VG Freiburg, Urteil vom 27.07.2006 - 3 K 1409/04
Fundstelle
openJur 2013, 14461
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Herstellerin von Dentalprodukten. Unter dem 28.04.2004 beantragte sie unter anderem für ihre Produkte „... home“ und „... office“ die Ausstellung eines Exportzertifikates gemäß § 34 Abs. 1 des Medizinproduktegesetzes (MPG) für Jordanien. Mit Bescheid vom 03.06.2004 lehnte das Regierungspräsidium Freiburg die Ausstellung einer Exportbescheinigung für die beiden Produkte mit der Begründung ab, der Klägerin sei bereits in einem Schreiben vom 27.03.2000 im Zusammenhang mit deren Produkt „... ...“ mitgeteilt worden, dass derartige Zahnbleichmittel als Kosmetika und nicht als Medizinprodukte anzusehen seien. Es könne daher nicht eine Verkehrsfähigkeit in Deutschland als Medizinprodukte bescheinigt werden.

Die Klägerin hat am 30.06.2004 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, bei „...“ handle es sich um ein Medizinprodukt. Es werde angewandt, um Zahnverfärbungen zu behandeln, die krankheits- oder altersbedingt oder genetisch bedingt seien oder durch Lebensmittel verursacht würden. Die Behandlung erfolge unter zahnärztlicher Betreuung, wobei „... office“ allein in der Zahnarztpraxis angebracht werde. Bei „... home“ erfolge die Anwendung unter zahnärztlicher Aufsicht auch zu Hause. Wirkstoff sei bei „... office“ Wasserstoffperoxid in einer Konzentration von 30 % und bei „... home“ Carbamidperoxid in einer Konzentration von 10 % bzw. 15 %, welche Wasserstoffperoxid in einer Konzentration von ca. 3,6 % bzw. ca. 5,4 % freisetze. Das Wasserstoffperoxid wirke nicht nur äußerlich, sondern dringe in den Zahn ein und wirke innerlich, indem eine oxidative Veränderung der die Verfärbung hervorrufenden Moleküle (mineralische Umwandlung der kristallinen Zahnsubstanz) vorgenommen werde. Als Kosmetikum wäre ein Produkt mit einem derartigen Gehalt an Wasserstoffperoxid nicht verkehrsfähig. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen habe entschieden, dass es sich bei einem entsprechenden Produkt eines Wettbewerbers um ein Medizinprodukt handle. Nicht entschieden worden sei über so genannte „Zahnweißer“ teilweise anderer chemischer Zusammensetzung, welche in Drogerien und Apotheken erworben werden könnten und ohne jede zahnärztliche Betreuung vom Patienten angewendet würden. Würden Zahnbleichmittel wie die von der Klägerin vertriebenen Produkte nicht als Medizinprodukt eingestuft, so wären sie praktisch nicht verkehrsfähig. Zahnärzte wären dann nicht in der Lage, krankhafte Zahnverfärbungen ihrer Patienten zu behandeln. Weltweit seien nie Schadensfälle durch die Verwendung derartiger Zahnbleichmittel bekannt geworden. Es sei nach § 3 MPG bzw. § 4 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) abzugrenzen, ob es sich bei den Zahnbleichmitteln um ein Medizinprodukt oder, da sie das Aussehen der Zähne beeinflussten, um ein Kosmetikum handle. Man könne zur Einordnung als Kosmetikum nicht allein auf den Zweck zur Beeinflussung des Aussehens abstellen. Heutzutage immer häufigere kosmetische Operationen dienten meist allein der Beeinflussung des Aussehens und nicht der Behandlung von Krankheiten, trotzdem seien sie unzweifelhaft medizinische Tätigkeiten. Hierfür verwendete Produkte fielen entsprechend unter das Medizinproduktegesetz und seien nicht etwa Kosmetika. Allein entscheidendes Kriterium könne auch nicht sein, ob ein Produkt rein an der Oberfläche wirke oder etwa über die Haut oder durch den Zahn tiefer in den Körper eindringe. Kosmetika wirkten allerdings meist an der Oberfläche, während Medizinprodukte in größerem Umfang die Wirkung auch im Körper entfalteten. Die Bleichmittel der Klägerin drängen in den Körper ein. Dies unterscheide sie von rein abrasiv wirkenden Zahnbleichmitteln. Entscheidend könne nur eine Gesamtschau sein, wobei nach dem Zweck des Produktes, seiner Wirkungsweise, dem Anwender sowie danach zu fragen sei, ob aus medizinischen Gründen die Anwendung der umfangreichen Schutzvorschriften des MPG zweckmäßig oder die Vorschriften des LMBG ausreichend seien. Der Zweck der streitgegenständlichen Produkte der Klägerin ergebe sich aus den Indikationen gemäß der Gebrauchsanweisung. Die Indikationen seien weitgehend medizinischer Natur, zudem sei eine farbliche Zahnveränderung ein Körperschaden oder ein Leiden (mit häufig psychischen Auswirkungen) im Sinne des Ausnahmetatbestandes von § 4 Abs. 1 LMBG. Die streitgegenständlichen Zahnbleichmittel würden ausschließlich im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung angewandt. Dies unterscheide sie von Kosmetika, die in Drogeriemärkten vertrieben und ohne ärztliche Aufsicht verwendet würden. Bei den medizinischen Indikationen seien sie für eine unmittelbare Anwendung durch den Patienten auch schon deshalb nicht geeignet, weil überhaupt nur der Zahnarzt die entsprechende Diagnose stellen könne, welche die Anwendung als Therapie auslöse. Angesichts des Wasserstoffperoxidgehaltes von Zahnbleichmitteln, welcher wesentlich höher liege als bei Kosmetika, sei es auch erforderlich, die Mittel den strengeren Vorschriften des Medizinproduktegesetzes sowie der Anwendung durch den Zahnarzt zu unterwerfen. Es wäre medizinisch nicht vertretbar, derartige Zahnbleichmittel zur unkontrollierten Anwendung im Supermarkt zu verkaufen. Auch seien Warnhinweise auf den Packungen erforderlich, die vor zu häufiger Verwendung oder vor Verwendung bei Schwangerschaft oder regelmäßigem Tabak- oder Alkoholgenuss warnen sollten. Derartige Warnhinweise seien bei Medizinprodukten allgemein üblich, bei Kosmetika jedoch nicht. Die gesetzlichen Regelungen des MPG regelten die Durchsetzung der Verwendung von Warnhinweisen, die Regelungen des LMBG seien hierfür hingegen ungeeignet. Es scheine in der Europäischen Union zwar Überlegungen zu geben, Zahnbleichmittel statt als Medizinprodukte als Kosmetika einzuordnen und hierfür den zulässigen Gehalt von Wasserstoffperoxid in Kosmetika von zur Zeit 0,1 % auf 6% zu erhöhen. Dies sei aber bisher nicht erfolgt und es sei offen, ob und wann es jemals erfolgen werde. Wegen der geschilderten medizinischen Indikation bestehe ein dringendes medizinisches Bedürfnis zur Verwendung derartiger Bleichmittel. Ohne solche Bleichmittel könnte ein Zahnarzt einen Patienten nicht behandeln, bei dem sich in Folge eines Unfalls ein Frontzahn dunkel verfärbt habe. Nach dem LMBG in Verbindung mit der Kosmetikverordnung sei jedoch unstreitig bei Mundpflegemitteln ein Wasserstoffperoxidgehalt von mehr als 0,1 % unzulässig. Diese Regelung möge für zahlreiche Kosmetika oder auch für Zahnpasta angemessen sein. Zahnbleichmittel mit nicht mehr als 0,1 % Wasserstoffperoxid seien jedoch absolut wirkungslos, sie erzeugten keine Bleichwirkung. Würde man ein Zahnbleichmittel als Kosmetikum ansehen und nicht als Medizinprodukt, dürfte es trotz des medizinischen Bedarfs und der Unbedenklichkeit eines Wasserstoffperoxidgehalts von bis zu 6 % nicht