VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.12.1994 - 8 S 1134/94
Fundstelle
openJur 2013, 9477
  • Rkr:

1. Der Gebührenmaßstab "Baukosten" stellt nicht auf die tatsächlich entstandenen Baukosten, sondern - entsprechend dem abstrakt-typisierenden Ansatz des Abgabenrechts - auf die sich nach den ortsüblichen Löhnen und Preisen voraussichtlich ergebenden Baukosten ab. Dabei ist der Baurechtsbehörde ein gewisser Schätzungsspielraum zuzubilligen (Fortführung der Rechtsprechung).

2. a) Die von der Behörde der Baukostenschätzung zugrunde gelegten Maßstäbe und Ausgangswerte müssen sich hinreichend rechtfertigen lassen. Dies gilt um so mehr, wenn die Behörde der Baukostenberechnung und damit der Gebührenfestsetzung eigene Richtwerte für die bei bestimmten Gebäudearten etc anzunehmenden Kosten pro cbm umbauten Raums zugrunde legt.

b) Insbesondere muß sich belegen lassen, daß derartige Richtwerte auch tatsächlich dem typischen Wert in etwa entsprechen. Außerdem muß Vorsorge getroffen werden, daß die Typisierung den unterschiedlichen Gebäudearten hinreichend gerecht wird und daß von den Richtwerten abgewichen werden kann, wenn dies beispielsweise eine besonders einfache oder auch eine außerordentlich aufwendige Bauweise - wie aus den Bauvorlagen ersichtlich - gebietet.

3. Je mehr die Höhe der der Gebührenfestsetzung zugrunde gelegten Baukosten von demjenigen Wert abweicht, den der Bauherr angibt, um so mehr bedarf die Erhöhung der Begründung.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine ihr auferlegte Gebühr für die Erteilung einer Baugenehmigung.

Am 18.5.1992 erhielt sie von der Beklagten die Baugenehmigung zum Neubau eines Bürogebäudes und Verwaltungsgebäudes mit Tiefgarage. Im Bauantrag hatte die Klägerin den Bauwert nach DIN 276 Blatt 2 Nr. 3.1 und 3.2. mit 10.500.000,-- DM angegeben, davon Rohbaukosten in Höhe von 4.200.000,-- DM, woraus sich bei einem umbauten Raum (nach DIN 277) von 28.345 cbm Kosten für einen Kubikmeter in Höhe von 370,44 DM ergaben.

Nachdem die Beklagte zunächst eine Gebühr in Höhe von insgesamt 94.330,-- DM festgesetzt und die Klägerin hiergegen Widerspruch eingelegt hatte, setzte die Beklagte die Gebühren mit Bescheid vom 5.- 1992 wie folgt neu fest:

Gebühr für die Genehmigung und Bauüberwachung nach Nr. 11.4 des Verzeichnisses. 82.820,-DMGebühr für die Befreiung von den nicht eingehaltenen Vorschriften nach Nr. 11.10 des Gebührenverzeichnisses 10.790.-DM-----------Summe: 93.610,-DMDabei ermittelte die Beklagte die zugrundegelegten Baukosten wie folgt: 14 Stellplätze a 2.500 DM (geschätzt) 35.000,-DMTiefgarage 5.416 cbm x 300.-- DM pro cbm 1.624.800,-DMGebäude 22.929 cbm x 650.-- DM pro cbm 14.903.850.-DM---------------Bauwert in vollen Tausend: 16.564.000,-DMdaraus errechnete sie eine Gebühr ( 5% der Baukosten) in Höhe von 82.820,-- DM. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin erneut Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie ausführte, die Baukosten seien niedriger anzusetzen, denn das Bauvorhaben werde von einem Generalunternehmer schlüsselfertig erstellt, wobei auf der Grundlage der DIN 276 Teil 2 Abschnitte 3.1 und 3.2 aufgerundete Baukosten von 11.333.000,-- DM entstünden. Daran zeige sich zugleich, daß die Angabe im Bauantrag durchaus realistisch gewesen sei.

