VG Freiburg, Urteil vom 05.10.2005 - 1 K 593/04
Fundstelle
openJur 2013, 14045
  • Rkr:

Enthält das Protokoll einer mündlichen Prüfung entgegen den Bestimmungen der einschlägigen Prüfungsordnung keine Aufzeichnungen über das Antwortverhalten des Prüflings, so kann hierin ein wesentlicher Verfahrensfehler liegen, der zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung und zu einem Anspruch auf Zulassung zu einer erneuten Prüfung führt. Ein solcher Fehler kann durch zeitnahe Rekonstruktion des Prüfungsgeschehens, insbesondere durch eine auf den konkreten Prüfungsablauf und die konkret erhobenen Rügen Bezug nehmende Überdenkensentscheidung geheilt werden.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 18.6.2003 und der Widerspruchsbescheid vom 24.2.2004 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger im Nebenfach Neuere und Neueste Geschichte zur ersten Wiederholungsprüfung erneut zuzulassen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen seiner Diplomprüfung.

Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 1993/1994 im Hauptfach Philosophie und die Nebenfächer Kognitionswissenschaft und Neuere und Neueste Geschichte. Im Wintersemester 2002/2003 wurde seine Prüfungsleistung in dem zweiten Nebenfach Neuere und Neueste Geschichte mit „nicht ausreichend“ bewertet. Er wiederholte die Prüfung im Sommersemester 2003 am 06.06.2003. Die mündliche Prüfung wurde von Herrn Prof. ... abgenommen, der Beisitzer Herr E. führte das Protokoll. Auch diese Prüfung wurde mit der Note „nicht ausreichend“ bewertet. Auf dem zweiseitigen Prüfungsprotokoll sind der Beginn der Prüfung (9.17 Uhr) und das Ende der Prüfung (9.42 Uhr) vermerkt, es ist vom Prüfer und dem Beisitzer unterschrieben. Des Weiteren ist eine Note entsprechend der aufgedruckten Notenskala ausgewiesen („nicht ausreichend 5,0“). Ferner sind auf dem Prüfungsprotokoll handschriftlich verschiedene Prüfungsthemen vermerkt, beispielsweise „Wende bei Adenauers Rücktritt und Erhards Antritt“, „wie war der Übergang parteipolitisch“, „in welcher Situation befand sich Adenauer, die FDP“, „wie gestaltete sich der Übergang: Wer wird der nächste Kanzler“ usw.

Mit Bescheid vom 18.06.2003 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses der gemeinsamen Kommission der philologischen, philosophischen und wirtschafts- und verhaltenswissenschaftlichen Fakultät der Beklagten dem Kläger mit, dass er die Wiederholungsprüfung der Magisterprüfung nicht bestanden habe und damit die gesamte Magisterprüfung endgültig nicht bestanden sei und er den Prüfungsanspruch verloren habe.

Hiergegen erhob der Kläger am 18.07.2003 Widerspruch und rügte insbesondere, dass das Prüfungsverfahren an einem wesentlichen Verfahrensfehler leide, weil entgegen den Bestimmungen der Magisterprüfungsordnung lediglich die wesentlichen Gegenstände, aber nicht die wesentlichen Ergebnisse der Prüfung festgehalten worden seien. Das fehlerhafte Protokoll sei auch Grund für eine falsche Bewertung der Prüfungsleistungen, denn vom Prüfling genannte Antworten seien als Stichworte des Prüfers ins Protokoll aufgenommen worden und in der anschließenden Bewertung voraussichtlich aus diesem Grund nicht berücksichtigt worden. In seiner Stellungnahme vom 25.09.2003 führt Prof. ... aus, dass er sich während der Prüfung keine Notizen mache, sondern mit der konzentrierten Führung des Gesprächs beschäftigt sei. Solche Notizen wie Plus- und Minuszeichen könnten sich auch lediglich auf das Faktenwissen des Prüflings beziehen und seien einer Magisterprüfung nicht angemessen. Beisitzer und Prüfer gingen die einzelnen Themen und Unterpunkte im Anschluss an die Prüfung anhand des Protokolls durch und rekapitulierten die Ausführungen des Prüflings. Dabei gehe es zum einen um Faktenkenntnisse und zum anderen um die Fähigkeit zur Herstellung von inhaltlichen Verbindungen zwischen verschiedenen Themenfeldern, um analytische Durchdringung und die Fähigkeit zum Vergleich, zur methodischen Herangehensweise an historische Fragen und zur Synthetisierung von Einzelbefunden. Dieses Fachgespräch zwischen Beisitzer und Prüfer habe im vorliegenden Fall etwa 20 Minuten gedauert. Im Bereich der Faktenkenntnisse seien die Ausführungen des Klägers zu mehr als der Hälfte unzutreffend oder unzureichend gewesen, hinsichtlich Analyse, Methodik, Vergleich und Synthese sei der Kläger über Ansätze nicht hinausgekommen und er habe übergreifende Zusammenhänge nicht herstellen können.

