OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.03.2012 - 8 W 85/12
Fundstelle
openJur 2012, 67889
  • Rkr:

Grundbuchrecht:

Erstreckt sich ein notarieller Vermächtniserfüllungsvertrag entgegen dem Willen der Vertragsparteien versehentlich nicht auf den einer Eigentumswohnung zugeordneten Tiefgaragen-Stellplatz, ist nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" (§ 133 BGB) die dingliche Einigung (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB) auch hinsichtlich des nicht erwähnten Sondereigentums wirksam erklärt. Beurkundet ist das wirklich Gewollte.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung des Notariats Weissach im Tal I - Grundbuchamt - vom 24. Februar 2012, Az. GR G 2012 Nr. 22,

aufgehoben.

2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die von der Antragstellerin und vom ermächtigten Notar beantragte Eintragung der Eigentumsänderung zu vollziehen, sofern der Eintragung nicht andere Hindernisse entgegen stehen.

3. Gerichtsgebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe

I.

Die Beteiligten Z. 1, 3 und 4 sind Geschwister und die Erben ihrer am 21. März 2011 verstorbenen Mutter, in deren notariellem Testament vom 13. Januar 2011 Vorausvermächtnisse für ihre drei Kinder angeordnet sind. Diese haben entsprechend der letztwilligen Verfügung der Erblasserin am 21. Juli 2011 einen notariellen Vermächtniserfüllungsvertrag abgeschlossen, der sich zwar zu Gunsten der Antragstellerin auf die Eigentumswohnung, Grundbuch von ... Bl. bezieht, versehentlich aber nicht auf den dazugehörigen Tiefgaragen-Stellplatz, Grundbuch von ... Bl. . Insoweit ist die Erblasserin als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen, während im übrigen die Eigentumsumschreibungen zu Gunsten der jeweiligen Vorausvermächtnisempfänger vollzogen sind.

Die drei Erben haben mit Schreiben vom 19. November 2011 den Beteiligten Z. 2 auf das Versäumnis hingewiesen und ihn um Erstellung eines Nachtrags gebeten.

Aufgrund der in § 7 des Vermächtniserfüllungsvertrags enthaltenen Vollzugsvollmacht hat die Notarangestellte namens und in Vollmacht der Miterben am 7. Dezember 2011 in einem notariellen Nachtrag zum Vermächtniserfüllungsvertrag die erforderlichen Erklärungen zur Eigentumsübertragung bezüglich des Tiefgaragen-Stellplatzes, Grundbuch von ... Bl. , abgegeben. Die Erben haben eine Abschrift der Urkunde erhalten und das Grundbuchamt eine Ausfertigung zum Vollzug.

Mit Zwischenverfügung vom 24. Februar 2012 hat dieses unter Fristsetzung bis zum 1. Mai 2012 der Antragstellerin aufgegeben, eine öffentlich beglaubigte Genehmigungserklärung der Miterben und der Vermächtnisnehmerin zu der Nachtragsurkunde vom 7. Dezember 2011 vorzulegen, um das Handeln der Notarangestellten nachträglich zu genehmigen.

Hiergegen hat die Antragstellerin durch den bevollmächtigten Notar am 7. März 2012 beim Oberlandesgericht Stuttgart Beschwerde eingelegt.

Zur Sachverhaltsdarstellung im einzelnen sowie zu den Rechtsausführungen des Grundbuchamts und des Beteiligten Z. 2 wird auf die Begründungen der Zwischenverfügung und der Beschwerde verwiesen.II.

1.

Das Rechtsmittel ist gem. § 71 Abs. 1 GBO statthaft.

Der Notar, dessen Antragsermächtigung gemäß § 15 Abs. 2 GBO gegeben ist, kann - ohne eine Vollmacht vorlegen zu müssen - gegen die auf den Eintragungsantrag ergangene Entscheidung für einen Antragsberechtigten, hier für die Beteiligte Z. 1, - nicht aber im eigenen Namen - Beschwerde einlegen.

Das Rechtsmittel wurde gemäß § 73 Abs. 1 GBO unmittelbar beim Beschwerdegericht, dem Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das Grundbuchamt seinen Sitz hat (§ 72 GBO) durch Einreichung einer Beschwerdeschrift (§ 73 Abs. 2 GBO) eingelegt und ist damit auch im Übrigen zulässig.

Nachdem die Beschwerde nicht auf neue Tatsachen und Beweise gestützt wurde (§ 74 GBO) und es ausschließlich auf die Entscheidung einer Rechtsfrage ankommt, konnte von der Durchführung eines Abhilfeverfahrens vor dem Grundbuchamt (§ 75 GBO) abgesehen und vom Senat sogleich in der Sache entschieden werden (Demharter, GBO, 27. Auflage 2010, § 75 GBO Rn. 1).

Eine vorherige Anhörung der Beteiligten Z. 3 und 4 war nicht erforderlich. Im Eintragungsantragsverfahren, das streng einseitig ist, erhält rechtliches Gehör nur der Antragsteller. Den übrigen Beteiligten ist es dadurch gewährt, dass sie als Betroffene die Eintragung gemäß § 19 GBO zu bewilligen haben. Da die Eintragungsbewilligung dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist, wird damit das rechtliche Gehör als "vor Gericht" gewährt angesehen (Demharter, a.a.O., § 1 GBO Rn. 49, m.w.N.). Im Beschwerdeverfahren ist rechtliches Gehör nicht in weiterem Umfang zu gewähren als vor dem Grundbuchamt (Demharter, a.a.O., § 77 GBO Rn. 7, m.w.N.).

