LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.07.2011 - 22 Sa 11/11
Fundstelle
openJur 2012, 67642
  • Rkr:

1. Eine Probezeitkündigung ist nicht schon deshalb treuwidrig, weil sie im Zusammenhang mit der infolge eines Arbeitsunfalles eingetretenen Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters ausgesprochen wurde.

2. Auf die europarechtsfreundliche Auslegung des § 242 BGB (hier: Art. 30 GRC) führt zu keinem anderen Ergebnis.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 18.01.2011, Az.: 5 Ca 286/10 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Probezeitkündigung und um Zeugnisberichtigung.

Der am 0.0.1963 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltsverpflichtete Berufungskläger (im folgenden Kläger) ist seit dem 28. 12. 2009 bei der Berufungsbeklagten (im folg. Beklagten) auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 15.12.2009 gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 2.376 EUR als Radladerfahrer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält eine Befristungs- und Probezeitabrede mit folgendem Wortlaut:

§ 1 ... 2. Ende des Arbeitsverhältnisses: 31.12.2010. 5. ProbezeitDie ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit können die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 14 Tagen kündigen.

Die Beklagte betreibt ein Entsorgungsunternehmen mit regelmäßig mehreren 100 Arbeitnehmern. Es besteht kein Betriebsrat, an Tarifverträge ist sie nicht gebunden.

Am 12. 2. 2010 erlitt der Kläger auf dem Betriebsgelände der Beklagten bei winterlichen Witterungsverhältnissen einen Arbeitsunfall, wobei wegen der Einzelheiten zum Unfallablauf und dessen Folgen auf die Unfallanzeige der Beklagten an die BG Verkehr vom 15.2.2010 und den radiologischen Bericht vom 16.2.2010 verwiesen wird. Dort heißt es u.a."

Herr W. ging auf dem Betriebsgelände zu Fuß in Richtung Radlader. Dabei rutschte er auf eisglattem Untergrund aus und stürzte rückwärts zu Boden. Dabei verletzte er sich an der Wirbelsäule.

Der Kläger war infolge dieses Unfalles - wie sich allerdings erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung aufklären ließ - über ein Jahr arbeitsunfähig krank.

Mit Schreiben vom 2.6.2010, dem Kläger am 3.6.2010 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 20.6.2010 und erteilte unter diesem Datum ein Arbeitszeugnis, auf dessen Wortlaut ebenfalls Bezug genommen wird. Gegen die Kündigung wehrte sich der Kläger mit Kündigungsschutzklage vom 21.6.2010, am 20.7.2010 machte er klageerweiternd einen Zeugnisberichtigungsanspruch geltend. Der Kläger hielt die Kündigung in der ersten Instanz unter Darlegung der Kündigungsumstände für sitten-und treuwidrig. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 30 der Grundrechtscharta der EU (im folgenden GRC) vor. Das erteilte Zeugnis sei zu berichtigen, da es stilistisch verfehlt sei und inhaltlich nicht einmal einem durchschnittlichen Zeugnis entspreche.

Der Kläger beantragte beim Arbeitsgericht

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei durch die schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 02.06.2010, zugegangen am 04.06.2010 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 20.06.2010 hinaus fortbesteht.

3. Die beklagte Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die beklagte Partei wird verurteilt, die klägerische Partei für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 zu den im Arbeitsvertrag vom 15.12.2009 geregelten Arbeitsbedingungen mit einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.322,00 EUR als Radladerfahrer in A. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

5. Kommt die beklagte Partei ihrer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der klägerischen Partei nicht innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Entscheidung nach, wird sie verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen

Die Beklagte berief sich erstinstanzlich auf ihr freies Kündigungsrecht in der Probezeit. Die vom Kläger dargestellten Umstände rechtfertigten keine andere Bewertung. Die Beklagte habe den Arbeitsunfall nicht verschuldet und sich auch im übrigen nicht sitten- oder treuwidrig verhalten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.1.2011 abgewiesen. Das KSchG finde mangels erfüllter Wartezeit keine Anwendung. Die Kündigung sei nicht deshalb sittenwidrig, weil ihr eine Arbeitsunfähigkeit infolge Arbeitsunfalles vorausgegangen sei. Eine treuwidrige Kündigung scheide aus, weil sie auf Tatsachen gestützt werde, die geeignet seien, eine Kündigung nach § 1 KSchG zu rechtfertigen. Art. 30 GRC finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Schließlich könne dem Zeugnisberichtigungsanspruch nicht stattgegeben werden, weil der Kläger allenfalls Bewertungen, jedoch keine Berichtigungstatsachen vorgetragen habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 26.1. 2011 zugestellt. Die Berufung ging am 10.2.2011 beim Landesarbeitsgerichtgericht ein und wurde mit Fax vom 25.3.2011 begründet.