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 24.02.2004 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 22.03.2004 Klage erhoben. Er trägt vor, dass das Prüfungsverfahren an einem wesentlichen Verfahrensfehler leide. Entgegen den Bestimmungen der Magisterprüfungsordnung seien die Antworten des Klägers auch nicht ansatzweise im Protokoll festgehalten worden. An keiner Stelle sei ein Ergebnis oder eine Prüfungsleistung des Klägers erwähnt oder vermerkt, ob er die gestellten Fragen richtig oder falsch beantwortet habe. Es sei unerheblich, ob andere Prüfungsordnungen ein derartiges Verlaufs- oder gar Wortprotokoll verlangten, weil die Magisterprüfungsordnung eben nicht nur verlange, dass die wesentlichen Gegenstände der Prüfung, sondern gerade auch die Ergebnisse der Prüfungsgegenstände protokollarisch festzuhalten seien. In jedem Fall handele es sich bei den „Ergebnissen“ nicht um die Endnote, da diese in der Magisterprüfung als „Note“ bezeichnet werde, die im Protokoll ebenfalls zu vermerken sei. Nach der mittlerweile verstrichenen Zeit sei es unmöglich, dass der Prüfer die vom Kläger gegebenen Antworten noch kenne. Das fehlerhafte Protokoll sei auch Grund für eine falsche Bewertung der Leistungen des Klägers. So seien vom Kläger genannte Antwortpunkte als von Prof. ... gegebene Stichworte in das Protokoll aufgenommen und in der anschließenden Bewertung wahrscheinlich aus diesem Grund nicht berücksichtigt worden. So habe der Prüfer bei der ersten Frage wissen wollen, aus welchen Gründen sich Konrad Adenauer 1963 aus der Politik zurückgezogen habe. Auf die Antwort des Klägers, dass er dies der FDP bei den Koalitionsverhandlungen 1961 schriftlich zugesagt habe, um seinem Nachfolger Einarbeitungszeit vor der nächsten Bundestagswahl zu geben, sei der Kläger gefragt worden, wie denn die Situation Adenauers gewesen sei. Der Kläger habe darauf geantwortet, dass dieser aufgrund von drei Krisen politisch angeschlagen gewesen sei und habe zwei davon, nämlich die Präsidentschaftskrise und den Mauerbau auch erwähnt. Die Spiegel-Affäre habe er nach einem Hinweis des Prüfers sofort genannt, ferner habe er die Präsidentschaftskrise und die Spiegel-Affäre nach Aufforderung näher erläutert. Im Protokoll erscheine aber die Präsidentschaftskrise als ein vom Prüfer gegebenes Stichwort, Mauerbau und Spiegel-Affäre solle der Kläger erst auf Nachfrage genannt haben. Der Kläger sei im Zusammenhang mit der Spiegel-Affäre nicht nach der Rolle Adenauers gefragt worden, sondern danach, wer hier eine maßgebliche Rolle gespielt habe, nämlich der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß. In der Besprechung zur Notengebung sei dem Kläger dann mitgeteilt worden, dass er zu diesen Themen nichts gewusst habe. Vergleichbares sei beim Fragenkomplex um den Mauerbau der Fall gewesen. Der Kläger habe entgegen der Mitteilung der Prüfer nicht nur zu wenigen Fragen überhaupt etwas sagen können, sondern auf alle Fragen Antworten gegeben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18.6.2003 und der Widerspruchsbescheid vom 24.2.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger im Nebenfach Neuere und Neueste Geschichte zur ersten Wiederholungsprüfung erneut zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass der Kläger keinen Anspruch auf nochmalige Wiederholung der Prüfung habe, weil die Magisterprüfung endgültig nicht bestanden sei. Die Prüfung im Nebenfach Neuere und Neueste Geschichte setze sich aus einer Klausur und einer mündlichen Prüfung zusammen. Das Protokoll der mündlichen Wiederholungsprüfung vom 06.06.2003 entspreche den Anforderungen der Magisterprüfungsordnung, weil das Ergebnis der Prüfung, Beginn und Ende der Prüfung und der Prüfungsverlauf erkennbar seien. Ein Verlaufs- oder Wortprotokoll werde in keiner Prüfungsordnung der Beklagten oder von der Rechtsprechung verlangt. Es sei auch nicht erforderlich, für jedes geprüfte Gebiet eine Teilnote zu vergeben. Wenn nach der Magisterprüfungsordnung die wesentlichen Gegenstände und Ergebnisse der mündlichen Prüfung in einem Protokoll festzuhalten seien, so seien damit nicht die Antworten des Prüflings gemeint. Diese seien wie die Fragen des Prüfers Bestandteil der mündlichen Prüfung, die erst zu einem Prüfungsergebnis führen würden. Als Ergebnis einer Prüfung sei nicht nur die Note, sondern auch die Feststellung zu verstehen, ob die Prüfung bestanden, nicht bestanden oder endgültig nicht bestanden sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass im Bereich der Magisterprüfung auch Kollegialprüfungen von mehreren Prüfern abgehalten werden könnten und deswegen mehrere Prüfungsnoten zu vergeben seien. Allein eine Interpretation von „Ergebnissen“ als Resultat oder Note der Prüfung werde der Magisterprüfungsordnung gerecht. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass Mängel des Prüfungsprotokolls keinen selbständigen Einfluss auf das Prüfungsergebnis hätten, weil die Bewertung der Prüfungsleistung auf der Grundlage des tatsächlichen Prüfungsgeschehens und nicht anhand des Prüfungsprotokolles erfolgten. Mängel des Prüfungsprotokolles würden also lediglich die Beweiserhebung und Beweiswürdigung des Gerichts beeinflussen.

Die Beklagte hat einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag, der durch Beschluss vom 23.06.2005 unterbreitet wurde, nicht angenommen und ergänzend darauf hingewiesen, dass der Prüfer Prof. ... angesichts der hohen Zahl von Prüfungen, die er zwischenzeitlich abgenommen habe, heute nicht ausschließen könne, dass er den Verlauf der streitigen Prüfung mit einer anderen Prüfung verwechsle. Detaillierte Angaben zu einem mehr als zwei Jahre zurückliegenden Prüfungsverfahren könnten nach so langer Zeit nur dann gemacht werden, wenn ein atypischer Prüfungsverlauf vorgelegen hätte. Schließlich beruhe die missverständliche Fassung der Magisterprüfungsordnung (MPO) auch auf einem Redaktionsversehen, weil es Wille des Satzungsgebers gewesen sei, die einschlägigen Vorschriften aus den Allgemeinen Bestimmungen für Magisterprüfungsordnungen der Rektorenkonferenz und der Kultusministerkonferenz zu übernehmen. Deren § 6 regele mündliche Prüfungsleistungen, versehentlich sei der Plural „Ergebnisse“ in die MPO der Beklagten übernommen worden, obwohl es nach dem Sachzusammenhang habe „Ergebnis“ lauten müssen.

