LAG Köln, Beschluss vom 31.08.1995 - 10 TaBV 5/95
Fundstelle
openJur 2012, 74857
  • Rkr:

Die Abstufung der Lohngruppenmerkmale in

Ziff. 2.0.12, 2.0.15 und 2.0.19 des Lohntarif-

vertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe

in NRW (Separatwachmann im Pförtnerdienst)

rechtfertigt die Vergütung nach der Gruppe

2.0.19 nicht erst dann, wenn der Arbeitgeber

entsprechend der Gruppe 2.0.15 "eine Ausbil-

dung in Erster Hilfe, sowie Brand- und

Katastrophenschutz verlangen kann".

Tenor

1.) Die Beschwerde der Antragstellerin

gegen den Beschluß des Arbeits-

gerichts Köln vom 21.10.1994 - 2 BV

165/94 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Rechtsbeschwerde wird zuge-

lassen.

Gründe

I. Die Antragstellerin, ein Sicherheits- und

Bewachungsunternehmen, hat die Arbeitnehmerin Gabriele

H. für den Pförtnerdienst in dem Gebäude der

L. Köln mit Zustimmung des Betriebsrates einge-

stellt; nachdem der Betriebsrat zuletzt mit Schreiben

vom 09.09.1994 die beantragte Zustimmung zu der Ein-

gruppierung der Arbeitnehmerin H. in die Lohn-

gruppe 2.0.12 mit der Begründung verweigert hatte,

richtigerweise sei in die Lohngruppe 2.0.19 einzugrup-

pieren, hat die Antragstellerin mit dem vorliegenden

Antrag die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates

anhängig gemacht.

Die Arbeitnehmerin H. ist in dem Empfang

des Objektes L. für folgende Tätigkeiten einge-

setzt: Ständiger Telefondienst, Einlassung und Überwa-

chung der ein- und ausgehenden Besucher sowie die

Überwachung verschiedener Bildschirme, auf denen mit-

tels Videokamera die Außenanlagen überwacht werden.

Ferner ist eine Brandmeldeanlage zu überwachen, die

einen eventuellen Brandherd über ein Schaltschema lo-

kalisiert, schließlich eine Alarmanlage, die auf einer

entsprechenden Meldeeinrichtung Unregelmäßigkeiten in-

nerhalb des Gebäudes anzeigt. Die Auftraggeberin Luft-

hansa verlangt keine besondere Ausbildung in Erster

Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz von den Mit-

arbeitern der Antragstellerin; diese erhalten jedoch

die Möglichkeit der Teilnahme an entsprechenden Aus-

bildungsmaßnahmen, welche die L. für ihre eige-

nen Mitarbeiter anbietet und durchführt; die Arbeit-

nehmerin H. hat, wie in der Beschwerdeinstanz

unstreitig geworden ist, zumindest an einer Ausbildung

in Erster Hilfe teilgenommen.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertre-

ten, die Lohngruppe 2.0.19 komme deshalb nicht in Be-

tracht, weil es sich um eine Aufbaufallgruppe handele

und die Mitarbeiterin H. die nach dem Tarifauf-

bau erforderliche Voraussetzung der Lohngruppe 2.0.15

nicht erfülle. Es fehle an dem Merkmal, daß der Ar-

beitgeber im Hinblick auf die übertragene Tätigkeit

eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Kata-

strophenschutz verlangen könne. Da die L. nach

dem zugrundeliegenden Auftrag von der Arbeitgeberin

den Einsatz entsprechend ausgebildeter Wachleute nicht

verlangen könne und auch tatsächlich nicht verlange,

müsse die Vergütung der Arbeitnehmerin H. auf

die unterste einschlägige Lohngruppe 2.0.12 des Lohn-

tarifvertrages beschränkt bleiben, obwohl die tatsäch-

lich ausgeübten Tätigkeiten den Merkmalen der Lohn-

gruppe 2.0.19 im übrigen entsprächen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zu

der Eingruppierung der Arbeitnehmerin Gabriele

H. in die Lohngruppe 2.0.12 des allge-

meinverbindlichen Lohntarifvertrages für das

Bewachungsgewerbe Nordrhein-Westfalen zu er-

setzen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, weder das tat-

sächliche Vorhandensein einer Ausbildung in Erster

Hilfe oder Brand- und Katastrophenschutz könne aus-

schlaggebend sein noch die Frage, ob der Arbeitgeber

eine derartige Ausbildung tatsächlich verlange oder

zumindest verlangen könne. Entscheidend sei vielmehr,

daß die Tätigkeit den in der Lohngruppe 2.0.19 genann-

ten Heraushebungsmerkmalen entspreche.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit dem am

21.10.1994 verkündeten Beschluß - 2 BV 165/94 - den

Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen und zur Be-

gründung unter anderem festgestellt: Die Tätigkeiten

der Arbeitnehmerin H. seien tatsächlich solche,

die in die Lohngruppe 2.0.19 gehörten. Da die Tarif-

vertragsparteien das bei der Lohngruppe 2.0.15 gere-

gelte Ausbildungsverlangen in dieser Lohngruppe nicht

mehr erwähnten, komme es für die Eingruppierung in

diese Tarifgruppe nicht darauf an, ob der Arbeitgeber

die Sonderausbildung verlangen könnte. Selbst wenn

dies jedoch der Fall wäre, sei nicht darauf abzustel-

len, ob eine derartige Ausbildungsqualifikation von

dem Mitarbeiter tatsächlich verlangt werde. Vielmehr

müsse ein Mitarbeiter bereits dann in die Lohngruppe

2.0.15 eingruppiert werden, wenn er nach dem Inhalt

des Arbeitsvertrages zur Teilnahme an der entsprechen-

den Ausbildung verpflichtet sei, wenn mit anderen Wor-

ten der Arbeitgeber im Hinblick auf die übertragene

Tätigkeit berechtigt wäre, die Ausbildung zu verlan-

gen.

Auf den weiteren Inhalt des Beschlusses vom

21.10.1994 (Bl. 61 - 70 d. A.) wird Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat gegen den ihrem Prozeß-

bevollmächtigten am 16.12.1994 zugestellten Beschluß

die vorliegende Beschwerde am 11.01.1995 eingereicht

und am 09.02.1995 schriftsätzlich begründet.

Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz

und kritisiert die angefochtene Entscheidung im we-

sentlichen wie folgt: Wenn nach dem Tarifwortlaut in

der Lohngruppe 2.0.19 nur der Separatwachmann im

Pförtnerdienst erfaßt sei, der sich durch näher be-

stimmte Merkmale von der Lohngruppe 2.0.15 abhebt,

dann sei damit gleichzeitig festgelegt, daß der Sepa-

ratwachmann im Pförtnerdienst gemäß der Lohngruppe

2.0.15 sich von der niedrigsten Lohngruppe unter ande-

rem dadurch abhebt, daß der Arbeitgeber eine Ausbil-

dung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophen-

schutz verlangen kann. Erst wenn alle Voraussetzungen

der weniger qualifizierten Lohngruppe erfüllt seien,

komme es auf die in der höheren Lohngruppe genannten

weiteren Qualifizierungen an. Entscheidend müsse daher

geprüft werden, ob der Mitarbeiter die genannten Aus-

bildungen absolviert habe und für den konkreten Ein-

satz auch benötige. Das Verlangen einer entsprechenden

Ausbildung durch den Arbeitgeber sei nur dann gerecht-

fertigt, wenn diese zur aushilfsgemäßen Erfüllung der

arbeitsvertraglichen Pflichten erforderlich sei. Die

zweifellos unglückliche Formulierung des Tarifvertra-

ges könne nur unter Berücksichtigung des wirklichen

Willens der Tarifvertragsparteien über den Wortlaut

hinaus in dem erforderlichen Maße geklärt werden. Je-

denfalls müsse die in der Ziffer 2.0.15 geforderte

Ausbildung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der

konkreten Tätigkeit des Mitarbeiters stehen. Bei der

Tätigkeit im Pförtnerdienst bei der L. sei dies

nicht der Fall. Dieses Ergebnis entspreche auch dem

Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin be-

antragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses

nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu er-

kennen.

Der Betriebsrat und Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des Sachstandes im übrigen wird auf den

weiteren Akteninhalt Bezug genommen. Das Gericht hat

gemäß dem Beweisbeschluß vom 04.05.1995 Beweis erhoben

durch schriftliche Zeugenvernehmung; auf die schrift-

lichen Aussagen Blatt 138 ff. (Kever) und Blatt 160 f.

(Stein) wird verwiesen.

II. Die Beschwerde ist an sich statthaft und auch

im übrigen zulässig, in der Sache selbst jedoch er-

folglos.

Die vom beteiligten Betriebsrat in gesetzlicher

Form und Frist verweigerte Zustimmung zur Eingruppie-

rung der Arbeitnehmerin H. in die Lohngruppe

2.0.12 des Lohntarifvertrages konnte, wie das Arbeits-

gericht zu Recht und mit zutreffender Begründung fest-

gestellt hat, nicht gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt

werden, weil die von der Antragstellerin beabsichtigte

Eingruppierung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG

gegen den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag ver-

stößt; die Tätigkeit der Arbeitnehmerin Gabriele Hein-

rich erfüllt vielmehr die Voraussetzungen der Lohn-

gruppe 2.0.19 des Lohntarifvertrages.

Die der Arbeitnehmerin H. zugewiesene Tä-

tigkeit umfaßt den Separatwachdienst als Pförtnerin im

L.-Verwaltungsgebäude, und zwar mit der Beson-

derheit, daß sie die ein- und ausgehenden Besucher

einzulassen und zu überwachen hat; ferner hat sie ver-

schiedene Bildschirme zu überwachen, mit deren Hilfe

die Außenanlagen durch eine Videokamera überwacht wer-

den; außerdem ist eine Brandmeldeanlage zu überwachen,

die über ein Schaltschema einen eventuellen Brandherd

lokalisiert. Weiterhin obliegt ihr die Überwachung ei-

ner Alarmanlage, die innerhalb des L.-Gebäudes

aufgetretene Unregelmäßigkeiten, beispielsweise im

Computerbetrieb, über eine entsprechende Meldeeinrich-

tung anzeigt. Schließlich sind außer dem ständigen Te-

lefondienst auch Aufgaben im Rahmen des Empfangsdien-

stes wahrzunehmen.

Nach dem insoweit unbestrittenen Sachverhalt

steht damit, weil auch die Beteiligten in dieser Be-

wertung übereinstimmen, für das Gericht fest, daß die

Tätigkeiten der Arbeitnehmerin H. alle tarifli-

chen Merkmale der Lohngruppe 2.0.19 erfüllen, und daß

es somit im vorliegenden Fall entscheidend nur darauf

ankommt, ob gleichzeitig auch sämtliche Voraussetzun-

gen für eine Lohnzahlung nach der Lohngruppe 2.0.15

vorliegen bzw. vorliegen müssen.

Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage,

ob ein "Separatwachmann im Pförtnerdienst", der in den

ausgeübten Tätigkeiten alle zusätzlichen Merkmale der

Lohngruppe 2.0.19 erfüllt, einen tariflichen Lohnan-

spruch in Höhe dieser Lohngruppe nur dann haben kann,

wenn - entsprechend den Voraussetzungen der Lohngruppe

2.0.15 der Arbeitgeber von ihm eine Ausbildung in Er-

ster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlan-

gen kann, ist zu verneinen.

Dies ergibt sich durch die an dieser Stelle ge-

botene Auslegung des Tarifvertrages, wobei in tatsäch-

licher Hinsicht auch dahinstehen kann, ob die von dem

Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit so beschaffen ist,

daß der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechtes

die Absolvierung einer entsprechenden Ausbildung hätte

verlangen können.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarif-

vertrages, um die es auch hier zwischen den Parteien

geht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-

arbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen

geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwort-

laut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklä-

rung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften.

