ArbG Lörrach, Urteil vom 17.12.2007 - 5 Ca 410/07
Fundstelle
openJur 2012, 66983
  • Rkr:

Für die Eingruppierung als Oberarzt in die Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an den Zentren für Psychiatrie des Landes Baden-Württemberg vom 5.2.2007 (TV Ärzte ZfP) ist es erforderlich, dass der betroffene Arzt Aufsichts- und Weisungsbefugnisse gegenüber nachgeordneten Fachärzten hat.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes der Entscheidung beträgt 46.800,00 EUR.

4. Die Berufung wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers in den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an den Zentren für Psychiatrie des Landes Baden-Württemberg vom 5. Februar 2007 (im folgenden: TV-Ärzte ZfP).

Der Kläger ist seit dem 0.0.1999 als Facharzt für Innere Medizin bei dem beklagten Zentrum für Psychiatrie beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 0.0.1998 (ABl. 17 ff.) zugrunde. Der Kläger hatte sich auf eine Stellenausschreibung beworben, mit welcher das beklagte Zentrum für Psychiatrie "einen/eine Facharzt/-Ärztin für Innere Medizin als Fachbereichsleiter/-in Innere Medizin" gesucht hatte.

Der Kläger ist der einzige beim beklagten Zentrum für Psychiatrie beschäftigte Facharzt für Innere Medizin und alleine zuständig für sämtliche im Hause des Beklagten anfallenden und seiner Fachrichtung zuzuordnenden Tätigkeiten. Im Hause des Beklagten existiert keine bettenführende Abteilung "Innere Medizin". Der Kläger ist vielmehr zuständig für die Diagnostik und Behandlung von somatischen Fragestellungen sämtlicher Patienten des Beklagten, welche aufgrund des fachlichen Zuschnitts des Hauses aus psychiatrischen/psychologischen Gründen dort behandelt werden. Der Kläger ist in diesem Zusammenhang u.a. verantwortlich für ein Labor, das EKG, das Röntgen, die Durchführung von Ultraschall-Untersuchungen, die Physiotherapie und die Bade- und Massagetherapie von Patienten. In einem Zwischenzeugnis vom 0.0.2004 (ABl. 20) wird der zwischen den Parteien unstreitige Tätigkeitsbereich des Klägers beschrieben, worauf ergänzend Bezug genommen wird. Der Kläger ist zudem Strahlenschutz- und Hygienebeauftragter im Hause des Beklagten.

Die Parteien sind tarifgebunden an den TV-Ärzte ZfP. Der Kläger macht klageweise seine Eingruppierung und entsprechende Differenzvergütung seit 0.0.2007 geltend und hält eine Eingruppierung in die Stufe Ä3 des § 12 TV-Ärzte ZfP für zutreffend. Das beklagte Zentrum für Psychiatrie hat den Kläger in die Entgeltgruppe Ä2 des § 12 TV Ärzte ZfP eingruppiert und zahlt dem Kläger darüber hinaus derzeit auf freiwilliger Grundlage eine individuelle Zulage von 112,00 EUR monatlich.

§ 12 TV-Ärzte ZfP hat folgenden Wortlaut:

" § 12

Eingruppierung

Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

EntgeltgruppeBezeichnungÄ1 Ärztin/Arzt mit entsprechender TätigkeitÄ2 Fachärztin/Facharzt mit entsprechender TätigkeitÄ3 Oberärztin/Oberarzt Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist. Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeit- geber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatz- weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.Ä4 Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist. (Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.

Wegen der sonstigen Regelungen des TV Ärzte ZfP wird auf ABl. 27 ff. Bezug genommen.

Der TV-Ärzte ZfP ist zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten, das Arbeitsverhältnis unterfiel zuvor den Regelungen des BAT. Der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an den Zentren für Psychiatrie des Landes Baden-Württemberg (TVÜ-Ärzte ZfP) vom 5. Februar 2007 hat unter anderem folgenden Wortlaut:

"§ 4 Eingruppierung

Für die Eingruppierung der Ärzte ab 1. Januar 2007 gilt die Entgeltordnung gemäß § 12 TV Ärzte ZfP."

Die Tarifvertragsparteien haben hierzu folgende Niederschriftserklärung abgegeben:

"Zu § 4:

Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Dezember 2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin beziehungsweise Oberarzt nach § 12 TV Ärzte ZfP zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe Ä3 ist hiermit nicht verbunden. Die Tarifvertragsparteien werden im Sommer 2007 auf Verlangen des Marburger Bundes Baden-Württemberg gemeinsam die ordnungsgemäße Überleitung in den TV Ärzte ZfP prüfen.

Die missbräuchliche Entziehung der Tätigkeit mit dem ausschließlichen Ziel, eine höhere Eingruppierung beziehungsweise eine Besitzstandszulage zu verhindern, ist nicht zulässig."

Wegen der sonstigen Regelungen des TVÜ Ärzte ZfP wird auf ABl. 45 ff. Bezug genommen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm durch das beklagte Zentrum für Psychiatrie die medizinische Verantwortung für den Teil- oder Funktionsbereich der "Inneren Medizin" übertragen worden sei. Er habe eine herausragende, abteilungsübergreifende und weit über dem durchschnittlichen Verantwortungsbereich eines Facharztes für Innere Medizin liegende Stellung im beklagten Zentrum für Psychiatrie. Er betreue als Fachbereichsleiter für Innere Medizin alle Abteilungen des beklagten Zentrums in sämtlichen somatischen und notfallmedizinischen Bereichen und sei in diesem Zusammenhang 25 Assistenz- und Fachärzten des Hauses in somatischer Hinsicht weisungsbefugt. Im Zweifel entscheide er, wie ein Patient in somatischer Hinsicht behandelt werde. Er sei kein Konsilarzt sondern abteilungsübergreifender internistischer Fachbereichsleiter. In dieser Funktion führe er eigenständige Visiten durch. Seine besondere Stellung komme zudem dadurch zum Ausdruck, dass er vom Beklagten das Recht zur Privatliquidation eingeräumt bekommen habe. Dies sei ein typisches Merkmal von Chefärzten und gelegentlich Oberärzten, nicht jedoch von "einfachen" Fachärzten.

Der Kläger beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 0.0 2007 Vergütung der Entgeltgruppe Ä3 Stufe 3 (Oberärztin/ Oberarzt ab dem 7. Jahr) des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an den Zentren für Psychiatrie des Landes Baden-Württemberg vom 05. Februar 2007 zu zahlen, sowie die unständigen Bezügebestandteile unter Zugrundelegung dieser Eingruppierung zu berechnen und auszuzahlen.

2. Der nachzuzahlende Differenzbetrag ist - beginnend mit dem 0.0.2007 - zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten, bei vor Rechtshängigkeit liegenden Fälligkeitszeitpunkten, hilfsweise ab Rechtshängigkeit, mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Das beklagte Zentrum für Psychiatrie beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Zentrum vertritt die Auffassung, dass der Kläger nicht die medizinische Verantwortung im Sinne des § 12 TV Ärzte ZfP für einen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik übertragen bekommen hat. Zum einen handele es sich bei der "Inneren Medizin" im Hause der Beklagten nicht um einen Teil- oder Funktionsbereich im Sinne des § 12 TV Ärzte ZfP. Zum anderen und jedenfalls sei dem Kläger nicht die "medizinische Verantwortung" im Sinne des § 12 TV Ärzte ZfP, Entgeltgruppe Ä3, übertragen worden. Der Kläger habe kein Weisungsrecht gegenüber anderen Fachärzten oder Assistenzärzten. Jeder Facharzt sei gegenüber den ihm zugeordneten Assistenzärzten und dem Pflegepersonal weisungsbefugt. Die Eingruppierung als "Oberarzt" nach Entgeltgruppe Ä3 des § 12 TV Ärzte ZfP rechtfertige dies alleine jedoch nicht. Der dort verwendete Begriff der "medizinischen Verantwortung" umfasse notwendigerweise, dass der Oberarzt gegenüber anderen Fachärzten vorgesetzt, das heißt, weisungsberechtigt sei. Dies ergebe sich bereits sprachlich aus dem Begriff des "Oberarztes" sowie aus der Systematik der Entgeltgruppen in § 12 TV Ärzte ZfP. "Medizinische Verantwortung" gegenüber den zu behandelnden Patienten nehme jeder Arzt wahr, dies sei dessen ureigenste Aufgabe. Die Auslegung des Begriffs "medizinische Verantwortung" im Zusammenhang mit der Eingruppierung zum Oberarzt in Entgeltgruppe Ä3 des § 12 TV Ärzte ZfP ergebe daher, dass eine ärztliche Vorgesetztenfunktion wahrgenommen werden müsse.

