OLG Stuttgart, Urteil vom 07.06.2011 - 1 U 27/11
Fundstelle
openJur 2012, 67809
  • Rkr:

Rechtsmittel BGH - V ZR 149/11Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgenommen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 21.2.2011 - 2 O 433/10 - (Bl. 49 ff.d.A.)

abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert im 2. Rechtszug: 35.000.-EUR

Gründe

- abgekürzt gemäß §§ 540 Abs.2, 313 a Abs.1 Satz 1 ZPO -

A.

I.

Der Kläger, Miteigentümer der Grundstücks Flurstück Nr. ...88/21 in Di..., verlangt von den Beklagten als Miteigentümer des benachbarten Grundstücks Flurstück Nr. ...88/26 die Beseitigung von Strom- und Telefonleitungen, die durch sein Gebäude geführt sind sowie Unterlassung der Einleitung von Niederschlagswasser vom Dach sowie von Abwasser in einen unter seinem Gebäude verlaufenden Abwasserkanal.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 49 ff.d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, es zu unterlassen, vom ihrem Grundstück auf das Grundstück des Klägers Abwässer und Niederschlagswasser einzuleiten und hierzu insbesondere den von Ost nach West unter dem Grundstück des Klägers verlaufenden Abwasserkanal zu benutzen. Ferner wurden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, die auf dem Grundstück des Klägers in dessen Haus verlaufenden Erd,- Strom-und Telefonkabel zu beseitigen.

Wegen der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II.

Das Urteil wurde den Beklagten am 28.2.2011 zugestellt. Sie haben dagegen am 14.3.2011 Berufung eingelegt und sie am 18.4.2011 begründet. Wegen des Inhalts wird auf den Schriftsatz vom 18.4.2011 (Bl. 70 ff.d.A.) verwiesen.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 21.2.2011 - 2 O 433/10 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nicht zu, weil sie durch § 3 des notariellen Kaufvertrages vom 10.11.2006 vertraglich ausgeschlossen sind.

I.

1. Durch die Einleitung des Niederschlagswassers von der östlichen Dachhälfte der Beklagten in den unter dem Haus des Klägers verlaufenden Abwasserkanal und durch die Einleitung von Abwasser über die im Haus verlaufende Abwasserleitungen in den genannten Kanal wird das Eigentum des Klägers zwar ebenso beeinträchtigt wie durch das Vorhandensein von Strom- und Telefonleitungen in seinem Gebäude, so dass er grundsätzlich gemäß § 1004 Abs.1 BGB Unterlassung bzw. Beseitigung beanspruchen könnte.

2. Der Anspruch ist aber gemäß § 1004 Abs.2 BGB ausgeschlossen, weil dem Kläger nach § 3 des notariellen Kaufvertrags vom 10.11.2006 (K 1) im Verhältnis zu den Beklagten eine vertragliche Duldungspflicht obliegt, die nicht nur die kaufrechtliche Gewährleistung erfasst, sondern auch für andere, gesetzliche Beseitigungsansprüche, insbesondere aus § 1004 Abs.1 BGB, gilt.

a) Die Parteien haben in § 3 des notariellen Kaufvertrags vom 10.11.2006 (K 1) bestimmt, dass Ansprüche der Käufer wegen Sachmängeln des Grundstücks, des Gebäudes und der (etwa) mitverkauften beweglichen Sachen ausgeschlossen sind und dass dies auch für Ansprüche auf Schadensersatz gilt, soweit der Verkäufer nicht vorsätzlich gehandelt hat. Ferner ist vereinbart:

Der Verkäufer versichert, dass ihm versteckte Sachmängel nicht bekannt sind. Der Käufer hat das Objekt besichtigt; er kauft es im gegenwärtigen Zustand.

b) Durch diese Vereinbarung sind zwar in erster Linie - wie in Kaufverträgen über gebrauchte Immobilien üblich - die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Käufers (§ 437 BGB) ausgeschlossen, so dass der Kläger unter kaufrechtlichen Gesichtspunkten (Nacherfüllung) schon im Ansatz jedenfalls die Beseitigung der Leitungen nicht verlangen könnte.

c) Unter den besonderen Umständen des Streitfalles sind vom Ausschluss aber auch die gesetzlichen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche erfasst. Dies entspricht dem Wortlaut dem Vereinbarung, dem Verständnis der Parteien und dem Sinn und Zweck der getroffenen Regelung.

aa) Ob vor Abschluss des notariellen Vertrags - wie der Zeuge Scheinkönig bestätigt hat - eine gemeinsame Besichtigung des Gebäudes durch beide Parteien stattgefunden hat, kann im Ergebnis dahinstehen, wenngleich die Ausführungen des Zeugen nicht unplausibel erscheinen.

