LG Ellwangen, Urteil vom 09.03.2005 - 2 O 505/04
Fundstelle
openJur 2012, 66375
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die H Stiftung Studien- und Mitbestimmungsförderungswerk des DGB, H Straße ..., D, EUR 6.525,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.10.2004 zu bezahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Teilabführung von Aufsichtsratsvergütungen des Beklagten.

Der Beklagte ist Mitglied der Klägerin.

Der Beklagte wurde über die Liste der Klägerin in den Aufsichtsrat der O GmbH gewählt, dem er von Dezember 97 bis Dezember 2002 angehörte.

Nach § 3 Ziffer 4, 3. Absatz der Satzung der Klägerin (Fassung ab 01.01.00) hat ein Mitglied Einkünfte aus Mitbestimmungsfunktionen entsprechend den dazu ergangenen Richtlinien teilweise abzuführen.

Die Höhe der Abführungsbeträge ergibt sich aus der Richtlinie (Anlage 1 zu Bl. 5 d. A.). Danach haben Aufsichtsratsmitglieder von der ihnen im Kalenderjahr zugehenden Gesamtsumme der Vergütung (ohne Mehrwertsteuer) für jedes Aufsichtsratsmandat bei einem Bruttobetrag bis Euro 3.500,00 einen Betrag von 10 % und bei einem Bruttobetrag über Euro 3.500,00 von dem darüber hinausgehenden Betrag 95 % abzuführen, wobei der maximale Eigenbehalt Euro 4.600,00 beträgt.

Der Beklagte erhielt für seine Tätigkeit im Aufsichtsrat im Jahr 2002 eine Vergütung von 10.000,00 Euro.

Nach den Richtlinien wäre er zur Abführung eines Betrags von 6.525,00 Euro verpflichtet. In den vorangegangenen Jahren war eine Abführung erfolgt.

Vor seiner Wahl verpflichtete sich der Beklagte in einer schriftlichen Erklärung vom 12.03.1997, "in Kenntnis der Richtlinien für die Tantiemenabführung, die auf dem Beschluss des DGB-Bundesausschusses und den Beschlüssen der Industriegewerkschaft Metall beruhen ... diese Richtlinien nach meiner Wahl als Aufsichtsratsmitglied der O GmbH einzuhalten."

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die H Stiftung Studien- und Mitbestimmungsförderungswerk des DGB, H Straße ..., D, EUR 6.525,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Im Übrigen stellten die Regelungen in Satzung und Richtlinie keine Anspruchsgrundlage für den klägerischen Anspruch dar. Insbesondere sei die Regelung auch nichtig gem. §§ 134, 138 BGB, weil ein Missverhältnis zwischen den umfangreichen Aufgaben und Verantwortungsbereichen eines Aufsichtsratsmitglieds einerseits und der Höhe des ihm verbleibenden Entgelts andererseits vorliege. Im Einzelnen wird hinsichtlich der Ausführungen des Beklagten zur behaupteten Sittenwidrigkeit auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 30.11.04, Bl. 16 - 18 und im Schriftsatz vom 22.02.05, Bl. 27 f. verwiesen.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

1)

Die Satzung der Klägerin sowie die Richtlinie über die Abführung von Vergütungen der Klägerin ist für den Beklagten als Mitglied der Klägerin verbindlich.

Der Beklagte hat zudem in seiner Erklärung vom 12.03.1997 sich ausdrücklich verpflichtet, die Richtlinien für die Tantiemenabführung nach seiner Wahl als Aufsichtsratsmitglied einzuhalten.

Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert. Bei der Regelung in der Richtlinie, dass die abzuführenden Beträge an die H Stiftung zu überweisen sind, handelt es sich nur um eine zulässige Bestimmung eines anderen Zahlungsempfängers. Die Anspruchsinhaberschaft der Klägerin wird dadurch nicht berührt.

2)

Die Regelungen sind auch nicht nichtig gem. §§ 134, 138 BGB.

Das Gericht schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt im Urteil vom 22.08.2001, Az. 23 U 177/00 an.

Die Regelung soll verhindern, dass sich Kandidaten für den Aufsichtsrat wegen der dort gezahlten Vergütungen bewerben. Die Klausel hält auch im Übrigen einer Billigkeitskontrolle gem. § 242 BGB stand. Bis zu einem Bruttobetrag von 3.500,00 Euro ist nur ein Anteil von 10 % abzuführen, lediglich ab einem Bruttobetrag von über 3.500,00 Euro ist von dem darüber hinausgehenden Betrag 95 % abzuführen. Die Regelung ist durch den DGB eingeführt und von den Einzelgewerkschaften übernommen worden. Sie wird bereits seit vielen Jahren praktiziert. Die Wirksamkeit wurde bislang weder von der Kommentarliteratur noch von der Rechtsprechung in Frage gestellt. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die für eine Unangemessenheit der Abführungsregelung sprechen. Dem Aufsichtsratsmitglied verbleibt auf jeden Fall ein Bruttobetrag von 3.150,00 Euro sowie von dem 3.500,00 Euro übersteigenden Bruttobetrag 5 %. Ein Abzug von 10 % von 3.500,00 Euro stellt eine erträgliche Belastung dar. Auch die weitgehende Abführung der Vergütung ab einem Betrag von 3.500,00 Euro ist letztlich nicht unangemessen, da gerade hierdurch das Ziel der Gewerkschaft erreicht wird, Bewerbungen wegen rein finanzieller Interessen zu verhindern. Tatsachen für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers sind nicht vorgetragen.

Bei der Beurteilung ist weiter zu bedenken, dass hier, anders als etwa bei einseitig von Unternehmen gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die entsprechende Richtlinie auf einen Beschluss des Gewerkschaftstags beruht, somit die Gewerkschaftsmitglieder, die potenziell von der Regelung betroffen sind, die entsprechende Richtlinie selber beschlossen haben. Weiter besteht jederzeit die Möglichkeit, falls die überwiegende Anzahl der Beschlussfassenden die Meinung des Beklagten teilt, dass die Vergütungsregelungen unangemessen sind, durch einen neuen Beschluss die Vergütungsregelungen abzuändern.

Weiter ist von Belang, dass der Beklagte sich in Kenntnis der Satzungsbestimmung und der Richtlinien den Aufsichtsrat hat wählen lassen und sogar noch eine gesonderte Erklärung unterschrieben hat, nach der er sich verpflichtet hat, die entsprechenden Bestimmungen einzuhalten. Der Beklagte war daher in der Lage, vor seiner Wahl abzuwägen, ob seine künftige Tätigkeit seiner Auffassung nach ausreichend honoriert werden würde und verneinendenfalls sich nicht zur Wahl aufstellen zu lassen.

Das Gericht hat daher im Ergebnis keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelungen, so dass der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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