Soweit der Tarifwortlaut jedoch nicht eindeutig ist,

ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit-

zuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen

einen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist fer-

ner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil die-

ser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarif-

vertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck

der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt

dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann

können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an

eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entste-

hungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die

praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die

Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es

zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Ta-

rifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen,

sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauch-

baren Regelung führt (BAG Urteil vom 14.12.1994

- 4 AZR 865/93 - m.w.N. und dem Hinweis auf Schaub,

Auslegung und Regelungsmacht von Tarifverträgen, NZA

1994, 597 ff.).

Die für den vorliegenden Fall zu prüfenden

Lohngruppen des Lohntarifvertrages haben folgenden

Wortlaut:

2.0.12 Separatwachmann, der ... und Separat-

wachmann im Pförtnerdienst mit regel-

mäßiger Telefon-, Auskunfts- und

Registriertätigkeit.

2.0.15 Separatwachmann im Pförtnerdienst, der

sich von 2.0.11 und 2.0.12 dadurch ab-

hebt, indem ihm verantwortlich Ein-

und Ausgangskontrollen von Personen und

Kraftfahrzeugen obliegen und von dem der

Arbeitgeber eine Ausbildung in Erster

Hilfe sowie Brand- und Katastrophen-

schutz verlangen kann.

2.0.19 Separatwachmann im Pförtnerdienst, der

sich von der Lohngruppe 2.0.15 dadurch

abhebt, indem er im Empfangsdienst tätig

ist und dem die Ein- und Ausgangs-

kontrolle des Publikums sowie auch die

Personalkontrolle der Dienststelle,

Überwachungsfunktion von technischen

Anlagen und die Bedienung der Telefon-

zentrale obliegt.

Die Auslegung des Tarifvertrages bietet an die-

ser Stelle zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Fall-

gruppen 2.0.12, 2.0.15 und 2.0.19 als drei "echte Auf-

baufallgruppen" im Sinne der Rechtsprechung des BAG zu

der Eingruppierung von technischen Angestellten nach

dem BAT zu betrachten mit der Folge, daß für die Zu-

ordnung zu der höchsten Gruppe 2.0.19 alle Merkmale

der niederen Gruppen erfüllt sein müssen, also auf das

Merkmal der Möglichkeit eines Ausbildungsverlangens

des Arbeitgebers in 2.0.15, oder aber es handelt sich

um jeweils getrennte Lohngruppen mit der Besonderheit,

daß allein die Tätigkeitsbeschreibung für die jeweils

höhere Gruppe an die Tätigkeitsbeschreibung der voran-

gestellten und ausdrücklich zitierten Gruppe an-

schließt. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, daß die

Formulierung "dadurch abhebt" nur als ergänzende Tä-

tigkeitsbeschreibung gemeint ist, und daß der Wort-

laut, wonach sich die höher entlohnte Tätigkeit "von

2.0.11 und 2.0.12" oder im vorliegenden Zusammenhang

"von der Lohngruppe 2.0.15" abheben müßte, nur eine

sprachliche und redaktionelle Ungenauigkeit darstellt.

Daß die sprachliche Fassung der hier umstrittenen

Lohngruppen auch im übrigen wenig geglückt und undeut-

lich geraten ist, läßt sich unschwer erkennen.

Die vom Gericht festgestellte Auslegung gibt

dem Tarifvertrag erst einen dem Sinn und Zweck der

Lohngruppen entsprechenden Sinn, und sie verdient des-

halb den Vorzug, weil sie auch praktischen Anforderun-

gen eindeutig besser gerecht wird.