Der Kläger wiederholt im Berufungsverfahren zunächst, die Kündigung sei sittenwidrig; das Arbeitsgericht habe seine Argumentation nicht zur Kenntnis genommen. Es stelle entgegen der Rechtsprechungsdarstellung des Arbeitsgerichts sehr wohl ein verwerfliches Kündigungsmotiv dar, wenn aus Anlass eines Arbeitsunfalles gekündigt werde, den der Arbeitgeber mit verursacht habe. Der Kläger habe seinen Vorgesetzten auf das eisglatte Betriebsgelände aufmerksam gemacht und ausdrücklich um Beachtung der Verkehrssicherungspflichten gebeten. Dem sei die Beklagte trotz Zumutbarkeit nicht nachgekommen, weshalb sie für den Arbeitsunfall verantwortlich sei. Eine derartige Fallkonstellation sei soweit ersichtlich vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden, weshalb die Revisionszulassung angezeigt sei. Die Kündigung sei zudem treuwidrig. Dem Arbeitgeber sei in der Probezeit grundsätzlich zwar nicht verwehrt, während einer Arbeitsunfähigkeitszeit wegen der Arbeitsunfähigkeit zu kündigen. Entgegen der Ausführungen des Arbeitsgerichts gehe es jedoch darum vorliegend nicht. Vielmehr sei die Kündigung deshalb treuwidrig, weil die Beklagte im Vorfeld gröblich arbeitsvertragliche Nebenpflichten in Gestalt von Schutz-und Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Der Arbeitgeber dürfe diese eigene Pflichtverletzung nicht als Kündigungsmotiv heranziehen und sich damit aus der Verantwortung stehlen.

Die Kündigung verstoße schließlich gegen Art. 30 GRC. Es handele sich um originäres Unionsrecht, das mit § 1 Abs. 1 KSchG kollidiere und das die Gerichte bei der Rechtsanwendung zu beachten bzw. zum Anlass einer EuGH-Vorlage heranzuziehen hätten. Zumindest über den Grundsatz europarechtskonformer Auslegung müssten die §§ 138 und 242 BGB dahingehend ausgelegt werden, dass ein Mindestschutz vor ungerechten Entlassungen stehe. Danach scheide eine Probezeitkündigung im Zusammenhang mit vom Arbeitgeber verursachten Arbeitsunfällen aus.

Das erteilte Zeugnis enthalte nicht die notwendigen Angaben zur Arbeitsbefähigung, und neben der Fehlstellung des Datums seien stilistische Fehlleistungen, wie etwa "Desweiteren können wir sagen... Abschließend lässt sich sagen..." festzustellen. Schließlich fehle der Beendigungsgrund.

Wegen der Einzelheiten zum Parteivortrag und zum Ablauf der Verhandlung wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift verwiesen. Der Klägervertreter reichte - offenbar nach Rücksprache mit dem terminsabwesenden Kläger, ohne jedoch im Termin selbst einen Antrag auf Schriftsatznachlass gestellt zu haben - nach Urteilsverkündung zwei Schriftsätze ein, die, soweit sie im neuen Tatsachenvortrag enthielten , keine Berücksichtigung mehr finden konnten.

Die Kammer hat zu den äußeren Umständen des Arbeitsunfalles Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C. Y., auf das Ergebnis der Beweisaufnahme im Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft, da sie u.a. den Bestand eines Arbeitsverhältnisses betrifft, § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG. Die Berufung ist auch zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V .m. §§ 519, 520 ZPO. Insbesondere setzt sich die Berufung hinreichend mit den Gründen auseinander, aufgrund derer das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis während der Probezeit und in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG zum 20.6.2010 beendet und der geltend gemachte Zeugnisberichtigungsanspruch entbehrt der Tatsachengrundlage.

1. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag eine rechtswirksame Probezeitvereinbarung getroffen.

Auch in befristeten Arbeitsverhältnissen ist die Vereinbarung einer Probezeit rechtlich möglich und zulässig (BAG 4. Juli 2001 - 2 AZR 88/00 - EzA BGB § 620 Kündigung Nr. 4) . Die vereinbarte Probezeit von sechs Monaten hält sich innerhalb der von § 622 Abs. 3 BGB vorgegebenen Höchstgrenze. Von weiteren Voraussetzungen hängt die Wirksamkeit einer Probezeitvereinbarung iSv. § 622 Abs. 3 BGB nicht ab.