auf den Markt gebracht werden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.06.2004 aufzuheben und den Beklagten - Regierungspräsidium Freiburg - zu verpflichten, ihr für die Ausfuhr nach Jordanien eine Bescheinigung nach § 34 Abs. 1 MPG über die Verkehrsfähigkeit in Deutschland der Produkte „... home“ und „... office“ auszustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die Entscheidung des OVG Münster sei unzutreffend. Aus Art. 1 Abs. 1 EU-Kosmetik-Richtlinie 76/778/EWG ergebe sich, dass sich der Begriff „äußerlich“ in § 4 Abs. 1 LMBG lediglich auf die Anwendung am Menschen, nicht aber auf die Anwendung in dessen Mundhöhle beziehe. Durch diesen Fehler des Oberverwaltungsgerichts werde auch den darauf aufbauenden Schlussfolgerungen die Grundlage entzogen. Selbst wenn man der Auffassung folgen würde, dass das vorliegende Produkt kein Kosmetikum sei, ergebe sich daraus nicht automatisch die Einstufung als Medizinprodukt. Davon könne erst ausgegangen werden, wenn die Anforderungen der Definition des § 3 Nr. 1 MPG erfüllt seien. Dies sei nicht der Fall, da in der chemischen Bleichung von Zähnen weder eine „Behandlung oder Linderung von Krankheiten“ noch eine „Linderung oder Kompensierung von … Behinderungen“ zu erkennen sei. Die weiteren Teile der Definition eines Medizinproduktes seien ohnehin nicht einschlägig. Auch könne der vermeintliche Wirkort der Bleichmittel nicht als relevantes Kriterium zugrunde gelegt werden. Zur Erfüllung des Begriffs „äußerlich“ komme es nicht auf die „äußerliche Wirkung“ an, sondern nur auf die „äußerliche Anwendung“. Die Verabreichung des Bleichmittels durch einen Zahnarzt sei kein Beleg für die medizinische Zweckbestimmung. Auch „Schönheitsoperationen“, die von (plastischen) Chirurgen oder sonstigen Ärzten vorgenommen würden, erfolgten ohne medizinische Notwendigkeit. Selbst in dem Fall, in dem etwa bei avitalen Zähnen bzw. bei krankheitsbedingten Verfärbungen Zahnbleichmittel zum Einsatz kämen, geschehe dies nicht mit dem Ziel, die verursachende Krankheit zu bekämpfen, sondern nur, um deren optische Folgen zu kaschieren. Ganz entscheidend komme es auf die Zweckbestimmung des Produktes an. Diese sei, unabhängig vom verwendeten Verfahren, zweifelsohne auf eine Veränderung des Aussehens der Zähne angelegt und damit kosmetischer Art. „Hautbleichmittel“, die im Anhang I der EU-Kosmetik-Richtlinie 76/768/EWG als Kosmetika aufgeführt seien, sowie Zahnbleichmittel seien angesichts der identischen Zweckbestimmung der gleichen, nämlich kosmetischen Produktkategorie zuzuordnen. In der Europäischen Kommission sei seit Jahren geplant, Zahnbleichmittel mit einem maximalen Gehalt von 6 % Wasserstoffperoxid als kosmetische Mittel einzustufen. Der die Kommission beratende wissenschaftliche Ausschuss für kosmetische Mittel und Nicht-Lebensmittel (SCCNFP) stelle fest, dass die Zulassung von Wasserstoffperoxidgehalten bis zu 6 % für kosmetische Zahnbleichmittel mit der Einschränkung zu erfolgen habe, dass diese Produkte nur unter Aufsicht eines Zahnarztes abgegeben werden dürften. Die kosmetischen Indikationen überwögen nach den Produktinformationen der beiden Produkte klar. Allein die ausschließliche Verabreichung durch den Zahnarzt bei „... office“ könnte als Kriterium für eine Einstufung als Medizinprodukt dienen. Bei der Abwägung zwischen überwiegender kosmetischer Indikation einerseits und der ärztlichen Applikationsweise andererseits werde ersteres Kriterium als bedeutsamer angesehen.