Im Übrigen wird auf den Parteivortrag in den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen. Die Kammer hat den Rechtsstreit auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2007 hin ohne Durchführung einer Beweisaufnahme entschieden.

Gründe

I.

Das Arbeitsgericht Lörrach, Kammern Radolfzell, war für die Entscheidung des Rechtsstreits gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, 46 Abs. 2 ArbGG, 12 ff. ZPO örtlich und sachlich zuständig.

Die Eingruppierungsfeststellungsklage war gemäß § 256 ZPO zulässig. Die aus der Eingruppierung des Klägers folgende Verpflichtung zur Vergütungszahlung berechnet aus der betreffenden Entgeltgruppe des TV Ärzte ZfP ist zwischen den Parteien streitig und stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.

II.

Die zulässige Klage war jedoch in der Sache ohne Erfolg. Nach dem Dafürhalten der Kammer ist der Kläger nicht in Entgeltgruppe Ä3 des § 12 TV Ärzte ZfP einzugruppieren. Zutreffend ist vielmehr die derzeit von dem beklagten Zentrum für Psychiatrie vorgenommene Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä2. Der Kläger erfüllt nicht die tatsächlichen Voraussetzungen des Tätigkeitsbereichs eines Oberarztes im Sinne der Entgeltgruppe Ä3 des § 12 TV Ärzte ZfP, er trägt insbesondere nicht die "medizinische Verantwortung" für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik oder Abteilung.

Im Einzelnen:

1. Zwischen den Parteien streitig und vom Kläger geltend gemacht war lediglich die erste Alternative der Eingruppierung als Oberarzt in Entgeltgruppe Ä3 des TV Ärzte ZfP. Der Kläger erfüllt unstreitig nicht die Voraussetzungen einer übertragenen Spezialfunktion mit erfolgreich abgeschlossener Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung und hat dies auch nicht geltend gemacht.

Es war mithin entscheidend, ob dem Kläger die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist oder nicht.

Aufgrund der erstmaligen Einführung einer Eingruppierungsstufe "Oberarzt" durch die verschiedenen TV Ärzte ab dem 1.1.2007 kann zur Auslegung der Tarifnorm nur in sehr geringem Umfang auf bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung und bereits gesicherte Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Lediglich das Merkmal des "Funktionsbereichs" war bereits im früher auch auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anwendbaren Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) definiert als wissenschaftlich anerkanntes Spezialgebiet innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes. Sowohl der Begriff des "Teilbereichs" wie auch und insbesondere der Begriff der "medizinischen Verantwortung" sind jedoch - soweit ersichtlich - in den TV Ärzte erstmals als Eingruppierungsmerkmal verwendet worden. Durch die Anfügung einer Niederschriftserklärung (Protokollnotiz) zum Überleitungstarifvertrag TVÜ Ärzte ZfP haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass die reine Titulierung als Oberarzt nicht ausreichend ist, die Eingruppierung in Ä3 zu rechtfertigen. Vielmehr müssen im Einzelfall die dortigen Eingruppierungsvoraussetzungen erfüllt sein.

Die Auslegung des Begriffs der "medizinischen Verantwortung" ist umstritten. In der ersichtlichen Instanzrechtsprechung wird zum einen vertreten, dass das Erfordernis erfüllt sei, wenn dem Betroffenen Aufsichtfunktionen über ärztliches oder nichtärztliches Personal übertragen wurden (ArbG Düsseldorf, 12.7.2007, 14 Ca 669/07). Ebenso wird vertreten, dass die Weisungsbefugnis gegenüber Assistenzärzten und medizinischem Pflegepersonal es noch nicht rechtfertige, von der Übertragung "medizinischer Verantwortung" auszugehen, da bereits Fachärzte den Ärzten in der Weiterbildung und den Pflegekräften gegenüber weisungsbefugt seien (ArbG Darmstadt, 26.7.2007, 12 Ca 122/07). Schließlich wird in der Literatur sogar vertreten, dass überhaupt keine Aufsichts- oder Weisungsfunktion wahrgenommen werden müsse, um von der Übertragung "medizinischer Verantwortung" ausgehen zu können. Ein Teil- oder Funktionsbereich im Sinne der TV Ärzte könne daher auch nur aus dem Oberarzt selbst bestehen (Bruns, ArztRecht 2007, Seite 60, 67).

2. Die Kammer geht vorliegend davon aus, dass für die Annahme der Übertragung "medizinischer Verantwortung" für Teil- oder Funktionsbereiche nach Entgeltgruppe Ä3 des § 12 TV Ärzte ZfP erforderlich ist, dass der betroffene Arzt Aufsichts- und Weisungsbefugnisse gegenüber nachgeordneten Fachärzten hat. Da dies beim Kläger nicht der Fall ist, ist dessen Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä3 nicht gerechtfertigt.

Dies ergibt die nach Auffassung der Kammer sachgerechte Auslegung des § 12 TV Ärzte ZfP.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nach den für Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne an den Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z.B. BAG 23.5.2007, 10 AZR 323/06).

b) § 12 TV Ärzte ZfP verwendet in den Entgeltgruppen eine sprachliche Stufenfolge, welche auf eine zugrundeliegende personelle Hierarchie in der betroffenen Klinik schließen lässt. Entgeltgruppe Ä1 bezeichnet den oder die Betroffene begrifflich als "Ärztin/Arzt", Entgeltgruppe Ä2 als "Fachärztin/Facharzt" und Entgeltgruppe Ä3 als "Oberärztin/Oberarzt". Entgeltgruppe Ä4 betrifft Fachärzte als ständige Vertretung des Chefarztes.

Nach Ansicht der Kammer lässt sich aus der Verwendung der Begriffe schließen, dass jedenfalls in den Entgeltgruppen Ä1 bis Ä3 jeweils Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse gegenüber der jeweils niedrigeren Entgeltgruppe bestehen müssen. Fachärzte sind stets den Assistenzärzten (Entgeltgruppe Ä1) hierarchisch übergeordnet und nehmen Aufsichts- und Weisungsbefugnisse wahr. Der Definition des "Facharztes" ist damit die hierarichische Überordnung über die Gruppe der "Ärzte" immanent.

Der Begriff des "Oberarztes" wurde dagegen in den Kliniken bislang unterschiedlich verwendet, was auch aus der Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien zur Anwendung des § 4 TVÜ Ärzte ZfP zum Ausdruck kommt. Die Annahme eines "Oberarztes" im Sinne der Entgeltgruppe Ä3 setzt aber nach Auffassung der Kammer ebenfalls voraus, dass Aufsichts- und Weisungsbefugnisse gegenüber Fachärzten, jedenfalls aber Ärzten jedweder Art ausgeübt werden. Zwar ist im Wortlaut der Eingruppierungsvoraussetzungen hiervon nicht ausdrücklich die Rede. Der Begriff der "medizinischen Verantwortung" ist jedoch ausfüllungsbedürftig, da jeder Arzt und Facharzt medizinische Verantwortung trägt. Die Tarifvertragsparteien haben daher die Übertragung medizinischer Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung gefordert. Dies macht deutlich, dass hier über die unmittelbare Patientenverantwortung hinausgehende Verantwortung gemeint ist. Zugleich impliziert die Stufenfolge der Entgeltgruppen wie auch die Begriffsverwendung "Ober"arzt, dass eine hierarchische Rangfolge der Ärzte im Klinikum als Grundlage für die Eingruppierung dienen soll. Die Übertragung medizinischer Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche beinhaltet damit notwendigerweise, dass Aufsichts- oder Weisungsbefugnisse gegenüber Fachärzten oder jedenfalls anderem ärztlichen Personal ausgeübt werden muss. Die gegenteilige Auffassung von Bruns (ArztRecht 2007, Seite 60, 67) hält die Kammer nicht für zutreffend. Sie wird vom Autor auch nur unter Bezugnahme auf eine "arztfeindlichere" Formulierung im TVöD vorgetragen, jedoch nicht weiter begründet. Entgegen dieser Rechtsauffassung ist nach Ansicht der Kammer ein Oberarzt im Sinne der Entgeltgruppe Ä3 nicht ohne nachgeordnetes und weisungsgebundenes ärztliches Personal denkbar.

Dies ergibt sich auch aus der Verwendung des Begriffs des "Oberarztes", worauf die Beklagtenseite nach Ansicht der Kammer zutreffend hingewiesen hat. Der Begriff des "Oberarztes" ist - soweit ersichtlich - der entsprechenden Dienstgradbezeichnung des Sanitätsdienstes des Preußischen Heeres entsprungen. Dort wurde unterschieden unter "Unterarzt", "Assistenzarzt", "Oberarzt", "Stabsarzt", "Oberstabsarzt", "Generaloberarzt" und weiteren. Dem entsprachen die Offiziersdienstgrade des Unteroffiziers (Unterarzt), Leutnants (Assistenzarzt), Oberleutnants (Oberarzt), Hauptmanns (Stabsarzt), Majors (Oberstabsarzt), Oberstleutnant (Generaloberarzt).

Aus dieser Wortherkunft heraus, aber auch nach heutigem Sprachverständnis ist es erforderlich, dass einem "Oberarzt" zumindest ein nachgeordneter "Unterarzt" zur Verfügung steht. Dies ist bei der Auslegung des Begriffs der "medizinischen Verantwortung" für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik zu berücksichtigen und vorliegend nicht gegeben.

c) Der Kläger hat zwar behauptet, er sei sämtlichen Assistenz- und Fachärzten der Klinik in somatischer Hinsicht weisungsbefugt.

Bereits im Kammertermin wurde jedoch auf die Ansicht des Gerichts hingewiesen, dass dies nicht im Sinne einer dienstlichen oder beruflichen Hierarchie gemeint sein kann, sondern nur im Sinne eines sachgerechten medizinischen Verständnisses der Einholung konsiliarischen ärztlichen Rats. Die Kammer geht ebenso wie der Kläger und auch das beklagte Zentrum davon aus, dass bei somatischen Fragestellungen die ärztlichen Ratschläge des Klägers von den insoweit nicht spezialisierten sonstigen Ärzten im Zentrum für Psychiatrie befolgt werden. Hieraus folgt jedoch nicht eine entsprechende hierarchische Überordnung des Klägers und eine entsprechende Weisungsbefugnis des Klägers gegenüber anderen Assistenz- oder Fachärzten. Wie die Erörterungen im Kammertermin ebenfalls gezeigt haben, weist der Kläger auch keine ärztlichen Kollegen an, bestimmte internistische ärztliche Tätigkeiten zu verrichten sondern entscheidet vielmehr aufgrund seiner eigenen Fachkunde über die im Bereich der Inneren Medizin erforderlichen Handlungen oder Behandlungen, welche er, gegebenenfalls mit Unterstützung nichtärztlichen Personals, selbst in die Wege leitet und durchführt.

d) Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Bereich der Inneren Medizin im Hause des beklagten Zentrums für Psychiatrie ein Teilbereich im Sinne der Entgeltgruppe Ä3 des § 12 TV Ärzte ZfP ist, was nach Auffassung der Kammer durchaus nahe liegt, kann nach dem vorstehend Ausgeführten daher nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die "medizinische Verantwortung" im Sinne einer Einsetzung als "Oberarzt" übertragen worden ist. Die medizinische Verantwortung trägt insoweit vielmehr der dem Kläger unstreitig überstellte Chefarzt der Gerontopsychiatrie. Die vom Kläger geltend gemachte Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä3 ist daher nach Auffassung der Kammer nicht gerechtfertigt, weshalb die Klage abzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung ist nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergangen. Hiernach hatte der Kläger als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes der Entscheidung wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Die Höhe wurde nach § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG in Höhe des 3-jährigen Unterschiedsbetrages zwischen den Entgeltgruppen Ä3 und Ä2, welcher nach Mitteilung der Parteien 1.300,00 EUR brutto beträgt, festgesetzt.

Die Entscheidung über die gesonderte Zulassung der Berufung ist nach § 64 Abs. 3 a ArbGG ergangen. Nach § 64 Abs. 3 Nr. 2 b ArbGG war vorliegend die Berufung für den Kläger zuzulassen, da die Frage der Auslegung des TV Ärzte ZfP neue Rechtsfragen aufwirft, welche über den Bezirk des hiesigen Arbeitsgerichts hinausgehen. Unberührt hiervon bleibt § 64 Abs. 2 ArbGG, der die gesetzlich zugelassene Berufung betrifft.