LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2007 - L 8 AS 4065/07
Fundstelle
openJur 2012, 66756
  • Rkr:

Die kostenlose Verpflegung in einem Krankenhaus oder in einer Rehabilitationseinrichtung ist weder eine Hilfe iSd § 9 Abs. 1 SGB II, die der Hilfebedürftige von einem Träger anderer Sozialleistungen (Krankenkasse oder Rentenversicherungsträger) erhalten hat, noch handelt es sich dabei um Einkommen (in der Form der Sachleistung) iSd § 11 SGB II.Revision beim BSG anhängig unter Az.: B 14 AS 58/07.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. April 2007 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die dem Kläger bewilligte Regelleistung nachträglich jeweils anteilig für Zeiten des Krankenhausaufenthalts bzw. der medizinischen Rehabilitation um den Wert der dabei bezogenen Vollverpflegung in Höhe von 35 % der Regelleistung gekürzt hat.

Der 1949 geborene Kläger und seine 1949 geborene Ehefrau beziehen von dem Beklagten seit 01.01.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Bescheid vom 25.02.2006 wurden den Eheleuten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.03.06 bis 31.08.06 bewilligt, und zwar für März 2006 in Höhe von 626,87 EUR und für die Monate ab April 2006 in Höhe von 689,47 EUR. Die monatlichen Leistungen setzen sich zusammen aus der Regelleistung (§ 20 SGB II) von 611 EUR (2x 311 EUR) und Kosten für Unterkunft und Heizung.

Vom 20.04. bis 04.05.2006 befand sich der Kläger in vollstationärer Krankenhausbehandlung im Klinikum in O.. Hierfür zahlte er einen Eigenanteil gemäß § 39 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in Höhe von 150,00 EUR (15 Tage á 10 EUR) an die Klinik. Nachdem der Beklagte vom Krankenhausaufenthalt des Klägers Kenntnis erhalten hatte, erließ er - ohne den Kläger vorher anzuhören - den Bescheid vom 16.05.2006. Darin kürzte er die dem Kläger bewilligte Regelleistung um 48 EUR. Zur Begründung führte er aus, die Regelleistung gemäß § 20 SGB II habe während des Krankenhausaufenthaltes (Einlieferungs- und Entlasstag nicht mitgerechnet) um 35 % gekürzt werden müssen, da der Kläger im Krankenhaus Vollverpflegung erhalten habe. Für den Zeitraum von 13 Tagen ergebe sich eine Kürzung von 48,00 EUR. Dieser Betrag werde der Einfachheit halber direkt an der ihm zustehenden Hilfe für Juni in Abzug gebracht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.06.2005 Widerspruch ein.

In der Zeit vom 09.05. bis 30.05.2006 befand sich der Kläger in einer Klinik in W.. Bei diesem Klinikaufenthalt handelte es sich um eine vom Rentenversicherungsträger bewilligte stationäre Leistung zur Rehabilitation, die auch Unterkunft und Verpflegung umfasste. Mit Bescheid vom 08. 06. 2006 kürzte der Beklagte die Regelleistung um 94,00 EUR und führte zur Begründung aus, da der Kläger vom 09.05. bis 30.05.2006 in der Reha-Klinik gewesen sei, habe seine Regelleistung gemäß § 20 SGB II während der medizinischen Rehabilitation (Einlieferungs- und Entlasstag nicht mitgerechnet) um 45 % gekürzt werden müssen, da er in der Klinik Vollverpflegung erhalten habe. Für den Zeitraum von 20 Tagen ergebe sich eine Kürzung von 94,00 EUR. Dieser Betrag werde der Einfachheit halber direkt an der ihm zustehenden Hilfe für Juli in Abzug gebracht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.07.2006 Widerspruch ein.

Vom 31.07.2006 bis zum 09.08.2006 befand sich der Kläger wiederum im Klinikum in O. in vollstationärer Krankenhausbehandlung. Mit Bescheid vom 15.08.2006 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 25.02.2005 (richtig: 2006) nach § 48 Abs. 1 SGB X teilweise auf und entschied, dass die Höhe der Leistungen für die Zeit vom 01.08. bis 31.08.2006 nur 660,47 EUR beträgt. Zur Begründung führte er u.a. aus, da der Kläger sich erneut im Krankenhaus befunden habe, und zwar vom 31.07. bis 09.08.2006, müsse die Regelleistung gemäß § 20 SGB II für die Dauer des Krankenhausaufenthaltes (Einlieferungs- und Entlasstag nicht mitgerechnet) um 35 % gekürzt werden; der Kläger habe im Krankenhaus Vollverpflegung erhalten. Für den Zeitraum von 8 Tagen ergebe sich eine Kürzung von 29,00 EUR. Dieser Betrag werde der Einfachheit halber direkt an der ihm zustehenden Hilfe für September in Abzug gebracht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 12.09.2006 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die Kürzung wegen der im Krankenhaus erhaltenen Verpflegung wandte.

Mit Bewilligungsbescheid vom 16.08.2006 wurden dem Kläger und seiner Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 bewilligt. Die Höhe der Leistungen wurde für den Monat September auf den Betrag von 660,51 EUR festgesetzt und für die übrigen Monate des Bewilligungszeitraumes auf 689,51 EUR. Unter der Überschrift Bemerkungen wurde ausgeführt: Bezüglich des Einbehalts im September verweisen wir auf den Bescheid vom 15.08.2006. Ihre erhöhten Hausnebenkosten haben wir zum 01.09.2006 berücksichtigt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16.05.2006, mit dem die Regelleistung wegen des Krankenhausaufenthaltes vom 20.04. bis 04.05.2006 in Höhe von 35 % gekürzt worden war, zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, bereitgestellte Ernährung im Rahmen eines stationären Aufenthaltes sei mit einem Wert von 35 % der Regelleistung nach § 20 Abs.2 SGB II zu berücksichtigen. In Höhe des errechneten Wertes sei der Bedarf des Hilfebedürftigen als gedeckt anzusehen; dieser Betrag sei als bedarfsmindernde Leistung anzurechnen. Da sich der Kläger vom 20. 04. bis 04.05. 2006 in stationärer Behandlung befunden habe, sei insofern ein entsprechender Wert in Höhe von 48,00 EUR bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Eine Übernahme der Zuzahlungen in Höhe von täglich 10,00 EUR sei nicht möglich, da derartige Gebühren bereits durch die Regelleistung abgedeckt seien. Insofern vermöge der Vortrag des Klägers, er habe einen Eigenanteil in Höhe von 150,00 EUR bezahlen müssen, dem Widerspruch ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, sich von der Zuzahlung befreien zu lassen. Dies hänge von den persönlichen Einkommensverhältnissen ab. Es werde dem Kläger daher empfohlen, sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung zu setzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 08.06.2006, mit dem die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer der medizinischen Rehabilitation in der Reha-Klinik vom 09.05. bis 30.05. 2006 in Höhe von 45 % gekürzt worden war, zurück. Zur Begründung führte er aus, für die Dauer der stationären Reha-Behandlung stehe dem Kläger die volle Regelleistung nicht zu, da wesentliche von der Regelleistung umfasste Anteile durch die Einrichtung getragen würden. Aufgrund dieser teilweisen Deckung des Bedarfs bestehe Hilfebedürftigkeit nur in eingeschränktem Umfang. Der gewährte Betrag in Höhe von 55 % aus der Regelleistung orientiere sich an der Aufteilung der Regelleistung nach der Verordnung zur Durchführung des § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) Regelsatzverordnung (RSV). Für die Dauer der stationären Rehabilitationsmaßnahme sei von den Leistungen mithin ein Betrag in Höhe von 94,00 EUR in Abzug zu bringen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2006 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 15.08.2006, mit dem die Regelleistung wegen der stationären Behandlung vom 31. 07. bis 09. 08. 2006 mit einem Wert von 35 % der Regelleistung gekürzt worden war, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe sich in stationärer Behandlung (Krankenhaus) befunden, weshalb ein entsprechender Wert in Höhe von 29,00 EUR bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen sei.