Der Kammer liegen die einschlägigen Akten des Regierungspräsidiums (3 Hefte) vor.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage ohne Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. § 6a AGVwGO) zulässig.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.06.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann für ihre Produkte „... home“ und „... office“ nicht die Ausstellung eines Exportzertifikates gem. § 34 Abs. 1 MPG für die Ausfuhr nach Jordanien beanspruchen.

Nach § 34 Abs. 1 MPG stellt auf Antrag eines Herstellers oder Bevollmächtigten die zuständige Behörde für die Ausfuhr eine Bescheinigung über die Verkehrsfähigkeit des Medizinproduktes in Deutschland aus. Ob es sich bei den hier streitgegenständlichen Produkten der Klägerin um Medizinprodukte im Sinne von §§ 2, 3 MPG handelt, ist - wie in der Regel bei Verpflichtungsklagen - nach der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Kammer maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu beurteilen.

Die Anwendung des Medizinproduktegesetzes ist hier ausgeschlossen, denn es gilt gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 MPG nicht für kosmetische Mittel im Sinne des § 4 LMGB. Der Verweis auf § 4 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, das außer Kraft und an dessen Stelle das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) vom 01.09.2005 (BGBl. I Seite 2618) getreten ist, gilt als Verweis auf § 2 Abs. 5 LFGB (vgl § 4 Abs. 1 des LFGB-Überleitungsgesetzes vom 01.09.2005). Nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 5 LFGB sind kosmetische Mittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die ausschließlich oder überwiegend dazu bestimmt sind, äußerlich am Körper des Menschen oder in seiner Mundhöhle zur Reinigung, zum Schutz, zur Erhaltung eines guten Zustandes, zur Parfümierung, zur Veränderung des Aussehens oder dazu angewendet zu werden, den Körpergeruch zu beeinflussen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 LFGB). Als kosmetische Mittel gelten nicht Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Beeinflussung der Körperform bestimmt sind (§ 2 Abs. 5 Satz 2 LFGB). Im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 LMBG, wonach eine Abgrenzung der kosmetischen Mittel von den Arzneimitteln dahingehend vorgenommen wurde, dass ein Arzneimittel nur bei überwiegender Zweckbestimmung vorliege, Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu lindern oder zu beseitigen, greift die Definition in § 2 Abs. 5 LFGB nunmehr die Richtlinie 93/95/EWG vom 14.06.1993 (ABl. EG Nr. L 151 S. 32) dahingehend auf, dass nur bei Überwiegen des kosmetischen Zwecks von einem kosmetischen Mittel im Verhältnis zu Arzneimitteln ausgegangen werden kann (vgl. BT-Drs.15/3657). Auch wenn § 2 Abs. 5 LFGB der Definition von kosmetischen Mitteln in Art. 1 der Richtlinie 76/768/EWG bzw. der geänderten Fassung der Richtlinie 2003/83/EG (ABl. Nr. 238, 23) nicht vollständig entspricht, ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. BT-Drs. a.a.O.), dass zwischen der gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbestimmung und der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 5 LFGB materiell kein Unterschied besteht (vgl. Zipfel, Lebensmittelrecht, Stand Juli 2005, § 2 C 102 Rn. 101).

