OLG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2006 - 13 U 229/05
Fundstelle
openJur 2012, 66098
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 31. Oktober 2005 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert der Berufung: 368.698,54 EUR

Gründe

Es geht um Schadensersatz nach § 635 BGB a.F.. Das Landgericht wies die Klage ab. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf diese Entscheidung.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, das landgerichtliche Urteil sei eine Überraschungsentscheidung und rechtlich falsch. Eine Unterscheidung zwischen Mangel und Schaden sei nicht gerechtfertigt. Der Sachverständige habe damit lediglich deutlich machen wollen, dass es noch nicht zu einer nach außen hervorgetretenen Mangelerscheinung gekommen sei. Ein Schaden im Rechtssinne liege jedoch aufgrund des Mangels vor (BGH BauR 2003, 123). Ebenso könne auf die Entscheidung OLG Köln IBR 2005, 584 verwiesen werden. Unzutreffend sei auch die weitere Überlegung des Gerichts, wonach eine Inanspruchnahme des Subunternehmers im Wege des Schadenersatzes auszuscheiden habe, wenn der Hauptunternehmer von seinem Auftraggeber nicht mehr in Anspruch genommen werden könne. Der BGH stehe auf dem Standpunkt, dass es auf eine Inanspruchnahme des Auftraggebers durch seinen Auftraggeber nicht ankomme, sondern er gegenüber seinem Auftragnehmer auch ohne eine solche Inanspruchnahme Schadensersatzansprüche geltend machen könne (BGH NJW 1977, 1819). ... (das zutreffende Zitat laute BauR 1998, 55) befasse sich mit dem Fall, dass es eine Abgeltungsvereinbarung zwischen Hauptunternehmer und Auftraggeber gebe, was vorliegend nicht der Fall sei. Es könne dem Subunternehmer, der eine mangelhafte Leistung abliefere und die Chance der Nachbesserung nicht nutze, nicht zugute kommen, dass der Auftraggeber aus unbekannten Gründen keine Mangelbeseitigung verlange. Würde man den Standpunkt des Landgerichts akzeptieren, wäre dies eine Aufforderung an Subunternehmer, Mangelbeseitigungsaufforderungen ihres Auftraggebers nicht nachzukommen. Die vom Landgericht zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt sei nicht übertragbar. Dort sei es um die Schadensersatzverpflichtung eines Architekten gegangen, der schon kein Nachbesserungsrecht habe. Das Landgericht habe weiter außer Acht gelassen, dass die Firma ... für die Klägerin nach wie vor ein interessanter Auftraggeber sei. ... ... würde sich, würde ein Mangel gerügt werden, nicht unbedingt auf die Verjährung berufen. Schließlich habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es beim Landgericht Hechingen eine Klage der Beklagten gegen die Klägerin, deren Geschäftsführer und auch gegen ... ... gebe, sodass ein Interesse an einer aufrechenbaren Gegenforderung bestehe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 368.698,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 11. Dezember 2004 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stimmt dem Urteil des Landgerichts im Ergebnis zu. Unrichtig sei es aber, soweit es Mängel feststelle. Insoweit sei ggf. ein Obergutachten einzuholen.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin den begehrten Schadensersatz nicht zugesprochen.

Ob Mängel in dem von der Klägerin behaupteten Umfang an der Werkleistung der Beklagten vorhanden sind, kann dahinstehen. Der Klägerin ist es im konkreten Fall nach Treu und Glauben verwehrt, den ihr nach § 635 BGB a.F. grundsätzlich zustehenden Schadensersatzanspruch geltend zu machen (§ 242 BGB), weil der Zedent ... ... nicht mehr von seinen Auftraggebern in Anspruch genommen werden kann und diese auch nicht von den Bauherren und den Wohnungserwerbern in Anspruch genommen werden können. In dieser Situation ist es treuwidrig, wenn die Klägerin Schadensersatz fordert, auch wenn die Werkleistung der Beklagten mangelhaft war und diese die Mangelbeseitigung zu Unrecht abgelehnt hat. Abgesehen davon, dass Ansprüche der Auftraggeber des ... ..., der Bauherren und der Wohnungserwerber verjährt sind, haben diese Mangelbeseitigungsansprüche nie geltend gemacht. Hinzu kommt, dass ... ... sein Gewerbe 1998 abgemeldet und seinen Betrieb nicht an seinen Sohn bzw. die Klägerin übergeben hat. Vor diesem Hintergrund kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie an einer guten Beziehung zur Firma ... interessiert sei und ... ... sich nicht ohne weiteres auf Verjährung berufen würde, wenn er in Anspruch genommen werden würde.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Entscheidungen des BGH vom 24.03.1977 - VII ZR 319/75 (NJW 1977, 1819) und vom 16.09.1993 - IX ZR 255/92 (NJW 1994, 49) stützen. Vorliegend ist es gerechtfertigt, diesen Entscheidungen nicht zu folgen. Ihnen lagen andere Sachverhalte zugrunde. Im ersten Fall ging es um eine Eigentumsverletzung, im zweiten um Ansprüche nach Eröffnung eines Konkursverfahrens.

Ebenso wenig kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin entscheidend darauf an, ob der in Anspruch Genommene jemals die Möglichkeit zur Mangelbeseitigung hatte. Entscheidend ist das Ergebnis, das bei der Klägerin zu einem unbilligen Vorteil führen würde, spräche man ihr den Anspruch zu. Die Klägerin muss und will den Schadensersatz, den sie von der Beklagten begehrt, nicht an die eigentlich Geschädigten weitergeben, sondern für sich behalten. Vor dem Hintergrund, dass sie, wenn auch durch Verschulden der Beklagten, ihren Auftraggebern und damit den Bauherren und Wohnungserwerbern ebenfalls eine mangelhafte Werkleistung erbracht hat, ist es nicht angezeigt, ihr Schadensersatz zuzubilligen. Insofern ist die vorliegende Situation entgegen der Auffassung der Klägerin durchaus den von ... (BauR 1998, 55, 56 und www.ibr-online.de, Stand: 03.01.2006, § 636 BGB Rn. 56) behandelten Fällen vergleichbar. Der dort vertretenen Auffassung, einen Subunternehmer nur in dem Umfang haften zu lassen, in dem der zwischengeschaltete Besteller haftet, schließt sich der Senat an.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt darin keine gesetzeswidrige Begünstigung des Mangelbeseitigung verweigernden Auftragnehmers. Wer sich in die Verjährung rettet, hat einen vom Recht gedeckten Vorteil. Ebenso ist derjenige bevorzugt, zu dessen Gunsten - wie hier durch Zeitablauf - sonstige zu berücksichtigende Umstände eintreten. Entscheidend ist, dass die Klägerin durch das Absprechen des Schadensersatzes in der Gesamtbetrachtung keinen Nachteil erleidet.

Schließlich ergibt sich nichts zu Gunsten der Klägerin aus ihrer Behauptung, das landgerichtliche Urteil sei eine Überraschungsentscheidung. Die Klägerin hat nicht dargetan, was sie bei entsprechendem Hinweis des Landgerichts noch hätte vortragen wollen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen.