OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.08.1996 - 23 A 2603/95
Fundstelle
openJur 2012, 75562
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin zu 1. und die Kläger zu 2., letztere als Gesamtschuldner, tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin zu 1. ist seit 1983 Eigentümerin des in der

Innenstadt von O. gelegenen Hausgrundstücks Z. Straße

18 (Gemarkung O. Flur 26 Flurstück 218). Das östliche

Nachbargrundstück Z. Straße 16 (Gemarkung O. Flur 26

Flurstück 219), ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut, haben die

Kläger zu 2. Ende November 1989 vom Voreigentümer Q.

erworben. Die Südseiten der Grundstücke grenzen an die Z.

Straße. Die südlichen Grundstücksgrenzen liegen zwischen 3,50

m und 4,00 m von der Südwand des jeweiligen Hauses entfernt.

Die gesamte Fläche zwischen den Südwänden der Häuser der

Kläger einerseits und den an der gegenüberliegenden

Straßenseite stehenden Häusern andererseits war asphaltiert,

ihr auf den Grundstücken der Kläger befindlicher Teil

allerdings durch einen niedrigen Bordstein von der Fahrbahn

abgesetzt, leicht erhöht und von einigen Betonkübeln

bestanden. Auf diesem erhöhten Teil der Asphaltfläche wurden

schon damals gelegentlich Fahrzeuge abgestellt; ausgewiesene

Parkplätze befanden sich dort aber nicht.

Ab dem Jahre 1986 beteiligte die Beklagte ihre Bürger an

Óberlegungen zu Wohnumfeldverbesserungen in der Stadtmitte. Am

9. November 1987 und 3. Februar 1988 fanden zwei

Bürgerbeteiligungen zur Wohnumfeldverbesserung im Abschnitt Z.

Straße statt. Im ersten Termin, in dem die Beklagte

Vorstellungen der Bürger zur Entwicklung eines dann im zweiten

Termin vorzustellenden Planes sammeln wollte, erhielt sie

zahlreiche Anfragen und Anregungen von Bürgern zur

Parkplatzsituation in der Z. Straße. Im zweiten Termin

erläuterte die Beklagte ihre zwischenzeitliche Planung, u.a.

zur Änderung bisheriger Parkplätze und zu deren Gesamtzahl.

Jedenfalls bei diesem zweiten Termin hingen Lagepläne aus, auf

denen die vorgesehenen Parkplätze eingezeichnet waren. Bei

beiden Bürgerbeteiligungen waren die Klägerin zu 1. und der

Voreigentümer des Grundstücks der Kläger zu 2. anwesend, sie

äußerten sich aber nicht.

Zwischen April 1988 und Herbst 1989 wurde der überwiegende

Teil der Z. Straße zu einem verkehrsberuhigten Bereich

umgestaltet; lediglich die Arbeiten am ehemaligen Marktplatz

konnten erst Mitte 1990 abgeschlossen werden. Im Zuge der

Umbaumaßnahmen wurde auf den Grundstücken der Kläger in etwa

1,70 m Abstand von ihren Häusern je ein Einzelparkplatz in

Längsrichtung zur Straße angelegt, gekennzeichnet durch

dunkelgraue Pflastersteine, während die übrigen, bis an die

Südwände der Häuser der Kläger heranreichenden Flächen

hellgrau und die für den fließenden Fahrzeugverkehr

vorgesehenen Flächen rötlichbraun gepflastert wurden.

Am 17. März 1988 hatte der Rat der Beklagten die Änderung

des Bebauungsplans Nr. 18 "Stadtmitte" in einem hier

interessierenden Teilbereich beschlossen. Die

Bebauungsplanänderung insgesamt wurde am 23. Juli 1991

öffentlich bekanntgemacht. Der geänderte Bebauungsplan weist

die gesamte Fläche zwischen den Häusern der Kläger und den

gegenüberliegenden Häusern an der Z. Straße als

verkehrsberuhigten Bereich aus.

Am 20. Juli 1992 forderten die Kläger die Beklagte auf, den

ursprünglichen Zustand der Z. Straße wiederherzustellen und

ihnen einzuräumen, die vor ihren Häusern befindlichen

Parkplätze zu beseitigen. Die Beklagte wies dieses Ansinnen

zurück.

Am 11. Februar 1993 haben die Kläger Klage erhoben. Sie

haben den geänderten Bebauungsplan bemängelt, soweit er die

südlichen Teile ihrer Grundstücke, die ihrer Behauptung nach

zuvor allein zu privaten Zwecken genutzt wurden, als

öffentliche Verkehrsfläche festsetzt, und vorgetragen, die

Beklagte habe die beiden Parkplätze vor ihren Häusern

unberechtigt angelegt. Sie seien nicht ausreichend auf die

Absicht zur Schaffung der neuen Parkplätze hingewiesen worden.

Aus ihrem, der Kläger, eigenen Verhalten bzw. dem des

Rechtsvorgängers der Kläger zu 2. könne die Beklagte keine

stillschweigende Zustimmung zur Anlegung der Parkplätze

herleiten. Die Verkehrssituation in der Z. Straße zwinge nicht

zur Beibehaltung der beiden Parkplätze. Bei deren Anlegung sei

unberücksichtigt geblieben, daß eine ordnungsgemäße Belichtung

der Erdgeschoßräume ihrer, der Kläger, Häuser nicht

gewährleistet sei.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die vor den

Häusern Z. Straße 16 und 18 errichteten

Parkplätze zu beseitigen und einen der früheren

Lage gleichwertigen Zustand herzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die betroffenen Grundstücksflächen der

Kläger seien seit unvordenklicher Zeit öffentlicher

Verkehrsraum, und hat Mängel des Bebauungsplans sowie eine von

den Parkplätzen mittelbar ausgehende Beeinträchtigung der

Lichtverhältnisse in den Häusern der Kläger bestritten. Nach

Auffassung der Beklagten sind die betroffenen

Grundstückseigentümer ausreichend an der Planaufstellung

beteiligt worden. Während der beiden durchgeführten

Bürgerbeteiligungen hätten zahlreiche Bürger sogar noch mehr

Parkplätze als jetzt angelegt gewünscht. Die Klägerin zu 1.

und der Voreigentümer des Grundstücks der Kläger zu 2. hätten

bei diesen Gelegenheiten nie abweichende Vorstellungen

geäußert. Beide hätten die Umbauplanungen ebenso wie die

monatelangen Baumaßnahmen widerspruchslos hingenommen bzw. sie

während einer Besprechung mit Mitarbeitern der Beklagten

ausdrücklich genehmigt. Unter diesen Umständen hätten die

Kläger der Anlegung von Parkplätzen auf ihren

Grundstücksteilen zumindest stillschweigend zugestimmt. Ihr

Klagebegehren sei deshalb treuwidrig.

Nach Vornahme einer Ortsbesichtigung am 5. Oktober 1994 hat

das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 16. Februar 1995 die

Klage abgewiesen mit der Begründung, die Kläger hätten einen

Folgenbeseitigungsanspruch, dessen Tatbestandsvoraussetzungen

erfüllt seien, verwirkt.

Gegen das ihnen am 17. März 1995 zugestellte Urteil haben

die Kläger am 5. April 1995 Berufung eingelegt. Sie meinen,

die für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Zeit sei

bis zur Geltendmachung ihres Beseitigungsverlangens noch nicht

verstrichen gewesen, und behaupten, bei den durchgeführten

Terminen der Bürgerbeteiligung sei - auch mit Blick auf die

ausgehängten Pläne - immer nur von einer lockeren Planung ohne

abschließenden Charakter die Rede gewesen. Dabei habe die

Beklagte zugesagt, mit jedem Betroffenen die genaue Stelle

eines zu errichtenden Parkplatzes abzusprechen. Die Parkplätze

seien dann jedoch in einer Nacht- und Nebelaktion ohne die

Zustimmungen der betroffenen Anlieger errichtet worden. Die

Beklagte habe mithin nicht von ihrer, der Kläger, Zustimmung

ausgehen dürfen. Bereits 1990 hätten andere Einwohner des

Plangebietes die Beseitigung von Parkplätzen verlangt. Die

Beklagte habe deshalb damit rechnen müssen, daß noch weitere

Bürger ein solches Verlangen äußern würden.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach

dem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie legt dar, der Klägerin zu 1. habe schon Jahre vor der

Geltendmachung ihres Begehrens die vorgesehene Anlegung von

Parkplätzen im Bereich ihres Hauses bewußt sein müssen. Da sie

während der Bürgerbeteiligung keine Bedenken dagegen erhoben

habe, befremde ihr Klagebegehren. Gerade wenn sie die

Umbaupläne damals noch nicht als abschließend angesehen haben

sollte, hätte es nahegelegen, Einwände vorzubringen, zumindest

aber sich in der Folgezeit bei ihr, der Beklagten, nach der

endgültigen Planung zu erkundigen. Die Klägerin zu 1. habe die

neu angelegten Parkplätze außerdem selbst benutzt und ihre

Bedenken erst geltend gemacht, nachdem auch andere

Verkehrsteilnehmer dort ihre Fahrzeuge geparkt hätten. Die

Kläger zu 2. müßten es sich zurechnen lassen, daß der

Voreigentümer ihres Grundstücks keine Einwände gegen die

Umbaumaßnahme erhoben habe, nachdem sie, die Beklagte, auf vom

Voreigentümer gewünschte Modalitäten der Baudurchführung

eingegangen sei. Sogar nach der Bekanntmachung des geänderten

Bebauungsplans hätten die Kläger noch geraume Zeit bis zur

Geltendmachung ihres Anspruchs verstreichen lassen. Unter

diesen Umständen seien die Voraussetzungen einer Verwirkung in

Anlehnung an die für baurechtliche Nachbarstreitigkeiten

geltenden Grundsätze erfüllt.

Durch Enteignungsbeschlüsse der Bezirksregierung Arnsberg

vom 22. Mai 1996 ist das Eigentum der Kläger an den südlich

ihrer Häuser liegenden Grundstücksteilflächen zugunsten der

Beklagten entzogen worden. Gegen diese Beschlüsse richten sich

die von den Klägern gestellten Anträge auf gerichtliche

Entscheidung, die bei der zuständigen Baulandkammer anhängig

sind (6 O Baul. 11/96 und 12/96 LG Arnsberg). Ende Juli 1996

hat ein anderer Anwohner der Z. Straße den geänderten

Bebauungsplan Nr. 18 "Stadtmitte" angefochten (7a D 118/96.NE

OVG NW).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes

wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden

Verfahrens und der genannten weiteren Verfahren sowie der

beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand

der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das

Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Kläger auf

Beseitigung der beiden streitbefangenen Parkplätze und auf

Herstellung eines der früheren Lage gleichwertigen Zustandes

zu Recht verneint.

Die Leistungsklage ist zulässig.

Für das Klagebegehren ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet

40 Abs. 1 VwGO). Die Kläger wenden sich gegen

Beeinträchtigungen ihres Grundeigentums, die dem öffentlichen

Recht zuzuordnen sind. Denn die straßenverkehrsbehördliche

Entscheidung, bei Ausweisung eines verkehrsberuhigten Bereichs

das Parken auf gekennzeichneten Flächen zu erlauben (§ 42 Abs.

4a Nr. 5 StVO), wird vor den Häusern der Kläger erst aufgrund

der farblich gegenüber der sonstigen Verkehrsfläche

abgesetzten Pflasterung durch die Beklagte ermöglicht (vgl.

Abs. 3 letzter Satz Vwv zu den Zeichen 325 und 326 StVO,

abgedruckt z.B. bei: Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht,

33. Auflage 1995, § 42 StVO Rdnr. 35).

Soweit es jeweils um den auf dem eigenen Grundstück

gelegenen Parkplatz geht, sind die Kläger klagebefugt (§ 42

Abs. 2 VwGO analog). Insoweit können sie die Verletzung

eigener subjektiv-öffentlicher Rechte geltend machen. Ihr

Klageantrag ist trotz mißverständlicher Formulierung auch von

Anfang an in diesem eingeschränkten Sinne zu verstehen.

Die Leistungsklage ist jedoch unbegründet.

Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines öffentlich-

rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs, der als

Anspruchsgrundlage für das Begehren auf Beseitigung der beiden

Parkplätze allein in Betracht kommt, erfüllt sind - hierfür

spricht manches, weil die Parkflächen auf Privatgrund

errichtet wurden und ein Rechtfertigungsgrund hierfür

zumindest im Falle der Klägerin zu 1. nicht ersichtlich ist -,

braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Kläger haben

nämlich einen etwaigen Beseitigungsanspruch verwirkt.

Einem Folgenbeseitigungsanspruch kann im Bundes- wie im

Landesrecht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung mit der

Folge eines gänzlichen Anspruchsausschlusses entgegengehalten

werden. Denn die Rechtsordnung erlaubt niemandem, gegen Treu

und Glauben zu verstoßen.

BVerwG, Urteile vom 6. September 1988 - 4 C

26.88 -, NJW 1989, 118, und vom 14. April 1989

- 4 C 34.88 -, NJW 1989, 2484 (2485); OVG NW,

Urteil vom 9. April 1992 - 7 A 1521/90 -,

NVwZ-RR 1993, 397 (398).

Demgemäß kann auch ein Folgenbeseitigungsanspruch verwirkt

sein, weil die Verwirkung im Grundsatz von Treu und Glauben

wurzelt.

BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -

, NVwZ 1991, 1182 (1183); OVG NW, Urteil vom

9. April 1992 - 7 A 1521/90 -, a.a.O.; OVG

Hamburg, Urteil vom 27. September 1977 - Bf II

83/76 -, NJW 1978, 658; VGH Baden-Württemberg,

Urteile vom 17. August 1989 - 5 S 1517/89 -,

NVwZ-RR 1990, 449, und vom 1. Juni 1990 - 8 S

637/90 -, NJW 1991, 2786 (2787).

Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit seiner

Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere

Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als

Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.

BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -

, a.a.O. S. 1183, 1184; OVG NW, Urteil vom

9. April 1992 - 7 A 1521/90 -, a.a.O.

Die Annahme eines derartigen Verstoßes ist insbesondere

dann gerechtfertigt, wenn der Verpflichtete infolge eines

bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen

durfte, daß dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr

geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete

tatsächlich darauf vertraut hat, daß das Recht nicht mehr

ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und er sich

infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so

eingerichtet hat (Vertrauensbetä-tigung), daß ihm durch die

verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil

entstünde.

BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - III C

115.71 -, BVerwGE 44, 339 (343 f.), vom

20. Januar 1977 - V C 18.76 -, BVerwGE 52, 16

(25), und vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, a.a.O.

S. 1184; OVG Saarland, Urteil vom 25. Januar

1994 - 2 R 12/93 -, BRS 56 Nr. 183.

Dabei hängt die Bestimmung des Zeitraums, nach dessen

Ablauf von der Verwirkung eines Rechts die Rede sein kann,

entscheidend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab,

jedoch ist der für die Verwirkung eines materiellen Rechts

maßgebliche Zeitraum der Untätigkeit des Berechtigten deutlich

länger zu bemessen als die Zeit, die dem Berechtigten gemäß

den im Regelfall geltenden verfahrensrechtlichen

Rechtsbehelfsfristen für die Geltendmachung seines Rechts

eingeräumt ist.

BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -

, a.a.O. S. 1183; OVG NW, Urteil vom 9. April

1992 - 7 A 1521/90 -, a.a.O.

Hat ein Berechtigter von der bevorstehenden Durchführung

eines Straßenbauvorhabens einschließlich der seine

Rechtssphäre betreffenden Einzelheiten frühzeitig zuverlässig

Kenntnis erhalten, kann im Einzelfall sein Abwehranspruch

bereits im Zeitpunkt der Bauarbeiten verwirkt sein. Dies setzt

allerdings voraus, daß er sich in Kenntnis der Baumaßnahme

über einen längeren Zeitraum nicht gegen diese gewehrt hat und

dadurch dem Bauherrn Veranlassung nicht nur zu der Annahme,

Abwehransprüche würden nicht mehr geltend gemacht werden,

sondern auch zur Durchführung der Maßnahme im Vertrauen auf

diese Annahme gegeben hat.

Unter Zugrundelegung der genannten Kriterien haben die

Kläger einen etwaigen Folgenbeseitigungsanspruch verwirkt.

Die Klägerin zu 1. hat ihren denkbaren Beseitigungsanspruch

dadurch verwirkt, daß sie ihn nicht spätestens während der

Herstellung der Parkplatzfläche vor ihrem Haus geltend gemacht

hat. Sie hatte bis dahin für längere Zeit sowohl Gelegenheit

als auch hinreichend Anlaß, sich mit ihrem Anliegen, daß an

dieser Stelle keine Parkplatzpflasterung erfolgen möge, an die

Beklagte zu wenden.

Die Klägerin zu 1. erhielt schon durch ihre Teilnahme an

den Bürgerversammlungen vom 9. November 1987 und 3. Februar

1988 Kenntnis von Art und Umfang der Bauarbeiten in der

Zweiten Straße, insbesondere von der vorgesehenen Anlegung von

Parkplätzen. Während der Bürgerversammlung am 3. Februar 1988,

bei der wie beim ersten Termin die zukünftige

Parkplatzsituation in der Zweiten Straße ein ausdrücklicher

Gegenstand der Erörterungen war, hingen die Pläne mit den

eingezeichneten, u.a. auch den vor den Häusern der Kläger

vorgesehenen Parkplätzen aus, und zahlreiche Bürger

informierten sich, wie ein in den Verwaltungsvorgängen der

Beklagten enthaltener bebilderter Pressebericht zeigt, an

diesem Tage anhand der aushängenden Pläne über die

vorgesehenen Maßnahmen. Die Klägerin hat nicht in Abrede

gestellt, selbst ebenfalls von diesen Plänen Kenntnis genommen

zu haben, sondern hat lediglich behauptet, sie habe die Pläne

als noch nicht abschließend angesehen.

Auch wenn diese Behauptung zutreffen sollte, hatte sie mit

dem bei der Bürgerbeteiligung erworbenen Wissen jedenfalls

seit der Pflasterung der ersten Parkplätze vor anderen Häusern

in der Z. Straße sichere Kenntnis davon, daß auch auf ihrem

Grundstück ein Parkplatz vorgesehen war. Zumindest seit diesem

Zeitpunkt mußte sie nämlich davon ausgehen, daß die bei der

Bürgerbeteiligung vorgestellten Pläne nicht mehr nur Ausdruck

einer unverbindlichen Planung waren, sondern daß die Beklagte,

nachdem etliche Bürger bei beiden Bürgerversammlungen

Anregungen und Wünsche zur Errichtung von Parkplätzen

vorgebracht hatten - in der Veranstaltung am 9. November 1987

war hierüber besonders ausführlich diskutiert worden -, die

Anliegen der Anwohner als vollständig vorgetragen ansah und

die vorgesehenen Parkplätze entsprechend der Einzeichnung in

den am 3. Februar 1988 aushängenden Plänen anlegen würde.

Gleichwohl hat die Klägerin zu 1. seit der letzten

Bürgerversammlung für den Bauabschnitt Z. Straße mehr als ein

Jahr, seit Beginn der Umgestaltung dieser Straße rund elf

Monate und seit der Pflasterung der ersten Parkplätze in der

Straße etwa acht Monate bis zur Errichtung der Parkplatzfläche

vor ihrem Haus ohne jede Reaktion verstreichen lassen. Aus den

Verwaltungsvorgängen der Beklagten ergibt sich, daß die

Straßenbauarbeiten in der Z. Straße Ende April 1988

begannen

- Beiakte 8, Aktenvermerk der Beklagten vom

22. April 1988 -

und die beiden Parkplätze vor den Häusern Z. Straße 16 und

18 (erst) im März 1989 fertiggestellt waren; die Arbeiten in

der Z. Straße zogen sich aufgrund von Problemen mit der

ausführenden Tiefbaufirma über etliche Monate länger als

geplant hin.

Beiakte 7, Sachberichte der Beklagten vom

15. Dezember 1988 und 30. November 1989 zum

Zuwendungsbescheid des Regierungspräsidenten

Arnsberg vom 6. Juli 1984 sowie Anträge der

Beklagten vom 16. Dezember 1988 und

30. November 1989 auf Óbertragung restlicher

Landeszuwendungen auf das jeweils nachfolgende

Haushaltsjahr.

Ein Pressefoto vom 20. Juli 1988 zeigt erste

Pflasterarbeiten am Beginn der Z. Straße. Einem bebilderten

Presseartikel vom 9. November 1988 ist zu entnehmen, daß die

Pflasterarbeiten vor den Häusern der Kläger seinerzeit noch

nicht begonnen hatten, die Pflastersteine allerdings schon

bereitlagen. Auf zwei in der örtlichen Presse veröffentlichten

Fotos vom 1. bzw. 30. März 1989 ist zu erkennen, daß zu dieser

Zeit die Pflasterarbeiten im hier interessierenden Bereich der

Z. Straße gerade erledigt waren.

Westfälische Rundschau vom 20. Juli 1988,

9. November 1988 und 30. März 1989; Süderländer

Volksfreund vom 1. März 1989.

Nachdem die Klägerin zu 1. in Kenntnis der Vorgänge während

der Bürgerbeteiligung die Bauarbeiten über Monate hinweg bis

an ihr Grundstück hatte heranrücken lassen, ohne bei der

Beklagten vorstellig geworden zu sein, durfte die Beklagte

davon ausgehen, daß die Klägerin die geplante Inanspruchnahme

ihres Privatgrundstücks zwecks Anlage eines Parkplatzes

innerhalb des verkehrsberuhigten Innenstadtbereiches

akzeptieren würde. Im ersichtlichen Vertrauen hierauf hat die

Beklagte entsprechend ihrer Planung den Parkplatz angelegt und

damit ihrem Vertrauen auf das Einverständnis der Klägerin

Ausdruck verliehen; daß sie demgegenüber bei erhobenen

Einwendungen zu einer Abstimmung ihrer geplanten Maßnahmen mit

den betroffenen Bürgern grundsätzlich bereit war, zeigen ihre

in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Antworten auf

einige Bürgeranfragen.

Der vorstehenden Beurteilung steht nicht entgegen, daß die

Klägerin zu 1. keinen Bescheid erhalten hatte, der sie in

einer Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich auf drohende

Rechtsverluste im Falle längerer Untätigkeit hingewiesen

hätte. Mangels einer rechtsbehelfsfähigen Ermächtigung für die

durchgeführten Straßenbauarbeiten konnte im vorliegenden Fall

gar kein Bescheid ergehen. Gleichwohl war die Klägerin

gezwungen, sich zur Vermeidung einer Anspruchsverwirkung

relativ kurzfristig an die Beklagte zu wenden. Der

mehrmonatige, von der Klägerin zu 1. nicht genutzte Zeitraum

zwischen dem Zeitpunkt, in dem sie zuverlässig Kenntnis von

dem auf ihrem Grundstück geplanten Parkplatz erhalten hatte,

und der Umsetzung dieses Bauvorhabens genügt in jedem Falle

den an die Annahme einer Verwirkung zu stellenden zeitlichen

Anforderungen.

Dabei kann die regelmäßig einmonatige Frist (§ 70 Abs. 1

Satz 1 VwGO) für die Erhebung eines Widerspruchs gegen einen

Bescheid auch hier als ein Anhaltspunkt zur Beantwortung der

Frage dienen, ob die Klägerin zu 1. zu lange untätig geblieben

ist. Zu berücksichtigen ist außerdem, daß die streitige

Baumaßnahme - anders als bei einem baurechtlichen

Nachbarstreit - auf dem eigenen Grundstück der Klägerin zu 1.

durchgeführt werden sollte, die Klägerin also noch mehr als

ein Nachbar Anlaß hatte, wegen unmittelbarer Betroffenheit in

ihrem Eigentumsrecht schnellstmöglich ein Änderungsverlangen

zu äußern. Wenn schon ein von Bauarbeiten betroffener

Grundstücksnachbar verpflichtet ist, durch zumutbares aktives

Handeln dazu beizutragen, daß wirtschaftlicher Schaden vom

Bauherrn abgewendet oder möglichst gering gehalten wird, und

nach Erkennen der Beeinträchtigung ungesäumt seine

nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen,

BVerwG, Urteile vom 25. Januar 1974 - IV C

2.72 -, BVerwGE 44, 294 (299 f.), und vom

16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, a.a.O. S. 1184,

so trifft die Pflicht zu ungesäumtem Tätigwerden erst recht

und in erhöhtem Maße den von der Baumaßnahme in der denkbar

intensivsten Weise betroffenen Grundstückseigentümer, wenn -

wie im vorliegenden Fall - eine über privatem Grund

verlaufende Fläche einer von der Öffentlichkeit genutzten

Straße ausgebaut werden soll. Das gilt auch mit Blick auf die

von der Klägerin genannten Gründe zur Klageerhebung. Denn

schon unmittelbar nach Beginn der Bauarbeiten in der Z. Straße

mußten ihr die behaupteten Nachteile des vor ihrem Haus

geplanten Parkplatzes bewußt sein. Daß von einem dort

parkenden Fahrzeug die verschattende Wirkung auf ihr Haus

ausgehen würde, die sie in ihrer Klageschrift als die für ihr

Beseitigungsbegehren maßgebende Rechtsbeeinträchtigung

angeführt hat, und daß zwischen dem zu erwartenden Parkplatz

und dem Hauseingang wegen der an dieser Stelle relativ engen

Straße wenig Zwischenraum bleiben würde, konnte ihr

ebensowenig verborgen bleiben wie die in den Baumaßnahmen zum

Ausdruck kommende angebliche Nichtbeachtung des Charakters der

Straße als "historische" Straße. Das künftige Erscheinungsbild

der Z. Straße war bereits nach der Herstellung der ersten

gepflasterten Flächen auf der Straße und der Anlegung der

ersten Parkplätze vor Wohnhäusern zu erkennen, denn es war

abzusehen, daß sich die Arbeiten entsprechend fortsetzen

würden.

Während der viele Monate dauernden Bauarbeiten in der Z.

Straße war der Klägerin zu 1. ein Tätigwerden ohne weiteres

zuzumuten. Sie hatte bis zur Pflasterung des Parkplatzes auf

ihrem Grundstück mehr als ausreichend Zeit, der Beklagten ihre

Einwände vorzutragen.

Falls andere Innenstadtbewohner sich während der

Bauarbeiten in der Z. Straße mit einem Begehren auf

Beseitigung von Parkplätzen an die Beklagte gewandt haben

sollten, wie die Kläger möglicherweise behaupten wollen - ihre

Behauptung betrifft allerdings erst das Jahr 1990 -, könnte

die Klägerin zu 1. hieraus nichts zu ihren Gunsten herleiten.

Wer ein eigenes Recht behauptet, muß dieses selbst geltend

machen und kann sich nicht darauf berufen, daß Dritte für sich

entsprechende Rechte wahrnehmen. Im übrigen mußte das

Schweigen der Klägerin zu 1. die Beklagte sogar in ihrem

Vertrauen bestärken, daß die Klägerin anders als diejenigen

Bürger, die Änderungen verlangt hatten, keine Einwände

vorbringen wollte.

Die Rückgängigmachung der Parkplatzpflasterung vor dem Haus

der Klägerin zu 1. wäre für die Beklagte nachträglich nur noch

unter Hinnahme unzumutbarer Nachteile möglich. Denn die

Beklagte hätte nicht nur, verbunden mit Kostennachteilen, die

Pflasterung zu ändern. Sie müßte auch neu planen, wie sie den

dann fehlenden Parkplatz, für den - schon ausweislich der

während der Bürgerbeteiligung geäußerten Wünsche nach mehr

Parkplätzen - ein Bedarf besteht, ersetzen könnte. Durch die

Errichtung eines Ersatzparkplatzes entstünden ihr obendrein

weitere Kosten.

Unter diesen Umständen hat die Klägerin zu 1. ihren

etwaigen Beseitigungsanspruch verwirkt.

Das Begehren der Kläger zu 2. mußte der Senat nicht

daraufhin überprüfen, ob der frühere Eigentümer ihres

Grundstücks der Anlegung eines Parkplatzes vor dem Haus Z.

Straße 16 ausdrücklich zugestimmt hat. Im Falle einer

erteilten Zustimmung, die den Klägern zu 2. als

Rechtsnachfolgern im Grundstückseigentum zuzurechnen wäre,

stünde dem Beseitigungsbegehren allerdings der Einwand des -

ebenfalls als Verstoß gegen Treu und Glauben anzusehenden -

Zuwiderhandelns gegen eigenes vorangegangenes Verhalten

entgegen.

Dazu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O.

S. 1185.

Die Klärung der genannten Frage ist entbehrlich, weil ein

etwaiger Anspruch der Kläger zu 2. ebenfalls verwirkt ist. Der

Voreigentümer ihres Grundstücks hat nämlich gleichfalls nicht

verlangt, von der Anlegung eines Parkplatzes auf dem Flurstück

219 abzusehen. Nachdem auch er aufgrund seiner Teilnahme an

den Bürgerversammlungen am 9. November 1987 und 3. Februar

1988 und der Aufnahme der Bauarbeiten in der Z. Straße

zuverlässig Kenntnis vom Ausbau dieser Straße einschließlich

der auf seiner Parzelle beabsichtigten Anlage eines

Parkplatzes erhalten hatte, hätte auch er aus entsprechenden

Gründen, wie sie für die Klägerin zu 1. dargelegt wurden, ein

Beseitigungsbegehren gegenüber der Beklagten spätestens bei

Anlegung des Parkplatzes vor seinem Haus geltend machen

müssen. Die Kläger zu 2. müssen sich das Untätigbleiben des

Voreigentümers zurechnen lassen. Mit dem späteren

Eigentumsübergang auf sie lebte ein etwaiger Anspruch auf

Beseitigung des Parkplatzes vor dem Haus Z. Straße 16 nicht

wieder auf.

Da die Kläger einen etwaigen Beseitigungsanspruch verwirkt

haben, steht ihnen auch kein Anspruch auf eine dem früheren

Zustand gleichwertige Herstellung der betroffenen

Grundstücksflächen zu. Ob sie eine solche Herstellung mit

einem Folgenbeseitigungsbegehren überhaupt erreichen

könnten,

dazu einerseits OVG Hamburg, Urteil vom

27. September 1977 - Bf II 83/76 -, a.a.O.;

andererseits VGH Baden-Württemberg, Urteil vom

17. August 1989 - 5 S 1517/89 -, a.a.O.,

bedarf deshalb keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159

Sätze 1 und 2 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung

über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1

VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen

des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.