OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.08.2011 - 17 UF 167/11
Fundstelle
openJur 2012, 67320
  • Rkr:

1. Wird in einer Familienstreitsache ein Arrest beantragt, handelt es sich bei dem Arrestverfahren ebenfalls um eine Familienstreitsache.

2. Die Kostenentscheidung sowie die hiergegen statthaften Rechtsmittel richten sich im Arrestverfahren gemäß § 113 Absatz 1 FamFG nach den §§ 91 ff ZPO.

3. Die allgemeinen Kostenvorschriften der ZPO werden in einem in einer Unterhaltsache beantragten Arrestverfahren nicht durch die Sondervorschrift des § 243 FamFG verdrängt.

Tenor

1. Die Entscheidung wird dem Senat übertragen.

2. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Böblingen, Az. 13 F 1441/10, vom 11. Mai 2011 wie folgt abgeändert:

Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: bis 2.500,00 EUR

Gründe

I.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin macht gegen den Antragsgegner Trennungsunterhalt geltend. Im vorliegenden Verfahren verlangte sie zur Sicherung ihres Unterhaltsanspruchs die Anordnung eines dinglichen Arrests in das Vermögen des Antragsgegners.

Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner schulde ihr rückständigen Trennungsunterhalt von 19.501,82 EUR und ab August 2010 einen monatlichen Unterhalt von 912,32 EUR. Ein Arrestgrund liege vor, da der Antragsgegner sein sämtliches Vermögen auf seine Töchter aus erster Ehe übertragen habe.

Nachdem eine Tochter des Antragsgegners der Antragstellerin ein Pfandrecht an einem Wertpapierdepot bei der L. zur Sicherung etwaiger Unterhaltsansprüche bestellt hat, haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und gegenläufige Kostenanträge gestellt.

Der Antragsgegner trägt vor, die Antragstellerin habe schon einen Arrestanspruch nicht glaubhaft gemacht. Jedenfalls ermangle es an einem Arrestgrund. Er habe sein gesamtes in Deutschland befindliches Vermögen bereits auf seine Töchter übertragen. Die Übertragung seines Miteigentumsanteils an einem Grundstück in Kroatien sei bereits im Mai 2009 erfolgt. Er verfüge somit über keine Vermögenswerte, die über einen Arrest gesichert werden könnten.

Mit Beschluss vom 11. Mai 2011 (Bl. 57 d.A.) hat das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt. Nach Ansicht des Amtsgericht hat der Antragsgegner durch die freiwillige Stellung einer Sicherheit den geltend gemachten Sicherungsanspruch im Ergebnis anerkannt. Dass die Tochter des Antragsgegners bereit gewesen sei, an einem Wertpapierdepot ein Pfandrecht zu Gunsten der Antragstellerin zu bestellen, lasse zudem vermuten, dass sich der Antragsgegner im Verhältnis zu seinen Töchtern vermögenswerte Rechte vorbehalten habe.

Gegen diesen ihm am 13. Mai 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 25. Mai 2011 beim Amtsgericht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners.

Zur Begründung trägt er vor, das Amtsgericht habe sich mit dem behaupteten Arrestanspruch überhaupt nicht auseinandergesetzt. Der Antragstellerin stehe allenfalls ein geringer Anspruch auf Trennungsunterhalt zu. Es sei unstreitig, dass er sein Vermögen im Zeitpunkt der Antragstellung im September 2010 bereits auf seine Töchter übertragen habe. Ein Arrestgrund liege daher nicht vor. Die Behauptung, er habe sich im Innenverhältnis seinen Töchtern gegenüber Rechte vorbehalten, sei eine Erfindung, die nicht einmal die Antragstellerin vorgetragen habe.

Die Antragstellerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Nach dem - nicht rechtskräftigen - Beschluss des Amtsgerichts Böblingen vom 8. Juni 2011 schulde der Antragsgegner rückständigen Trennungsunterhalt von 3.617,00 EUR sowie laufenden Unterhalt von 277,00 EUR. Der Antragsgegner habe ohne hinreichenden Grund sein Vermögen auf die Töchter übertragen. Der Antragsgegner habe einen Rückforderungsanspruch, außerdem seien die Schenkungen anfechtbar. Die Übertragung des Vermögens sei nur treuhänderisch erfolgt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 113 Absatz 1 FamFG, §§ 91a Absatz 2, 567 ff ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Nach einer Würdigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.

1.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 113 Absatz 1 FamFG, § 91a Absatz 2 ZPO statthaft und gemäß §§ 567 ff ZPO zulässig.

In Unterhaltssachen als Familienstreitsachen stellt das Gesetz neben der einstweiligen Anordnung als vorläufiges Sicherungsmittel auch den Arrest zur Verfügung (§ 119 Absatz 2 FamFG). Damit unterfällt auch der Arrest den Familienstreitsachen. Die Kostenentscheidung richtet sich im Arrestverfahren somit gemäß §113 Absatz 1 FamFG nach den §§ 91 ff ZPO.

a) Die allgemeinen Kostenvorschriften der ZPO werden hier nicht durch die Sonderregelung des § 243 FamFG verdrängt. Diese Vorschrift ermöglicht insbesondere, eine unterlassene oder ungenügende Auskunftserteilung in Unterhaltssachen stärker als bisher kostenrechtlich zu sanktionieren; die Kostenentscheidung in Unterhaltssachen soll flexibler und weniger formal gehandhabt werden, zumal anders als bei Verfahren über einmalige Leistungen in Unterhaltsachen dem Dauercharakter der Verpflichtung bei der Streitwertermittlung nur begrenzt Rechnung getragen werden kann (BT-Drs. 16/6308, S. 259). Diese Kriterien spielen indes im Arrestverfahren keine Rolle. Ausgehend von der Stellung im Gesetz, Wortlaut sowie insbesondere nach Sinn und Zweck der Vorschrift gilt § 243 FamFG daher nur in Verfahren, in denen unmittelbar über einen Anspruch in einer Unterhaltssache zu entscheiden ist. Verfahrensgegenstand des Arrests ist indes nicht der Unterhaltsanspruch selbst, sondern die Zulässigkeit seiner zwangsweisen Sicherung (Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., Vorbem. § 916 RN 1,6).

Hinzu kommt ferner, dass gemäß § 119 Absatz 2 FamFG der Arrest nicht nur in Unterhaltssachen, sondern in sämtlichen Familienstreitsachen zulässig ist. Die anwendbaren Kostenvorschriften im Arrestverfahren davon abhängig zu machen, ob es sich bei dem Arrestanspruch um eine Unterhaltssache, eine Güterrechtssache oder um eine sonstige Familienstreitsache handelt, erscheint nicht praktikabel.

Im Arrestverfahren verbleibt es daher bei den allgemeinen Kostenvorschriften der ZPO.

b) Selbst wenn man § 243 FamFG im Arrestverfahren für anwendbar hält, bleibt die sofortige Beschwerde statthaft.

§ 243 FamFG enthält lediglich Sonderregelungen über die Verteilung der Kosten; darüber, ob und gegebenenfalls nach welchen Vorschriften eine nach § 243 FamFG getroffene Kostenentscheidung angefochten werden kann, enthält sich die Regelung (vgl. Senatsbeschluss vom 20.06.2011, Az. 17 UF 136/11; OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 751, 752; OLG Oldenburg, FamRZ 2011, 578; aA OLG Oldenburg, NJW 2010, 2815).

c) Ob der Verweis auf das Kostenrecht der ZPO in § 113 Absatz 1 Satz 2 FamFG auch die entsprechenden Rechtsmittel der ZPO umfasst, wird insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der isolierten Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen diskutiert (zum Umfang der in § 119 Absatz 2 FamFG auf die Arrestvorschriften der ZPO erfolgten Verweisung im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Antrags auf Anordnung des dinglichen Arrests vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2010, 523; OLG München, FamRZ 2011, 746). Die Frage ist streitig.

aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Ausschluss der Kostenregelungen nach den §§ 80 bis 84 FamFG in § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG habe nicht den Ausschluss der Rechtsmittelvorschriften des FamFG zur Folge. Zudem seien nur materielle Kostenbestimmungen des FamFG von der Anwendung ausgeschlossen worden (vgl. OLG Oldenburg NJW 2010, 2815; OLG Hamm FamRZ 2011, 582; OLG Bremen, Beschluss vom 18.04.2011 - 4 WF 23/11 - juris; KG, Beschluss vom 01.03.2011, 13 UF 263/10 - juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.08. 2011, Az. 18 UF 223/11 - juris).

bb) Eine andere Meinung hält aufgrund des Ausschlusses der Kostenregelungen des FamFG (§§ 80 bis 84) in § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Bestimmungen der Zivilprozessordnung (§§ 91 ff. ZPO) für anwendbar mit der Folge, dass Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung zu treffen und nur nach Maßgabe derselben anfechtbar sind, es sei denn, aus dem FamFG ergeben sich vorgehende Spezialregelungen. Dies wird begründet mit dem Willen des Gesetzgebers, der lediglich das Verbot der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit habe aufheben wollen, nicht aber für den Bereich der Familienstreitsachen. Dazu wird auch auf die Regelungen im Kostenverzeichnis des FamGKG (Nr. 1910) verwiesen, die andernfalls keinen Sinn ergäben (OLG Saarbrücken NJW-RR 2011, 369; OLG Stuttgart (15. Zivilsenat) FamRZ 2011, 751 mit diversen Nachweisen; so im Ergebnis auch OLG Köln, FamRZ 2011, 1246; KG, NJW 2010, 3588; OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 1837; OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2011 - 8 UF 62/11, II-8 UF 62/11- juris).