Gegen alle drei Widerspruchsbescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat mit Beschluss vom 04.01.2007 die Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Teilabhilfebescheid vom 09. 01. 2007 hat der Beklagte den Bescheid vom 08. 06. 2006, mit dem die Regelleistung um 45 % gekürzt worden war, teilweise aufgehoben und festgestellt, dass die Regelleistung lediglich in Höhe von 35 % zu kürzen sei.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klagen vorgetragen, die Regelleistung stelle eine Pauschale dar und durch die Pauschalierung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Leistung dem Bedürftigen ohne die Berücksichtigung individueller Belange zustehen solle. Ein Mehrbedarf an Essen, Trinken, Strom etc. könne von ihm auch nicht geltend gemacht werden. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass der Versorgung im Krankenhaus oder Kureinrichtung die Tauschbarkeit in Geld fehle; somit handele es sich nicht um eine Einnahme in Geldeswert.

Mit Urteil vom 30.04.2007 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, da der Kläger Anspruch auf ungekürzte Leistungsgewährung habe. Die Berufung ist zugelassen worden. Zur Begründung im Einzelnen ist ausgeführt, gemäß § 20 Abs. 2 SGB II betrage die monatliche Regelleistung für den Kläger 311,00 EUR. Diese Norm bestimme abschließend die vom Gesetzgeber pauschalierte Höhe der Regelleistung. Ein Abzug hiervon könne nicht mit der anderweitigen Deckung eines bei der Festsetzung der Regelleistung berücksichtigten Bedarfs - hier: Nahrung und Getränke - gerechtfertigt werden. Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die abweichende Festsetzung der Regelleistung bei anderweitiger Bedarfsdeckung existiere im SGB II nicht. Der Wortlaut des Gesetzes spreche mithin gegen die Möglichkeit einer Regelleistungskürzung in derartigen Fällen. Anders verhalte es sich im SGB XII (vgl. § 9 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), was gesetzessystematisch dafür spreche, dass eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für eine Regelsatzkürzung auch im SGB II erforderlich wäre. Anders als die Leistungen nach dem SGB XII seien die Leistungen nach dem SGB II nicht konkret bedarfsdeckend, sondern bedarfsorientiert ausgestaltet. Dem korrespondiere der weitgehende Verzicht auf einmalige Leistungen. Je pauschaler eine Leistung aber ausgestaltet sei, desto höher sei naturgemäß das Risiko, dass im Einzelfall entweder ein tatsächlich höherer Regelbedarf nicht gedeckt werde oder ein tatsächlich niedrigerer Bedarf zu einer Überdeckung beim Leistungsempfänger führe. Dies habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Schließlich erscheine eine Regelsatzkürzung bei stationären Aufenthalten unter dem Gesichtspunkt der anderweitigen Bedarfsdeckung auch nicht sachgerecht. Würde man in diesen Fällen eine zum Nachteil des Leistungsempfängers abweichende Festlegung der Regelleistung ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage zulassen, müsste es umgekehrt dem Leistungsempfänger erlaubt werden, einen durch den stationären Aufenthalt verursachten höheren tatsächlichen Bedarf mit leistungserhöhender Wirkung geltend zu machen, z.B. für höhere Telekommunikationskosten (Telefonate nach Hause), Fahrtkosten für Besuche von Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft (z.B. des minderjährigen Kindes) oder Mehraufwendungen für den Einsatz einer Haushaltshilfe. Bei der während der stationären Aufenthalte genossenen Verpflegung handele es sich schließlich auch nicht um zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne von § 11 SGB II. Sachleistungen hätten nur dann einen Geldeswert, wenn sie einen Marktwert hätten, d.h. die Sachleistung jederzeit in Geld tauschbar sei. Die in stationären Einrichtungen erbrachte Verpflegung sei indessen nicht in Geld tauschbar. Nehme ein Patient diese Leistung ganz oder teilweise nicht ab, führe dies weder bei ihm noch bei seiner Krankenkasse zu einem geldwerten Vorteil. Es existiere für derartige Verpflegungsleistungen zu- dem auch kein Markt. Ein außenstehender Dritter könnte einem im Krankenhaus befindlichen SGB II - Empfänger die nicht in Anspruch genommene Tagesverpflegung nicht in dem Sinne abkaufen, dass statt des Leistungsempfängers dieser Dritte die Mahlzeiten im Krankenhaus einnehme. Die vom Beklagten vorgenommene Regelleistungskürzung wegen der stationären Aufenthalte des Klägers sei demnach nicht zulässig.