Das Regierungspräsidium ... wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25.5.1993 zurück, wobei es ausführte, bei der Gebührenrechnung könne es nicht auf die tatsächlich entstandenen Baukosten, sondern nur auf die sich nach den ortsüblichen Löhnen und Preisen voraussichtlich ergebenden Baukosten ankommen. Dies folge schon daraus, daß der Gebührenanspruch bereits zu einem Zeitpunkt entstehe, an dem die tatsächlich angefallenen Baukosten typischerweise noch gar nicht feststünden. Die Verwendung von durchschnittlichen Anhaltswerten für die Baukosten stehe im Einklang mit Nr. 11.0.1 des Gebührenverzeichnisses zum Landesgebührengesetz. Dabei stehe der Baurechtsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, indem sie die vom Bauherrn angegebenen Baukosten auf ihre Plausibilität hin prüfe und der Gebührenrechnung aktualisierte Durchschnittswerte zugrundelegen. Die von der Beklagten zugrunde gelegten Kostensätze seien in jeder Hinsicht plausibel, wobei darauf hinzuweisen sei, daß sie erst im Jahre 1990 überprüft und aktualisiert worden seien. Bereits damals seien für Bürogebäude in der Regel Kosten von 650.-- DM pro cbm festgestellt worden. Auch die Entscheidung über die Festsetzung der Gebühren für die Befreiungen sei nicht zu beanstanden; die für die einzelnen Befreiungen festgesetzten Gebühren bewegten sich jeweils innerhalb des gesteckten Rahmens und seien der Schwere und Intensität des Befreiungsumfangs angemessen.

Die Klägerin hat am 17.6.1993 beim Verwaltungsgericht ... Klage erhoben und beantragt, den Gebührenbescheid und den Widerspruchsbescheid hinsichtlich der darin festgesetzten Gebühr für die Baugenehmigung und Bauüberwachung aufzuheben und die Verwaltungsgebühren auf 62.871,-- DM festzusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die tatsächlichen Baukosten hätten lediglich 11.333.000,-- DM betragen, woraus sich eine Baugenehmigungsgebühr von nur 56.665,-- DM errechnet hätte. Angesichts dessen habe die Beklagte ihren Schätzungsspielraum bei weitem überschritten. Hätte die Beklagte die Baugenehmigungsgebühr in ihrem Fall ähnlich wie bei drei 1989 und 1990 genehmigten Bauvorhaben berechnet, dann hätte sie lediglich einen Betrag von 62.871,-- DM zahlen müssen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, sie lege der Gebührenerhebung Richtlinien zugrunde, in denen für Verwaltungsgebäude von einem Betrag von 650,-- DM pro cbm ausgegangen werde. Nach den Unterlagen der Architektenkammer Baden-Württemberg "Gebäudekosten 1991192" sei dieser Betrag durchaus realistisch. Bei Baugenehmigungen, die vor September 1990 erteilt worden seien, habe sie im allgemeinen dem Gebührenansatz die Wertangaben des Architekten zugrundegelegt, soweit sie plausibel gewesen seien. Diese Praxis sei dann aber geändert worden.