Würde man, wie es die Antragstellerin befürwor-

tet, die Ziffer 2.0.19 wörtlich nehmen, also so ver-

stehen, daß aus den Merkmalen der Lohngruppe 2.0.15

auch die Anforderung "von dem der Arbeitgeber eine

Ausbildung ... verlangen kann" erfüllt sein müßte, kä-

me man zu dem Ergebnis, daß die Separatwachleute im

Pförtnerdienst unter Verstoß gegen den Gleichheits-

grundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) willkürlich ungleich ent-

lohnt würden. Separatwachleute im Pförtnerdienst mit

Tätigkeit und Verantwortung nach 2.0.15, die sich au-

ßerdem durch alle Qualifikationen nach 2.0.19 "abhe-

ben", würden ebenso belohnt wie diejenigen Separat-

wachleute im Pförtnerdienst, denen nur eine regelmäßi-

ge Telefon-, Auskunfts- und Registriertätigkeit

(2.0.12) obliegt. Das effektive Ausmaß dieser Schlech-

terstellung im Stundenlohn plus Zuschlag (11,54 DM

statt 13,45 DM), bliebe dann ebenso unbeachtet wie der

Umstand, daß den betroffenen Wachleuten außer der ge-

nannten Tätigkeit nach 2.0.12 "verantworltiche Ein-

und Ausgangskontrollen von Personen und Kraftfahrzeu-

gen" obliegen (2.0.15) und der weitere Umstand, daß

sie "im Empfangsdienst tätig sind, die Ein- und Aus-

gangskontrolle des Publikums, die Personenkontrolle

der Dienststelle und die Überwachungsfunktion von

technischen Anlagen und Bedienung der Telefonzentrale"

wahrzunehmen haben. Dies wäre eine willkürliche und

sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierung, die

man vernünftigerweise den Tarifvertragsparteien nicht

als Vertragswillen unterstellen oder zurechnen kann.

Der allgemeine Sinn und Zweck unterschiedlicher Lohn-

gruppen kann ebenso wie der erkennbare Wille der kon-

kreten Tarifvertragsparteien nur in einer leistungsge-

recht differenzierten Entlohnung liegen. Der übrige

Inhalt des konkreten Lohntarifvertrages liefert für

diesen Willen der Tarifvertragsparteien nicht nur ein

Indiz, sondern den klaren Beweis. Die nach alledem auf

den ersten Blick unzulässige Differenzierung des be-

trächtlichen Lohnsprunges, die allein darauf beruhen

würde, ob ein Arbeitgeber "eine Ausbildung in Erster

Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz" verlangen

kann, läßt sich auch dann nicht sachlich rechtferti-

gen, wenn man in Übereinstimmung mit den Feststellun-

gen der Vorinstanz eine ergänzende Auslegung in dem

Sinne befürwortet, daß es ausreicht, wenn ein Verlan-

gen des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrech-

tes nach billigem Ermessen gerechtfertigt wäre. Dies

würde voraussetzen, daß Feststellungen über die tat-

sächlich ausgeübte Tätigkeit und den im Einzelfall zu-

gewiesenen Arbeitsplatz getroffen werden. Auch wenn

jedoch feststeht, daß die beim konkreten Auftraggeber

auszuübende Tätigkeit eines Separatwachmannes im

Pförtnerdienst das (absichtlich unterbliebene) Ausbil-

dungsverlangen des Arbeitgebers nach billigem Ermessen

gerechtfertigt hätte, bliebe, wie es gerade die vor-

liegenden Streitigkeiten hinreichend beweisen, eine

höchst unpraktische Regelung übrig, die auch mit dem

Zweck eines Tarifvertrages (Kartellwirkung im Preis-

wettbewerb der Unternehmer einerseits und zwingender

Mindestschutz für die Arbeitnehmer andererseits) nicht

zu vereinbaren wäre: Der Anspruch auf die beträchtlich

höhere Entlohnung einer beträchtlich höher qualifi-

zierten Tätigkeit hinge dann von einer einseitigen Be-

stimmung des Arbeitgebers ab, die zwar offensichtlich

an billiges Ermessen gebunden sein müßte, aber immer-

hin durch Versetzungsklauseln in Arbeitsverträgen ei-

ner noch weitergehenden Beliebigkeit geöffnet werden

können. Außerdem müßte in jedem Streitfall die im Auf-

tragsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und seinem

Auftraggeber vereinbarte Bewachungstätigkeit überprüft

und dahin bewertet werden, ob das Verlangen einer Aus-

bildung in dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber

und Wachmann sachlich gerechtfertigt werden kann.