Der Kläger hat nämlich nach eigenem Bekunden das Haus mit dem Makler zusammen insgesamt drei Mal besichtigt, wobei ihm die Führung der Leitungen im Gebäude ebenso aufgefallen sein muss wie der Umstand, dass die östliche Dachseite über die dortige Fallleitung in einen unter dem zu erwerbenden Gebäude liegenden Kanal entwässert wird. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst als handwerklich erfahren und technisch versiert dargestellt und sogar angeboten, die Wartung des Kanals gegen Zahlung der Hälfte der Kosten in Eigenregie zu übernehmen, weil die Beauftragung eines Fachhandwerkers wegen der eigenen Fachkompetenz überflüssig sei.

Diese Fachkompetenz lässt es als schwer vorstellbar erscheinen, dass dem Kläger die fehlende Trennung der Haustechnik bei drei Besichtigungen nicht aufgefallen ist. Zum einen hat er selbst eine Trennung der Wasserzähler veranlasst, was belegt, dass er sich mit der Problematik aktiv auseinander gesetzt hat. Zum anderen sind die über den Dachstuhl führenden Stromleitungen der Beklagten leicht erkennbar ebenso wie die Ableitung des Niederschlagswassers von der Ostseite des Daches unter das zu erwerbende Gebäude. Die zur Akte vorgelegten Lichtbilder (nach Bl. 42 d.A.) zeigen deutlich den Verlauf der Fallleitungen, so dass für jeden einigermaßen aufmerksamen Betrachter klar ist, dass die gesamte Ostseite des Daches über das zu erwerbende Grundstück entwässert wird und insoweit kein gesonderter Kanal auf dem Grundstück der Beklagten vorhanden ist.

bb) Vor diesem Hintergrund kann der Passus in § 3 des notariellen Kaufvertrags, wonach das Grundstück im gegenwärtigen Zustand erworben werde, sinnvoller Weise nur so ausgelegt werden, dass damit alle Ansprüche der Erwerber, die auf eine Veränderung der bestehenden Haustechnik gerichtet sind, also nicht nur die kaufrechtlichen Ansprüche, ausgeschlossen sein sollten.

(1) Der Wortlaut der Bestimmung, wonach das Kaufobjekt besichtigt wurde und wonach es im gegenwärtigen Zustand gekauft werde, verdeutlicht, dass den Parteien klar war, dass eine Veränderung der bestehenden Situation gerade nicht erfolgen sollte und auch nicht sollte verlangt werden können, vielmehr der Erwerber das Gebäude mit allen Vor- und Nachteilen zu übernehmen hatte.

(2) Die Zeugin O... hat in diesem Sinne bekundet, man habe vor dem Notar über § 3 des Kaufvertrags gesprochen, wonach das Objekt so zu übernehmen war, wie es sich bei der Besichtigung dargestellt hatte (Bl. 109 d.A.). Sie hat also die vertragliche Regelung selbst so verstanden, dass der bestehende Zustand unverändert bleiben sollte und eine Veränderung sollte nicht gefordert werden können.

(3) Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung und der beidseitigen Interessenlage der Parteien, so dass damit jedweder Anspruch des Klägers auf Veränderung der Baulichkeiten, gleich aus welchem rechtlichen Grunde, ausgeschlossen ist. Eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass nur die Mängelgewährleistung im engeren Sinne (§ 437 BGB) eingeschränkt werden sollte, im Übrigen aber gleichgerichtete Ansprüche unberührt bleiben sollten, würde dem Wortlaut der Regelung und ihrem Ziel nicht gerecht, weil sie im Ergebnis dazu führen würde, dass sie in einem maßgeblichen Punkt leer liefe und sie insoweit für die Beklagten nahezu wertlos wäre.

II.

Da dem Kläger somit die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen, ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs.1, 708 Nr.10, 711, 713 ZPO, weil die Beschwer auf Seiten des Klägers nicht mehr als 20.000.-EUR beträgt. Sie entspricht dem vom Landgericht angesetzten Betrag von 10.000.-EUR, der sich nicht nach dem Kostenaufwand aus der Sicht der Beklagten, sondern nach dem Unterlassungs- und Beseitigungsinteresse des Klägers bemisst. Gründe, die Revision zuzulassen bestehen nicht.