OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.04.2006 - 1 A 11596/05
Fundstelle
openJur 2012, 134746
  • Rkr:
Tenor

Unter teilweiser Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2005 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn die Beigeladene nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ficht einen Widerspruchsbescheid des Beklagten an, durch den der Kreisrechtsausschuss einen von ihr erlassenen Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB aufgehoben hat.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 16. Juli 2004 erwarb die Beigeladene aus privater Hand das 1.484 qm große Grundstück Flur 6, Flurstück 172 der Gemarkung A. zu einem Kaufpreis von 7.420,-- €. Das Außenbereichsgrundstück ist im derzeitigen Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde B. überwiegend als geplante Wohnbaufläche dargestellt und wird von einer Satzung der Klägerin über die Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts vom 23. Februar 2001 erfasst. Der Kaufvertrag ging am 21. Juli 2004 bei der Verbandsgemeindeverwaltung ein. Diese gab dem Verkäufer und der Beigeladenen Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Vorkaufsrechtsausübung zu äußern. Daraufhin teilte die Beigeladene unter dem 30. Juli 2004 mit, dass sie beabsichtige, das Grundstück in angemessener Frist zu bebauen, sobald es als Baugebiet erschlossen werde; sie sehe es als Baugelände für ihren Sohn an, der später einmal in unmittelbarer Nähe wohnen solle. Am 14. September 2004 fasste der Ortsbürgermeister der Klägerin zusammen mit den beiden Beigeordneten im Wege des § 48 GemO den Beschluss, das Vorkaufsrecht auszuüben. Dies wurde dem Verkäufer und der Beigeladenen mit zwei getrennten Bescheiden vom gleichen Tag bekannt gegeben.

Dem Widerspruch der Beigeladenen hiergegen gab der Kreisrechtsausschuss des Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2004 im Wesentlichen mit folgender Begründung statt: Der gegen die Beigeladene gerichtete Bescheid sei bereits deshalb aufzuheben, weil das gemeindliche Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer auszuüben sei und nicht gegenüber dem Käufer. Der Widerspruch beziehe sich darüber hinaus aber auch auf den an den Verkäufer adressierten Bescheid, der die Beigeladene in ihren Rechten berühre, weil er ihren Anspruch auf Grundstücksübereignung zunichte mache. Dieser Bescheid sei unter Verletzung der Regelung über das Eilentscheidungsrecht des Bürgermeisters zustande gekommen. Es sei nicht ersichtlich, wieso es nicht möglich gewesen sein solle, innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit von zwei Monaten den für die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständigen Gemeinderat - notfalls unter Verkürzung der Einladungsfrist - einzuberufen. Auch habe die Klägerin nicht die erforderliche abwägende Ermessensentscheidung getroffen; die Begründung erschöpfe sich in allgemeinen Erläuterungen zum besonderen Vorkaufsrecht, ohne den konkreten Fall und die Belange der Beigeladenen aufzugreifen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage hatte die Klägerin in erster Instanz teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hob den Widerspruchsbescheid durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Juni 2005 auf, soweit mit ihm der an den Verkäufer gerichtete Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts aufgehoben worden ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage müsse Erfolg haben, soweit sich die Klägerin dagegen wende, dass der an den Verkäufer gerichtete Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts aufgehoben worden sei. Offen bleiben könne dabei, ob dieser Bescheid überhaupt von dem Widerspruch der Beigeladenen erfasst gewesen sei und daher durch den Widerspruchsbescheid habe aufgehoben werden können. Die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem Verkäufer sei jedenfalls rechtmäßig und müsse deshalb Bestand haben. Die Zweimonatsfrist gemäß § 28 Abs. 2 BauGB sei eingehalten worden. Ob die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung des Bürgermeisters vorgelegen hätten, sei unerheblich; durch eine fehlerhafte Anwendung des § 48 GemO würden allenfalls gemeindeinterne Kompetenzverteilungsvorschriften verletzt, was für die Rechtmäßigkeit der nach außen hin vorgenommenen Rechtshandlungen der Gemeinde grundsätzlich ohne Bedeutung sei.

Die Voraussetzungen des besonderen Vorkaufsrechts nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB seien gegeben. Diese Bestimmung verschaffe der Gemeinde die Gelegenheit, schon in einem Stadium Grundstücke zu erwerben, das einer gefestigten Planung weit vorausgehe, sofern nur ein städtebaulicher Bezug und der Zweck der Sicherung der Bauleitplanung bestünden. Danach sei die Satzung der Klägerin über die Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts nicht zu beanstanden.

Ferner rechtfertige das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts, da die Klägerin mit dessen Hilfe ihren städtebaulichen Auftrag erfüllen und den Wohnbedürfnissen ihrer Bürger durch die Bereitstellung von Bauland Rechnung tragen wolle. Für einen Ermessensfehler sei nichts ersichtlich. Die privaten Belange der Beigeladenen seien gesehen und gewürdigt worden. Ihrem Bauwunsch sei der noch nicht feststehende spätere Verwendungszweck des Grundstücks entgegengehalten worden. Die Beigeladene könne die Vorkaufsrechtsausübung auch nicht gemäß § 27 Abs. 1 BauGB abwenden, weil die bestimmungsgemäße Verwendung des Grundstücks wegen des frühen Planungsstadiums noch nicht absehbar sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beigeladenen. Zur Begründung macht diese im Wesentlichen geltend:

Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei ihr gegenüber aus verschiedenen Gründen rechtswidrig und habe daher vom Verwaltungsgericht nicht bestätigt werden dürfen.

In kleinen und mittleren Gemeinden gehöre die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach dem Baugesetzbuch nicht zu den laufenden Geschäften der Verwaltung, sondern müsse vom Gemeinderat getroffen werden. Die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung nach § 48 GemO hätten nicht vorgelegen, weil der Gemeinderat rechtzeitig hätte entscheiden können. Durch die unzulässige Eilentscheidung werde sie in ihren eigenen Rechten verletzt, da die gesamten Regelungen gerade auch dem Schutz ihrer Rechte als Grundstückskäuferin dienten; immerhin greife das gemeindliche Vorkaufsrecht erheblich in verfassungsrechtlich geschützte Positionen des Grundstückskäufers ein.

Auch habe die Klägerin das ihr bei der Ausübung des Vorkaufsrechts eingeräumte Ermessen nicht betätigt. Ferner sei die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt. Sie sei nicht erforderlich gewesen, um Planungsabsichten der Gemeinde zu sichern. Die Klägerin verfüge in dem Plangebiet bereits über genügend Grundeigentum, um das Planungsziel problemlos zu verwirklichen. Außerdem sei das Abwendungsrecht ordnungsgemäß ausgeübt worden, indem die planungskonforme Verwendung des Grundstücks zu Zwecken der Wohnbebauung zugesagt worden sei. Des Weiteren sei die Vorkaufsrechtssatzung mangels eines Sicherungsbedürfnisses fehlerhaft. Hinsichtlich der im Flächennutzungsplan vorgesehenen Wohnbebauung bestehe nämlich bereits das gesetzliche allgemeine Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage unter teilweise Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

Das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht teilweise abgewiesen. Ein Verstoß gegen § 48 GemO liege nicht vor. Aufgrund des gegebenen Ablaufs habe Eilbedürftigkeit bestanden. Nach den Kommunalwahlen 2004 habe am 12. Juli 2004 die erste reguläre Sitzung des Gemeinderats stattgefunden. Die nächste Sitzung sei bereits auf den 27. September festgelegt gewesen, am 21. September sei jedoch die Zweimonatsfrist des § 28 Abs. 2 BauGB abgelaufen. Die meisten Ratsmitglieder hätten sich im August/September indessen im Sommerurlaub befunden. Jedoch habe der Bau- und Umweltausschuss am 9. August getagt und seine Empfehlung abgegeben. Auch habe der Gemeinderat als zuständiges Gemeindeorgan die getroffene Eilentscheidung am 27. September 2004 ausdrücklich bestätigt Ein etwaiger Fehler zur Frage der Eilbedürftigkeit sei daher geheilt. Überdies könne die Beigeladene einen Verstoß gegen die innergemeindliche Kompetenzverteilung mangels Drittschutzes nicht geltend machen.

Das ihr zustehende Ermessen habe sie sehr wohl rechtmäßig ausgeübt. Entscheidend sei dabei, dass das Grundstück im Bereich der Vorkaufsrechtssatzung liege, gegen die nichts zu erinnern sei, und dass daher das Vorkaufsrecht ausgeübt worden sei. Einer weiteren Ermessensausübung bedürfe es nicht. Die Beigeladene stelle an die Darlegung der Ermessenserwägungen zu hohe Anforderungen. Das Vorkaufsrecht sei aber auch zum Wohl der Allgemeinheit ausgeübt worden. In dieser Hinsicht seien bei dem vorliegend zu verzeichnenden Planungsstand keine hohen Anforderungen zu stellen. Der konkrete planerische Verwendungszweck des Grundstücks sei noch nicht bekannt gewesen. Die vage Absichtserklärung der Beigeladenen, das Grundstück für ihren - derzeit siebenjährigen - Sohn bebauen zu wollen, könne der Vorkaufsrechtsausübung nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Die Beigeladene selbst habe in der Nähe außerhalb des Bereichs der Vorkaufsrechtssatzung ein Wohnhaus bereits errichtet. Gemäß § 27 Abs. 1 BauGB abgewendet werden könne die Ausübung des Vorkaufsrechts nur dann, wenn die künftige Verwendung des Grundstücks bereits bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar sei. Das sei hier jedoch nicht der Fall.

Die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB stehe der Ausübung des Vorkaufsrechts aufgrund der Satzung vom Februar 2001 nicht entgegen. Zwischen § 24 und § 25 BauGB bestehe kein Ausschließlichkeitsverhältnis. Die Vorkaufsrechtssatzung sei im Hinblick auf das im Jahre 2000 eingeleitete Verfahren zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplans für die Verbandsgemeinde B. beschlossen worden. Damals seien die künftigen Darstellungen des Flächennutzungsplans noch nicht erkennbar gewesen. Der Flächennutzungsplan befinde sich nach wie vor im Aufstellungsverfahren.

Der Beklagte schließt sich dem Rechtsstandpunkt der Beigeladenen an. Insbesondere legt er dar, dass die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung nach § 48 GemO nicht vorgelegen hätten und dass sich die Beigeladene auf den hieraus resultierenden (Verfahrens-)Fehler auch berufen könne. Der Entwurf des neuen Flächennutzungsplans sehe für den Bereich der Vorkaufsrechtssatzung im Übrigen keine Veränderungen gegenüber dem geltenden Plan vor. Das für den Erlass einer solchen Satzung erforderliche Sicherungsbedürfnis habe daher nicht bestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte mit den zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen, auf die Verwaltungs- und Widerspruchsakten (2 Hefte), auf die Unterlagen zur Vorkaufsrechtssatzung der Klägerin (1 Ordner), den Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde B. von 1985 und die Gerichtsakten der Verfahren 1 K 2662/01.KO und 1 K 212/05.KO des Verwaltungsgerichts Koblenz Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die vom Senat zugelassene Berufung der Beigeladenen hat in der Sache Erfolg.

Das erstinstanzliche Urteil ist teilweise abzuändern, weil das Verwaltungsgericht der Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 21. Dezember 2004 nicht zum Teil hätte stattgeben dürfen. Vielmehr hat dieser Widerspruchsbescheid auf den Widerspruch der Beigeladenen hin auch den gegenüber dem Grundstücksverkäufer ergangenen Bescheid der Klägerin über die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts nach dem Baugesetzbuch vom 14. September 2004 zu Recht aufgehoben. Bei dieser Entscheidung muss es daher verbleiben.

Der in der umstrittenen Vorkaufsrechtsangelegenheit eingelegte Widerspruch der Beigeladenen hat sich nicht nur gegen den ihr unter Verstoß gegen § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB erteilten Bescheid vom 14. September 2004 gerichtet, sondern auch gegen die dem Verkäufer gegenüber erklärte Vorkaufsrechtsausübung vom gleichen Tage. Diese enthält den eigentlichen die Beigeladene belastenden Rechtsakt (dazu, dass auch der Käufer die Rechtswidrigkeit eines Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts geltend machen kann, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Mai 1982, BRS 39 Nr. 96 und vom 15. Februar 2000, NVwZ 2000, 1044). Sollten am Inhalt des Widerspruchs der Beigeladenen insbesondere aufgrund der Formulierung des Widerspruchsschreibens vom 13. Oktober 2004 ("gegen den an unsere Mandantin adressierten Bescheid ...") noch Zweifel bestanden haben, so sind diese zumindest seit Eingang der Widerspruchsbegründung vom 15. Dezember 2004 ausgeräumt. Dort wendet sich die Beigeladene nämlich gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin. Ihr spätestens darin liegender Widerspruch war rechtzeitig, da der Beigeladenen der an den Verkäufer adressierte Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden ist (§§ 70 Abs. 2, 58 VwGO).

Der Kreisrechtsausschuss hat den Bescheid der Klägerin über die Ausübung des Vorkaufsrechts zumindest deshalb zu Recht aufgehoben, weil die Klägerin bei seinem Erlass gegen die Regelung des § 48 GemO über das Eilentscheidungsrecht des Bürgermeisters verstoßen hat. Dieser Rechtsverstoß macht die Vorkaufsrechtsausübung rechtswidrig. Darauf kann die Beigeladene sich berufen. Der Rechtsfehler ist auch nicht nachträglich geheilt worden.

Die Klägerin geht selbst zu Recht davon aus, dass die Ausübung eines Vorkaufsrechts beim Kauf von Grundstücken nach dem Baugesetzbuch, wie sie hier erfolgt ist, in einer Gemeinde wie ihr kein dem Bürgermeister obliegendes Geschäft der laufenden Verwaltung i.S. von § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GemO bildet. Vielmehr ist insoweit die Zuständigkeit des Gemeinderats gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 GemO gegeben. In Angelegenheiten, deren Erledigung nicht ohne Nachteil für die Gemeinde bis zu einer Sitzung des Gemeinderats aufgeschoben werden kann, kann der Bürgermeister allerdings gemäß § 48 Satz 1 GemO im Benehmen mit den Beigeordneten anstelle des Gemeinderats entscheiden. Von dieser (Ausnahme-) Möglichkeit hätte die Klägerin vorliegend jedoch keinen Gebrauch machen dürfen, da die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen haben. Es hat insoweit insbesondere an der von § 48 GemO vorausgesetzten Eilbedürftigkeit der Angelegenheit gefehlt.

Dies wird von dem angefochtenen Widerspruchsbescheid im Ergebnis zu Recht angenommen. Dessen Begründung ist zwar insoweit nicht tragfähig, als dort auf den Zeitraum von zwei Monaten abgestellt wird, der für die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Verfügung gestanden habe, wobei nicht ersichtlich sei, warum es nicht möglich gewesen sein sollte, innerhalb dieser Frist eine Gemeinderatssitzung anzuberaumen. Mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Bestimmung des § 48 GemO, Schaden von der Gemeinde abzuwenden, ist es für die Beurteilung der erforderlichen Dringlichkeit ohne Bedeutung, ob der Zwang zum raschen Handeln durch ein schuldhaftes oder vorwerfbares Verhalten von Gemeindebediensteten oder -organen hervorgerufen worden ist (vgl. Gabler/Höhlein u.a., Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, § 48 GemO, Erl. 3.4; Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, Art. 37 GO Anm. IV; Widtmann/Grasser, BayGO, Art. 47 Rdnr. 10); die Betrachtungen zur Dringlichkeit im Rahmen von § 48 GemO sind daher immer auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Entscheidung zu beziehen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, a.a.O.). Aber auch so gesehen haben am 14. September 2004, als von dem Eilentscheidungsrecht Gebrauch gemacht wurde, die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen.

Zu § 48 GemO hat bereits der frühere Normenkontrollsenat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz entschieden (Urteil vom 9. April 1986, AS 20, 349, 351 = DÖV 1987, 452), dass diese Ausnahmeregelung eng auszulegen und streng zu prüfen ist, ob die Entscheidung wirklich eilbedürftig ist und worin der zu erwartende Nachteil besteht. Um zu verhindern, dass die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bürgermeister und Gemeinderat leichtfertig unterlaufen wird, ist zu verlangen, dass ein schwerer und praktisch nicht wieder gutzumachender Schaden verhindert werden muss. Auch ist zu prüfen, ob unter Ausnutzung der gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 GemO vorgesehenen Möglichkeit der Verkürzung der Einberufungsfrist der Gemeinderat nicht doch noch zur Vermeidung des Nachteils eingeschaltet werden kann. Eine Eilentscheidung nach § 48 GemO kommt daher nur in ganz dringenden Fällen in Betracht, in denen eine Entscheidung binnen weniger Stunden getroffen werden muss. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten (vgl. dazu auch Gabler/Höhlein u.a., a.a.O., Erl. 2.1).

Danach wäre es vorliegend indessen auch zu dem Zeitpunkt, an dem die Notwendigkeit des Handelns in Bezug auf die Vorkaufsrechtsausübung spätestens erkannt worden ist, nämlich am 14. September 2004, noch möglich gewesen, den für die Entscheidung zuständigen Gemeinderat so rechtzeitig einzuberufen, dass Letztere bis zum Ablauf der Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB am 21. September 2004 hätte ergehen können. Wären insoweit die Voraussetzungen des § 48 GemO zu bejahen gewesen, dann hätte auch Dringlichkeit i.S. von § 34 Abs. 3 GemO bestanden. In der folglich einzuberufenden außerplanmäßigen Sitzung hätte der Gemeinderat noch rechtzeitig über die Ausübung des Vorkaufsrechts befinden können (vgl. dazu Gabler/Höhlein u.a., a.a.O., § 34 GemO Erl. 3.2; Hofmann/Beth/Dreibus, Kommunalgesetze Rheinland-Pfalz, § 34 GemO Anm. 4 und § 48 GemO Anm. 2). Davon, dass die Einberufung des Gemeinderats zu dem in Rede stehenden Termin Mitte September an § 39 GemO gescheitert wäre, ist nicht auszugehen. Die Klägerin hat dies auch nicht näher dargetan.

Abgesehen von der mithin bereits in zeitlicher Hinsicht nicht gegebenen besonderen Eilbedürftigkeit hat dem Vorgang jedoch auch die für die Annahme eines Nachteils i.S. von § 48 Satz 1 GemO erforderliche sachliche Bedeutung für die Gemeinde gefehlt. Die Klägerin hat weder geltend gemacht noch ist sonst etwas dafür ersichtlich, dass gerade der Zugriff auf das Grundstück Flur 6, Flurstück 172 für sie in planerischer Hinsicht von einer wie auch immer zu begründenden herausgehobenen Bedeutung ist. Vielmehr geht es ihr, wie auch das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, mit der umstrittenen Vorkaufsrechtsausübung lediglich darum, in einem planerischer Frühstadium Grundstücke zu erwerben, um so ihren städtebaulichen Auftrag besser erfüllen und den Wohnbedürfnissen ihrer Bürger durch die Bereitstellung von Bauland Rechnung tragen zu können. Ohne die Berechtigung und Reichweite dieses Zwecks hier näher zu hinterfragen, lässt sich jedenfalls feststellen, dass sein Nichterreichen im Falle des hier betroffenen Grundstücks keinen schweren und praktisch nicht wieder gutzumachenden Schaden für die Klägerin bedeutet. Dies gilt umso mehr, als diese nach den im vorliegenden Verfahren erfolgten Angaben der Verbandsgemeindeverwaltung und des Beklagten in dem vorgesehenen Bebauungsplangebiet Am A. bereits über ca. 18.000 qm eigene Grundflächen verfügt, die sie für den eben genannten Zweck nutzbar machen kann.

Aus all dem folgt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen, um die Vorkaufsrechtsausübung im Wege des § 48 GemO zu beschließen, hier nicht erfüllt waren. Letztere leidet daher an einem Rechtsmangel, da das sachlich unzuständige der beiden Organe der Gemeinde entschieden hat. Dass der Bürgermeister gemäß § 48 Satz 1 GemO anstelle des Gemeinderats entscheidet, falls die Voraussetzungen dieser Regelung vorliegen, ändert daran nichts. Der vorliegende Mangel macht den Verwaltungsakt "Ausübung des Vorkaufsrechts" zwar nicht nichtig (vgl. § 44 Abs. 1 und 3 VwVfG; a.A. offenbar Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 44 Rdnr. 36), aber rechtswidrig und grundsätzlich auf einen Rechtsbehelf des Betroffenen hin aufhebbar (vgl. Kopp-Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 3 Rdnrn. 12, 15, 17 und § 46 Rdnr. 23; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 44 Rdnr. 131 und § 46 Rdnr. 46; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 10 Rdnr. 39; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 3. Aufl. 1998, Rdnr. 49).

Die Rechtswidrigkeit des Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts kann indessen, wie oben bereits ausgeführt wurde, auch der Käufer eines mit dem gemeindlichen Vorkaufsrecht belegten Grundstücks geltend machen. Er ist kein sog. Drittbetroffener, der vortragen muss, in einer zu seinen Gunsten wirkenden (Schutz-)Vorschrift verletzt zu sein, um einen nicht ihm gegenüber ergangenen Verwaltungsakt zulässigerweise angreifen zu können. Vielmehr ist er ebenso unmittelbar von der Regelungswirkung des Ausübungsbescheids betroffen wie der Grundstücksverkäufer, gegenüber dem das Vorkaufsrecht auszuüben ist (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12. September 1997, NJW-RR 1998, 877, 878). Auch die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung, wonach die fehlerhafte Anwendung interner Kompetenzverteilungsvorschriften für die Rechtmäßigkeit nach außen hin vorgenommener Rechtshandlungen der Gemeinde grundsätzlich ohne Bedeutung ist, kann der Anfechtung des Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beigeladene nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Zum einen ist § 48 Satz 1 GemO keine gemeindeinterne Kompetenzverteilungsvorschrift. Zum anderen hat die eben bezeichnete Rechtsprechung den Schutz des Rechtsverkehrs vor Augen, dem nicht zugemutet werden soll, von der internen Rechtmäßigkeit gemeindlicher Entscheidungen abhängig zu sein. Im Unterschied dazu geht es hier jedoch um die Rechtmäßigkeit eines Aktes der Eingriffsverwaltung, den eine zur Entscheidung von Rechts wegen sachlich nicht berufene Stelle vorgenommen hat und der deshalb dem Betroffenen gegenüber rechtswidrig ist (vgl. dazu ebenfalls VGH Bad.-Württ., a.a.O.).

Die Rechtswidrigkeit des Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist auch nicht nachträglich ausgeräumt worden.

Die Heranziehung von § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG ist insoweit nicht angebracht, weil der Verfahrensmangel hier nicht in einem fehlenden Mitwirkungsakt begründet ist, sondern in einem Zuständigkeitsverstoß. Aber auch § 46 VwVfG kann vorliegend nicht Platz greifen. Zum einen können Fälle der sachlichen Unzuständigkeit nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der zuzustimmen ist, schon von vornherein nicht unter diese Bestimmung fallen (vgl. z.B. HessVGH, Beschluss vom 14. November 1991, NVwZ 1992, 393, 396; VGH Bad.-Württ., a.a.O.; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 46 Rdnr. 46 m.w.N.; Ule/Laubinger, a.a.O., § 10 Rdnr. 40; s. ferner BVerwG, Urteil vom 29. September 1982, NVwZ 1983, 222, 223 und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25. März 2004, NVwZ-RR 2005, 273, 274 - beide zu § 127 AO -). Zum anderen ist angesichts der Natur der Vorkaufsrechtsausübung als Ermessensentscheidung und der nicht gegebenen essentiellen Bedeutung des Grundstückserwerbs für die Klägerin nicht offensichtlich, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Als Nachweis für einen fehlenden Einfluss ist namentlich der Umstand nicht geeignet, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 27. September 2004 "zustimmend von der getroffenen Eilentscheidung Kenntnis genommen" hat. Diese Zustimmung ist unter grundlegend anderen Bedingungen zustande gekommen als die Entscheidung vom 14. September 2004. Außerdem ist gesetzlich keine Bestätigung einer unter Verletzung von § 48 Satz 1 GemO ergangenen Eilentscheidung durch den Gemeinderat vorgesehen, sondern § 48 Satz 3 GemO räumt diesem (lediglich) die Möglichkeit ein, in seiner nächsten Sitzung die Eilentscheidung des Bürgermeisters aufzuheben, soweit nicht bereits Rechte Dritter entstanden sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eilentscheidung rechtmäßig oder formell oder materiell rechtswidrig ist.

Entsprechend ihrer Formulierung und den insoweit bestehenden rechtlichen Grundlagen kann die zustimmende Entschließung des Gemeinderats der Klägerin vom 27. September 2004 folglich nur so verstanden werden, dass dieser von seinem Aufhebungsrecht nach § 48 Satz 3 GemO keinen Gebrauch macht. Dies hatte allerdings nur zur Folge, dass der rechtswidrige, aber nicht nichtige Ausübungsbescheid vorerst weiter Bestand hatte. Eine (erneute) Ausübung des Vorkaufsrechts liegt darin schon deshalb nicht, weil diese (wiederum) durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer hätte erklärt werden müssen. Durch die Entschließung vom 27. September 2004 ist aber auch nicht die ursprünglich fehlerhafte Vorkaufsrechtsausübung vom 14. September 2004 rückwirkend genehmigt worden. Dies gilt unbeschadet der Frage, ob die zivilrechtliche Bestimmung des § 184 Abs. 1 BGB in dem hier in Rede stehenden Teilbereich des Kommunalrechts überhaupt maßgeblich sein kann, wie die Klägerin offenbar annimmt. Ihrer Auffassung, dass die unter dem 14. September 2004 im Wege der Eilentscheidung erfolgte Vorkaufsrechtsausübung durch die Entschließung ihres Gemeinderats vom 27. September 2004 mit heilender Wirkung rückwirkend genehmigt worden sei, steht jedenfalls die Bestimmung des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB entgegen. Mit dem Charakter der dortigen Zweimonatsfrist, die abgesehen von der Verlängerungsmöglichkeit auf Antrag des Käufers gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BauGB eine Ausschlussfrist ist (vgl. Paetow, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 28 Rdnr. 10; W. Schrödter, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 28 Rdnr. 8, jeweils m.w.N.), ist die Annahme der Möglichkeit einer rückwirkenden Genehmigung der rechtswidrigen Vorkaufsrechtsausübung noch nach Fristablauf nämlich nicht zu vereinbaren.

Ob dem Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts noch weitere Rechtsmängel anhaften, kann offen bleiben. Dies gilt insbesondere auch für den vom Kreisrechtsausschuss angenommenen Ermessensfehler in Gestalt einer unterbliebenen Abwägung der betroffenen privaten Interessen der Beigeladenen mit den durch die Vorkaufsrechtsausübung angestrebten Vorteilen für die Allgemeinheit. Hierzu erübrigen sich nähere Ausführungen. Entsprechendes gilt für die von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen der Ausübung der Abwendungsbefugnis und der Rechtmäßigkeit der Vorkaufsrechtssatzung vom 23. Februar 2001.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der mit ihrem Rechtsmittel erfolgreichen Beigeladenen aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.