "dass ein erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung für abzuschiebende Türken kurdischer Volkszugehörigkeit" bestehe, dahingehend ein, dass dieses Risiko (lediglich) für solche abzuschiebenden Personen bestehe, "die sich bisher in der Kurdenfrage engagiert" hätten. Gleichzeitig stellt es - insoweit in Übereinstimmung mit dem ad-hoc-Lagebericht - fest, dass derzeit dem Auswärtigen Amt keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorlägen, dass seit der Festnahme Öcalans aus Deutschland abgeschobene türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückkehr in die Türkei Repressionen ausgesetzt gewesen seien. Etwas anderes lässt sich auch nicht den vom Auswärtigen Amt dokumentierten vier Abschiebungsfällen entnehmen, die zeitlich nach der Festnahme Öcalans durch türkische Sicherheitskräfte liegen und in denen das Auswärtige Amt Nachforschungen angestellt hat (Lagebericht, S. 26ff.). Abgesehen davon, dass sich das Vorliegen von im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevanter Misshandlung oder Folter letztlich wohl in keinem dieser Fälle hat verifizieren lassen, fehlt es insbesondere an ausreichend bestimmten Angaben zu den Hintergründen der berichteten Festnahmen bzw. Übergriffe seitens der Sicherheitskräfte, so dass sich nicht mit hinreichender Verläßlichkeit feststellen lässt, ob neben der Asylantragstellung und dem längeren Auslandsaufenthalt nicht besondere Umstände, insbesondere politische Verdachtsmomente vorlagen, die das konkrete Vorgehen der türkischen Sicherheitsbehörden erklären.

aa) Besonderheiten liegen bei dem Kläger nicht etwa wegen exilpolitischer Tätigkeiten vor.

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass wegen exilpolitischer Betätigung bei einer Rückkehr in die Türkei dort - wenn überhaupt - nur exponierten Personen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (vgl. insoweit das den Beteiligten bekannte grundlegende Urteil vom 28.11.1996 - A 12 S 922/94; ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.06.1999 - 10 A 11424/98.OVG; OVG Bremen, Urteil vom 17.03.1999 - OVG 2 BA 118/94; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.01.1999 - 11 L 2551/96; Saarländisches OVG, Beschluss vom 19.11.1998 - 9 Q 175/97; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1998 - 25 A 1284/96.A; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.07.1998 - 3 L 37/96; Hamburgisches OVG, Urteil vom 04.03.1998 - Bf V 48/94; Hessischer VGH, Urteil vom 24.11.1997 - 12 UE 725/94; Bayerischer VGH, Beschluss vom 12.08.1997 - 11 BA 96.33496; Sächsisches OVG, Urteil vom 27.02.1997 - A 4 S 434/96). An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch mit Blick auf die neuere Erkenntnislage, insbesondere auch den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 07.09.1999, festgehalten (vgl. hierzu im Einzelnen das Urteil vom 07.10.1999 - A 12 S 1021/97). In der Regel kann danach eine Exponiertheit bei massenhaft vorkommenden "Aktivitäten", wie etwa der schlichten Vereinsmitgliedschaft und der damit verbundenen regelmäßigen Zahlung von Mitgliedsbeiträgen und Spenden, der einfachen Teilnahme an Demonstrationen, Hungerstreiks, Autobahnblockaden und ähnlichen Aktivitäten, der Organisation des äußeren Ablaufs solcher Veranstaltungen (z.B. Ordner, Helfer an Informations- und Bücherständen, Verteiler von Flugblättern, Verkäufer von Zeitschriften sowie von Speisen und Getränken), der Teilnahme an Informationsveranstaltungen und Schulungsseminaren sowie der Platzierung von namentlich gezeichneten Artikeln, Anzeigen und Leserbriefen in Zeitungen (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, 02.09.1999 an VG Kassel; Oberdiek, 05.11.1998 an VG Sigmaringen; Kaya, 04.06.1998 an VG Freiburg; Taylan, 11.04.1998 an VG Freiburg) - was auch für entsprechende Internet-Aktivitäten gelten dürfte - für sich gesehen nicht angenommen werden (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.06.1999 - 10 A 11424/98.OVG; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1998 - 25 A 1284/96.A).

An diesem Maßstab gemessen haben die behaupteten Aktivitäten des Klägers (Teilnahme an prokurdischen Demonstrationen und Abendveranstaltungen - auch in der Funktion als Ordner, Döner-Verkäufer und Betreuer von dabei auftretenden Künstlern) die Schwelle der Exponiertheit ersichtlich nicht erreicht. Im Übrigen hat die Ehefrau des Klägers bei ihrer Anhörung in ihrem eigenen Verfahren gegenüber dem erkennenden Senat ausdrücklich bekundet, dass ihr Mann an politischen Veranstaltungen nicht teilnehme; er sei seit Jahren krank und passe während ihrer Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen auf die Kinder auf.

bb) "Besonderheiten" ergeben sich schließlich auch nicht mit Blick auf die familiäre Verbundenheit des Klägers mit in Deutschland, in der Schweiz oder in der Türkei lebenden Verwandten. Zur Begründung im Einzelnen wird insoweit auf die Entscheidungsgründe des Urteils im Verfahren der Ehefrau und der Töchter des Klägers vom 24.02.2000 - A 12 S 1825/97 - verwiesen.

III.

Es besteht nach den obigen Darlegungen auch keine konkrete Gefahr der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG), der unmenschlichen Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK; vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, InfAuslR 1997, 420) oder sonst eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit (§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG).

IV.

Schließlich begegnet die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gemäß §§ 34 AsylVfG, 50 AuslG erlassene Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, a.a.O.).

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159, 162 Abs. 3 VwGO entsprechend; über die übrigen Kosten wurde im Verfahren - A 12 S 1825/97 - entschieden. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§§ 83b Abs. 1, 87a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.