OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.01.2006 - 17 U 344/05
Fundstelle
openJur 2012, 66522
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag des Beklagten v. 27.12.2005 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug wird zurückgewiesen.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. November 2005 -8 O 130/05 -gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

3. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis 17. Februar 2006.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, da die beabsichtigte Prozessführung in der Berufungsinstanz keine Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 114, 115 ZPO). Der Rechtssache kommt darüber hinaus weder grundsätzliche Bedeutung zu noch bedarf es zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer anfechtbaren Entscheidung des Berufungsgerichts. Daher beabsichtigt der Senat, die Berufung des Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO zu verwerfen.I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten eine Forderung aus zwei Bürgschaftserklärungen geltend.

Der Beklagte war Gesellschafter und Geschäftsführer der A. C. M. GmbH (zukünftig: Gesellschaft). Er übernahm am 10.2.1988 eine selbstschuldnerische Bürgschaft zugunsten der Klägerin bis zum Betrag von 250.000 DM (Anlage K 1) und am 15.5.1990 eine weitere selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 300.000 DM (Anlage K 2). Beide Bürgschaften sicherten die Ansprüche der Klägerin aus ihrer Geschäftsverbindung mit der Gesellschaft. Die Klägerin, eine Bank, gewährte der Gesellschaft u.a. einen Kontokorrentkredit über 425.000 DM (Anlage K 3), der zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch mit 212.608 Euro offen war. In der Zeit vom 8.12.1999 bis 29.3.2005 sind Zinsen in Höhe von 45.184,79 Euro angefallen (Forderungsaufstellung v. 30.3.2005, Anlage K 6). Über das Vermögen der Gesellschaft war im Dezember 1999 der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Die Klägerin kündigte das Kreditverhältnis mit der Gesellschaft und nahm den Beklagten mit Schreiben v. 18.1.2000 aus der Bürgschaft in Anspruch. Die Klägerin stützt ihre Forderung in erster Linie auf die Bürgschaft aus dem Jahr 1988 und in zweiter Linie auf die Bürgschaft aus dem Jahr 1990.

Mit Schreiben vom 2.12.2004 wies die Klägerin den Beklagten unter Benennung geschuldeter Forderungen mit Bezeichnung einer Darlehensnummer, der Inkassonummer, der Kosten, der Zinsen, der Hauptforderung und der Gesamtforderung auf die drohende Verjährung zum Jahresende hin und bat ihn auf der beiliegenden Erklärung um Bestätigung einer Verjährungsverzichtserklärung wegen dessen Darlehensverpflichtungen (Anlage K 5 = B 1). Auf dem beiliegenden Erklärungsvordruck räumte die Klägerin dem Beklagten ein Widerrufsrecht (Frist zwei Wochen) ein und kündigte für den Fall des Widerrufs die unverzügliche Titulierung der Forderungen im Wege eines durch den Schuldner abzugebenden notariellen Schuldanerkenntnisses oder im Wege eines gerichtlichen Mahnbescheids an (Anlage K 6 = B 2). Der Beklagte unterzeichnete die Verzichtserklärung zunächst unter dem Datum des 23.12.2004 mit dem Zusatz "unter Aufrechterhaltung aller mir zustehenden Rechte und Einreden" (Anlage K 6 = B 2) und unterzeichnete die Erklärung ohne Einschränkung nachdem die Klägerin den Zusatz aufgenommen hatte, wonach mit der Erklärung kein Schuldanerkenntnis verbunden sei und keine neuen Rechte und Ansprüche begründet würden (Anlage K 7 = B 3). Mit Schreiben vom 3.1.2005 widerrief er diese "Verjährungszusage(n)" (Anlage B 4). Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und behauptet, der Sachbearbeiter der Klägerin habe ihm für den Ablauf des Jahres 2004 ein großzügiges Erlassangebot zugesagt, nur deshalb habe er kein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung beantragt. Außerdem sicherten die Bürgschaftserklärungen aufgrund der zeitlichen Abfolge nicht den Kontokorrentkredit. Mit Schriftsatz v. 27.10.2005 (AS I 111), der am Tag, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, (Anordnung nach § 128 ZPO, AS I 95) bei Gericht einging, behauptete der Kläger, die Hauptforderung bestehe nicht in der geltend gemachten Höhe; die Forderung betrage insgesamt 217.943 Euro.

Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung des Zeugen St. antragsgemäß stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 212.608 Euro zzgl. 45.184,79 Euro (= 257.792,79 Euro) nebst Zinsen verurteilt. Den Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz v. 27.10.2005 hat es als verspätet und im Übrigen als unerheblich zurückgewiesen. Die Bürgschaftserklärungen sicherten die geltend gemachte Forderung. Der Erlass habe sich nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Die Forderung sei nicht verjährt, da die Verjährung gehemmt gewesen sei, der Beklagte sich jedenfalls auf seine Einrede nicht berufen könne. Auf die Entscheidung des Landgerichts wird Bezug genommen (AS 121 ff.). Den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen (PKH Beiheft AS 7 ff.). Gegen letztere Entscheidung ist eine Beschwerde des Beklagten anhängig.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Der Vortrag sei zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen worden, die Forderung sei im Übrigen verjährt. Die Klägerin tritt dem Berufungsantrag entgegen.II.

Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Das Landgericht ist zu Recht vom Bestehen einer Hauptschuld in Höhe von 212.608 Euro nebst Zinsen ausgegangen. Dabei kann dahinstehen, ob der Vortrag verspätet war, denn er ist jedenfalls unbeachtlich. Die Klägerin hat die Berechnung der Hauptforderung mit der Vorlage der Aufstellung vom 30.3.2005 im Einzelnen dargelegt. Darin wird die Bürgschaftsforderung mit der Nr. 917 842 zunächst mit 228.432,59 Euro angegeben. Abgezogen werden Zahlungseingänge am 4.5.2000, am 2.11.2000, am 6.8.2000, am 16.8.2001, erneut am 16.8.2001, am 25.7.2002, am 18.12.2002 und am 22.4.2003, so dass die Summe der Hauptforderung zuletzt 212.608 Euro und die Zinsen 45.184,79 Euro betragen. Zu den genannten Daten werden zugleich die Zinsen errechnet und in der Spalte "Zinsen" aufgeführt. Wenn der Beklagte nunmehr vorträgt, die Gesamtsumme betrage nicht 257.792,79 Euro (212.608 Euro + 45.184,79 Euro), sondern 217.943 Euro ist dies ohne nähere Angaben der Berechnungsgrundlagen unsubstantiiert. Auch die Bezugnahme auf das Schreiben der Klägerin vom 24.10.2005 (Anlage B 5) ersetzt eine solche Darlegung nicht, zumal dort keinerlei Aufschlüsselung gegeben ist. Auch ist unklar, ob sich die Summe dort nicht lediglich auf die Hauptforderung bezieht.

2. Die Bürgschaftserklärungen des Beklagten vom 10.2.1988 und vom 15.5.1990 erfassen den Kontokorrentkredit der Gesellschaft (Kreditzusage v.17.10.1996). Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Bürgschaften auch zukünftige Forderungen aus der Geschäftsverbindung erfassen. Von der Hauptforderung entfallen entsprechend der Erklärung der Klägerin 127.822,97 Euro (=250.000 DM) auf die Bürgschaft v. 10.2.1988 und weitere 84.785,03 Euro auf die Bürgschaft v. 19.5.1990. Die von der Klägerin verlangten Zinsen sind als Nebenforderung zusätzlich zum Bürgschaftsbetrag zu leisten und nicht auf die Bürgschaftssumme anzurechnen (Ziff. 2 der Bürgschaftsbedingungen). Dies greift auch der Beklagte in der Berufung nicht mehr an.

3. Auf die Behauptung eines Erlasses kommt der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht zurück. Die Feststellungen des Landgerichts sind nicht angegriffen, die Beweiswürdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

4. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Bürgschaftsforderung sei verjährt. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Verjährung der Bürgschaftsforderung aufgrund der Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt war und die Verjährung des Anspruchs infolgedessen nicht vor Zustellung des Mahnbescheids eingetreten ist.

a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Bürgschaftsforderung ohne Eintritt einer Hemmung oder Unterbrechung mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt wäre. Die ursprünglich dreißigjährige Verjährungsfrist ist mit dem 1. Januar 2002 durch den Gesetzgeber auf drei Jahre verkürzt worden (§ 195 BGB n.F., Art. 229 § 6 Satz 1 EGBGB).