cc) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an (so schon Senatsbeschluss vom 01.12.2010, FamRZ 2011, 581 zur Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen außerhalb des Unterhaltsrechts, Senatsbeschluss vom 20.06.2011, Az. 17 UF 136/11 zur Anfechtung einer in einem Anerkenntnisbeschluss getroffenen Kostenentscheidung). Diese Auffassung scheint am besten die Systematik des Gesetzes und den Willen des Gesetzgebers zu beachten. Die Frage, ob Kostenentscheidungen nach Erledigung der Hauptsache gemäß § 58 FamFG oder nach § 91a Absatz 2 ZPO angefochten werden können, ist im Gesetzgebungsverfahren erörtert worden ist. Für eine Klarstellung im Sinne der Anwendbarkeit des § 91a Absatz 2 ZPO sah der Gesetzgeber indes keinen Bedarf. Zwar handle es sich bei der Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache um eine Endentscheidung gemäß § 38 FamFG. Gegen diese finde gemäß § 58 FamFG die Beschwerde statt, sofern das Gesetz nichts anderes bestimme. Im Falle der Erledigung der Hauptsache sei etwas anderes bestimmt; über § 113 Absatz 1 Satz 2 FamFG sei auch § 91a Absatz 2 ZPO anzuwenden, der als statthaftes Rechtsmittel ausdrücklich die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO vorsehe (BT-Drs. 16/12717, S.60).

Statthaftes Rechtsmittel gegen eine Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache ist damit gemäß § 113 Absatz 1 Satz 2 FamFG, § 91a Absatz 2 ZPO die sofortige Beschwerde (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2011, Az. 15 UF 86/11 - juris; Bömelburg, FPR 2010, 153, 158). Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber die Familienstreitsachen weitergehend den Verfahrensmaximen der ZPO unterstellen wollte als die übrigen Familiensachen (BGH, FamRZ 2011, 1138).

d) Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Ob sich der Beschwerdewert nach § 567 Absatz 2 ZPO (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2011, Az. 15 UF 86/11) oder nach § 61 Absatz 1 FamFG analog richtet (hierzu Bömelburg, FPR 2010, 153, 158 m.w.N.), braucht der Senat nicht zu entscheiden; auch der höhere Wert des § 61 Absatz 1 FamFG ist hier erreicht.

2.

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Nach § 113 Absatz 1 FamFG, 91a Absatz 1 Satz 1 ZPO hat die Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu erfolgen. Bei der vorzunehmenden summarischen Prüfung der Rechtslage sind vor allem die allgemeinen Grundgedanken des Kostenrechts heranzuziehen. Sie ergeben sich aus §§ 91 ff. ZPO, so dass grundsätzlich derjenige die Kosten zu tragen hat, der voraussichtlich unterlegen wäre (BGH, NJW 2007, 3429; Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rn. 24).

Ob hier ein Arrestanspruch und gegebenenfalls in welcher Höhe besteht, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da es jedenfalls an der weiteren Voraussetzung eines Arrestgrundes fehlt.

Ein Arrestgrund setzt gemäß § 917 Absatz 1 ZPO die Besorgnis voraus, dass die Vollstreckung eines Vollstreckungstitels ohne Arrestverhängung vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Erforderlich ist immer eine drohende Verschlechterung der Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Die Vermögensverschlechterung muss unmittelbar bevorstehen und darf noch nicht abgeschlossen sein (Thomas/Putzo, 32. Aufl. § 917 RN 1). Es muss also bei Bestehen einer schlechten Vermögenslage des Schuldners eine weitere Vermögensverringerung bis zum Abschluss des Hauptverfahrens zu befürchten sein (MüchKomm-Drescher, ZPO, 3. Aufl. § 917 RN 4; OLG München, FamRZ 2011, 746).

Diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Sie trägt vielmehr vor, der Antragsgegner habe sein gesamtes Vermögen auf seine Töchter aus erster Ehe übertragen. Damit belegt sie aber keinen Arrestgrund. Handlungen, die in der Vergangenheit liegen, begründen nur dann einen Arrestgrund, wenn gerade sie die erforderliche Besorgnis rechtfertigen können (BGH, VersR 1975, 764). Weitere Vermögensverschiebungen sind indes nicht zu befürchten. Dass der Antragsgegner noch über nennenswertes Vermögen verfügt, trägt die Antragstellerin nicht vor.

Allerdings hat der Antragsgegner - über seine Tochter - der Antragstellerin während des Verfahrens ein Pfandrecht in ausreichender Höhe zur Sicherung etwaiger Unterhaltsansprüche bestellt. Zwar gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, wonach die Kosten stets dem Beteiligten aufzuerlegen sind, der sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat (OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 147, 148; Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. § 91a RN 25). Allerdings kann im Rahmen der nach § 91a Absatz 1 ZPO vorzunehmenden Billigkeitsabwägung durchaus berücksichtigt werden, dass ein Beteiligter den Gegner klaglos gestellt und so das erledigende Ereignis herbeigeführt hat (vgl. BGH, MDR 2004, 698).

Der Senat hält daher nach einer umfassenden Abwägung der gesamten Umstände eine Kostenaufhebung für angemessen.

2.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 113 Absatz 1 FamFG, § 97 ZPO.

Anlass die Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) zuzulassen, besteht nicht. Zwar ist die Frage der Anfechtung von Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen ungeklärt. Im vorliegenden Fall sind indes die Zulässigkeitsvoraussetzungen sowohl der §§ 567 ff ZPO als auch der §§ 58 ff FamFG eingehalten, sodass sich der Streit im konkreten Fall nicht auswirkt.