Mit Urteil vom 19.1.1994 hat das Verwaltungsgericht den Gebührenbescheid sowie den Widerspruchsbescheid bezüglich der darin festgesetzten Gebühr für die Baugenehmigung und Bauüberwachung in Höhe von 82.820.-- DM aufgehoben und die Verwaltungsgebühren auf 62.871,-- DM festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der von ihr gewählten Verfahrensweise habe die Beklagte den ihr eingeräumten Schätzungsspielraum überschritten. Die Regelung im Gebührenverzeichnis stelle klar, daß von den voraussichtlichen Baukosten des konkreten Vorhabens auszugehen sei. Vor Heranziehung eigener Erfahrungswerte sei die Behörde verpflichtet, weitere Ermittlungen zur Aufklärung der erforderlichen Baukosten für die Erstellung des Vorhabens anzustellen. So wäre es jederzeit möglich gewesen, vom planenden Architekten eine detaillierte Kostenschätzung einzuholen, zumal zum Bauantragsverfahren parallel bereits Bauausschreibungen liefen. Dagegen habe die Beklagte nicht ohne jede weitere Sachaufklärung auf eigene Schätzungsrichtlinien zurückgreifen dürfen. Denn eine weitere Ermittlung der Baukosten wäre hier möglich gewesen. Selbst wenn man der Beklagten einen Schätzungsspielraum zubilligen wolle, sei die Schätzung vorliegend fehlerhaft erfolgt. Denn die Beklagte habe, wie sie selbst einräume, bei der Ermittlung der Grundlagen ihrer Schätzungen regelmäßig Kosten der zentralen Betriebstechnik (betriebliche Anlagen, insbesondere Installationen und Beleuchtung etc.). nach Ziff. 3.3 der DIN 276 Teil 2 mit einbezogen, die bei der Berechnung der gebührenrelevanten Baukosten nichts zu suchen hätten. Auch die Baupreistabelle der Architektenkammer sei zur Schätzung nicht geeignet, da sie diese Differenzierung nicht vornehme. Den Orientierungswerten der Richtlinie für Baukostenplanung der staatlichen Hochbauverwaltung fehle wiederum die notwendige Differenzierung zwischen aufwendigen Bürogebäuden, wie etwa Banken und Versicherungen, und einfacheren Verwaltungsgebäuden. Die Beklagte sei somit bei ihrer Schätzung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen und habe damit das Ziel jeder Schätzung, nämlich die Schätzungsgrundlagen, soweit sie sich nicht ermitteln oder berechnen ließen, möglichst zutreffend zu finden oder sie so festzustellen, daß das Ergebnis die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich habe, verfehlt. Die Klägerin habe durch ihr Vorbringen im gerichtlichen Verfahren und die von ihr vorgelegten Unterlagen dargelegt, daß der von ihr bereits im Bauantrag genannte Bauwert tatsächlich den zur Erstellung des Vorhabens erforderlichen Kosten entsprochen habe. Die Beklagte hätte somit nur eine Gebühr in Höhe von 53.260.-- DM erheben dürfen; da die Klägerin ihre Klage aber lediglich auf den 62.871.-- DM übersteigenden Betrag beschränkt habe, habe das Gericht ihn in dieser Höhe festgesetzt.

Gegen dieses ihr am 21.3.1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.4.1994 Berufung eingelegt. Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 19. Januar 1994 16 K 1780/93 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts komme es nicht auf die tatsächlichen Baukosten im Einzelfall an; maßgebend seien vielmehr die sich nach den ortsüblichen Löhnen und Preisen voraussichtlich ergebenden Baukosten vergleichbarer Vorhaben. Im übrigen billige das Verwaltungsgericht selbst den Behörden einen Schätzungsspielraum zu, so daß es folgerichtig gewesen wäre, den Bescheid nur aufzuheben, wenn dieser Spielraum überschritten worden wäre. Sie unterscheide in ihren Richtlinien auch durchaus zwischen aufwendigen Bürogebäuden (etwa Banken und Versicherungen) und einfachen Verwaltungsgebäuden. Es komme nicht auf die Rechtmäßigkeit ihrer Richtlinien, sondern um die diejenige der Gebührenfestsetzung an. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, daß die Beklagte Tiefgaragen nicht mit denjenigen Sätzen berechne, die für das Gebäude im übrigen angesetzt würden, so daß die gerügte fehlende Differenzierung zwischen DIN 276 Teil 2 3.2 und 3.3 bei der Frage, ob die Richtlinienwerte der Realität entsprächen, nicht mehr ins Gewicht falle. Im übrigen sei wohl unbestritten, daß die Baukosten in ... höher als im Durchschnitt der Bundesrepublik bzw. Baden-Württembergs seien.