Gegen das dem Beklagten am 30.07.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20. 08. 2007 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, die von ihm vorgenommene Kürzung der Regelleistung für Zeiten des Krankenhausaufenthaltes bzw. der medizinischen Rehabilitation und der dabei bezogenen Vollverpflegung sei rechtmäßig. Als Einkommen seien gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Einnahmen in Geldeswert seien Sacheinnahmen einschließlich Dienst- und Naturalleistungen, die einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren Wert besäßen. Bei diesem Geldwert müsse es sich um einen Marktwert handeln, denn nur Leistungen mit einem Marktwert seien geeignet, die aktuelle Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Naturalleistungen wie der Verpflegung während eines stationären Aufenthalts komme ein solcher Marktwert zu. Dies folge schon daraus, dass für diese Leistung ein anderer Sozialleistungsträger (Krankenversicherung, Rentenversicherungsträger) aufgekommen sei. Der Verpflegung des Klägers im Krankenhaus bzw. Rehaklinik habe demnach ein entsprechendes Entgelt an den Einrichtungsträger gegenüber gestanden. Es habe auch eine bedarfsbezogene Verwendbarkeit der Lebensmittel vorgelegen, denn das an den Kläger verabreichte Essen habe seinen diesbezüglichen Verpflegungsbedarf gedeckt. In diesem Umfang habe der Kläger auch Aufwendungen für den Lebensunterhalt erspart, die er ansonsten hätte aus der Regelleistung bestreiten müssen. Entsprechend sei seine Hilfebedürftigkeit hierdurch verringert worden. Dies wäre nicht möglich, wenn die Verpflegungsleistung keinen geldwerten Vorteil darstelle. Zudem werde kostenlose Verpflegung in der von § 2 Abs. 4 Alg II - V in Bezug genommenen Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) ausdrücklich als geldwerter Sachbezug geregelt. Falle die Verpflegung während eines stationären Aufenthaltes damit unter den Begriff des Einkommens im Sinne des § 11 SGB II, so sei gemäß § 2 b Alg II - V zu berücksichtigen, dass mit dieser Regelung eine Auffangklausel geschaffen worden sei, womit der Verordnungsgeber offensichtlich habe absichern wollen, dass kein Einkommen unberücksichtigt bleibe, das nicht ausdrücklich von der Einkommensanrechnung ausgenommen worden sei. Eine relevante Ausnahme von der Einkommensanrechnung liege im vorliegenden Fall nicht vor. Entgegen der Auffassung des SG komme eine Nichtberücksichtigung der geldwerten Leistung über die Bestimmung des § 1 Abs.1 Ziffer 2 Alg II - V nicht in Betracht. Denn bei Leistungen, die ein anderer Sozialleistungsträger im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit erbringe, handele es sich nicht um Zuwendungen eines Dritten. Was den Bemessungswert geldwerter Naturalleistungen anbelange, enthalte § 2 b Alg II-V keine Vorgaben; dieser ordne lediglich die entsprechende Anwendung von § 2 Alg II - V an. Zentraler Anknüpfungspunkt für die Wertbemessung einzelner Leistungen sei somit der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltende Leistungssatz des § 20 Abs.2 und 3 SGB II von 311 EUR. Hiervon ausgehend sei die erfolgte Einkommensanrechnung auch in der Höhe rechtlich nicht zu beanstanden. Der Anteil der Vollverpflegung an der monatlichen Regelleistung werde hier mit 35 % angesetzt, wie dies zwischen dem früheren Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge vereinbart worden sei.

