ArbG Lörrach, Beschluss vom 15.04.2005 - 5 BV 3/01
Fundstelle
openJur 2012, 65002
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Spruches der Einigungsstelle zu Arbeitszeitfragen.

Der Antragsteller ist ein Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes. Unter anderem - hier allein von Interesse - betreibt er den Rettungsdienst im Landkreis .... . Hierzu unterhält der Antragsteller mehrere Rettungswachen, teils rund um die Uhr, teils nur zu bestimmten Zeiten besetzt. Der Antragsgegner /Bet. zu 2. ist der im Betrieb des Antragstellers gebildete Betriebsrat.

Der Antragsteller hat mit seinen Arbeitnehmern jedenfalls in den Arbeitsverträgen die Anwendbarkeit der für den Bereich des Deutschen Roten Kreuzes geltenden Tarifverträge vereinbart. Nach § 14 Abs. 1 DRKTV beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden. Bei Vorliegen von sog. Arbeitsbereitschaft in bestimmten Umfängen ist gem. § 14 Abs. 2 DRK-TV eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit möglich. Zwischen den Beteiligten ist außer Streit, dass jedenfalls die Voraussetzungen einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit nach § 14 Abs. 2 lit. b) DRK-TV, mithin auf 49 Wochenstunden, vorliegen. Der Arbeitgeber begehrte an sich die Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 54 Stunden.

Nachdem zwischen den Betriebspartnern keine Einigung über Arbeitszeitfragen erzielt werden konnte, fasste die eingerichtete Einigungsstelle am 4.12.2001 einen Spruch, der -auszugsweise- lautet:

§ 1 Geltungsbereich Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter des Rettungsdienstes.

§ 2 Regelungsgegenstand Inhalt der Betriebsvereinbarung ist der anliegende Rahmendienstplan vom 04.12.2001 nebst den zugrunde liegenden Schichtmodellen sowie der entsprechenden Schichtlegende einschließlich der Mustermitarbeiterlisten.

§ 3 In Kraft Treten Die Betriebsvereinbarung tritt am 01.01.2002 in Kraft.

Der Spruch enthält einen umfangreichen Rahmendienstplan. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die zur Akte gereichten Kopien verwiesen (Abl. 5-33). In der schriftlichen Begründung des Spruchs (s. Abl. 4) wird ausgeführt, die der Betriebsvereinbarung zu Grunde zu legende Arbeitszeit sei nicht mitbestimmungspflichtig, insoweit sei auf Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993 und auf die Entscheidung des EuGH vom 03.10.2000 - C 303/98-hinzuweisen, wonach die durchschnittliche Höchstarbeitszeit in der Sieben-Tage-Woche bei einem Bezugsrahmen (Ausgleichszeitraum) von vier Monaten bzw. nach Art. 17 Abs. 4 der o.g. Richtlinie von max. zwölf Monaten (vorliegend : 26 Wochen nach § 14 Abs. 1 DRK-TV) 48 Stunden inkl. Überstunden betrage. Im Hinblick auf die materielle Gesetzeswirkung einer Betriebsvereinbarung und der damit gebotenen Beachtung höherrangigen Rechts, wozu insbesondere die o.g. Richtlinie gehöre, könne die mitbestimmungspflichtige Dienstplangestaltung nur auf der mitbestimmungsfreien Grundlage einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden inkl. Überstunden bei einem Ausgleichszeitraum von 26 Wochen erfolgen.

Dieser Spruch der Einigungsstelle wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 14.12.2001 zugestellt. Gegen die Wirksamkeit des Spruchs richtet sich der am 24.12.2001 beim Arbeitsgericht eingegangene Antrag. Der Antragsteller hält den Spruch für unwirksam, weil die Arbeitszeitverlängerung nicht mitbestimmungspflichtig sei, vielmehr allein dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Insoweit sei die Einigungsstelle daher nicht zuständig gewesen. Neben diesem Rechtsmangel sei der Spruch auch wegen Ermessensüberschreitung unwirksam. Im Spruch gehe die Einigungsstelle von einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden aus. Damit werde auch der Ermessensspielraum überschritten.

Der Antragsteller beantragt:

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 4. Dezember 2001 unwirksam ist.

Der Antragsgegner beantragt:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Einigungsstelle habe gar nicht über die Verlängerung der Arbeitszeit entschieden. Regelungsgegenstand des Spruchs sei allein der Rahmendienstplan sowie die dem zu Grunde liegenden Schichtmodelle. Dieser Rahmendienstplan dürfe sich nur im Rahmen des geltenden Rechts, hier des Arbeitszeitrechts, bewegen. Hierbei habe die Einigungsstelle zwingendes höherrangiges Recht zu Grunde gelegt. Insbesondere sei die EU-Richtlinie zu berücksichtigen gewesen, nach deren Vorschriften die Arbeitszeit maximal wöchentlich 48 Stunden betragen dürfe und zwar einschließlich Zeiten der sog. Arbeitsbereitschaft. Wenn diese Richtlinie auch im Verhältnis der Betriebspartner keine unmittelbare Wirkung habe, so gelte auch für private Arbeitgeber, dass der nationale Richter und auch die zur Gesetzeseinhaltung verpflichtete Einigungsstelle durch die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts unmittelbar gebunden seien. Daraus ergebe sich eine mittelbare Wirkung von Gemeinschaftsrecht auch in Betrieben privater Arbeitgeber. Bei europarechtskonformer Auslegung des deutschen Arbeitszeitgesetzes und der Bestimmungen des § 14 DRK-TV ergebe sich, dass eine Höchstarbeitszeit von wöchentlich 48 Stunden im Durchschnitt unbedingt habe eingehalten werden müssen. Hieran habe sich die Einigungsstelle gehalten. Es könne daher weder von einer Rechtsverletzung noch einem Ermessensfehler der Einigungsstelle die Rede sein.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze mitsamt Anlagen (Abl. 1-33, 37-38, 53-61, 86-90) Bezug genommen. Das Verfahren ruhte einige Zeit, nachdem in vor derselben Kammer anhängigen Individualrechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und dem Antragsteller zur Auslegung der Richtlinie 93/104/EG der Europäische Gerichtshof angerufen worden war.B.

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Einigungsstelle hat nicht unmittelbar über den Umfang der Wochenarbeitszeit entschieden. Damit ist sie nicht außerhalb des Bereichs der erzwingbaren Mitbestimmung tätig geworden. Ermessensfehler bei Erstellung des Rahmendienstplans, mithin des Spruchs, sind weder dargetan noch ersichtlich.I.

Der Antrag des Arbeitgebers ist zulässig.

Das Feststellungsbegehren ist die zutreffende Antragsart, weil die Entscheidung eines Gerichts über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle feststellende, nicht aber gestaltende Wirkung einer Aufhebung des Spruchs hat (Nachweise bei BAG 22.7.2003 - 1 ABR 28/02 - AP Nr. 108 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, unter B.II.1. der Gründe).II.

Der Antrag ist unbegründet. Der Antragsteller stützt die Unwirksamkeit des angegriffenen Spruchs der Einigungsstelle ausschließlich darauf, die Einigungsstelle habe die Wochenarbeitszeit unzulässigerweise auf 48 Stunden begrenzt. Eine solche Entscheidung hat die Einigungsstelle jedoch nicht getroffen (dazu 1.). Der Spruch ist auch im übrigen nicht ermessensfehlerhaft (dazu 2.).

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt die Lage der Arbeitszeit der Arbeitnehmer einschließlich der Lage der Pausen der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats. Nicht erfasst von diesem Mitbestimmungstatbestand wird der Umfang der Wochenarbeitszeit. Dieser ergibt sich vielmehr aus anderen Regelungen (Arbeitsvertrag, ggf. anwendbarer Tarifvertrag), hier aus § 14 Abs. 2 DRK-TV, der kraft Vereinbarung in den Arbeitsverträgen für die Arbeitnehmer des Beklagten anzuwenden ist. Indes hat die Einigungsstelle zum Umfang der Wochenarbeitszeit keine Entscheidung getroffen. Dies gilt auch, wenn sich aus der Regelung der Lage der Arbeitszeit mittelbar der Umfang der Wochenarbeitszeit errechnen lässt, indem die Schichtzeiten je Mitarbeiter ggf. über einen längeren Zeitraum zusammengerechnet werden. Das liegt in der Natur der Regelung und gibt nichts her für die Annahme, die Einigungsstelle habe über den Umfang der Wochenarbeitszeit entschieden. Die Einigungsstelle hat vielmehr lediglich einen Rahmendienstplan erstellt. Dass sie hierbei von einer Begrenzung der Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden ausging, ergibt sich allein aus der Begründung des Spruchs. Es kommt aber nicht darauf an, auf Grund welcher Tatsachen und Annahmen die Einigungsstelle zu ihrem Spruch gekommen ist und ob die dem Spruch zu Grunde liegenden Erwägungen folgerichtig und vollständig sind. Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt nur die von der Einigungsstelle getroffene Regelung als solche, nicht die hierfür maßgeblichen Erwägungen der Einigungsstelle (BAG 22.7.2003 - 1 ABR 28/02 - aaO., unter B.II.3.b. der Gründe mit weiteren Nachweisen). Ein etwaiger Rechtsfehler, der die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle begründen könnte, kann daher nicht darin liegen, dass die Einigungsstelle in ihren Erwägungen zur Erstellung des Dienstplans von einem Umfang der Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ausgegangen sein mag. Dem Dienstplan selbst haftet ein solcher - etwaiger - Rechtsfehler nicht an. Das entspricht der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. In der Entscheidung vom 22.7.2003 (-1 ABR 28/02 - aaO.) sah das Bundesarbeitsgericht dies ebenso. Etwaige andere Rechtsfehler macht der Antragsteller nicht geltend.

2. Die Unwirksamkeit des Spruchs ergibt sich auch nicht daraus, dass der Rahmendienstplan von einer Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden, mithin von einer - streitigen -Wochenarbeitszeit ausgeht. Der Spruch ist nicht allein deshalb ermessensfehlerhaft nach § 76 Abs. 5 BetrVG. Auch insoweit kommt es nicht auf die Richtigkeit der dem Spruch zu Grunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Annahmen und Erwägungen an (BAG aaO.). Ob die Einigungsstelle die ihr gezogenen Ermessensgrenzen beachtet hat, ist vielmehr für jede einzelne Bestimmung ausschließlich anhand ihres konkreten Regelungsinhalts zu beurteilen (BAG aaO. unter B.II.3.b. der Gründe). Bei Anwendung dieses Grundsatzes, also bei Betrachtung der Regelungen im Rahmendienstplan mitsamt Anlagen, ist kein Anhaltspunkt für eine Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle ersichtlich. Die Beteiligten haben insoweit auch nichts dargetan; hierüber besteht auch kein Streit zwischen den Beteiligten; der Dienstplan entspricht vielmehr den Bedürfnissen von Arbeitgeber und Belegschaft. Unterschiedliche Ansichten bestehen zwischen den Beteiligten allein über die Frage des Umfangs der Wochenarbeitszeit. Das aber führt aus den dargelegten Gründen nicht zur Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle. Der Antrag war daher zurückzuweisen.C.

Die Entscheidung ist gerichtskostenfrei, §§ 12 Abs. 5 ArbGG a.F., § 2 Abs. 2 GKG n.F. in Verbindung mit § 2 a Abs. 1 ArbGG.