OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.08.2011 - 18 UF 223/11
Fundstelle
openJur 2012, 67119
  • Rkr:

Die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen ist auch in Unterhalts- und Ehesachen gem. §§ 58 FamFG zulässig, sofern der Beschwerdewert von 600,- EUR gem. § 61 Abs. 1 FamFG überschritten wird.

Tenor

I.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Hechingen vom 23.5.11 - 4 F 71/11 - in Ziffer 2

a b g e ä n d e r t

und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Verfahrenswert in der Beschwerdeinstanz: Beschwerdewert: bis1500,-- EUR.

Gründe

Die isolierte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Hechingen vom 23.5.11 - 4 F 71/11 - (dort Ziffer 2) ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist an sich statthaft und ist insbesondere als isoliertes Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung im Beschluss des Familiengerichts zulässig. Auch ist der Beschwerdewert (§ 61 Abs. 1 FamFG) überschritten.

1.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist als isoliertes Rechtsmittel allein gegen die Kostenentscheidung im Beschluss des Familiengerichts zulässig.

a)

Inwieweit in Ehe- und Familiensachen die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung zulässig ist, ist in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass Kostenentscheidungen in Unterhaltssachen auch dann nicht isoliert anfechtbar seien, wenn der Hauptsacheentscheidung ein Anerkenntnis zugrunde liege. Denn § 99 Abs. 2 ZPO könne keine Anwendung finden, da die Vorschrift im Zusammenhang mit § 93 ZPO zu verstehen sei. Nur dessen richtige Anwendung solle überprüfbar sein. Dagegen sei die Billigkeitsentscheidung gemäß § 243 FamFG nicht mit der formalen Prüfung vergleichbar.

Ein anderer Teil der Rechtsprechung wendet auf die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen in allen Familiensachen die §§ 58 ff. FamFG an mit der Begründung, dass § 113 Abs. 1 FamFG die Rechtsmittelvorschriften des FamFG nicht ausschließe. Auch die Kostenentscheidung sei Teil der Endentscheidung und sonach gemäß §§ 58 ff. FamFG anfechtbar (OLG Bremen Beschluss vom 18.4.11 4 WF 23/11; OLG Oldenburg FamRZ 10, 1831 f.; OLG Hamm FamRZ 11, 582). Aus dem Vorbehalt des anzuwendenden Verfahrensrechts in § 58 Abs. 1 2. Hs. FamFG ergebe sich jedenfalls in Unterhaltssachen nichts anderes, da § 243 FamFG als lex specialis die Vorschriften der ZPO über Kostenentscheidungen verdränge (OLG Bremen und OLG Oldenburg a.a.O.).

Das OLG München wiederum hat die Anwendbarkeit von § 99 Abs. 2 ZPO bejaht, im Ergebnis allerdings die §§ 58 ff. FamFG angewandt (OLG München Beschluss vom 6.4.10 2 WF 107/10 zitiert bei Juris).

Schließlich wird auch vertreten dass sich die isolierte Anfechtbarkeit einer Kostenentscheidung nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 99 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO richte (so OLG Köln FamRZ 11, 579; OLG Oldenburg FamRZ 11, 578; KG NJW 10, 3588). Dies wird damit begründet, dass § 113 Abs. 1 FamFG auch auf § 99 ZPO verweise und § 99 Abs. 2 ZPO eine andere Regelung der Anfechtbarkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 FamFG darstelle; § 243 FamFG sei im Verhältnis zu § 99 Abs. 2 ZPO keine speziellere Regelung, da die Vorschrift die inhaltlichen Kriterien für die Kostenentscheidung in Unterhaltssachen regele und damit auch nur die §§ 91 bis 93, 97, 269 Abs. 3 ZPO verdrängen könne. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers.

b)

Der Senat folgt der Auffassung, dass die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen auch in Unterhalts- und - wie vorliegend - in Ehesachen nach §§ 58 ff. FamFG stattfindet.

Die in der Gesetzesbegründung und in den Materialien zur Entstehung des FamFG geäußerte Rechtsauffassung, in Ehe- und Familienstreitsachen seien infolge der Verweisung nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf Kostenbeschwerden die §§ 91 ff. ZPO anzuwenden (vgl. Bt.-Drs. 16/11385 und 16/12727 Seite 60 sowie Bt.-Drs. 16/6308 S. 168), findet weder in § 58 FamFG noch in § 113 Abs. 1 FamFG eine Grundlage (vgl. OLG Bremen a.a.O.; OLG Oldenburg FamRZ 10, 1831 f.). Denn gemäß § 58 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde das statthafte Rechtsmittel gegen Endentscheidungen, und zwar auch in Bezug auf Unterhalts- und Ehesachen. Die Kostenentscheidung ist aber eine Endentscheidung im Sinne von §§ 38 Abs. 1, 58 Abs. 1 FamFG, da durch sie der Verfahrensgegenstand jedenfalls teilweise, nämlich in Bezug auf die Kostenfrage, erledigt wird (Feskorn in Zöller, § 38 FamFG RN 3; Oberheim in Schulte-Bunert/Weinreich, Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2010, § 38 FamFG RN 6).

Das Gesetz sieht für die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen auch kein anderes Rechtsmittel im Sinne von § 58 Abs. 1 2. Hs FamFG vor. § 113 Abs. 1 FamFG verweist nicht auf § 99 Abs. 2 ZPO. Nach § 113 Abs. 1 FamFG sind zwar die Kostenvorschriften des FamFG in Familienstreitsachen und Ehesachen nicht anzuwenden. § 99 ZPO trifft aber keine Regelung über den materiellen Gehalt von Kostenentscheidungen, sondern nur über deren Anfechtbarkeit. Es handelt sich daher nicht um eine von der Verweisung in § 113 Abs. 1 FamFG erfasste Kostenvorschrift im Sinne der §§ 81 ff. FamFG, sondern lediglich um eine Rechtsmittelvorschrift (vgl. zu § 91a ZPO ebenso OLG Oldenburg FamRZ 10, 1693 f.).

Bei der Kostenvorschrift des § 150 FamFG, welche die Kostentragungspflicht in Ehesachen regelt, handelt es sich um eine dem § 243 FamFG in seiner Systematik entsprechenden Vorschrift, so dass die isolierte Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen sowohl in Familienstreitsachen als auch in Ehesachen nach Ansicht des Senats gem. §§ 58 ff FamFG stattfindet.

Bei Anwendung der §§ 58 ff. FamFG auf Rechtsmittel gegen Endentscheidungen in Familienstreitsachen und Ehesachen entsteht auch keine Regelungslücke in Bezug auf Beschwerden gegen die Bewilligung oder Versagung von Verfahrenskostenhilfe, da es sich insoweit nicht um Endentscheidungen im Sinne von § 38 FamFG handelt.

2.

Das Rechtsmittel erfüllt auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Insbesondere ist ausgehend von einem Gesamtstreitwert in der Verbundsache von 6.300,-- EUR die Mindestbeschwer im Sinne von § 61 Abs. 1 FamFG mit 600,-- EUR überschritten.

II.

Die Beschwerde ist auch begründet, da in Anwendung von § 150 Abs. 2 FamFG dem Antragsteller die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen waren.

§ 150 Abs. 1 FamFG bestimmt, dass im Falle des Ausspruchs der Scheidung die Kosten der Scheidung sowie der Folgesachen gegeneinander aufzuheben sind. Nach § 150 Abs. 2 FamFG trägt der Antragsteller jedoch dann die Kosten des Scheidungsverfahrens und der Folgesachen, wenn der Scheidungsantrag zurückgenommen oder abgewiesen wird.

Durch den angefochtenen Beschluss des Familiengerichts wurde der Scheidungsantrag abgewiesen, so dass § 150 Abs. 2 FamFG zur Anwendung kommt. Damit waren dem Antragsteller die Kosten des Scheidungsverfahrens sowie der Folgesachen (hier: Versorgungsausgleich) aufzuerlegen. Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Familienrichter hierauf bereits hingewiesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG.

IV.

Im vorliegenden Fall war gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da insoweit die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. zum Meinungsstand oben I. 1 a).