BVerfG, Beschluss vom 21.07.2000 - 2 BvR 1429/98
Fundstelle
openJur 2012, 24865
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil ihr weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt noch ihre Annahme zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte des Beschwerdeführers (§ 90 Abs. 1 BVerfGG) angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

1. Allerdings ist zweifelhaft, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Klage des Beschwerdeführers u.a. auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, den verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt, die an eine qualifizierte Klageabweisung zu stellen sind.

a) Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat, sind besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Denn die Asylgewährleistung des Grundgesetzes fordert geeignete verfahrensrechtliche Vorkehrungen, die der Gefahr unanfechtbarer Fehlurteile entgegenwirken. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylVfG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt (vgl. BVerfGE 65, 76 <95 f.>; 71, 276 <293>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 1997 - 2 BvR 1024/95 - NVwZ-Beilage 9/1997, S. 65 f.). Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG zu stellen (stRspr, vgl. Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 1996 - 2 BvR 2353/95 -, BayVbl 1997, S. 15 f. und vom 7. November 1996 - 2 BvR 1318/95 -, NVwZ-Beilage 6/1997, S. 42 f.).

b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angegriffene Entscheidung ergeben sich danach aus dem Umstand, dass sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, deren Vorliegen die Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet tragen kann, noch nicht gebildet hatte; es lagen lediglich einzelne Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz über die nach der Machtübernahme von Laurent Kabila in der Demokratischen Republik Kongo neu entstandene politische Lage vor, während sich andere Obergerichte noch nicht zu der zum Entscheidungszeitpunkt noch neuen politischen Lage in der Demokratischen Republik Kongo geäußert hatten. Auch eindeutige und widerspruchsfreie Auskünfte und Stellungnahmen sachverständiger Stellen (vgl. BVerfGE 65, 76 <97>) hat das Verwaltungsgericht nicht dargelegt.

Fraglich ist auch, ob die angegriffene Entscheidung den verfassungsmäßigen Anforderungen gerecht wird, die im Falle der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet an die Urteilsbegründung zu stellen sind. Die von dem Verwaltungsgericht zur Begründung seines Offensichtlichkeitsurteils in Bezug genommene Entscheidung der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. März 1996 - 2 BvR 2409/95 u.a. - (veröffentlicht in Juris sowie in AuAS 1996, S. 117 f.) ist jedenfalls nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu stützen. Der Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats betrifft einen anderen Sachverhalt und überdies die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG, nicht jedoch die hier in Rede stehenden verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet.

2. Dennoch bleibt der Verfassungsbeschwerde im Ergebnis der Erfolg versagt, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht (mehr) vorliegen. Insbesondere ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in der Folgezeit seine Rechtsprechung vom 14. November 1997 zu der fehlenden Rückkehrgefährdung wegen der Asylantragstellung oder einer untergeordneten exilpolitischen Tätigkeit nicht geändert, sondern bekräftigt (vgl. dessen Entscheidung vom 3. April 1998 - 10 A 10902/97 -, NVwZ-Beilage 8/1998, S. 85 f.). Darüber hinaus haben sich inzwischen weitere Obergerichte im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz geäußert (vgl. die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. Oktober 1999 - A 13 S 2476/97 -, VGHBW-Ls 2000, Beilage 1, B4 sowie vom 18. November 1999 - A 13 S 2844/95 -, VGHBW-Ls 2000, Beilage 2, B5, beide auch in Juris veröffentlicht; ebenso - wenn auch nur zu exilpolitischer Tätigkeit bis 1996 - Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 17. Juni 1999 - 3 UE 404/95 -, in Juris veröffentlicht; vgl. auch die Bezugnahme in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. Oktober 1999 unter I. 3 f auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Mai 1998 - 1 L 1690/96 -). Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht im Ergebnis mit einer günstigeren Entscheidung rechnen könnte (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. März 1996 - 2 BvR 2409/95 u.a. -, AuAS 1996, S. 117 f.). Zudem hat der Beschwerdeführer auch nicht in einer den Begründungserfordernissen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG genügenden Weise dargelegt, inwieweit die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts in der angegriffenen Entscheidung und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in der von dem Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung vom 14. November 1997 hinsichtlich der Rückkehrgefährdung von Verfassungs wegen zu beanstanden sind.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.