Der Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. April 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Gründe

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind nicht nur die Bescheide vom 16.05.2006, 08.06.2006 und 15.08.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.10.2006, 26.10.2006, 27.10.2006 und des Teilabhilfebescheides vom 09.01.2007. Streitgegenstand ist auch der Bescheid vom 16.08.2006, allerdings nur insoweit, als damit die mit Bescheid vom 15.08.2006 festgesetzte Kürzung der Regelleistung für die Zeit vom 31.07. bis 09.08.2006 durch Aufrechnung umgesetzt worden ist. Denn der vom Kläger am 12.09.2006 eingelegte Widerspruch, mit der er sich gegen die Kürzung der Regelleistung wandte, erfasste der Sache nach auch die mit Bescheid vom 16.08.2006 erfolgte Aufrechnung.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte ist verpflichtet, die einbehaltenen Leistungen an den Kläger auszuzahlen.

Für das Verfahren finden die Vorschriften des SGB X Anwendung (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Als Rechtsgrundlage für die streitbefangenen Bescheide kommt § 48 SGB X in Betracht. Nach dessen Abs. 1 Satz 2 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Diese Regelung erfasst aufgrund ihrer Ergänzung durch § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X auch die Anrechnung von Einkommen auf zurückliegende Zeiträume (BSG 23.11.2006 - B 11b AS 17/06 B -).

Die angefochtenen Bescheide lassen noch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass damit der Bewilligungsbescheid vom 25.02.2006 abgeändert wird, obwohl in den Bescheiden vom 16.05.2006 und 08.06.2006 der Bewilligungsbescheid weder erwähnt noch die Rechtsnorm genannt wird, auf die eine Abänderung gestützt wird. Aus den Ausführungen der Bescheide ergibt sich aber, dass hierdurch in eine zuvor bewilligte Leistungsbewilligung eingegriffen wird (siehe zur Frage der Bestimmtheit von Bescheiden in diesem Zusammenhang LSG Baden-Württemberg Urteil vom 19.07.2007 - L 7 AS 1431/07 - juris).

Die Voraussetzungen für eine Änderung des Bewilligungsbescheides vom 25.02.2006 sind vorliegend aber nicht erfüllt. Die kostenlose Verpflegung in einem Krankenhaus oder in einer Rehabilitationseinrichtung ist weder eine Hilfe iSd § 9 Abs. 1 SGB II, die der Kläger von einem Träger anderer Sozialleistungen (Krankenkasse oder Rentenversicherungsträger) erhalten hat, noch handelt es sich dabei um Einkommen iSd § 11 SGB II. Die Verpflegung im Krankenhaus im Rahmen einer vollstationären Behandlung ist gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V Teil der Krankenbehandlung. Auf sie haben Versicherte nur einen Anspruch, wenn die Erkrankung eine Behandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses erfordert. Eine stationäre Behandlung muss zwar nicht zwingend zB Arznei-, Heil- und Hilfsmittel umfassen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig sind. Andererseits reicht es aber nicht aus, wenn nur Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestellt werden (so ausdrücklich BSG 28.02.2007 - B 3 KR 15/06 R -). Daraus folgt, dass die einem Versicherten zur Verfügung gestellte Verpflegung in einem Krankenhaus untrennbarer Bestandteil der Krankenbehandlung ist und nicht als hiervon gesondert zu betrachtende Leistung angesehen werden kann. Schon deshalb ist es nicht zulässig, die Verpflegung als Einkommen in Form einer Sachleistung zu werten. Entsprechendes gilt für die Verpflegung während einer vom Rentenversicherungsträger finanzierten stationären Rehabilitationsmaßnahme. Denn stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einschließlich Unterkunft und Verpflegung darf auch der Rentenversicherungsträger nur erbringen, wenn diese Leistungen nach Art und Schwere der Erkrankung erforderlich sind (§ 15 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Da die Verpflegung im Krankenhaus oder während der stationären Rehabilitation keine eigenständig zu betrachtende Leistung eines Sozialleistungsträgers darstellt, kann ihr auch kein Marktwert zugesprochen werden.