b) Der Ablauf der Verjährungsfrist ist jedoch durch die Verhandlung der Parteien nach § 203 BGB n.F. gehemmt worden. Nach § 203 BGB ist die Verjährung dann gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände geführt werden. Die Verjährung tritt dann frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein (§ 203 Satz 2 BGB). Der Begriff der "Verhandlung" ist weit auszulegen (BGH NJW 1983, 2075). Es genügen Erklärungen, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 203 Rn. 2). So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass selbst dann, wenn der Schuldner sich auf den Eintritt der Verjährung beruft, aber dem Gläubiger Umstände darlegt, die ihn zur Annahme der Verjährung kommen lassen, als Verhandlung gewertet wird und zur Hemmung der Verjährung führt (BGH, NJW 1997, 3447, 3448 f.; MünchKommBGB/Grothe, Ergänzungsband 1a, 4. Aufl, § 203 Rn. 5). Auch Verhandlungen über einen Verjährungsverzicht dienen -im Erfolgsfall -der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und fallen daher in den Anwendungsbereich des § 203 BGB n.F.

Die Parteien haben über einen Verjährungsverzicht verhandelt. Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 2.12.2004 um eine entsprechende Erklärung gebeten. Diese Erklärung hat der Beklagte abgeändert und unter dem Datum vom 23.12.2004 abgegeben. Diese war wiederum für die Klägerin nicht ausreichend, weshalb sie dem Beklagten eine abgeänderte Verzichtserklärung vorschlug, die der Beklagte schließlich unter dem Datum vom 28.12.2004 abgab. Damit waren die Verhandlungen beendet. Aufgrund der Verhandlungen zwischen den Parteien trat die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung und somit frühestens im Monat März 2005 ein. Es bedarf damit keiner Beurteilung, ob sich der Beklagte -wie die Klägerin in ihrer Berufungsantwort meint -treuwidrig verhält, wenn er erst am 28.12.2004 eine mit Schreiben vom 2.12.2004 geforderte Verjährungsverzichtserklärung abgibt, unmittelbar nach dem vermeintlichen Eintritt der Verjährung von einem durch die Klägerin eingeräumten Widerrufsrecht Gebrauch macht und die Klägerin damit durch den Zeitablauf um die Möglichkeit einer -im Schreiben ausdrücklich angekündigten -gerichtlichen Geltendmachung bringt. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass einem Gläubiger eine angemessene, jedoch in aller Regel kurze Übergangsfrist zur Klageerhebung zur Verfügung steht, wenn ein Schuldner zunächst auf die Einrede der Verjährung verzichtet und an diesem Verzicht später nicht mehr festhalten will (BGH, NJW 1978, 1256). Auch diese Frist wäre vorliegend nach Eingang des Widerrufsschreibens v. 3.1.2005 bei der Klägerin angesichts des Antrags auf einen gerichtlichen Mahnbescheid am 28.1.2005 nicht überschritten.

c) Die Verhandlungen betrafen auch die im Streit befindliche Bürgschaftsforderung. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dass die Bürgschaftserklärungen in den Schreiben vom 23.12. und 28.12.2004 nicht erwähnt seien, sondern dort Bezug auf Darlehensverpflichtungen des Beklagten genommen werde. Zutreffend hat dies das Landgericht als eine von den Parteien erkannte Falschbezeichnung angesehen. Der Beklagte konnte anhand der angegebenen Kontonummer ... unschwer erkennen, dass es sich um die Kreditzugsage der Klägerin gegenüber der Gesellschaft vom 17.10.1996 (Anlage K 3) und damit hinsichtlich seiner Person um die diese Kreditzusage sichernde Bürgschaftserklärungen handelt.

d) Die Zustellung des Mahnbescheids hat den durch die Verhandlung zwischen den Parteien hinausgeschobenen Verjährungsbeginn (s.o.) gehemmt, bevor die Verjährung eingetreten ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F. i.V. m. § 167 ZPO n.F.). Der Mahnbescheid, der die Forderung hinreichend individualisierte, ist dem Beklagten am 5.2.2005 zugestellt worden. Da die Zustellung "demnächst" i.S. des § 167 ZPO erfolgt ist, trat die Hemmung der Verjährung bereits mit Antragstellung und somit am 28.1.2005 ein. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klageforderung daher nicht verjährt.

Die Berufung des Beklagten hat somit keine Aussicht auf Erfolg. Prozesskostenhilfe ist ihm daher nach §§ 114, 115 ZPO zu versagen. Zugleich wird der Beklagte auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung im Wege des Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen.