VG Freiburg, Urteil vom 02.12.2005 - 2 K 1366/05
Fundstelle
openJur 2013, 14149
  • Rkr:

Empfänger der Leistungen eines Begabtenförderungswerks sind - anders als BAFöG-Empfänger - nicht von der Rundfunkgebührenpflicht befreit.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Unter dem 16.3.2005 beantragte der Kläger eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Er beziehe ein Stipendium in Höhe von 578 EUR (einschließlich der Erhöhung für Kranken- und Pflegeversicherung) monatlich zuzüglich eines monatlichen Büchergeldes von 80 EUR. Er besitze ein Kraftfahrzeug.

Mit Bescheid vom 20.4.2005 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Da er ein Kraftfahrzeug besitze, müsse davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig sei.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 23.5.2005 am 25.5.2005 Widerspruch. Mittlerweile habe er seinen 11 Jahre alten PKW für 780 EUR verkauft. Zumindest ab Mai 2005 stehe ihm daher die begehrte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 3.6.2005 zurück. Nach dem am 1.4.2004 in Kraft getretenen neuen Rundfunkgebührenstaatsvertrag sei die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht an entsprechende Leistungsbescheide geknüpft. Eine Befreiung wegen geringen Einkommens sei nicht mehr vorgesehen.

Am 6.7.2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend: Er erhalte ein Stipendium der X-Stiftung. Damit sei er den Empfängern von BAföG-Leistungen gleichgestellt. Die Förderung der Studierenden durch die Stiftung orientiere sich an den Regelungen des BAföG. Alle Leistungen erfolgten nach den vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie erlassenen Rahmenrichtlinien für die Begabtenförderung. Daher sei eine Analogie gerechtfertigt. Sowohl der NDR als auch die Telekom gewährten Stipendiaten entsprechende soziale Vergünstigungen.

Der Kläger beantragt sinngemäß bei sachdienlicher Auslegung seines Klagebegehrens,

den Bescheid des Beklagten vom 20.4.2005 und seinen Widerspruchsbescheid vom 3.6.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger für den Zeitraum von April 2005 bis März 2008 von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

Er meint, der Kläger sei als Stipendiat wirtschaftlich besser gestellt als ein Empfänger von BAföG-Leistungen. Daher verbiete sich eine Analogie.

Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Dem Gericht liegt ein Heft Verwaltungsakten des Beklagten vor. Auf diese Akte sowie die im Klageverfahren eingegangenen Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Rundfunkgebührenbefreiung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Ab dem 1.4.2005 gilt die bisherige Rundfunkgebührenbefreiungsverordnung nicht mehr. Eine Befreiung kann nach § 6 Abs. 1 des neu gefassten Rundfunkgebühren-staatsvertrags (RGebStV; geändert durch den Achten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8./15.10.2004, GBl. 2005, 189) seither nur noch gewährt werden, wenn der Betroffene tatsächlich Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung, Arbeitslosengeld II, BAföG-Leistungen etc. empfängt und dies durch einen entsprechenden Bewilligungsbescheid nachweist (§ 6 Abs. 2 RGebStV); eine eigenständige Einkommens- und Bedarfsberechnung findet hingegen nicht mehr statt.

Unbestritten ist der Kläger kein Empfänger der in § 6 Abs. 1 RGebStV im einzelnen genannten Leistungen. Er meint indes, als Empfänger der Leistungen eines Begabtenförderungswerkes - der X-Stiftung - sei er den Empfängern von BAföG-Leistungen faktisch gleichgestellt, so dass er im Wege einer Analogie zu § 6 Abs. 1 Nr. 5 RGebStV wie diese von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden müsse. Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu.

Erste Voraussetzung einer Analogie ist eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Eine solche unbeabsichtigte Regelungslücke liegt hier aber nicht vor. In § 6 Abs. 1 RGebStV sind in 10 Nummern - die wie Nr. 7 teilweise sogar noch mehrere Fallgruppen enthalten - detailliert die Fälle aufgezählt, in denen eine Rundfunkgebührenbefreiung zu gewähren ist. Der Kläger hat keinen Anhaltspunkt dafür nennen können, weshalb die Gruppe der Empfänger von Stipendien der Begabtenförderungswerke hierbei versehentlich vergessen worden sein könnte. Vielmehr ist bei einer derart umfassenden und ausführlichen Regelung grundsätzlich davon auszugehen, dass sie abschließend sein soll. Bei der Fassung des Staatsvertrags wurde bewusst der Weg der Anknüpfung der Rundfunkgebührenbefreiung an die Vorlage bestimmter, im Einzelnen aufgezählter Förderbescheide gewählt, um die bisher erfolgte Prüfung der Bedürftigkeit in jedem Einzelfall durch die Rundfunkanstalten überflüssig zu machen. Bei dieser Sachlage ist es den Gerichten grundsätzlich verwehrt, über die enumerativ aufgezählten Fälle hinaus weitere Gruppen im Wege der Analogie zu begünstigen.

Zudem würde eine Analogie einen vergleichbaren Sachverhalt voraussetzen. Auch dieser liegt nicht vor. Wie der Beklagte zu Recht geltend macht, sind die Empfänger von Stipendien der Begabtenförderungswerke finanziell nicht gleich, sondern besser gestellt als die Empfänger von Ausbildungsförderung nach dem BAföG.

Zwar orientiert sich die Förderung der Ausbildung begabter Studierender grundsätzlich nach den Bestimmungen des BAföG (I.1.2. der „Zusätzlichen Nebenbestimmungen zur Förderung begabter Studentinnen und Studenten sowie begabter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in der Fassung vom 9.9.2005; zukünftig: Förderrichtlinie). Dennoch ergibt sich aus den einzelnen Regelungen der Förderrichtlinie, dass als Begabte geförderte Stipendiaten finanziell besser gestellt sind als BAföG-Empfänger. So liegt bereits der nach I.2.1. vorgesehene Fördermessbetrag von 525 EUR im Monat für Stipendiaten über der Ausbildungsförderung für nicht zuhause lebende Studierende, deren monatlicher Bedarf nur bei 466 EUR liegt (§ 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 BAföG). Weiter erhalten die als Begabte geförderten Stipendiaten zusätzlich zu diesem erhöhten Fördermessbetrag ein einkommensunabhängiges Büchergeld von 80 EUR monatlich (I.2.2. der Förderrichtlinie) und bei entsprechenden familiären Verhältnissen einen Familienzuschlag (I.2.3. der Förderrichtlinie). Auch die Freibeträge bei der Ermittlung des Elterneinkommens sind bei Stipendiaten großzügiger bemessen als bei BAföG-Empfängern (vgl. einerseits I.3.6. der Förderrichtlinien und andererseits § 25 BAföG). So besteht insbesondere beim Freibetrag für miteinander verheiratete Eltern (1.440 EUR nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG bzw. 1.730 EUR nach I.3.6.1. der Förderrichtlinie) und für allein stehende Elternteile (960 EUR nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 BAföG bzw. 1.135 EUR nach I.3.6.2. der Förderrichtlinie) eine beachtliche Differenz.

Nach alledem ergibt sich zwar kein besonders hoher, dennoch aber ein deutlicher Unterschied zwischen der Höhe der Begabtenförderung einerseits und der monatlichen Ausbildungsförderung nach dem BAföG andererseits. Dieser Unterschied ist zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass die monatlichen Rundfunkgebühren nur 17,03 EUR betragen. Damit verbleibt den geförderten Stipendiaten selbst nach Begleichung der Rundfunkgebühren ein nicht unerheblicher „Mehrbetrag“ im Vergleich zu BAföG-Empfängern.

Ein besonderer Härtefall i.S.v. § 6 Abs. 3 RGebStV liegt hier nicht vor. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift überhaupt auf eine größere Gruppe - die im Wege der Begabtenförderung begünstigten Studierenden - anwendbar sein kann. Es dürfte im Gegenteil Vieles dafür sprechen, dass § 6 Abs. 3 RGebStV von Vornherein auf besondere, atypische Einzelfälle beschränkt bleiben muss. Jedenfalls aber ist eine besondere Härte hier schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger als geförderter Stipendiat - wie soeben dargelegt - nicht über derart geringe finanzielle Mittel verfügt, dass von einem besonderen Härtefall i.S.v. § 6 Abs. 3 RGebStV ausgegangen werden könnte.

Ob der NDR - wie der Kläger vorträgt - Stipendiaten der Begabtenförderungswerke von der Rundfunkgebührenpflicht befreit, ist rechtlich unerheblich. Zum einen gilt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wohl ohnehin nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des jeweiligen Hoheitsträgers, zum anderen besteht kein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“, da es sich bei der Rundfunkgebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV um eine gebundene Entscheidung handelt, bei der kein Ermessensspielraum des Beklagten besteht. Ob und unter welchen Voraussetzung die Telekom einen Sozialtarif gewährt, steht schließlich in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 188 Satz 2 VwGO.

Die Berufung ist nicht zuzulassen (§§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 VwGO).

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