Der Arbeitgeber soll während der Probezeit die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers prüfen können. Diese Prüfung ist nicht lediglich auf die in Aussicht genommene Tätigkeit bezogen, sondern umfassend zu verstehen. Zweck der Probezeit ist auch, dem Arbeitgeber Gelegenheit zur Prüfung der Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des Arbeitnehmers sowie zur Beobachtung der Zusammenarbeit mit Kollegen zu geben. Diese Sachverhalte können regelmäßig erst nach einem etwas längeren Zeitraum einigermaßen zuverlässig beurteilt werden. Des Weiteren darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass die Vereinbarung einer Probezeit für beide Seiten Wirksamkeit entfaltet. Auch der Arbeitnehmer hat während der Probezeit die Möglichkeit, sich mit kurzer Frist vom Arbeitgeber zu trennen (nach BAG Urteil vom 24.1.2008 - 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521-523).

Hiernach sind sowohl die Befristung als auch die Probezeitvereinbarung des §§ 1 Nr. 2 und Nr. 5 des Arbeitsvertrages wirksam. In der Folge begegnet vorliegend die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung als Probezeitkündigung vom 20. 6. 2010 grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken.

2. Die Kündigung verstößt nicht gegen § 138 BGB; sie ist nicht sittenwidrig.

Sittenwidrig wäre sie nur dann, wenn sie auf einem verwerflichen Motiv des Beklagten beruhte, etwa auf Rachsucht oder wenn sie sonst dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspräche (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2004 - 9 AZR 23/04 - BAGE 113, 129 = AP Nr. 62 zu § 138 BGB = NZA 2005, 637; BAG, Urteil vom 16. Februar 1989 - 2 AZR 347/88 - BAGE 61, 151 = NZA 1989, 962; ausf. KR/Friedrich, 9. Aufl., KSchG § 13 Rn. 120 ff.). Es geht mithin darum, dass das Kündigungsmotiv gröblichst gegen die in der Rechtsgemeinschaft ganz überwiegend anerkannte Sozialmoral verstoßen müsste. Dafür spricht bereits im Klägervortrag des vorliegenden Falles nichts: Die Beklagte hat ausgeführt, dass sie deshalb gekündigt habe, weil nicht klar gewesen sei, ob und wann der Kläger seine Arbeitsfähigkeit wieder erlangen würde. Das Arbeitsgericht weist in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils zu Recht darauf hin, dass dieses Kündigungsmotiv nicht auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten hindeutet. Dieses an sich plausible Kündigungsmotiv der Beklagten bleibt auch dann nachvollziehbar, wenn der Arbeitsunfähigkeit ein - von wem auch immer verursachter - Arbeitsunfall vorausgegangen ist.

3. Die Kündigung ist auch nicht treuwidrig im Sinne von § 242 BGB.

a. Bei der Kündigung, auf die wegen Nichterfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, knüpfen der zweite und der sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts an Art. 12 Abs. 1 GG an, in dessen Lichte § 242 BGB auszulegen und anzuwenden ist (zur europarechtskonformen Auslegung sogleich unter 4.). Danach hat der Arbeitnehmer auch außerhalb des Geltungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes Anspruch auf Schutz vor einer treuwidrigen Kündigung. Der dadurch vermittelte Schutz darf allerdings -worauf das Arbeitsgericht zutreffend abstellt- nicht dazu führen, dass außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes dem Arbeitgeber praktisch die dem Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt würden (nach KR/Friedrich, 9. Aufl., BGB § 242 Rn. 17 m.N.). In sachlicher Hinsicht geht es darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Unter Berücksichtigung dieses verfassungsrechtlichen Rahmens verstößt eine Kündigung vor Ablauf der Wartezeit nur dann gegen § 242 BGB, wenn Treu und Glauben aus Gründen verletzt sind, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Eine willkürliche Kündigung liegt danach nur vor, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung nicht erkennbar ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts etwa Urteil vom 28.8.2008 - 2 AZR 101/07 oder Urteil vom 24.1.2008 - 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521-523). Es kommt nicht auf die objektive Sachlage zum Zeitpunkt der Kündigung an, sondern lediglich auf die Gründe, die den unmittelbaren Kündigungsentschluss des Kündigenden bestimmt haben (LAG Schleswig-Holstein, 27.5.2009 - 3 Sa 74/09, LAGE § 242 BGB 2002 Kündigung). Als möglicher Fall einer treuwidrigen und damit nach § 242 BGB unwirksamen Kündigung ist der Tatbestand des widersprüchlichen Verhaltens des kündigenden Arbeitgebers anzusehen. Das kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber zunächst ein Verhalten an den Tag legt, das auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ausgerichtet war, und dann plötzlich kündigt (KR/Friedrich, aaO). Hingegen ist eine Kündigung - worauf das Arbeitsgericht zutreffend hinweist - nicht schon deshalb treuwidrig, weil sie im Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit oder einem Arbeitsunfall ausgesprochen wurde (L AG Schleswig-Holstein, 27.5.2009 - 3 SA 74/09, LAGE § 242 BGB 2002 Kündigung Nr. 6).

b. Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Kündigung nicht treuwidrig. Der Sachverhalt lässt den Schluss nicht zu, die Beklagte habe sich von sachfremden oder willkürlichen Motiven leiten lassen. Der Kündigungsentschluss der Beklagten erscheint als einleuchtend, wobei die Gründe der Beklagten allesamt in einem Kündigungsschutzprozess unter dem Stichwort "krankheitsbedingte Kündigung" zu überprüfen wären. Damit scheidet die Überprüfung der Kündigung auf Treuwidrigkeit schon deshalb aus, weil § 242 BGB nicht dazu dienen soll, das Kündigungsschutzgesetz auf die Wartezeit auszudehnen.

Anderes gilt nach den dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen auch nicht im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall. Man mag dabei dem Kläger durchaus zugestehen, dass sich die Treuwidrigkeit aus widersprüchlichem und rechtsmissbräuchlichen Arbeitgeberverhalten dann ableiten ließe, wenn der Arbeitgeber grob fahrlässig einen Arbeitsunfall verursacht und ausschließlich selbigen dann als Kündigungsanlass herangezogen hätte. So liegt der Fall indessen hier nicht; die Beweisaufnahme hat die Argumentation des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers nicht gestützt. Entgegen seiner Behauptungen war die Verkehrssicherheit auf dem Betriebsgelände keineswegs so gefährdet, dass der Kläger wegen der Streusituation beim Vorgesetzten, dem Zeugen Y. interveniert hätte. Der Zeuge Y. verneinte das auf gerichtliche Nachfrage mit Nachdruck und bekundete glaubhaft, dass in unmittelbarer Nähe der Verkehrsflächen ausreichend Streugut vorgehalten wurde. Die Arbeitnehmer hatten nach seiner Aussage notwendige Wege auf dem großflächigen Betriebsgelände selbst abzusichern. Der Arbeitsunfall erscheint nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als normaler Glatteisunfall. Der Kläger stieg aus dem Radlader und rutschte dabei weg, was im Übrigen nach allgemeiner Lebenserfahrung auch Sicherheitsschuhe, die den Fuß gegen herabfallende Lasten abschirmen, wohl nicht verhindert hätten. Das kann offen bleiben. Selbst wenn man unterstellt, die Beklagte habe in diesem Zusammenhang nicht alle denkbaren Arbeitssicherheitsvorschriften eingehalten, ginge dies im vorliegenden Einzelfall (Arbeiten im Freien, weitläufiges Betriebsgelände, extreme Witterungsbedingungen) nach Überzeugung der Kammer nicht über einfache Fahrlässigkeit hinaus. Keinesfalls kann die den Arbeitnehmern überbürdete Streupflicht den Vorwurf rechtfertigen, die Beklagte habe den Arbeitsunfall des Klägers grob fahrlässig verschuldet.

4. Schließlich hilft dem Kläger auch der Hinweis auf Art. 30 GRC nicht weiter.

Nach dem Wortlaut des Art. 51 Abs. 1 GRC gilt die Grundrechtcharta "für, nicht aber in den Mitgliedsstaaten. Eine unmittelbare Anwendung der Charta auf Arbeitsverträge zwischen Privaten scheidet damit aus (ausf. Begr. bei Willemsen, Sagan NZA 2011, 258 ff.). Allenfalls über eine EuR-freundliche Auslegung der Generalklausel des §§ 242 BGB kann die Reichweite des Art. 30 GRC Berücksichtigung finden. Das führt hingegen nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis. Art. 30 GRC lehnt sich nach der amtlichen Erläuterung (ABl. C 303 vom 14.12.2007, Seite 17-35) an Art. 24 der revidierten Europäischen Sozialcharta an. Im Anhang zu Art. 24 der revidierten Europäischen Sozialcharta wiederum bestimmt lit. 2, dass die Vertragsparteien folgende Arbeitnehmergruppen von seinem Schutz ganz oder teilweise ausnehmen können:

... b. Die Arbeitnehmer, die eine Probe- oder Wartezeit ableisten, sofern diese im Voraus festgesetzt und von angemessener Dauer ist.