Selbst unter Berücksichtigung einer weiteren rechtli-

chen Überlegung, daß auch die Unterlassung des Ausbil-

dungsverlangens als Element der einseitigen Leistungs-

bestimmung über Arbeitsplatz und Lohnhöhe dem billigen

Ermessen nach § 315 BGB entsprechen muß, könnte man

selbst dann nur mit einem beträchtlichen Aufwand, der

auch die Auftragsverhältnisse belasten würde, zu eini-

germaßen gerechten Einzelfallergebnissen kommen, wenn

man bei fehlender Kooperationsbereitschaft des Arbeit-

gebers möglicherweise die zu seinen Lasten bestehende

Beweislast für die Billigkeit der Leistungsbestimmung

heranziehen könnte. Mit dieser Feststellung ist hin-

reichend belegt, daß eine andere als die genannte und

vom Beschwerdegericht befürwortete Auslegung zu einem

äußerst unzweckmäßigen Ergebnis führen würde.

Bestätigt wird das hier gefundene Auslegungser-

gebnis auch dadurch, daß dem Tarifwortlaut eindeutig

zu entnehmen ist, daß die Tarifvertragsparteien kei-

nesfalls den Willen hatten, ein Tätigkeitsmerkmal in

dem Sinne zu schaffen, daß die auszuübende Tätigkeit

objektiv eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand-

und Katastrophenschutz erfordert hätte. Dies haben

auch die angefochtenen Entscheidungen zutreffend er-

kannt.

Schließlich könnten, wie es sich im vorliegen-

den Fall gezeigt hat, die unmittelbare und zwingende

Wirkung eines Tarifvertrages durch Absprachen zwischen

dem Arbeitgeber (Unternehmer) und dem Auftraggeber un-

terlaufen werden, wenn diese, wie es im vorliegenden

Fall unstreitig ist, aus bestimmten Gründen, auf deren

Fortbestand sie lediglich beiderseits subjektiv ver-

trauen, einfach darauf verzichten, eine entsprechende

Ausbildung der Separatwachleute im Pförtnerdienst für

die Aufnahme der Tätigkeit oder für die dementspre-

chende Beschäftigung als verbindlich festzuschreiben,

weil nach aller Erfahrung davon auszugehen ist, daß

selbst für den Brand- oder Katastrophenfall die drin-

gend notwendige Ausbildung und Fertigkeit für die Er-

füllung des Katastrophenplanes vorhanden wäre. Zwei-

fellos haben die Tarifvertragsparteien nicht die Mög-

lichkeit eröffnen wollen, auf diesem Wege, nämlich

durch ein verabredetes Stillschweigen, qualifizierte

Arbeitsplätze mit Billiglöhnern zu besetzen oder dem-

entsprechende Wachdienste günstig einzukaufen.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen

und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die

Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG

zuzulassen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluß kann von der Antragstel-

lerin Rechtsbeschwerde eingelegt werden; für den An-

tragsgegner ist gegen diesen Beschluß kein Rechtsmit-

tel gegeben. Die Rechtsbeschwerde muß innerhalb einer

Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann

nicht verlängert werden) von einem Monat nach der Zu-

stellung dieses Beschlusses schriftlich beim Bundesar-

beitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 3, 34119 Kassel,

eingelegt werden. Die Rechtsbeschwerde ist gleichzei-

tig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung

schriftlich zu begründen. Die Rechtsbeschwerdeschrift

und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem

bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt

unterzeichnt sein.

(Dr. Esser) (Schulte) (Mitrenga)