Selbst wenn die Verpflegung im Rahmen stationärer Klinikaufenthalte jedoch begrifflich als Sachleistung gewertet werden müsste, wäre sie nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a) SGB II nicht zu berücksichtigen. Denn dann würde es sich dabei um eine zweckbestimmte Einnahme handeln, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dient und die die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben die Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Die im Krankenhaus gewährte Verpflegung ist als Teil der Krankenbehandlung wie diese dazu bestimmt, die Genesung des Patienten zu fördern. Entsprechendes gilt für Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherungsträger. Die Krankenkasse und der Rentenversicherungsträger gewähren diese Leistung nicht (und dürften dies auch gar nicht), damit der Versicherte damit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die Verpflegung im Krankenhaus und in der Rehabilitationseinrichtung verbessert die materielle Situation des Hilfebedürftigen auch nicht nennenswert. Denn es liegt auf der Hand, dass während einer vorübergehenden Abwesenheit aus der Wohnung Mehrkosten entstehen können, um die Wohnung in dieser Zeit versorgen zu können (Blumengießen, regelmäßiges Lüften usw). Im Krankenhaus fallen möglicherweise zusätzliche Kosten für Rundfunk, Fernsehen und Telefon an und es ergibt sich u. U. die Notwendigkeit, zusätzliche Kleidung (z. B. Bademantel) anzuschaffen. Lebt der Hilfebedürftige mit einem Partner zusammen, können zusätzliche Kosten für Besuchsfahrten und erhöhte Aufwendungen zur Verpflegung eines Einzelhaushalts entstehen. Dass ein Krankenhausaufenthalt von weniger als sechs Monate keine wesentliche Änderung ist, zeigt auch die Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II.

Im Übrigen ergibt sich bei der Anrechnung der bei vollstationärer Behandlung erhaltenen Verpflegung als Sachleistung ein Wertungswiderspruch mit anderen gesetzlichen Bestimmungen. Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 SGB V müssen Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage einen bestimmten Betrag (derzeit gemäß § 61 Satz 2 SGB V 10 EUR je Kalendertag) an das Krankenhaus zahlen, das diesen Betrag an die Krankenkasse weiterleitet. Von dieser Zuzahlungspflicht sind auch Empfänger von Leistungen nach dem SGB II nicht generell befreit. Ihnen kommt das Gesetz nur insoweit entgegen als bei der Ermittlung der Belastungsgrenze (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB V) als (fiktive) Bruttoeinnahmen (vgl hierzu Krauskopf-Baier, SozKV § 62 SGB V Rz 29a) zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebend ist (§ 62 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Es ist aber widersprüchlich, einen bestimmten Sachverhalt - hier Verpflegung im Krankenhaus als Bestandteil der Krankenbehandlung - sowohl als einen die Zuzahlungspflicht begründenden Tatbestand als auch als Einkommen zu werten. Vergleichbares gilt bezogen auf die nach § 32 SGB VI grundsätzlich bestehende Zuzahlungspflicht zu Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, die von einem Rentenversicherungsträger durchgeführt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Da die Frage der Kürzung des Regelsatzes bei Verpflegung im Krankenhaus und in einer Rehabilitationseinrichtung von grundsätzlicher Bedeutung ist, hat der Senat die Revision zugelassen.