Die Klägerin beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Recht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, daß die Behörden auch bei Zugrundelegen eines Schätzungsspielraums nicht wahllos irgendeine Berechnungsmethode zur Ermittlung der Baukosten zugrunde legen dürften, die weder nachvollziehbar noch überprüfbar sei. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht eine Überschreitung des der Beklagten eingeräumten Schätzungsspielraums angenommen. Anstatt die am Ort der Bauausführung regelmäßig erforderlichen Baukosten zu ermitteln, habe sie ihrer Kostenschätzung Durchschnittskosten für das gesamte Bundesgebiet zugrundegelegt und diese durch die nicht belegte und praxisfremde Begründung, die Baukosten lägen in ihrem Zuständigkeitsbereich 20% über den bundesdurchschnittlichen Baukosten, um diesen Prozentsatz erhöht. Ferner habe sie eine nicht ausreichend differenzierte Bauklassentypik zugrundegelegt und ihr Vorhaben in eine falsche Bauklasse eingeordnet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts sowie die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Berufung bleibt im wesentlichen ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Gebührenbescheid der Beklagten und den Widerspruchsbescheid zu Recht aufgehoben, denn diese sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Senat hält es allerdings nicht für angebracht, die Verwaltungsgebühr gem. § 113 Abs. 2 S. 1 VwGO gerichtlich festzusetzen.

Rechtsgrundlage ist, wie das Verwaltungsgericht im einzelnen zutreffend dargelegt hat, Nr. 11.4 des Gebührenverzeichnisses (GebVerz) i.V.m. den Vorschriften des Landesgebührengesetzes und der Gebührenverordnung. Danach beträgt die Gebühr für die Baugenehmigung und Bauüberwachung von baulichen Anlagen 5 v.T. der Baukosten. Gemäß Nr. 11.0.1 Buchst. b) GebVerz ist, soweit die Gebühren nach den Baukosten berechnet werden, von den Kosten nach DIN 276 Teil 2 Abschnitte 3.1 und 3.2 auszugehen, die am Ort der Bauausführung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur Erstellung des Vorhabens erforderlich sind, einschließlich des Werts etwaiger Eigenleistungen (Materialleistungen und Arbeitsleistungen).

Dieser als Gebührenmaßstab verwendete Begriff der Baukosten ist hinreichend bestimmt. Dies gilt auch dann, wenn man den Verweis auf DIN 276 Teil 2 Abschnitte 3.1 und 3.2 ohne die - zum hier maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht erfolgte - Angabe einer bestimmten Fassung für problematisch hält (vgl. hierzu das Urteil des 3. Senats des erkennenden Gerichtshofs v. 28.1.1994 - 3 S 1098/91-). Denn aus den sonstigen Vorgaben des Gebührenverzeichnisses und dessen Zielsetzung lassen sich ausreichende objektive Kriterien gewinnen, die eine willkürliche Handhabung des Begriffs der Baukosten durch Behörden und Gerichte ausschließen. Insoweit bestehen keine Bedenken, die in den Abschnitten 3.1 und 3.2 der DIN 276 Teil 2 aufgeführten Kostenpositionen (Baukonstruktionen und Installationen) als sachverständige Konkretisierung Bautechniker Begriffe ergänzend heranzuziehen.

Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (vgl. außer dem genannten Urteil v. 28.1.1994 insbesondere das Urteil v. 30.4.1986 - 14 S 368/85-, ESVGH 36, 270 = KStZ 1987, 15 sowie das darauf Bezug nehmende Urteil v. 6.2.1987 - 14 S 1928/85 - KStZ 1987, 196 = BWVPr 1987, 184) nicht auf die tatsächlich entstandenen Baukosten sondern - entsprechend dem abstrakt-typisierenden Ansatz des Abgabenrechts - nur auf die sich nach den ortsüblichen Löhnen und Preisen voraussichtlich ergebenden Baukosten an. Daß es für die Gebührenberechnung nicht auf die tatsächlichen Baukosten ankommen kann, ergibt sich neben dem grundsätzlichen Ansatz schon daraus, daß der Gebührenanspruch bereits mit der Vornahme der Amtshandlung entsteht, also zu einem Zeitpunkt, an dem die tatsächlich angefallenen Baukosten noch gar nicht feststehen und daß der Maßstab auch für diejenigen Fälle tauglich sein muß, in denen es überhaupt nicht zur Errichtung einer Anlage entsprechend der Baugenehmigung oder dem Bauvorbescheid kommt (vgl. hierzu auch den dem Urt. v. 28.1.1994 zugrundeliegenden Sachverhalt).

Unbedenklich ist, daß der Ermittlung der durchschnittlichen Baukosten Elemente anhaften, die es erforderlich machen, den Baurechtsbehörden einen gewissen Schätzungsspielraum zuzubilligen. Denn ohne die Schätzung, eine besondere Art der Tatsachenfeststellung, und ohne den ihr eigenen Schätzungsspielraum ist gerade im Abgabenrecht nicht auszukommen. Dieser objektive durchschnittliche Maßstab schließt es aus, daß nicht wertbezogene, persönliche Umstände, wie z.B. das besondere kaufmännische Geschick oder Ungeschick des Bauherrn oder eine wirtschaftlich ungewöhnlich günstige oder ungünstige Situation, wertsteigernd oder wertmindernd und damit gebührensteigernd oder gebührenmindernd berücksichtigt werden. So bleibt beispielsweise außer Betracht, ob, wie in dem dem Urteil v. 30.4.1986 zugrundeliegenden Sachverhalt, "alle Baufirmen ohne Arbeit gewesen sind` und unter Selbstkosten liegende Angebote abgegeben haben".

Daher ist dem Verwaltungsgericht nicht zu folgen, wenn es davon ausgeht, daß die Baukostensumme der Gebührenberechnung in der Höhe zugrundezulegen sei, wie sie sich aus den tatsächlich von der Klägerin für die schlüsselfertige Erstellung gezahlten Beträgen ergibt (5% von 10.652.000,-- DM = 53.260,-- DM). Denn damit würde ein zu enger, ausschließlich auf die im konkreten Fall tatsächlich geleisteten Zahlungen beschränkter, Maßstab zugrundegelegt, der beispielsweise dem Umstand, daß die Klägerin möglicherweise mit ihrer Ausschreibung für eine schlüsselfertigen Erstellung einen besonders günstigen Preis erreichen konnte, nicht Rechnung tragen würde.

Ebensowenig kann der Berechnung der Klägerin gefolgt werden, die die Gebühr auf der rechnerischen Grundlage früher für andere Vorhaben in der Nähe ihres Baugrundstücks erteilter Baugenehmigungen mit 62.871,-- DM ermittelt hat. Denn insoweit hat die Beklagte vorgetragen, daß der damaligen Gebührenfestsetzung noch die Praxis zugrundegelegen habe, im allgemeinen die vom Bauherrn genannten Baukosten zu übernehmen. Der Klägerin steht jedoch kein Rechtsanspruch zu, daß die Beklagte diese Verwaltungspraxis fortführt und die Gebühren in ihrem Fall auf der Basis derselben Kalkulation festsetzt. Dies schließt allerdings nicht aus, daß die Berechnungen der Klägerin zu den Zweifeln an der Richtigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Gebührenfestsetzung beitragen, die im Ergebnis zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führen.

Auch wenn der Baurechtsbehörde ein Schätzungsspielraum einzuräumen ist, müssen sich die von ihr dabei zugrundegelegten Maßstäbe und Ausgangswerte hinreichend rechtfertigen lassen. Dies gilt umso mehr, wenn sie dazu übergeht, der Baukostenberechnung und damit der Gebührenfestsetzung eigene Richtwerte für die bei bestimmten Gebäudearten etc. anzunehmenden Kosten pro Kubikmeter umbauten Raums zugrundezulegen. Zum einen muß sich belegen lassen, daß derartige Richtwerte auch tatsächlich dem typischen und in diesem Sinn (nicht nur rein rechnerisch) durchschnittlichen Wert in etwa entsprechen und zum anderen muß Vorsorge getroffen werden, daß die Typisierung den unterschiedlichen Gebäudearten hinreichend gerecht wird und daß von den Richtwerten abgewichen werden kann, wenn dies beispielsweise eine besonders einfache oder auch eine außerordentlich aufwendige Bauweise - wie aus den Bauvorlagen ersichtlich - gebietet. Dabei ist, wie die Beklagte zutreffend hervorhebt, im Verfahren hinsichtlich der einzelnen Gebühr nicht ihre Richtlinie einer Normenkontrolle vergleichbar zu überprüfen. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die Berechnung im Einzelfall die äußersten Grenzen des Schätzungsspielraums überschreitet. Dies ist allerdings nicht nur dann der Fall, wenn die Baugenehmigungsgebühr erwiesenermaßen zu hoch angesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn das von der Behörde Vorgetragene nicht ausreicht, um eine Gebühr in der festgesetzten Höhe zu rechtfertigen.

Je mehr die Höhe der der Gebührenfestsetzung zugrundegelegten Baukosten von demjenigen Wert abweicht, der im Bauantrag vom Bauherrn angegeben wird, umso mehr bedarf die Erhöhung der Begründung. Entsprechendes gilt, wenn noch während des Verwaltungsverfahrens oder - wie hier - des Widerspruchsverfahrens bereits das Ergebnis einer Ausschreibung vorliegt und damit die tatsächlichen Baukosten im Einzelfall feststellbar sind. Vorliegend überstieg die von der Beklagten angenommene Höhe der Baukosten (16.564.000,-- DM) den im Bauantrag angegebenen Wert (10.500.000,-- DM) um über 57% und den als Ergebnis der Auftragsvergabe von der Klägerin vorgetragenen Preis (11.333.000,-- DM) um 46%. Bei einer derart hohen Divergenz genügt es nicht, wenn die Behörde ausschließlich auf die in den von ihr aufgestellten Richtlinien enthaltenen Richtwerte verweist und sich nicht einmal mit der Frage auseinandersetzt, ob von der in diesen Richtlinien vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, von "diesen für den Normalfall geltenden Richtwerten" im Einzelfall abzuweichen, "wenn es besondere Gründe erfordern oder rechtfertigen". Andererseits enthalten die angegriffenen Bescheide auch keinerlei Ausführungen dazu, daß die von der Klägerin vorgetragenen Unterlagen Anzeichen dafür ergäben, es könnte sich im oben beschriebenen Sinne um besondere persönliche oder wirtschaftliche Umstände handeln, die bei der Gebührenfestsetzung nicht zu berücksichtigen sind.

Auch der von der Beklagten allgemein und im vorliegenden Fall zugrundegelegte Richtwert von 650,-- DM pro Kubikmeter umbauten Raumes für "Bürogebäude und Verwaltungsgebäude" läßt sich mit den vorgelegten Materialien nicht so erhärten, daß er die festgesetzte Gebühr rechtfertigen könnte und die Klage deswegen erfolglos bleiben müßte. Die Beklagte beruft sich in erster Linie auf eine Veröffentlichung der Architektenkammer Baden-Württemberg "Gebäudekosten 1991192 - Baupreistabellen zur überschlägigen Kostenermittlung". Anhand der darin enthaltenen Tabellen lassen sich nach der im Vorwort wiedergegebenen Auffassung der Architektenkammer "schon auf der Grundlage eines Raumprogramms oder erster Vorentwurfpläne die Bauwerkskosten eines Projekts überschlägig und auf einfache Weise ermitteln." Somit ist gegen die grundsätzliche Heranziehung der dort enthaltenen Erfahrungswerte nichts einzuwenden. Die Veröffentlichung gibt den Preisstand November 1991 wieder, der für die Gebühr maßgebliche Zeitpunkt ist Mai 1992; eine Indexfortschreibung in einem derartig kurzen Zeitraum wird nicht für erforderlich gehalten (vgl. S. 15). Für Verwaltungsgebäude mittleren Standards mit einer Fläche über 5.000 qm (diese Größenordnung überschreitet auch das Vorhaben der Klägerin) wird dort ein Medianwert (zu Definition vgl. S. 14) von 492 DM genannt. Als Minimalwert wird ein Betrag von 417 DM, als Maximalwert ein solcher von 533 DM aufgeführt. Von dieser Größenordnung weicht der von der Beklagten zugrundegelegte Richtwert von 650 DM so offenkundig ab, daß die Baupreistabelle nicht geeignet ist, diesen und die darauf beruhende Gebührenfestsetzung zu rechtfertigen. Auf Verwaltungsgebäude gehobenen Standards, für die höhere Medianwerte genannt werden, kann nicht abgestellt werden, denn die Beklagte behauptet selbst nicht, daß es sich vorliegend um ein derartiges Gebäude handelt. Als typisch werden hierfür u.a. Versicherungsgebäude dargestellt, die die Beklagte selbst wohl unter ihre Kategorie "Bank- und aufwendigere Verwaltungsgebäude" einordnen würde, für die sie einen Richtwert von 750 DM pro Kubikmeter umbauten Raumes` ansetzt.

Die erhebliche Differenz vermindert sich zwar, wenn man einbezieht, daß die Beklagte nach ihren Richtlinien die Baukostenwerte für Tiefgaragen bei gemischten Vorhaben gesondert ermittelt und dies auch vorliegend getan hat. Aber selbst dann verbleiben deutliche Unterschiede zu den auf der Grundlage der Tabellen der Architektenkammer anzunehmenden Werten. Auf der anderen Seite wäre dann auch einzukalkulieren, daß diese Tabellen die Kosten der zentralen Betriebstechnik mit einbeziehen, die als in DIN 276 Teil 2 Nr. 3.3 enthaltene Aufwendungen nicht in die Gebühr einzubeziehen sind. Auch die Behauptung der Beklagten, in ß seien die Baukosten im allgemeinen höher als im übrigen Bundesgebiet, vermag in dieser Form die zugrundegelegten Richtwerte nicht zu rechtfertigen, da die Beklagte einen Nachweis hierfür nicht erbracht hat. Insgesamt ist somit auch diese Veröffentlichung der Architektenkammer nicht geeignet, die Richtigkeit der Festsetzung der Gebühr im Falle der Klägerin zu belegen. Ebensowenig brauchbar sind die "Orientierungswerte der Richtlinie für Baukostenplanung der Staatlichen Hochbauverwaltung.. Dort werden für "Verwaltungsgebäude" Preise pro cbm von 400,-- DM für 1980 und von 581,-- DM für Nov. 1992 genannt. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht insoweit darauf hin, daß dabei - entgegen der Berufungsbegründung beziehen sich diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht auf die Richtlinien der Beklagten - eine Differenzierung zwischen aufwendigen Bürogebäuden wie etwa Banken und Versicherungen und einfacheren Verwaltungsgebäuden gänzlich fehlt.

Dem Senat ist es versagt, selbst gem. § 113 Abs. 2 S. 1 VwGO die Höhe der Baugenehmigungsgebühr festzusetzen. Insbesondere verbietet es sich, die Gebühr, wie dies die Klägerin auch im Berufungsverfahren vorschlägt, in der Höhe festzusetzen, in der sie tatsächlich Kosten für die Realisierung des Bauvorhabens hat aufwenden müssen. Vielmehr ist es Sache der Beklagten, der der oben näher dargelegte Schätzungsspielraum zusteht, einen neuen Bescheid zu erlassen.