OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.12.2006 - 2 Ws 284/06
Fundstelle
openJur 2012, 65514
  • Rkr:

Der erneute Lauf der Überprüfungsfristen des § 67e Abs. 2 StGB beginnt mit dem Tag, an dem das Gericht die Aussetzung der Unterbringung ablehnt. Es kommt nicht darauf an, wann die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft K. gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - K. vom 14. August 2006 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass nächster Prüfungstermin gemäß § 67e Abs.2 StGB der 19.04.2007ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Mit Urteil des Landgerichts K. vom 14.02.1995 wurde U. S. wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt; ferner wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Zuletzt ordnete das Landgericht K. mit Beschluss vom 19.04.2005 die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Untergebrachten verwarf das OLG K. - 1. Strafsenat - mit Beschluss vom 26.01.2006 als unbegründet, nachdem der Senat ein kriminalprognostisches Sachverständigengutachten eingeholt und den Untergebrachten mündlich angehört hatte.

Am 09.08.2006 beantragte die Staatsanwaltschaft K., die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung unter Hinweis auf eine erneute Stellungnahme der JVA B. abzulehnen. Mit dem angegriffenen Beschluss lehnte das Landgericht K. eine Entscheidung bezüglich der Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab, wobei es darauf verwies, dass der nächste Prüfungstermin der 26.01.2008 sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die an ihrem Antrag festhält und der Auffassung ist, dass eine Entscheidung nach § 67e StGB bereits zum 19.04.2007 veranlasst sei.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg. Zurecht hat die Strafvollstreckungskammer eine Entscheidung zu gegenwärtigen Zeitpunkt als verfrüht abgelehnt.

Hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem gemäß § 67e StGB eine erneute Überprüfung der Unterbringung veranlasst ist, weist der Senat auf folgendes hin:

Gemäß § 67e Abs.2 StGB beträgt die Prüfungsfrist bei der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung 2 Jahre. Lehnt das Gericht die Aussetzung ab, beginnt die Prüfungsfrist gemäß § 67e Abs.4 S.2 StGB mit der Entscheidung von neuem. Damit stellt die Vorschrift auf Entscheidungen ab, mit denen die Strafvollstreckungskammer oder (auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft) das Beschwerdegericht die Aussetzung der weiteren Vollstreckung zur Bewährung ablehnt. Auf die Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung kommt es nach herrschender Auffassung nicht an (OLG Hamm, NJW 1971, 949 und MDR 1976, 159; OLG Braunschweig, NJW 1975, 1847; LK-Horstkotte, 10. Auflage, § 67e Rdnr. 13; Münchner Kommentar zum StGB, § 67e Rdnr. 6; SK-Horn, § 67e Rdnr. 6), sondern auf das Datum der Entscheidung.

Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Für sie sprechen Sinn und Zweck des § 67e StGB, der dem Untergebrachten Rechtssicherheit durch Überprüfung der Unterbringungsvoraussetzungen in regelmäßigen, zeitlich eindeutig festliegenden Zeitabständen gewährleisten soll (Pollähne/Böllinger in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 67e Rdnr. 1; OLG Hamm, NJW 1971, 949). Für den Untergebrachten muss klar erkennbar sein, wann er spätestens mit einer neuen Überprüfung rechnen kann (BVerfG NJW 2004, 739,750), die dem aktuellen Stand seiner Maßregelvollzugssituation (Persönlichkeitsentwicklung, Therapieverlauf bei Unterbringung gemäß §§ 63,64 StGB, Gesundheit, Entlassungsbedingungen, Gefährlichkeit und sonstigen für die Prognoseentscheidung wichtigen Faktoren) Rechnung trägt. Auch für die Vollstreckungsbehörde muss - möglichst unabhängig davon, in welchem Oberlandesgerichtsbezirk der Untergebrachte die Maßregel verbüßt - eindeutig feststehen, wann sie die jeweils nächste Überprüfung einleiten muss. Dieser Zielsetzung widerspräche es, die Frist den Zufälligkeiten des Eintritts der Rechtskraft auszusetzen (OLG Hamm, NJW 1971, 949; LK-Horstkotte, § 67e Rdnr. 13). Die Fristen des § 67e StGB sind Mindestfristen. Käme es auf den Zeitpunkt der Rechtskraft an, würden diese Fristen wegen des mit der Durchführung eines Beschwerdeverfahrens verbundenen Zeitaufwands erheblich und im Laufe einer langen Unterbringung möglicherweise mehrfach gelockert und damit im Ergebnis verlängert. Zwar ist dem Landgericht zuzugeben, dass im vorliegenden Falle der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 26.01.2006 eine eigene Anhörung des Untergebrachten und ein vom Senat eingeholtes aktuelles psychiatrisches Sachverständigengutachten zugrunde lagen, so dass der Untergebrachte im konkreten Fall keinen Nachteil erleiden würde, begänne die Frist mit dem Tag, an dem die Entscheidung des Senats erlassen wurde. Indessen entspricht diese Verfahrensweise nicht der Regel und rechtfertigt deshalb keine andere Beurteilung der dem Senat mit der sofortigen Beschwerde unterbreiteten Frage, die der Klärung über den vorliegenden Einzelfall hinaus bedarf. Denn unbeschadet des Umstandes, dass das Beschwerdegericht gemäß § 67e StGB ergangene Entscheidungen auf eine sofortige Beschwerde unbeschränkt und umfassend nachzuprüfen hat, werden die Beschwerdeentscheidungen regelmäßig ohne persönliche Anhörung des Untergebrachten auf der gleichen und ausreichend aktuellen Tatsachenbasis getroffen, die auch der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zugrunde gelegen hat.

Die Prüfungsfrist des § 67e Abs.4 S.2 StGB begann daher hier mit der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zu laufen. Somit ist nächster Prüfungstermin der 19.04.2007 .

Da weder der Untergebrachte noch die Vollstreckungsbehörde die Aussetzung der Maßregelvollstreckung beantragt haben (LK-Horstkotte, § 67e Rdnr. 9), hat das Landgericht im Hinblick auf die noch nicht abgelaufene Prüfungsfrist zurecht eine Entscheidung bezüglich der Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgelehnt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1 StPO.