Dem Gericht liegt ein Heft Verwaltungsakten des Beklagten vor, auf dessen Inhalt ebenso wie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen wird.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.6.2003 und der Widerspruchsbescheid vom 24.2.2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte ihn entsprechend § 16 Abs. 3 Satz 1 ihrer Magisterprüfungsordnung die mündliche Prüfung im Nebenfach Neuere und Neueste Geschichte wiederholen lässt, weil die am 6.6.2003 abgelegte Wiederholungsprüfung an einem nicht mehr heilbaren wesentlichen Verfahrensfehler leidet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Prüfung leidet an einem wesentlichen Verfahrensfehler, weil entgegen den Bestimmungen des § 13 Abs. 4 der Magisterprüfungsordnung nicht die wesentlichen Gegenstände und Ergebnisse der mündlichen Prüfung in einem Protokoll festgehalten worden sind. Die über den in der Rechtsprechung als verfassungsrechtlichen Mindeststandard einer mündlichen Prüfung hinausgehenden Anforderungen der MPO an die Protokollierung haben den Zweck, dem Prüfling eine nachträgliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung zu ermöglichen und sind insofern drittschützend. Dies hat zur Folge, dass ein Verfahrensfehler hinsichtlich der Protokollierungspflichten dazu führt, dass ein Anspruch auf Wiederholung der Prüfung besteht, es sei denn der Prüfungsablauf wird zeitnah rekonstruiert, so dass diese Rekonstruktion (etwa in Form eines Gedächtnisprotokolls oder einer auf den konkreten Prüfungsablauf abstellenden zeitnahen Überdenkensentscheidung) die Mängel des Protokolls heilt. Eine etwaige Nichterweislichkeit des Prüfungsablaufes aufgrund des vollständigen Fehlens von hier in der Magisterprüfungsordnung geforderten Aufzeichnungen und eine damit nicht mehr mögliche gerichtliche Kontrolle, ob der Prüfer die Grenzen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums eingehalten hat, geht zu Lasten der Beklagten und führt dazu, dass ein Anspruch auf Wiederholung der Prüfung entsteht.

1. Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 der Magisterprüfungsordnung der Philosophischen Fakultäten der A.-L.-Universität sind die wesentlichen Gegenstände und Ergebnisse sowie Beginn und Ende der mündlichen Prüfung in einem Protokoll festzuhalten. Nach jeder mündlichen Prüfung wird eine Note gem. § 12 Abs. 2 festgesetzt und in dem Protokoll vermerkt (§ 13 Abs. 4 Satz 2 MPO). Das Ergebnis der mündlichen Prüfung ist dem Kandidaten jeweils im Anschluss an die Prüfung bekannt zu geben (§ 13 Abs. 4 Satz 3 MPO).

Die MPO enthält damit nicht nur Regelungen, die sicherstellen sollen, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ausreichende verfahrensrechtliche Vorkehrungen, um das Prüfungsgeschehen nachträglich aufklären zu können, genügt wird. Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen soll das Prüfungsprotokoll vor allem Beweiszwecken dienen. Ob ein Protokoll zu führen ist und welchen Mindestinhalt es hat, ergibt sich aus der jeweiligen Prüfungsordnung und den allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen (vgl. hierzu Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2, 4. Aufl. 2004, Rn. 483 ff.). Danach ist in der Regel kein Wortprotokoll vorgesehen, sondern in erster Linie der äußere Ablauf des Prüfungsgeschehens zu dokumentieren. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt als verfassungsrechtlichen Mindeststandard der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) hinreichende verfahrensmäßige Vorkehrungen, um das Prüfungsgeschehen auch nachträglich noch aufklären zu können. Nachteile einer unzulänglichen Dokumentation sind vom Normgeber durch verfahrensmäßige Vorkehrungen wie etwa der Zulassung einer beschränkten Öffentlichkeit (BVerwG, Beschl. vom 31.03.1994, 6 B 65.93, NVwZ 1995, 494) zu korrigieren, die Herstellung eines Wortprotokolls über ein Prüfungsgespräch ist hingegen verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten (BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 1. Senats vom 14.02.1996, 1 BvR 961/94, NVwZ 1997, 263), vielmehr sind Inhalte des Prüfungsgespräches nur dann aufzuzeichnen, wenn die Prüfungsordnung dies ausdrücklich vorschreibt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.03.1990, 9 S 2059/89, DVBl. 1990, 943 zur mündlichen Abiturprüfung; Niehues, a.a.O., Rn. 483) Die in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen verlangen also nicht, dass die Antworten des Prüflings im Protokoll festgehalten werden (vgl. hierzu auch Zimmerling/Brehm, NVwZ 1997, 451, 453 m.w.N.).

Über diesen verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Mindestinhalt geht die Regelung über das Prüfungsprotokoll in der MPO hinaus. Maßgebend für die Auslegung von § 13 Abs. 4 MPO ist in erster Linie der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers, wie er sich aus dem Wortlaut (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung) und aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) ergibt. Eine sich daran orientierende Auslegung ergibt, dass das Protokoll über die mündliche Prüfung neben den wesentlichen Prüfungsergebnissen (Fragen, behandelte Themen) auch die Antworten des Prüfungskandidaten, wenn auch nicht wortgetreu so doch in ihren wesentlichen Grundzügen zu enthalten hat. Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 sind die wesentlichen Gegenstände und Ergebnisse sowie Beginn und Ende der mündlichen Prüfung in einem Protokoll festzuhalten, das von dem Prüfer und dem Beisitzer zu unterzeichnen ist. Das Wort „Ergebnisse“ mit der Beklagten in dem Sinne zu verstehen, dass damit im weitesten Sinne die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung eines einzelnen Prüfungskandidaten oder - im Falle einer Gruppenprüfung - der Leistungen mehrerer Prüfungskandidaten gemeint ist, verbietet sich bei der gebotenen Berücksichtigung von § 13 Abs. 4 Satz 2 MPO. Denn bereits danach wird nämlich nach jeder mündlichen Prüfung eine Note gemäß § 12 Abs. 2 MPO festgesetzt und in dem Protokoll vermerkt. Aus der gebotenen Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen, die allein inhaltliche Anforderungen an das Prüfungsprotokoll enthalten, ergibt sich vielmehr nach Auffassung der Kammer zwingend, dass mit dem Wort „Ergebnisse“ die Antworten des Prüfungskandidaten gemeint sind. Es überzeugt nicht, wenn die Beklagte meint, neben der Note gemäß § 12 Abs. 2 MPO, die im Protokoll nach § 13 Abs. 4 Satz 2 MPO ohnehin zu vermerken ist, sei das Wort „Ergebnisse“ im Sinne von „bestanden“, „nicht bestanden“ oder „endgültig nicht bestanden“ zu verstehen. Ob eine einzelne mündliche Prüfungsleistung bestanden ist, ergibt sich eindeutig aus der nach § 12 Abs. 2 MPO festzusetzenden und im Protokoll zu vermerkenden Note. Mehr ist in einem Protokoll über eine einzelne mündliche Prüfung bezüglich der Note nicht festzuhalten. Ob die gesamte Magisterprüfung nicht bestanden ist, teilt im Übrigen gemäß § 15 Abs. 2 MPO nicht der Prüfer einer einzelnen mündlichen Prüfung, sondern der Prüfungsausschuss dem Kandidaten in einem schriftlichen Bescheid mit. Der für die Magisterprüfung verwendete Protokollvordruck enthält dementsprechend auch lediglich eine Rubrik für die zu vermerkende Note mit Prädikat einschließlich der Notenskala des § 12 Abs. 2 MPO. Für Vermerke, wie sie die Beklagte dem Wort „Ergebnisse“ entnimmt, ist dagegen nichts vorgesehen.

Der von der Beklagten betonte Vergleich mit § 13 Abs. 4 Satz 3 MPO führt ebenfalls zu keiner anderen Auslegung. Danach ist das Ergebnis der mündlichen Prüfung dem Kandidaten auf Anfrage jeweils im Anschluss an die Prüfung bekannt zu geben. Diese Regelung befasst sich bereits nicht mit dem Inhalt des Prüfungsprotokolls. Dass das Wort „Ergebnis“ in dieser Bestimmung eindeutig in dem Sinne zu verstehen ist, dass dem Kandidaten das Prüfungsergebnis (Note) bekannt zu geben ist, zwingt nicht dazu, dem Wort „Ergebnisse“ in § 13 Abs. 4 Satz 1 MPO den gleichen Bedeutungsinhalt zu geben. Denn sein Sinn erschließt sich - wie oben ausgeführt wurde - ausschließlich aus der gebotenen Zusammenschau der beiden Bestimmungen, die sich allein mit dem Prüfungsprotokoll befassen.

Schließlich bleibt auch der Versuch der Beklagten, aus der Entstehungsgeschichte der MPO eine andere Auslegung und ein anderes Verständnis herzuleiten, ohne Erfolg. Es mag sein, dass sich die Beklagte bei Erlass der MPO an die allgemeinen Bestimmungen für Magisterprüfungsordnungen der Rektorenkonferenz und der Kultusministerkonferenz hat orientieren wollen. Sie hat jedoch das so Gewollte in dem für den Normadressaten allein maßgeblichen Normtext nicht eindeutig erkennbar zum Ausdruck gebracht. Vielmehr hat sie sich von § 6 Abs. 4 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen, wonach die wesentlichen Gegenstände und Ergebnisse der mündlichen Prüfungsleistungen in einem Protokoll festzuhalten sind, weit entfernt und den erforderlichen Inhalt des Prüfungsprotokolls in den beiden Bestimmungen des § 13 Abs. 4 Sätze 1 und 2 MPO eigenständig geregelt. Von einem jederzeit zu korrigierenden, für den Normadressaten erkennbaren offenkundigen Redaktionsversehen kann in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden. Vielmehr hat die Beklagte in der einschlägigen MPO eine durchaus sinnvolle Regelung über den Inhalt des Prüfungsprotokolls getroffen, die - insbesondere aus der Sicht des Normadressaten (Prüfungskandidaten) - nur im oben dargelegten Sinn verstanden werden kann. Dass die Beklagte sie in ihrer jahrelangen Praxis anders verstanden hat, ist unerheblich.

2. Das vollständige Fehlen von Protokollnotizen hinsichtlich des klägerischen Antwortverhaltens stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der nicht mehr nachträglich behoben werden kann (vgl. VGH Kassel, Urt. vom 13.01.1970, I OE 68/68, SPE 580 Nr. 4). Ein wesentlicher Verfahrensfehler liegt vor, wenn dieser ursächlich für das Prüfungsergebnis sein kann (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 492 m.w.N.). Dies ist für die bestimmte Protokollierungsfehler wie z.B. fehlender Eintrag von Beginn oder Ende der Prüfung, aber auch des Namens des Prüfers oder Beisitzers, wenn beide das Protokoll eigenhändig unterzeichnet haben, regelmäßig auszuschließen. Zutreffend wird hieraus die Konsequenz gezogen, dass üblicherweise Mängel des Prüfungsprotokolls keinen selbständigen Einfluss auf das Prüfungsergebnis besitzen, weil die Bewertung der Prüfungsleistung auf der Grundlage des tatsächlichen Prüfungsgeschehens und nicht anhand des das äußere Prüfungsgeschehen dokumentierenden Prüfungsprotokolls erfolgt. Etwas anderes gilt aber nach Auffassung der Kammer, soweit - wie hier - die Prüfungsordnung verlangt, dass auch die Prüfungsergebnisse im Sinne der wesentlichen Inhalte der Antworten des Prüflings oder einer Kurzcharakteristik des Antwortverhaltens im Protokoll festzuhalten sind, und das Protokoll überhaupt nichts zu den vom Prüfungskandidaten gegebenen Antworten oder seinem Antwortverhalten enthält. Ein solcher Protokollierungsfehler, der zur Unaufklärbarkeit des Prüfungsablaufes führt, kann ausnahmsweise zugunsten des Prüflings durchschlagen.

Zwar kann der Protokollierungsmangel in Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 LVwVfG innewohnenden Gedankens durch zeitnahes Nachholen der Dokumentation des Prüfungsgeschehens geheilt werden. Den am Prüfungsgeschehen Beteiligten obliegen verfahrensrechtliche Mitwirkungslasten hinsichtlich der Aufklärung und Dokumentation eines streitigen Prüfungsgeschehens. So muss ein Prüfungskandidat unverzüglich, d.h. zeitnah und substantiiert die Gründe vortragen, weshalb nach seiner Auffassung eine „fehlerhafte“ Prüfung vorliegt. Dies muss nicht notwendig unmittelbar nach Bekanntgabe der Note erfolgen, denn dem Prüfling ist hierfür wohl ein gewisser Einwendungszeitraum zuzubilligen, der in Anlehnung an die Rechtsmittelfristen gewonnen werden kann. Soweit der Prüfling jedoch innerhalb eines Monats keine substantiierten Einwände erhebt, erscheint es ausreichend, wenn durch eine hinreichend konkrete, auf den Prüfungsablauf bezogene Überdenkensentscheidung der Protokollierungsmangel geheilt und damit der Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung - unter Beachtung des Beurteilungsspielraums des Prüfers - eröffnet wird. Eine sofortige detaillierte Rüge eines Prüflings führt hierbei zu einer höheren Begründungspflicht der Beklagten als ein spät erfolgender und nur pauschaler Angriff auf die Prüfungsbewertung.

Nach dieser variablen, am Einzelfall herauszuarbeitenden Begründungspflicht ergibt sich im vorliegenden Fall Folgendes: Das Prüfungsprotokoll enthält zwar zwei eng handschriftlich beschriebene Seiten mit Prüfungsthemen, aber überhaupt keine Notizen über Antworten, Antwortverhalten oder Ähnliches. Der Kläger hat noch zeitnah im Widerspruchsverfahren – während der vorlesungsfreien Zeit vor dem nächsten Semester – substantiiert dargelegt, dass er Antworten (z.B. Zusage des Rücktritts Adenauers in den Koalitionsverhandlungen 1961; Präsidentenwahl und Mauerbau aus politische Schwächen Adenauers) zu im Protokoll vermerkten Prüfungsthemen gegeben habe. Gleichwohl sei ihm in der anschließenden Notenbesprechung eröffnet worden, er habe zu diesen Themen nichts gewusst. Prof. ... hat am 25.09.2003 zu diesen konkret auf den Prüfungsablauf bezogenen Einwendungen lediglich allgemein dahingehend Stellung genommen, dass er sich während der Prüfung keine Notizen mache, sondern mit der konzentrierten Führung des Gesprächs beschäftigt sei; Beisitzer und Prüfer würden die einzelnen Themen und Unterpunkte im Anschluss an die Prüfung anhand des Protokolls durchgehen und die Ausführungen des Prüflings rekapitulieren. Dabei gehe es zum einen um Faktenkenntnisse und zum anderen um die Fähigkeit zur Herstellung von inhaltlichen Verbindungen zwischen verschiedenen Themenfeldern, um analytische Durchdringung und die Fähigkeit zum Vergleich, zur methodischen Herangehensweise an historische Fragen und zur Synthetisierung von Einzelbefunden. Dieses Fachgespräch zwischen Beisitzer und Prüfer habe im vorliegenden Fall etwa 20 Minuten gedauert. Im Bereich der Faktenkenntnisse seien die Ausführungen des Klägers zu mehr als der Hälfte unzutreffend oder unzureichend gewesen, hinsichtlich Analyse, Methodik, Vergleich und Synthese sei der Kläger über Ansätze nicht hinausgekommen, er habe übergreifende Zusammenhänge nicht herstellen können. Diese sehr allgemein gehaltene Stellungnahme, die in dieser Form nach jeder als nicht bestanden bewerteten mündlichen Prüfung abgegeben werden könnte, stellt den erforderlichen Bezug zum konkreten Prüfungsablauf und zu den konkret vorgebrachten Rügen nicht her und genügt damit nicht den verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine mögliche nachträgliche Heilung des Protokollierungsfehlers. Denn die Stellungnahme vom 25.9.2003 enthält keinerlei konkreten Bezug zur Prüfung des Klägers, vielmehr findet sich die dort unter „Bewertung der Leistungen“ erwähnte Potsdamer Konferenz in der sehr detaillierten Themenzusammenstellung des Prüfungsprotokolls nicht wieder.

Nach nunmehr zwei Jahren ist der Ablauf der Prüfung, wie die Beklagten nach Rücksprache mit dem Prüfer Prof. ... in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 8.9.2005 eingeräumt hat, nicht mehr nachzuvollziehen und damit eine gerichtliche Kontrolle, ob der Prüfer die Grenzen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum eingehalten hat, nicht mehr möglich. Die auch nach Auffassung der Beklagten inzwischen nicht mehr mögliche Rekonstruktion des Prüfungsablaufes führt daher zu einem Anspruch auf erneute Zulassung zur Wiederholungsprüfung im Nebenfach Neuere und Neueste Geschichte, weil sonst der Rechtsschutzanspruch des Prüfungskandidaten leer liefe. Die im Prüfungsrecht zurückgenommene gerichtliche Kontrolldichte und der damit einhergehende weite Bewertungsspielraum des Prüfers bedingen, dass eine mündliche Prüfung mangels „Rekonstruierbarkeit“ wiederholt werden muss, wenn verfahrensfehlerhaft der Prüfungsinhalt (hinsichtlich der Themen und der Antworten) nicht protokolliert wurde.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht nach Ermessen davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).