Nach § 1 Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG sind kosmetische Mittel Stoffe oder Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, zu schützen, um sie in gutem Zustand zu erhalten, ihr Aussehen zu verändern oder den Körpergeruch zu beeinflussen. Da Mittel wie Zahnpasten, die schon immer zu den kosmetischen Mitteln gehörten, nicht äußerlich angewendet werden, sind Erzeugnisse, die mit den Zähnen und den Schleimhäuten in der Mundhöhle in Berührung kommen, gesondert erfasst (vgl. Zipfel a.a.O., Art. 2 C 101 Rn. 107). Daraus folgt, dass sich der Begriff „äußerlich“ nur auf die Anwendung am Körper, nicht aber auf die Anwendung in der Mundhöhle bezieht. Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dies aus § 1 Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG folgt, wonach die beiden Tatbestandsalternativen - äußerliche Anwendung am Körper einerseits sowie Anwendung an den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle andererseits - durch das Wort „oder“ getrennt sind und für den Fall, dass eine äußerliche Anwendung in beiden Fallgestaltungen für die Annahme eines kosmetischen Mittels erforderlich sein sollte, es ausgereicht hätte, Zähne und Schleimhäute der Mundhöhle als Körperteile in die Klammer zu ziehen (a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.08.2003 - 13 A 5022/00 -, VAS 937 ff.).

Selbst wenn auch bei Produkten, die an den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle angewendet werden, eine äußerliche Anwendung für die Einstufung als kosmetisches Mittel erforderlich sein sollte, liegt diese bei den hier streitgegenständlichen Produkten vor. Entgegen der Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) ist nicht erforderlich, dass das Mittel (nur) äußerlich wirkt. Andernfalls wären z.B. - als typische Kosmetika einzustufende - Sonnenschutzmittel und pflegende Cremes, die in die Haut eindringen und mithin nicht nur äußerlich wirken, keine kosmetischen Mittel (vgl. Zipfel a.a.O. § 2 C 102 Rn. 105). Dies folgt schon aus der Formulierung in der Richtlinie 76/768/EWG. Denn danach genügt es, dass das Mittel mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung kommt.

Für die Frage, ob die ausschließliche oder überwiegende Zweckbestimmung vorliegt, zur Reinigung, zum Schutz, zur Erhaltung eines guten Zustandes, zur Parfümierung, zur Veränderung des Aussehens oder dazu angewendet werden, den Körpergeruch zu beeinflussen, ist - wie auch bei der Definition des Lebensmittels und des Arzneimittels - die Bestimmung des Produkts maßgeblich, so wie sie einem durchschnittlich informierten Verbraucher gegenüber in Erscheinung tritt. Diese „Bestimmung“ - der Verwendungszweck - erschließt sich aus der stofflichen Zusammensetzung des Präparates, seiner Aufmachung und Darreichungsform und aus der Art seines Vertriebs. Mit seinem Erscheinungsbild begründet das Produkt Erwartungen und Vorstellungen über seine Zweckbestimmung; es kann aber auch an eine schon bestehende Auffassung der Verbraucherkreise über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung anknüpfen. Erscheinungsbild und damit Zweckbestimmung eines Präparates hängen weitgehend von der Konzeption ab, mit der der Hersteller oder Vertreiber es dem Markt präsentiert. Das betrifft etwa die Wahl der Inhalts- und Wirkstoffe, die Beschreibung der Wirkungsweise, die Dosierungsempfehlung, die Indikationsangaben, die Darreichungsform, die Bezeichnung und Aufmachung des Produktes, die Vertriebsweise und unter Umständen auch die Preisgestaltung. Das Gesetz verlangt die Würdigung des Gesamtproduktes im Hinblick auf die Erwartung eines durchschnittlich informierten Verbrauchers (vgl. BVerwG Urt. v. 18.12.1997, BVerwGE 106, 90 = Buchholz 418.711 Nr. 33 und Urt. v. 24.11.1994, NVwZ-RR 1995, 625; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.05.1995 - 10 S 256/96 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.08.2003 a.a.O.). Die maßgebliche Verkehrsauffassung entsteht allerdings nicht ohne konkrete Anhaltspunkte. Sie wird sich meist zunächst nach den Verwendungsangaben entwickeln, die vom Hersteller oder Händler für das Erzeugnis gemacht werden (vgl. Zipfel a.a.O. Art. 2 C 101 Rn. 95). Sofern das Mittel auch Heilzwecken dient, ist es nur dann als kosmetisches Mittel einzustufen, wenn die Zweckbestimmung überwiegend kosmetischer Art ist (vgl. Sander/Epp, Arzneimittelrecht, Stand Juli 1999, § 2 AMG, Anmerkung 36).