Da jedoch das Notariat unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats - vergleiche nachstehende Ausführungen - davon auszugehen hat, dass die von ihm verlangte öffentlich beglaubigte Genehmigungserklärung der drei Miterben nicht erforderlich ist, wird es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Erbengemeinschaft als Gesamtrechtsnachfolger der als Eigentümerin noch eingetragenen Erblasserin die Beteiligten Z. 3 und 4 am weiteren Verfahren zu beteiligen haben.

2.

Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Denn das vom Grundbuchamt in der angefochtenen Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) angenommene Vollzugshindernis besteht nicht.

Durch das Schreiben der drei Miterben vom 19. November 2011 an den beurkundenden Notar haben diese unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass in dem notariellen Vermächtniserfüllungsvertrag vom 21. Juli 2011 die Übertragung des Alleineigentums des zu der Eigentumswohnung, Grundbuch von ... Blatt , gehörenden Tiefgaragen-Stellplatzes, Grundbuch von ... Bl. , vergessen wurde. Weil insoweit ebenfalls eine Beurkundung gewollt war, werde um die Erstellung eines Nachtrages gebeten.

Der Vermächtniserfüllungsvertrag ist damit entgegen dem erklärten Willen der Vertragsparteien unvollständig. Es wurde ein Teil des zu der Eigentumswohnung gehörenden Sondereigentums irrtümlich nicht mit einbezogen. Es handelt sich hierbei um eine versehentliche Falschbezeichnung (falsa demonstratio), die nach § 133 BGB nichts daran ändert, dass - wie auch sonst - nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das wirklich Gewollte gilt. Dieser Grundsatz ist auf formgebundene Rechtsgeschäfte ebenfalls anzuwenden.

Der BGH (NJW 2008, 1658, m.w.N.) hat entschieden, dass dies nicht nur für den Fall gilt, wenn im Vertragstext als Kaufgegenstand das gesamte Grundstück genannt wird, obwohl die Parteien nur eine bestimmte Teilfläche verkaufen wollten, sondern auch für den umgekehrten Fall, dass die Parteien eine Fläche verkaufen wollen, die über das dem Verkäufer bereits gehörende Grundstück hinausgeht. Dabei kommt es auf die Frage, ob der Wille der Parteien in der Vertragsurkunde einen ausreichenden Niederschlag gefunden hat, nicht an. Richtig ist zwar, dass das von den Parteien Vereinbarte bei einem - wie hier - formbedürftigen Rechtsgeschäft wenigstens einen andeutungsweisen Niederschlag in der Urkunde gefunden haben muss. Dieses Erfordernis gilt aber bei einer versehentlichen Falschbezeichnung nicht. Hier reicht es aus, wenn das - von den Parteien in anderem Sinne verstandene - objektiv Erklärte, hier die versehentlich fehlerhafte Bezeichnung des Kaufgegenstandes im Vertrag, dem Formerfordernis genügt. Beurkundet ist dann das wirklich Gewollte, nur falsch Bezeichnete.

Dem entspricht auch die frühere Entscheidung des BGH (NJW 1983, 1610, m.w.N.). Dort wurde irrtümlich eine von mehreren verkauften Flurstücken in der notariellen Urkunde nicht erwähnt, obwohl sich der tatsächliche Wille der Vertragsparteien auch auf das nicht erwähnte Grundstück bezog, wie vorliegend.

Nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" ist auch die dingliche Einigung (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB) hinsichtlich des nicht erwähnten Flurstücks wirksam erklärt (Ludwig in jurisPK-BGB Bd. 2, 5. Auflage 2010, § 311b BGB Rn. 208, m.w.N.).

Im einzelnen wird verwiesen auf die Ausführungen des BGH in den genannten Entscheidungen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt (vergleiche auch: OLGR Karlsruhe 2002, 37, m.w.N.).

Insoweit kommt es auf die Problematik des Umfangs der in § 7 des Vermächtniserfüllungsvertrags vom 21. Juli 2011 erteilten Vollzugsvollmacht (vergleiche hierzu: BGH NJW 2002, 2863, m.w.N.) nicht an.

Diese Vollmacht umfasst aber im Hinblick darauf, dass sich die dingliche Einigung (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB) im notariellen Vermächtniserfüllungsvertrag nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" auch auf den Tiefgaragen-Stellplatz bezieht, ohne weiteres die in dem Nachtrag zum Vermächtniserfüllungsvertrag abgegebenen Erklärungen zum Vollzug der Eigentumsübertragung.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Eintragungsverfahren grundsätzlich eine Überprüfung des Grundgeschäftes durch das Grundbuchamt angesichts des formellen Konsensprinzips nicht stattfindet, zumal die Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) in ihrer Wirksamkeit nicht von der des schuldrechtlichen Vertrages abhängt (vergleiche im einzelnen: Böttcher in Meikel, GBO, 10. Auflage 2009, Einleitung H, Rn. 94 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Auflage 2008, Rn. 208 ff.).

Einer öffentlich beglaubigten Genehmigungserklärung durch die Erben bezüglich der Nachtragsurkunde bedarf es entsprechend den obigen Ausführungen deshalb nicht.

Damit besteht das vom Grundbuchamt angenommene Vollzugshindernis nicht, so dass die Zwischenverfügung vom 24. Februar 2012 aufzuheben und das Notariat anzuweisen war, die Eintragung vorzunehmen, sofern keine anderen Hindernisse entgegen stehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 und Abs. 7 KostO. Anlass für einen Ausspruch über eine Kostenerstattung besteht nicht.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gem. § 78 GBO nicht vor.