Exakt diesen Sachverhalt normiert § 1 Abs.1 KSchG bzw. der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag. Im Ergebnis ist damit die Diskussion um die Reichweite von Art. 30 GRC zumindest für die Frage der Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung von vornherein nicht ergiebig. Anderes hätte allenfalls dann geprüft werden können, wenn Behindertendiskriminierung zur Debatte stünde. Trotz des gerichtlichen Hinweises vom 27.4.2011 hat der terminsäumige Kläger allerdings zu diesem Gesichtspunkt nicht - jedenfalls nicht rechtzeitig - vorgetragen.

5. Dem geltend gemachten Zeugnisberichtigungsanspruch konnte nicht stattgegeben werden, weil die vom Kläger normierten stilistischen Mängel von der Formulierungshoheit des Arbeitgebers gedeckt sind und im Übrigen Tatsachenvortrag fehlt.

a. Nach inzwischen feststehender arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung verbleibt es im Zeugnisberichtigungsanspruch bei den allgemeinen Regeln über die Verteilung der Darlegungslast. Danach hat jede Partei die für sie günstigen Tatsachen vorzutragen. Hat der Arbeitnehmer Einwände gegen das erteilte Zeugnis, verbleibt es auch im "Berichtigungsprozess" bei dem Grundsatz, dass der Arbeitnehmer als derjenige, der einen Anspruch auf eine konkrete Zeugnisformulierung geltend macht, die erforderlichen Tatsachen vorzutragen hat. Legt der Arbeitnehmer dar, dass ausschließlich ein Arbeitszeugnis mit überdurchschnittlicher Beurteilung den Zeugniserteilungsanspruch erfüllt, hat der Arbeitgeber entgegenstehende Tatsachen vorzutragen (vgl. nur BAG, 14.10.2003, 9 AZR 12/03, AP Nr. 28 zu § 630 BGB).

Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - BAGE 114, 320, zu II 2 a der Gründe; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - BAGE 108, 86, zu III 2 der Gründe) . Ein Zeugnis ist regelmäßig Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber. Deshalb hat es Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers (vgl. BT-Drucks. 14/8796 S. 25). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistungen beurteilt (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - aaO; BAG 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/71 - BAGE 24, 112, 115). Vom Arbeitgeber wird dabei verlangt, dass er den Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit das möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt (BAG 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00 - BAGE 97, 57, zu B I 2 a der Gründe). Daraus ergeben sich die Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit.

Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann

Das Gebot der Zeugnisklarheit ist nach § 109 Abs. 2 GewO in seiner ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung gesetzlich normiert. Danach muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses.

In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 - AP BGB § 630 Nr. 6 = EzA BGB § 630 Nr. 1, zu II der Gründe). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere (BAG 23. September 1992 - 5 AZR 573/91 - EzA BGB § 630 Nr. 16, zu II der Gründe) . Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers (Küttner/Reinecke Personalbuch 2011 Zeugnis Rn. 28) .

b. Nach diesen Grundsätzen, denen sich die Kammer anschließt, kann ein Zeugnisberichtigungsanspruch des Klägers nicht festgestellt werden. Angebliche stilistischen Mängel oder die Verortung des Zeugnisdatums fallen in die Formulierungshoheit des Arbeitgebers und sind hinzunehmen. Angesichts der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses war die Beklagte auch berechtigt, keine Angaben zur Leistungsbewertung des Klägers vorzusehen. Der objektive Empfänger würdigt vorliegend, dass jegliche Leistungsbewertung auf unzureichender Tatsachengrundlage basieren muss. Diesem Umstand mag es auch geschuldet sein, dass es dem Kläger selbst nicht gelingen kann, ausreichend Tatsachen zur Geltendmachung seines Zeugnisberichtigungsanspruchs vorzutragen.

Schließlich schuldet die Beklagte keine Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Entsprechende Formulierungen zählen nicht zum notwendigen Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.

6. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen, da er die Berufung ohne Erfolg eingelegt hat.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG. Es handelte sich um eine rein auf Tatsachenwürdigung beruhende Einzelfallentscheidung ohne rechtsgrundsätzliche Bedeutung.