Entscheidend für den maßgeblichen Verwendungszweck sind die in den von der Klägerin vorgelegten Gebrauchsanweisungen aufgeführten Indikationen. Danach ist „...“ einzusetzen bei

1. Zahnverfärbungen, verursacht durch

- Ablagerung durch Nahrungsmittel, Getränke und Tabak mit Penetration in die Zahnsubstanz

- altersbedingte degenerative Veränderungen

- Tetracyclinverfärbungen (1. und 2. Grades) oder Minocyclin-Medikamentation

-Fluorosis , vor allem braune Pigmentierung

- Pulpennekrose und/oder endodontische Behandlung.

2. Maskieren von Schmelzflecken.

3. Genetisch bedingte dunkle Zähne.

4. Aufhellen von verfärbten Zähnen vor einer restaurativen und/oder prothetischen Maßnahme, z. B. Veneers.

Die Anwendung der Produkte ist mithin bei Zahnverfärbungen vorgesehen, deren Ursachen vom (End-)Verbraucher, das heißt von der behandelten Person, zumindest in der Mehrzahl nicht als krankheitsbedingt wahrgenommen werden dürften. Auch wenn nach § 1 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde als Krankheit jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen ist, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen, und sich danach auch Zahnverfärbungen jeglicher Art als Krankheit verstehen lassen, dürfte für das Verständnis des Verbrauchers maßgeblich sein, dass als Indikation zum Bleichen verfärbter Zähne „meist rein ästhetische Aspekte angegeben“ werden (vgl. Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zum „Bleichen“ von verfärbten Zähnen, VAS 284 ff). Da es nur um das Aussehen, nicht aber um die Funktionsfähigkeit sowie Schmerzlosigkeit der Zähne geht, treten die gegen eine Einstufung als kosmetisches Mittel sprechenden Umstände wie Anwendung durch den Zahnarzt (nur bei „... office“) sowie Warnhinweise in den Gebrauchsanweisungen wegen eventueller Nebenwirkungen in den Hintergrund. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass auch eine „Schönheitsoperation“ nicht deshalb aus Sicht des Patienten heilende bzw. therapeutische Zwecke verfolgt, weil sie von einem Arzt durchgeführt wird und die Gefahr in sich birgt, dass die Operation misslingt. Die Klägerin hat weder zur Überzeugung der Kammer darlegen noch nachweisen können, dass Hauptanwendungsgebiet der streitgegenständlichen Produkte oder anderer vergleichbarer Zahnbleichmittel, die ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt werden, Fälle extremer Zahnverfärbungen sind, die das Erscheinungsbild des Betroffenen nachhaltig beeinträchtigen, etwa weil (nahezu) alle sichtbaren Zähne stark verfärbt sind. In solchen Fällen mag (auch) aus Sicht des Verbrauchers der Einsatz von Zahnbleichmitteln der Linderung einer (Zahn-) Krankheit dienen. Dass sie aber das Hauptanwendungsgebiet der hier streitgegenständlichen Produkte sind, steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass Zahnbleichmittel vor allem bei (leichten) Zahnverfärbungen angewendet werden, wenn die Betroffenen ein Erscheinungsbild ihrer Zähne wünschen, wie es auch in der Werbung als Ideal verstanden wird. Darauf deutet auch die Reihenfolge der in den Gebrauchsanweisungen aufgeführten Indikationen hin. Zahnverfärbungen, die durch Nahrungsmittel, Getränke und Tabak verursacht worden sind, werden dort als erstes genannt und stellen daher wohl das Hauptanwendungsgebiet der streitgegenständlichen Produkte dar. Für die Kammer steht fest, dass in solchen Fällen aus Sicht des Verbrauchers der Einsatz von Zahnbleichmitteln kosmetischen Zwecken dient, zumal dessen Vorstellung der Umstand beeinflussen dürfte, dass - wie der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - die Kosten für eine Behandlung durch Zahnbleichmittel nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).